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Prof. Dr. Franz RuppertKSFH M
E N D
1. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Übererregung, Angst und Panik – Erscheinungsformen und mögliche Ursachen Vorlesung SoSe 2008
Di. 14-16 Uhr, Raum J101
2. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
3. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Termingestaltung im SoSe 2008 11. März: Soziale Arbeit und Paradigmen in Bezug auf Menschen mit psychischen Problemen
1. April: Erscheinungsformen der Angst
8. April: Angst und Stress
15. April: Formen von Angststörungen
22. April: Psychiatrische, tiefenpsychologische und verhaltenstheoretische Konzepte von Angststörungen
4. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München 29. April: Grundbegriffe der Traumatheorie
6. Mai: Das Existenztrauma
20. Mai: Fallbeispiel „Der Hundebiss“
27. Mai: Dissoziation und Persönlichkeitsspaltung
3. Juni: Kriege und Existenztraumata
10. Juni: übernommene Existenztraumazustände am Beispiel der Nachkommen von Holocaust-Überlebenden
17. Juni: übernommene Existenztraumazustände
als Folgen des 2. Weltkrieges
5. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Der Aufgabenbereich und theoretische Bezugspunkt der Sozialen Arbeit sindsoziale Probleme (Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, Kindeswohlgefährdung,Jugendkriminalität, Drogenkonsum in der Gesellschaft, Migration ...).Soziale Probleme betreffen immer auch Menschen und schlagen sich in deren psychischer Verfassung nieder.
6. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Soziale Probleme erzeugen bei Menschen psychische Probleme.Psychische Probleme erzeugen soziale Probleme.
7. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Psychische Probleme werden auffällig durch Zwischenmenschliche Konflikte (Paar-, Eltern-Kind-, Freundschafts-, Arbeitsbeziehungskonflikte)
Verhaltensauffälligkeiten (Verhaltesexzesse, Blockaden)
außergewöhnliche Formen des subjektiven Erlebens (Wahrnehmungs-, Gefühls-, Denk-, Gedächtnisstörungen)
Körperliche Erkrankungen (unspezifische und chronische Symptomatiken)
8. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Die Soziale Arbeit verfügt über kein eigenständiges Modell zur Beschreibung, Erklärung und Behandlung psychischer Probleme.
9. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München 1. Soziale Arbeit nimmt bei psychischen Problemen teilweise und distanziert Bezug auf die vorhandenen Theorien anderer Disziplinen (v.a. Psychiatrie, klinische Psychologie).
10. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München 2. Soziale Arbeit handelt im Kontakt mit psychisch belasteten Menschen nach ihren eigenen, allgemeinen fachlichen Grundprinzipien:- Sicherung von Überlebensbedürfnissen,- Nähe zum Alltag der Klienten,- Ressourcenerschließung,- Vernetzung von Hilfsangeboten- Orientierung an den rechtlichen, institutionellen, finanzielle Rahmenbedingungen Sozialer Arbeit.
11. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Was tun ! ?Der Imperativ unmittelbarer Handlungsnotwendigkeiten dominiert in der Praxis der Sozialen Arbeit häufig über der Notwendigkeit, das berufliche Handeln theoretisch zu reflektieren.
12. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Die Theoriebildung über psychische Probleme erfolgt offensichtlich paradigmatisch*, d.h. es gibt unterschiedliche Glaubensrichtungen, Überzeugungen, Lehrmeinungen, Schulen, die sich teilweise gegenseitig ausschließen.
13. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Merkmale von Paradigmen Zentraler Begriff
Wenige Grundtheoreme
Spezifische Berufsgruppe
Spezielle Institutionen und Handlungsfelder
Spezielle Handlungsformen
14. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Psychiatrisches Paradigma Psychische Krankheit
Gendefekte, Gehirnstoff-wechselstörung
Psychiater, Kliniken, Arztpraxis
Eingriffe in das Gehirn, u.a. Verabreichung von Medikamenten
15. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Psychologisches Paradigma Psychische Störung
„Triebstörung“, „Ich-Defekt“, „Neurose“, „erlerntes Verhalten“
Psychotherapeuten
Ambulanzen und Kliniken
Therapeutisches Gespräch, Verhaltensänderung
16. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Bindungs-Paradigma Sichere und unsichere Bindung
Bindungsstörungen im Mutter-Kind-Verhältnis
Entwicklungspsychologen, Kinderärzte, Hebammen, Sozialarbeiter
Heime, Kinderkliniken
Förderung einer sicheren Bindung
17. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Trauma-Paradigma Trauma
„freeze or fragmant“
Psychotherapeuten, Ärzte, Rettungskräfte
Kliniken, Ambulanzen
Spezielle Traumatherapien
18. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Paradigmen und Gesellschaft Welche Interessensgruppen unterstützen das Paradigma?
