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Handlungsorientierte Prüfungen. Konzept und Umsetzung 1. Arbeitssitzung 2009 von TTnetDE Bonn – 18. und 19. März 2009 Dr. Hans-Joachim Müller Tech. Uni. Kaiserslautern Hans-Joachim.Mueller@sowi.uni-kl.de. Hans-Joachim Müller. Handlungsorientiertes Prüfungskonzept. Themen:
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Handlungsorientierte Prüfungen Konzept und Umsetzung 1. Arbeitssitzung 2009 von TTnetDE Bonn – 18. und 19. März 2009 Dr. Hans-Joachim Müller Tech. Uni. Kaiserslautern Hans-Joachim.Mueller@sowi.uni-kl.de Hans-Joachim Müller
Handlungsorientiertes Prüfungskonzept • Themen: • Anstöße und Triebkräfte • Konzept der handlungsorientierten Prüfung • Umsetzung der handlungsorientierten Prüfung • Offene Fragen, weiterführende Perspektiven
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptAnstöße und Triebkräfte-1 • Arbeitsorganisation: • Wandel der funktions- zur prozessorientierte Arbeitsorganisation als Bezugsrahmen für Facharbeit konfrontiert mit den komplexen An-forderungen das fachübergreifender Arbeitsaufgaben. • Erweiterter, ganzheitlicher (Berufs-) Fähigkeitsbegriff: • Prüfungen sollen nicht nur über das Wissen von Probanden Auskunft geben, sondern auch darüber wie professionell er/ sie die komplexen Anforderungen einer Aufgabe in einem spezifischen Anwendungszusammenhang bewältigt, d.h. die „Selbständige Handlungskompetenz“. • (vgl.: u.a. Rauner 2007, S.140; Haasler 2007 S.197) • , • Bedeutungsgewinn des Arbeitsprozesswissen: • situativ-praktisches, subjektiv-erfahrungsbezoges handlungs-anleitendes, handlungserklärendes und handlungsrefektierendes implizites Wissen, um divergierende Anforderungen zu bearbeiten. • (Polanyi, 1985, Neuweg 1999, Fortmüller 1996; Röben 2001; Fischer/ Rauner 2002; Rauner 2007)
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptAnstöße und Triebkräfte-2 • Outcome-Orientierung • Im Europäischen Bildungsraum werden Lernangebote und Abschlüsse in Form von „Lernergebnissen“ (Kenntnisse, Fertigkeiten, Kompetenzen) „lesbar“ gemacht: z.B. Europäischer Qualifikationsrahmen (z.B.: EQF-2008) • Etabliertes Prüfungswesen • Defizite: Verwertungspraxis, Arbeitsprozesswissen, träges Wissen („Eunuchen-Problem“), usw. – weil Prüfungen auf deklaratives Faktenwissen konzentriert sind. • (Haasler 2007, 195, Mandl, Gruber, Renkl 1993; Wahl 2005, S.9) • Fazit: Schere zwischen den Anforderungen von Prüfungen einerseits und den betrieblichen Anforderungen öffnet sich immer weiter.
Handlungsorientiertes Prüfungskonzept • Welche Funktionen sollen Prüfungen grundsätzlich erfüllen? • Bestandsaufnahme: • Auskunft über den Grad der aktuellen Leistungsfähigkeit, d.h. ob Lernende am Ende eines Lernprozesses den Herausforderungen bestimmter Aufgaben bzw. Berufe mit den damit verbundenen komplexen Anforderungen gewachsen ist und diese souverän bewältigen kann, z.B. Berufsfähigkeit • Prognose: • Auskunft über den Grad der Souveränität mit der Lernende die zukünftigen - und sich verändernden - Anforderungen bestimmter Aufgaben bzw. Berufe bewältigen werden.
Handlungsorientiertes Prüfungskonzept: • Leitprinzip: Kompetenzorientierung • = Nachweis der selbständigen beruflichen Handlungsfähigkeit – statt Reproduktion von fachsystematischem „Lehrbuch-wissen“. • Sub-Prinzipien: • Verwertbarkeit: Theoretisch informierte Bearbeitung berufstypischer Aufgaben – statt der fachliche Versiertheit. • Praxisbezug: Berufliche Handlungsfelder als curriculare Bezugsbasis – statt Bezugsdisziplinen und Schulfächer. • Handlungssystematik: Fachwissen wird in die Bearbeitung komplexer betrieblicher Situationen integriert. • Individualität der Prüfungsleistung: Entwicklung eigen-ständiger Lösungen und erfahrungsbasierter Umsetzungs-vorschläge – statt auswendig gelernte, vorgefertigte Lösungen.