Wie steht die Öffentlichkeit zum Grundkonzept?
Wodurch wird das Paradigma in Frage gestellt?
19. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Kriterien zur Beurteilung der Paradigmen Bedeutung der Subjektivität?
Bedeutung der Symptome?
Bedeutung von Gefühlen?
Bedeutung von Gedanken?
Bedeutung der Biografie?
Bedeutung von früheren Ereignissen?
Bedeutung der familiären Herkunft?
Bedeutung des sozialen Umfeldes?
20. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München These: Das Bindungs-und Trauma-Paradigma stellt auch für die Praxis der Sozialen Arbeit wesentliche Beschreibungs-, Erklärungs- und Handlungsmöglichkeiten bereit.
21. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angstsymptome bei Kindern Unruhe, Nervosität, Zappeligkeit
Einschlaf-, Durchschlafprobleme, Alpträume
Bettnässen
Nägelkauen
Asthma
22. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angstsymptome bei Jugendlichen Angst vor schulischer Überforderung
Angst vor Ablehnung
Angst vor Versagen
Angst vor Gewalt
Angst vor der Zukunft
23. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ängste Erwachsener Angst um die eigenen Kinder
Angst um den gesellschaftlichen Status
Angst, Rollenerwartungen (Mann, Frau, Eltern ...) nicht zu erfüllen
Angst vor beruflichem Versagen
Angst vor Jobverlust
24. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ängste älterer Menschen Angst vor Bedeutungslosigkeit
Angst vor Einsamkeit
Angst vor Verlust der Vitalität
Angst vor chronischem Leiden
Angst vor dem Tod
25. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
26. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
27. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angst ist ein psychischer Prozess Um Gefahren wahrzunehmen
Gefährdungen zu fühlen
Risiken einzuschätzen
Schutzmaßnahmen zu ergreifen
28. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Gray‘sches Modell* Behaviorales Aktivationssystem: gesteuert durch Belohnungen; Belohnungssystem im Gehirn, Dopamin; fördert exploratives und zielgerichtetes Verhalten
Behaviorales Inhibitionssystem: gesteuert durch Bestrafung und unbekannte Reize; führt zu Angst, Flucht und Vermeidungsverhalten
29. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ein eigenes psychisches System überwacht in Lebewesen unablässig, ob eine Bedrohung für Leib und Leben besteht. Dieses System ist adaptiv und selbststeuernd. Es aktualisiert sich fortwährend.
30. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Menschliche Angstgefühle sind schneller und
stärker als alle Gedanken über die Angst.
31. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Resch/Parzer/Brunner (2004). Trauma und Dissoziation im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für Psychotraumatologie und Psychologische Medizin, 1, S. 17-27.
32. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angst und Stressreaktion/1 Wahrnehmung eines Gefahrensignals setzt im Zwischenhirn (limbisches System, Amygdala, Thalamus, Hypothalamus) eine Kaskade von Erregungen in Gang.
Signale aus dem Hirnstamm bringen die Hypophyse dazu, Gehirn und Körper mit Neurotransmittern zu überschwemmen.
Über den Sympaticusnerv wird die Nebenniere aktiviert, das Nebennierenmark schüttet Adrenalin und Noradrenalin in den Blutkreislauf aus.
33. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angst und Stressreaktion/2 Hormone beschleunigen den Blutdruck, es kommt zu Herzrasen, Weitung der Pupillen, Schweißabsonderung
Zucker- und Fettreserven werden mobilisiert, die Muskeln erhalten eine Traubenzuckerspritze
Über die Hypophyse wird das Adrenalin-Corticotrophe-Hormon (ACTH) zur Nebenniere geschickt. In der Nebennierenrinde wird dann Hydrocortison freigesetzt.
34. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angst und Stressreaktion/3 Hydrocortison konzentriert alle Energie auf die Auseinandersetzung mit der Gefahr, alles Überflüssige wird abgeschaltet (Verdauung, Sexualität, Immunabwehr)
Rote Blutzellen überschwemmen die Arterien für einen besseren Sauerstoff-Kohlendioxyd-Austausch. Blutgerinnungsfaktoren steigen schlagartig an, bei Verletzungen können Wunden schneller schließen.