Leitprinzip: KompetenzorientierungWie können Kompetenzen definiert werden? • Aktuelles Kompetenz-Verständnis: • „Dispositionen selbstorganisierten Handelns“ d.h. Möglichkeiten… • … betonen Potentialität der Resultate von Ausbildung und Qualifizierung; • … im spezifischen Kontext und einer konkreten Anforderungssituation; • … folgen der Logik der „Selbstregulation“; • … nur in ihrer Anwendung „Performanz“ zu erkennen • … müssen dazu in einem Anwendungszusammenhang (als Geflecht realer • betrieblicher Prozesse) situiert werden; • … erklären sich aus dem Konstrukt der „Selbstwirksamkeit“ („Self-efficacy“) • als zentrale Triebkraft; • … realisieren sich emotionsgebunden, d.h. subjektive Primärkonstruktionen • bestimmen ihre Aneignung und Performanz. • (Decy/ Ryan 1993; Damasio 1997; Bandura 1999; Renner/Schwarzer 2000, S.25-50, Jerusalem/ Hopf 2002; • Boekaerts 2002; Röben 2001; Erpenbeck/ Rosenstiel 2003; Chiompi 2003; Arnold 2007; Rauner 2007, S.140) • Aktuelles EU-Verständnis: „proven/ demonstratet abilities/ capacities“
Berufsfähigkeit als Beschreibung verschiedener Facetten beruflicher Handlungskompetenz • Konstrukt „Berufsfähigkeit“ umfasst Kompetenz-Facetten wie: • Wissens-Basis (knowledge-base): • … aus explizitem Basis- und Überblicks- bzw. Orientierungswissen • 2. Arbeitsprozesswissen • als implizites: situativ-praktisches, subjektiv-erfahrungsbezoges handlungsanleitendes, handlungserklärendes und handlungsrefektierendes Wissen, welches erst in den letzten Jahren als maßgebliche Facette für ein berufliches Handeln erkannt wurde (Haasler 2007, 195) und das ein überschauendes reflexives Denken in den Zu-sammenhängen mehrer Fachgebiete und übergeordneter Arbeits- und Geschäfts-prozesse einschließt. • 3. Fähigkeiten … • … zur selbständigen Bearbeitung praktischer Aufgaben - und dabei gleichzeitig divergierende Anforderungen an den Arbeitsprozess und das Arbeitsergebnis zu erfüllen (Rauner 2007, 251) • … Zur Mitgestaltung der Arbeit in sozialer und ökologischer Verantwortung (KMK 1991, 1996; Rauner 2007, 242) • … zur Übernahme der Verantwortung für die Qualität der Arbeitsergebnisse und zur Optimierung der Prozesse (KVP) in den Wertschöpfungsketten Arbeitswelt. (vgl.: Rauner 2007, 242ff.; EQF-2008)
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptLeitprinzip: Kompetenzorientierung • Grundsätzliche Anforderung der Kompetenzdiagnostik: • Wenn eine Prüfung eine valide und verlässliche Bestandsaufnahme und Prognose über die souveräne Bewältigung der Anforderungen einer komplexen Aufgabe ( bzw. der Herausforderungen eines Berufs, d.h. die „Berufsfähigkeit“), liefern soll, … • … dann sollten zum Nachweis der Verwertbarkeit die dafür notwendigen Kompetenzen prinzipiell immer auch praktisch und handlungsfeldnah, • … d.h. in exemplarischen Verwendungskontexten bei der Bearbeitung möglichst konkreter Aufgaben in realen Arbeitsprozessen überprüft werden. • (Garfinkel 1986; Haasler 2007, 197, 216; Rauner/ Haasler/ Heinemann/ Grollmann 2008, 19) • Begründung: Performanz-Bedingung von Kompetenzen • (Erpenbeck/ von Rosenstiel 2003, S.X – XI)
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptLeitprinzip: Kompetenzorientierung • Verwertbarkeit: Kritischer Parameter der Performanz von Kompetenzen • Zentrale Frage: • Wie kann die Performance als die Fähigkeit zur Verwertung selbständiger (beruflicher) Handlungskompetenzen in (berufs-) typischen Verwendungssituationen • modelliert, beschrieben und • abgeprüft • werden?
Wie können berufliche Handlungskompetenzen modelliert und beschrieben werden? • Lösungsalternativen: Kompetenzen können modelliert/ beschreiben werden • anhand … • … ihrer „knowledge base“, d.h. des „enthaltenen Wissens“ • Aber: Fachliche Versiertheit ist keine hinreichend Voraussetzung für berufliche Könnerschaft • (Ryle 1969; Neuweg 1998; Rauner/ Bremer 2004). • 2. … von Lernzielen • Aber: Überwiegend kognitive Ausrichtung der verwendeten Beschreibungskategorien verstellt den Blick auf nicht-kognitive Kompetenzfacetten (z.B.: Haltungen), die erst in der Situiertheit der Arbeit im Geflecht realer Aufgabenzusammenhänge (z.B. betrieblicher Prozesse) ihre Bedeutung erhalten. • 3. … (berufs-) typischen, d.h. praktisch relevanten Aufgaben • Vorteil: Reale Komplexität und die Breite des Anforderungsspektrums von (berufs-) typischen Verwendungssituationen können erfahrungsnah abgebildet und konkret bearbeitet/ simuliert werden - denn Kompetenzen zeigen sich nur indirekt im kontextgebundenen Handeln • (Wahl 2005; Rauner/ Bremer 2004; Haasler 2007, 197, 216).
Wenn Kompetenzen … … nur indirekt im kontextge-bundenen Handeln, d.h. beim Bearbeiten konkreter Aufgaben sichtbar werden und erfasst werden können… …dann können im Unkehr-schluss diese Kompetenzen … durch diejenigen Aufgaben beschrieben werden, bei deren Bearbeitung diese Kompetenzen sichtbar und damit erfassbar werden. Basis-Annahme des handlungsorientierten Prüfungskonzepts
Kompetenzen … … werden hinsichtlich ihrer verschiedenen Anforderungs-Facetten modelliert und beschrieben in Form von … Aufgaben, … … die hinsichtlich ihrer verschiedenen anfor-derungsrelevanten Beschreibungsmerk-male (z.B.: Bestand-teile, Qualitätskriterien usw.) beschrieben werden. Basis-Annahme des handlungsorientierten Prüfungskonzepts:Indikatorisierung abstrakter Kompetenzen als konkrete Aufgaben
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptModellierung von Handlungskompetenzen • Kernfrage: • Wenn (berufliche) Handlungskompetenzen anhand charakteristische Aufgaben „modelliert“ werden können, anhand welcher Kategorien sollten dann diese charakteristischen Aufgaben beschrieben werden? • Methoden-Problem in der Berufsbildung: • Überwiegend prozessorientierte Arbeitsorganisation in den Unternehmen verhindert ein funktional-arbeitsanalytisches Zerlegen der komplexen Aufgaben. • Lösung: • Umweg über die Vorstufe des „Entschlüsselns“ betrieblicher Arbeits- und Geschäftsprozesse (AGP), d.h. der anforderungsrelevanten Beschreibung der Abfolgen von Arbeitsaufgaben der Wertschöp-fungsketten.
Handlungsorientiertes Prüfungskonzept • Wie, anhand welcher Kategorien können AGP hinsichtlich der zu ihrer sachgerechten Bearbeitung erforderlichen Kompetenzen „entschlüsselt“ werden? • Ein Lösungsweg: Ausdifferenzierung der AGP mit den Kategorien der berufswissenschaftlichen Qualifikationsforschung in zwei Schritten: • Ausdifferenzieren der Wertschöpfungsketten (z.B. Abfolgen von Arbeitsaufgaben) • Ausdifferenzieren der Arbeitsaufgaben hinsichtlich ihrer anforderungsrelevanten Bestandteile und Relationen.