Im präfrontalen Kortex werden Angriffs- oder Flucht- und Vermeidungsreaktionen ausgelöst.
35. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Stadien von Stress „Übererregung“, affektive Alarmreaktion, Ausnahmezustand
Erhöhter Handlungsdruck
Wut führt zu Angriff
Angst führt zu Flucht
Eskalierende Alarmreaktion
Verzweiflung
36. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Bleibender Stress führt zu Verunsicherung, Gereiztheit,
Niedergeschlagen-heit, Launen-haftigkeit
Plan- und Ziellosigkeit
Entscheidungsun-fähigkeit, Verlust der Selbstdisziplin Lern- und Konzentrations-schwierigkeiten
Ichbezogenheit, Gleichgültigkeit gegen andere
autoritäres Gebaren bis hin zur Gewalttätigkeit
37. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
38. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Agoraphobie (DSM V) Angst, an Orten zu sein, von denen eine Flucht schwierig (oder peinlich) sein könnte oder wo im Falle einer un-erwarteten oder durch die Situation begünstigten Panikattacke oder panikartiger Symptome Hilfe nicht erreichbar sein könnte. Die Situationen werden vermieden oder sie werden mit deutlichem Unbehagen oder mit Angst vor dem Auftreten einer Panikattacke oder panikähnlicher Symptome durchgestanden bzw. können nur unter Begleitung aufgesucht werden.
39. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Panikattacke „… typisch ist der plötzliche Beginn mit Herzklopfen, Brustschmerzen, Erstickungsgefühlen, Schwindel und Entfremdungsgefühlen … sekundär auch Furcht zu sterben, vor Kontrollverlust oder Angst, wahnsinnig zu werden. Die einzelnen Anfälle dauern meistens nur Minuten …“ (ICD 10, F41.0)
40. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Spezifische Phobie (DSM IV) Ausgeprägte, anhaltende oder unbegründete Angst bei Vorhandensein oder Erwartung spezifischer Objekte oder Situationen (Höhe, Fliegen, Blut ...)
Unmittelbare Angstreaktion bei Konfrontation evtl. bis zur Panikattacke Person erkennt, dass die Angst unbegründet oder übertrieben ist
Meidungsverhalten oder Ertragen der Situationen unter großer Angst oder starkem Unbehagen
Das Vermeidungsverhalten beeinträchtig deutlich die normale Lebensführung und verursacht erhebliches Leiden.
41. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Soziale Phobie (DSM IV) Ausgeprägte und anhaltende Angst in sozialen oder Leistungssituationen mit unbekannten Personen, Angst vor Beurteilungen; Angst, Verhalten zu zeigen, das demütigend oder peinlich sein könnte.
Die gefürchtete soziale Situation ruft eine unmittelbare Angstreaktion hervor evtl. bis zur Panikattacke. Die Person erkennt, dass die Angst übertrieben oder unbegründet ist.
Vermeidungsverhalten oder Ertragen der Situation nur unter intensiver Angst oder Unwohlsein.
Das Vermeidungsverhalten beeinträchtigt deutlich die normale Lebensführung und verursacht erhebliches Leiden.
42. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ängste und Psychiatrie Verordnung von Betarezeptorenblocker, benzodiazepinhaltige Präparate, trizyklische Antidepressiva, Monoaminooxidase-Hemmer, schwachpotente Neuroleptika
Nach Absetzen der Medikamente kommt es bei 80% der Patienten sofort zu einem Rückfall.
Folge: Dauermedikation und Medikamentenabhängigkeit
43. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
44. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Verhaltenstherapie bei Angststörungen Reizexposition bis hin zu „Flooding“
Systematische Desensibilisierung
45. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
46. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Angstabwehrmechanismenin Sinne des Psychoanalyse Verdrängung
Verleugnung
Intellektualisierung
Rationalisierung
Verschiebung
Reaktionsbildung
47. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Panikattacke (DSM IV) Herzklopfen, beschleunigter Herzschlag
Schwitzen
Zittern, Beben
Atemnot, Kurzatmigkeit
Erstickungsgefühle
Schmerzen, Beklemmungsgefühle in der Brust
Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden Derealisation, Depersonalisation
Gefühl, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden
Angst zu sterben
Taubheit oder Kribbelgefühle
Hitzewallungen oder Kälteschauer
48. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ein Trauma ist „ ... ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.“
(Fischer und Riedesser, 1999, S. 79)
49. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Trauma-Typen nachLeonore Terr Typ I: Traumatisierung durch einmalige Ereignisse (z.B. schwere Unfälle, Vergewaltigung, Naturkatastrophen)
Typ II: Traumatisierung durch langanhaltende Situationen und wiederholte Traumata (z.B. Folter, sexueller Missbrauch, Gewalt in Partnerbeziehungen)
50. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ein Psychotrauma ist eine überwältigende, seelisch nicht integrierbare Lebenserfahrung. Es führt zu einer Desintegration psychischer Vorgänge und zu dauerhaften seelischen Entwicklungsstörung.
51. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Ein Trauma betrifft Den Körper
Die Psyche
Die Seele
Den Geist
Die sozialen Beziehungen
Ein Trauma ist auch stets ein soziales Ereignis.
52. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
53. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Unterschied Stress und Trauma Stresssituation: Mobilisierung von Energien für Kämpfen oder Flucht
„fight or flight“ Traumasituation: Blockade der mobilisierten Energien um emotional einzufrieren oder sich innerlich aufzuspalten
„freeze or fragment“
54. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Der traumatische Prozess Die traumatisierende Situation
Das Erleben des Traumas
Die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der Traumatisierung
55. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Traumatisiert werden Opfer
Täter
Zeugen eines traumatischen Ereignisses.
56. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Symptome, die auf eine Traumatisierung hinweisen (1) extreme Angst
Müdigkeit, Erschöpfung
Hyperarousal, Hypervigilanz
Gefühllosigkeit („Numbing“)
Wutausbrüche
Zwanghaftes Grübeln
Handlungsblockaden
Sozialer Rückzug
57. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Symptome, die auf eine Traumatisierung hinweisen (2) Derealisationsgefühle
Depersonalisationserleben
Flashback, Intrusionen
Halluzinationen
Somatisierungen
Vermeidungsverhalten
Selbstverletzungen
Beziehungsunfähigkeit
Gefühl innerer Leere
Stummheit
Verwirrtheit
58. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München These:Sehr vielen psychischen Erkrankungen, psychischen Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und auch körperlichen Erkrankungen liegen Traumatisierungen zugrunde.
59. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Auswahl diagnostischer Kategorien bei Traumatisierungserkrankungen Akute Belastungsreaktion (ICD10, F43.0; DSM IV 308.3)
Posttraumatische Belastungsstörung (ICD10, F43.1; DSM IV 309.81)
Anpassungsstörungen (ICD10, F43.2)
Dissoziative Störungen (ICD10, F44)
Somatoforme Störungen (ICD10, F45)
Depersonalisations-/Derealisationssyndrom (ICD10, F48.1)
Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD10, F62.0)
60. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Wenn ein Mensch Angst um sein Leben haben muss und ohnmächtig ist, sich zu schützen, erlebt er ein Existenztrauma.
61. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Situationen, die Existenztraumata hervorrufen können Kriegssituationen
Verkehrsunfälle
(Raub)Überfälle
Vergewaltigungen
(Natur)Katastrophen
Im Wasser fast ertrinken
Angriffe durch Tiere
Med. Operationen
62. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München T r a u m a e r l e b e n bei Existenztraumata Todesangst
Überflutung durch körperlichen Schmerz
Hilflosigkeit und Ohnmacht
Lösung der Empfindungen vom Körper
Körperliche Erstarrung
63. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Das zentrale Gefühl bei einem Existenztrauma ist die Todesangst. Ein Existenztrauma kann verursacht werden durch
- die Gewalt von Menschen und Tieren und
- die Kräfte von Natur und Technik.
64. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Symptome der Todesangst Herzrasen
Muskelzittern
Schweißausbrüche
Atemnot
Engegefühl im Hals
Kopfdruck
Ohnmachtgefühle
Schwindelgefühle
Überbesorgtheit
ständige Anspannung
Albträume
65. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Symptomatische Folgen von Existenztraumata Schlafstörungen, Albträume
Erinnerungsverluste
Vermeidungsverhalten
Drogenkonsum (Alkohol, Medikamente ...)
Panikattacken
Getriebensein, innere Unruhe
erhöhte Reizbarkeit und Aggressivität
zwanghafte gedankliche Beschäftigung mit der Traumasituation
Derealisationsgefühle
soziale Isolation und Rückzug
Vertrauensverlust
Suizidgedanken
66. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Panikattacken sind wiedererlebte Existenztraumazustände. Sie werden durch Erinnerungen an das Ursprungstrauma getriggert und ausgelöst.
67. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Das Trauma-Schema Übererregung, Überflutung durch Angst, Wut und Schmerz
Vermeidungsverhalten, dicht machen
Gefühlsabstumpfung, Betäubung der Reaktionsfähigkeit auf die Umwelt
Versuche, aus der Gefühllosigkeit auszubrechen
68. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Traumabewältigung geschieht durch “Dissoziation“ und psychischer Spaltung
69. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Durch Dissoziation werden im Körper, in der Seele und im Geist zusammengehörende Funktionsbereiche getrennt.
70. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Es gibt ein Dissoziationskontinuum zwischen leichten Dissoziationen bis hin zu Persönlichkeitsspaltungen.
71. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
72. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
73. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Merkmale von gesundenseelischen Anteilen Wahrnehmungsoffenheit
Fähigkeit zur Gefühlsregulation
Grundvertrauen
Bindungsfähigkeit
Sich lösen können
Einfühlungsvermögen
Sich abgrenzen können
Gute Erinnerungsfähigkeit
Reflexionsfähigkeit
Verantwortungs-bereitschaft
Realitätsorientierung Wahrheitsliebe
Hoffnung
74. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Merkmale destraumatisierten Anteils Verharrt auf der Alterstufe zum Zeitpunkt des Traumas
Speichert die Erinnerung an das Trauma
Sucht noch immer nach einem Ausweg aus dem Trauma
Kann „getriggert“ werden
75. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Retraumatisierung (1) Unbeabsichtigtes erneutes Erleben einer Traumasituation
wird durch Situationsmerkmale und Erinnerungsfragmente getriggert
76. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Retraumatisierung (2) kann unbewusst inszeniert sein
in der Hoffnung, das Trauma sei nicht wirklich geschehen und es könnte eine andere Lösung gefunden werden.
77. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Merkmale desÜberlebens-Ichs Verdrängt und leugnet das Trauma
Wird zum Wächter der seelischen Spaltung
Vermeidet
Kontrolliert
Kompensiert
macht sich Illusionen
Spaltet sich erneut
78. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
79. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
80. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Literaturhinweis:Jonathan Shay: Achilles in Vietnam. Combat Trauma and the Undoing of Charakter.New York: ScribnerDers.: Odysseus in America. Combat Trauma and the Trials of Home Coming. New York: Scribner
81. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Wie werden Soldaten zu „Berserkern“? (nach Shay 2003) Betrayal of „What‘s right“
Shrinkage of the Social and Moral Horizon
Grief at the Death of a Special Comrade
Guilt and wrongful Substitution
Berserk
82. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Warum werden Menschen zu Soldaten und begeben sich freiwillig in Existenztrauma-Situationen? Erleben von Gewalt als Konfliktlösungsstrategie in der Familie, Schule, Gesellschaft
Krieg als „Helden“-Spiel (Cowboy und Indianer, Killerspiele im PC)
Hoffnung auf persönliche Vorteile in der Armee (finanziell, Status, Ausbildung, Ruhm und Ehre als Krieger)
Illusionen über die Realität des Krieges
Vermischung von Liebe und Gewalt
83. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Claude AnShin Thomas (2003). Krieg beenden, Frieden leben. Ein Soldat überwindet Hass und Gewalt. Berlin: Theseus Verlag.
84. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München
85. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Das Überlebens-Ich ist das Spiegelbild des Trauma-Ichs.Je extremer das Trauma, desto extremer das Überlebens-Ich.
86. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Vermeidungsstrategien Belastende Informationen ausblenden
Nichts an sich herankommen lassen
Nicht Nachdenken
Nicht fühlen
87. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Kontrollstrategien Zensur, Gedankenkontrolle
Kritiker einschüchtern, mundtot machen
Gefühle und Gedanken unterdrücken (z.B. durch Medikamente)
Zwangshandlungen
88. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Kompensationsstrategien Aufputschende Suchtmittel
Süchtiges Arbeiten, Spielen, Konsumieren
Wahllose und exzessive sexuelle Betätigungen
89. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Illusionsstrategien Nach dem richtigen Partner suchen
Wunsch nach heilen einer Familie
Soziales Überengagement
Frieden/innere Ruhe durch Gewalt erzwingen
90. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Existenztraumata am Beispiel des Holocaust – unmittelbare Reaktionen Tod durch Todesangst
Selbstmord als Ausweg aus der Ohnmacht
„Muselmann“-Tod: ein letztes Aufbäumen
Traumatische Einkapselung im Automatenzustand „Kadavergehorsam“, totale Unterwerfung unter die Befehle der Täter
Überleben im Schutz der Gruppe
91. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Kurt Grünberg (2000). Zur Tradierung des Traumas der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Psyche Sonderheft Trauma, Gewalt und Kollektives Gedächtnis, 1002-1037.
92. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Soziale Überlebensmechanismen nach der KZ-Erfahrung Intensive Suche nach Restfamilien
Schnelle Familiengründungen unter den Überlebenden
Wiederherstellung fester Gruppen und geschlossener Gemeinschaften
Pflichtgefühl zur Wahrung des jüdischen Volkes
Wiederherstellung des Glaubens, Bekämpfung von Glaubenszweifeln oder Atheismus
Kinder als idealisierte Hoffnungsträger
93. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Traumafolgen in der Generation der Holocaust-Überlebenden Bleibende emotionale Erstarrung
Einkapselung der Erinnerungen, Schweigen
Panische Ängste (z.B. bei Geburten)
Hohe Rate an Fehlgeburten Schuldgefühle, überlebt zu haben
Überängstlichkeit in Bezug auf die Kinder
Unkontrollierte Wut- und Gewaltausbrüche
Gefühl, weiterhin durch Deutsche bedroht zu sein
94. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Traumafolgen in der 2. Generation der Holocaust-Überlebenden Leben und Aufwachsen in den Trauma- und Überlebensgefühlen der Eltern (Ängste, Schmerz, Verzweiflung, Ohnmacht, Wut, Hass)
Projektionsfläche für Vermeidungs-, Kontroll-, Kompensations- und Illusionsbedürfnisse der Eltern
Rollenumkehr Eltern-Kind („Parentifzierung“)
Schuldgefühle bei Ablösung von den Eltern
Versuche zur Versöhnung beizutragen durch Beziehungen mit Deutschen
Gefühl der Heimatlosigkeit
auch (stellvertretende) Suizide
95. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen in Deutschland Jahrgänge 1915-25: Soldatengeneration
Jahrgänge 1925-39: Vorkriegsgeneration
Jahrgänge 1939-45: Kriegskinder
Jahrgänge 1945-54: Nachkriegskinder
Jahrgänge 1955-65: Wirtschaftswunderkinder
Jahrgänge 1950-75: 68er Generation
Jahrgänge 1976-2007: Enkelgeneration
96. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Existentraumata bei Deutschen während des 2. Weltkrieges und deren Folgen Kriegserlebnisse der Soldaten
Naziterror
Bombardements der Städte
Flucht und Vertreibung (2 Mill. sterben, 8 Mill. Flüchtlinge in der BRD, 4 Mill. in der DDR)
Massenhafte Vergewaltigungen (2 Mill. Mädchen und Frauen zw. 12-60 Jahren)
97. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Existenztrauma-Folgen sind u.a. Unruhe, Nervosität, Schlaflosigkeit
unkontrollierbare Wut
unterdrückte Schmerz
innere Leere
körperliche Erkrankungen
suchtartige Suche nach Ablenkungen
98. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Existenztraumafolgen in der Kindergeneration der Kriegsdeutschen Konfrontation mit gefühlstoten Eltern
Leiden unter den Überlebensstrategien der Eltern
Überschwemmung durch unkontrollierte freiwerdende Traumagefühle
Existenz- und Identitätsunsicherheit, panische Ängste, Haltlosigkeit
Heimatlosigkeit, gespaltenes Zugehörigkeitsgefühl
99. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Die auf Vermeidung, Kontrolle, Kompensation und Illusionen ausgerichteten dissoziativen Traumabewältigungsprozesse ziehen körperliche und psychische Schädigungen und Verstrickungen im sozialen Bereich nach sich.
100. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Äußere Heilung: durch Veränderungen im Außen soll der Druck im Inneren verschwinden. Innere Heilung: durch die Konfrontation mit der eigenen inneren Realität soll die seelische Spaltung überwunden werden.
101. Prof. Dr. Franz Ruppert
KSFH München Die Angst lässt nach, wenn ein Mensch selbst wieder das Gefühl von Kontrolle über die Gefahr in in sich wahrnimmt.Dieser Prozess kann von außen unterstützt werden. Er kann nicht von einer fremden Person, einer Therapiemaßnahme oder einem Medikament übernommen werden.