Kategorien zur Erfassung von beruflichen Referenzprozessen • 1. Schritt: Welche Kategorien ermöglichen es, die kompetenzrelevanten Aufgabenabfolgen zu identifizieren und zu entschlüsseln? • 1. Gegenstand des Unternehmens • 2. Betrieblicher Arbeits- u. Geschäftsprozess (AGP) • Kern-Prozesse • Sub-Prozesse: (Support- bzw. Supply-Prozesse) • 3. Referenz-Prozess • Abfolge der Arbeitsaufgaben des AGP (betriebsspezifische Wertschöpfungskette, didaktisch reduziert) • Arbeitsaufträge/ Teilaufgaben (berufstypische Tätigkeiten, die eine betriebliche Fachkraft tatsächlich ausführt, didaktisch reduziert) • Themen/ Qualifikationen (der Ausbildungsordnung/Lernfelder, die mit den betriebsspezifischen AGP verknüpft werden können: technikneutral) • Ausbildungsinhalte (Kern-Wissen, das aus den betrieblichen AGP abgeleitet werden kann) • Mögliche Produkte/ Lern-Aufgaben (deren Bearbeitung die Entwicklung von Kompetenzen der Azubis herausfordern) • (Beispiel: Kategorien des Entschlüsslungs-Tools - BIBB-Projekt: Umsetzung der Prozessorientierten Berufsbildung ... 2009)
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptBeschreibungskategorien von Aufgaben • 2. Schritt: Welche Beschreibungs-Kategorien ermöglichen es, die anforderungsrelevanten Aufgabenbestandteile zu erfassen? • Berufscharakteristische Bezeichnung der Aufgabe • Übergeordnete Betriebsfunktionen: Arbeits- und Geschäftsprozesse • Szenario: berufstypische Standardsituation • Ereignis, das einen berufstypischen Arbeitsauftrag auslöst • berufstypischer Arbeitsauftrag an einen Berufsträger: Meister • Erwartete Arbeitsergebnisse: Endprodukte • Funktionsrelevante Bestandteile/ Qualitätsmerkmale der Endprodukte • Kooperations- und Koordinationsbeziehungen der Aufgabe • Vorprodukte: Materiell und Informationell • Arbeitsmittel: Anlagen, Werkzeuge usw. • Phasen im sechsstufigen Handlungsbogen des Modells der vollständigen Handlung • Idealtypische Arbeitsschritte des sachgerechten Bearbeitungsablaufs der Aufgabe • Beschreibung der Arbeitsschritte anhand von Vorprodukten, leistungserstellenden Handlungen, Zwischen- bzw. Endprodukten und Arbeitsmitteln. • (Quellen: Berufswissenschaftliche Qualifikationsforschung, z.B.: Fischer/ Rauner: Lermfeld: Arbeitsprozess, 2002: Müller 2006, S.120f.)
Auswahl geeigneter Prüfungsformen • Unter Berücksichtigung der • Vorgaben des Gesetzgebers und den • aktuellen Rahmenbedingungen • in stellt sich deshalb die Frage: • Wie lässt sich beruflichen Können aus-bildungsfördernd und anwendungs-bezogen überprüfen?
Welche Prüfungsformen erscheinen geeignet?Kriterium: Validität der Performanz beruflicher Handlungsfähigkeit • Wenn … • eine Kompetenz nur im Moment ihrer Anwendung sichtbar wird und damit nur indirekt über die Beobachtung kompetenten Handelns und seiner Arbeitsergebnisse beobachtbar und erfassbar ist … • … dann … • sollten zur Kompetenzdiagnose bevorzugt solche Prüfungs-formen ausgewählt werden, die in einer praktischen Prüfung die Bearbeitung (berufs-) typischer Aufgaben vorsehen. • Begründung: Performanz-Bedingung von Kompetenzen • (Erperbeck/ Rosenstiel 2003, S.X-XI)
Stärken: hoher Praxisbezug: Einzige Prüfungsform, bei der Berufsfähigkeit auch in realen Arbeitszusammenhängen überprüft wird. hohe Validität zu beruflichem Können: Situiertheit beruflichen Handelns: Können erweist sich „erst im Geflecht realer betrieblicher Prozesse“ (Rauner 07, 240, 257) Domänenspezifisch Lassen die Ausrichtung der Prüfung auf betriebsspezi-fische Anforderungen des „Anwendungsgebiets“ zu. Schwächen: Hoher Prüfungsaufwand: Lange Bearbeitungszeiten (6 - 21 Std.) bilden eine kaum überwindbare Hürde für zeitliche repräsentative Erfassung des Kompetenz-Grads des gezeigten Handelns. oft fehlen materiale Arbeitsergebnisse weder Arbeitsergebnis noch Dokumentation mit praxis- bzw. aufgabenspezifischen Unterlagen bietet eine hinreichend valide Bewertungsgrundlage. Überwertigkeit der Präsentation Nichtbewertung der Dokumentation macht Präsentation zum eigentlichen Prüfungsgegenstand. Befürchtung: Bei auftragsbezogener Prüfung, verkommt Prüfen zur Präsentation – Fachlichkeit bleibt auf der Strecke. (Rauner 07, 238) Bewertungs-Gerechtigkeit Unterschiedliche Ausgangsbedingungen in den Ausbild-ungsbetrieben und Schwierigkeitsniveaus der betrieb-lichen Aufträge Spezifische Leistungsfähigkeit Prüfungsformen1. Praktische Prüfungen: „betrieblicher Auftrag“
Stärken: Breites Anforderungsspektrum Intelligent konstruierte Aufgaben ermöglicht Auswahl und Vielfalt der abgeprüften Kompetenzfacetten. Universalität: Aufgaben können von Probanden unterschiedlicher Betriebe und Branchen bearbeitet werden. Kompetenz-Orientierung Praktische Aufgaben können besonders relevante und (berufs-) typische Aufgaben abbilden. Schwächen: Situierung und Praxisbezug Simulation der „impliziten Dimensionen“ des „Geflechts realer betrieblicher Prozesse“ repräsentieren keine berufliche Praxis. Dies schränkt Erweisbarkeit der beruflichen Könnens ein. (Rauner 07, 240) Schlüsselqualifikationen Individualkompetenzen (Verantwortlichkeit, Stetigkeit, Verlässlichkeit) bleiben bei punktueller Simulationweitgehend ausge-blendet. (Rauner 07, 240, 257) Praktikabilität Bearbeitungszeiten (7 - 14 Std.) erfordern hohen zeitlichen Prüfungsaufwand für eine repräsentative Erfassung des Kompetenz-grads des Handelns der Probanden. Spezifische Leistungsfähigkeit von Prüfungsformen1. Praktische Prüfungen: „praktische Aufgabe“
Stärken: Breites Anforderungsspektrum Intelligent konstruierte Aufgaben ermöglicht Auswahl und Vielfalt der abgeprüften Kompetenzfacetten. Universalität: Aufgaben können von Probanden unterschiedlicher betriebe und Branchen bearbeitet werden. Kompetenz-Orientierung Praktische Aufgaben können besonders relevante und (berufs-) typische Aufgaben abbilden: Einsatzgebiet/ Fachbereich der Probanden Praxisgerechtigkeit Soweit Aufgaben aus den Referenzprozessen entnommen werden können. Ausbildung fördernde Prüfungspraxis Kompetenz wird weiterentwickelt Schwächen: fehlende Situiertheit Anwendungszusammenhang kann nur simuliert werden. unzureichende Kontextualisierung „implizite Dimensionen“ (Rauner 07, 140) der Situiertheit beruflichen Könnens nicht überprüfbar. Praktikabilität Zu enge zeitliche Vorgaben für Bearbeitung zu eng Zeitlichen Steuerung der Prüfung kollidiert zu häufig mit der Auftragslage in KMU`s Erfundene Projekte oft nicht repräsentativ zur Erfassung des Kompetenzgrads des Handelns der Probanden. Echtheit und Funktionstüchtigkeit der Lösungen sind oft nicht verifizierbar. (Rauner 07, 250; Ebbinghaus 2004) Spezifische Leistungsfähigkeit Prüfungsformen1. Praktische Prüfungen: „betriebliche Projektarbeit“
Spezifische Leistungsfähigkeit praktischer Prüfungsformen • Fazit: • Trotz ihrer • Nähe zum beruflichen Handlungsfeld und der Arbeitspraxis und ihrer • hohen Inhalts- und Struktur-Identität mit den dort bearbeiteten beruflichen Aufgaben … • … stellen sich praktischen Prüfungsformen kaum überwindbare Hürden (Praktikabilität, Zeitauf-wand, usw.) in den Weg. • Dadurch erscheinen sie als favorisierte Prüfungs-form in vielen Fällen als wenig bzw. kaum praktikabel.
Handlungsorientiertes PrüfungskonzeptUmsetzung des Leitprinzips „Kompetenzorientierung“ in schriftlichen Prüfungen • Wenn das Konstrukt „Kompetenz“ selbst in einer konkreten Arbeitshandlung im realen Geflecht betrieblicher Prozesse der beruflichen Arbeitspraxis oft nicht oder nur unzureichend bewertet werden kann, ... • ... dann stellt sich die Frage nach ergänzen/ alternativen Prüfungsformen: • Wie kann Kompetenz so in schriftliche Prüfungen didaktisch transferiert werden, • dass durch die geforderte Prüfungsleistung die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Probanden hinsichtlich dieser Kompetenz möglichst facettenreich erfasst und • in Form einigermaßen objektiv überprüfbarer Arbeitsergeb-nisse material dokumentiert, graduell bewertet werden kann?
2. Basis-Annahme des handlungsorientierten Prüfungskonzepts • Dazu bedarf es eines didaktischen Konstrukts, welches die in einer Prüfung nicht realisierbaren Aufgaben der Praxis auf eine Weise simuliert, dass die Arbeitsergebnisse ein möglichst valides, zuverlässiges und objektiv bewertbares Abbild der Kompetenz liefern. • Eine mögliche Lösung: • Erweiterung der 1.Basis-Annahme handlungsorientierter Prüfungen um eine zweite didaktische Spiegelung: • Die als „Aufgaben“ indikatorisierten Kompetenzen werden wiederum in Form der Arbeitsergebnisse dieser Aufgaben, d.h. als „Produkte“ indikatorisiert, die den Prozess und die Ergebnisse kompetenten Handelns überprüfbar dokumentieren: • Kompetenz = Aufgabe = Produkt
Handlungsorientierte Prüfungen Leit-Prinzip: Kompetenzorientierung • Die erweiterte Basis-Annahme handlungsorientierter Prüfungen lautet dann: • Wenn eine Kompetenz durch eine Aufgabe didaktisch „abgebildet“ werden kann, • ... dann kann diese Kompetenz auch anhand eines „Produkts“ erfasst und stellvertretend bewertet werden, welches den Verlauf und das Arbeitser-gebnis der tatsächlichen bzw. simulierten Bearbeitung dieser Aufgabe dokumentiert.
Umsetzung handlungsorientierter PrüfungenPrüfungsform: Schriftliche Prüfungen • Lösungsalternative: Schriftliche Prüfungen • Problem: Das von komplexe Aufgaben Konstrukt „berufliche Handlungsfähigkeit“ kann nicht über alle sechs Stufen des kompletten Handlungs-bogens des Modells der vollständigen Handlung erfasst werden, • sondern … • … nur Alles, was planbar, d.h. gedanklich vorweggenommen werden kann. • Fazit: Erfasst werden können „berufs- und kontext-spezifische kognitive Leistungsdispositionen“ als Indikatoren beruflicher Handlungskompetenz.
Umsetzung handlungsorientierter PrüfungenPrüfungsform: Schriftliche Prüfungen • Dazu müssen analog zu den abzuprüfenden Kompetenzen solche „Produkte“ konstruiert werden, die … • … in schriftlichen Prüfungen hergestellt werden können, • … in der Simulation der Aufgabenbearbeitung alle sechs Stufen der „vollständigen Handelung“ (Hacker 1998) zumindest planend, gedanklich vorordnend erfassen und … • … möglichst viele Facetten der geprüften Kompetenz erfassen, d.h. also auch Arbeitsprozesswissen, Schlüsselqualifikationen (z.B. methodische Kompetenzen) und Gestaltungskompetenz.(KMK 1991, 1996; Rauner)
Umsetzung des handlungsorientierten PrüfungskonzeptsPrüfungsform: Schriftliche Prüfungen • Bestandteile von schriftlichen Prüfungsaufgaben: • Szenario: betriebliche Standardsituation mit berufstypischen Aufgaben einer betrieblichen Wertschöpfungskette vor einem branchentypischen Unter-nehmenshintergrund. • Ereignis: branchen- und betriebstypischer Vorfall, der das Bearbeiten einer Abfolge von berufstypischen Aufgaben in der betrieblichen Wertschöpfungs-kette auslöst. • Arbeitsauftrag: der vom Ereignis ausgelöst an einen Mitarbeiter gerichtet wird und die Prüfungsleistungen bestimmt, die vom Prüfling unter Berücksichtigung der „übergeordneten Kontexte“ der betrieblichen AGP zu liefern sind. • Persönliche und betriebsspezifische Konkretisierungen: Spezifizierung des Branchen- und Unternehmenshintergrunds, Ausbildungsbiographie, verwendete Technologie usw. • Produkte: Materialisierte Arbeitsergebnisse der Prüfungsleistungen, anhand derer das Kompetenzniveau des Prüflings bewertet wird. • Offene und halboffene Fragen: zu Hintergrund- bzw. berufsrelevantem Orientierungs- und Überblicks-Wissen. • Fachgespräch: prozessrelevante Fertigkeiten und Kenntnisse • (Quelle: BIBB-Projekt: Prozessorientierte Berufsausbildung, TU-Kl 2009: Planungswerkzeug Prüfungsaufgaben)
handlungsorientiertes PrüfungskonzeptUmsetzung in Prüfungsaufgaben • Wichtige Qualitätsstandards komplexer Situations-Aufgaben: • Gestaltungsoffenheit: erfordert vom Bearbeiter die Verknüpfung ver-schiedener Kompetenzfacetten zur Entwicklung einer eigenständigen Lösung, denn mehrere Lösungsvarianten sind möglich, die den unterschiedlichen Anforderungen mehr oder weniger gerecht werden. • Arbeitsprozessorientierung: Die geforderte Prüfungsleistung soll in Bezug auf die Aufgaben- und Situationsgerechtigkeit der Lösung für aktuelle Wertschöpfungsketten valide sein. • Berufs-Biographizität: Betriebsspezifische AGP (incl. „Einsatz-gebiet“ und „verwendete Technologien“) können als Erfahrungsbasis der Entwicklung einer eigenständigen Lösung zugrunde gelegt werden. • Ganzheitlichkeit: Aufgabe soll den vollständigen Handlungsbogen des Modells der vollständigen Handlung einbeziehen. • Rollentypisch: repräsentativ für aktuelles berufsspezifisches Rollenspektrum • Differenzierungsfähigkeit: Zeigt unterschiedliche „Beherrschungsgrade“ (Kompetenz-Stufen) der erfassten Kompetenzfacetten. • …. • (Auswahl relevanter Qualitätsstandards aus: Müller 2006, S.149, Haasler 2007, S.216)
handlungsorientiertes PrüfungskonzeptFazit: Mechanismus derKompetenzmodellierung • Indikatorisierung des abstrakten Konstrukts „Handlungskompetenz“ als subjektive Leistungsdisposition durch zweifache didaktische Spiegelung: • 1. Kompetenzen werden modelliert und beschrieben als komplexe Arbeitsaufgaben in einem Referenzprozess… • 2. … und bewertbar dokumentiert als produktisierte Prüfungsleistung: z.B. Arbeitsablaufplan
Offene Fragen und weiterführende Perspektiven • Wie können berufliche Handlungs-kompetenzen in schriftlichen Prüfungen erfasst werden? • Wie kann die Kompetenz- und Geschäfts-prozess-Orientierung der schriftlichen Aufgaben realisiert werden? • Wie kann die „Selbstevaluationsfähigkeit“ als Facette beruflicher Handlungs-kompetenz erfasst werden?
Offene Fragen und weiterführende PerspektivenZu1: Erfassen beruflicher Handlungskompetenzen in schriftlichen Prüfungen • Problem: Schriftliche Prüfungen • Prüfbar scheinen von dem Konstrukt „kompetentes Handeln“ nur diejenigen „kontextspezifischer Leistungsdispositionen“, die planbar, d.h. gedanklich vorwegzunehmen sind. • bewertet werden können nur die Ergebnisse simulierter Aufgaben-bearbeitungen anhand der dazu dokumentierten Prüfungsleistungen in Form von Berechnungen, Skizzen, Zeichnungen oder Texten. • Nicht prüfbar verbleibt der konkrete und praktische Vollzug und das Ergebnis beruflichen Handelns in realen Anwendungszusammen-hängen. • Offene Frage: Wie sollen und können schriftlicher Prüfung gestaltet werden, damit belastbare logisch-rationale bzw. empirische Argumente für ihre Validität für die gesamte berufliche Handlungskompetenz sprechen?
Offene Fragen und weiterführende Perspektiven • Zu 2: Kompetenz-/ Geschäftsprozess-Orientierung schriftlicher Aufgaben • Problem: Während die Prüfungsordnung schriftliche Aufgaben verlangt, • die „im Zusammenhang mit der praktischen Aufgabenstellung stehen“ bzw. • „sich auf praxisbezogene Fälle beziehen“ • konzentriert sich das etablierte Prüfungswesen auf deklaratives Faktenwissen: standardisierte Ankreuz-Fragen (PAL). • (vgl.: z.B.: § 8, abs. 3 und § 9 Abs. 3 der Verordnung zu Maschinen und Anlagenführer, BGB, Jg. 2004, Teil I, N4. 19, vom 30. Apl. 2004; Haasler 2007, S.195) • Offene Frage: Wie kann angesichts der Umsetzungsprobleme valider praktischer Prüfungen das Konstrukt „Handlungs-kompetenz“ in schriftlichen Prüfungen besser erfasst und bewertet werden?
Weiterführende Perspektiven: zu 3: Selbstevaluationsfähigkeit als Facette beruflicher Handlungskompetenz • Was? Einschätzung der eigenen Leistung, gemessen an selbst gewählten Standards • Warum – wozu? • 1. Unternehmergeist: Lissabon-Strategie (2000): Globalisierung und der Strukturwandel der Wirtschaft fordert zunehmend „unter-nehmerisches Denken“, das einen Regelkreis aus Zielsetzung, Selbstbeobachtung, Selbstreflexion und Selbststeuerungsfähigkeit konstituiert. Diese „Haltung“ soll im europäischen Bildungsraum durch berufliche Aus- und Fortbildung als gefördert werden: EQF (2008) definiert Kompetenz i.S. der Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit. (vgl:.EU-Komm, 2003, S.7 „EU-Bildungsraum“; Hekmann: DESIRE-Projekt, 2006, S.13ff; EU-Amtsblatt, C 111 vom 6. Mai 2008, S.1-7 ) • 2. Mitgestaltung der Arbeit … als Leitidee der beruflichen Bildung (KMK 1996; Enquete Kommission: Bildung 2000; Rauner) • 3. Standardisierung: Sachliche sollen soziale Bezugsnormen bei der Rückmeldung über den Lernerfolg ersetzen. • (vgl.: Kopenhagen-Prozess 2002; EQF-2008, KMK-Bildungsstandards-2006) • 4. Stärkung der Selbstwirksamkeit und damit der Eigenver-antwortlichkeit und Lernerautonomie im selbstgesteuerten Lernen - auch um gelernte Unselbständigkeit zu verlernen: • (vgl.: Herold 2003, S.95f., Bandura 1997; Jerusalem/ Hopf 2002; Fuchs 2005)
Offene Fragen weiterführende PerspektivenSelbstevaluation (auch Self-Monitoring) • Umsetzungs-Idee: • Im berufsbezogenen Lernen kann beispielsweise eine Selbstevaluations-Schleife in (Lern- und) Prüfungsaufgaben integriert werden. • Wie? Formulierung von zwei Anweisungen: • Vor der Bearbeitung einer Aufgabe mehrere Qualitäts-Anforderungen an das zukünftige Ergebnis zu formulieren. • Danach, das Arbeitsergebnis anhand dieser Kriterien zu bewerten und ggf. Verbesserungs-vorschläge zu formulieren.
Handlungsorientiertes Prüfungskonzept • Fazit: • Prüfungen determinieren Lernprozesse. • Es gibt keine optimal leistungsfähige Prüfungsform • Um nicht weiterhin eine Doppelung der Ausbildung (für Beruf und für Prüfungen) beklagen zu müssen sollten diejenigen Prüfungsformen miteinander kombiniert werden, die in ihren inhaltlichen und strukturellen Anforderungen so nahe wie möglich an denjenigen Situationen und Aufgaben orientiert sind, in denen sich die entwickelten Kompetenzen danach „erweisen“ sollen!