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Mobbing – Erscheinungsformen, Ursachen und Dynamiken, Folgen, Lösungsansätze. Dr. Albrecht Schumacher, Leitender Psychologe. Übersicht. 1. Erscheinungsformen 2. Ursachen und Dynamiken 3. Folgen 4. Lösungsansätze. 1. Erscheinungsformen. Was ist Mobbing (und was nicht)?
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Mobbing – Erscheinungsformen, Ursachen und Dynamiken, Folgen, Lösungsansätze Dr. Albrecht Schumacher, Leitender Psychologe
Übersicht • 1. Erscheinungsformen • 2. Ursachen und Dynamiken • 3. Folgen • 4. Lösungsansätze
1. Erscheinungsformen • Was ist Mobbing (und was nicht)? • Wie kann man es erfassen/messen? • Wie häufig ist Mobbing? • Wer mobbt besonders oft (selten)? • Gibt es Branchen, in denen besonders oft/selten gemobbt wird?
Definitionen Leymann (1993) • „Der Begriff Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind und die sehr oft über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen“ Neuberger (1994) • „Jemand spielt einem übel mit und man spielt wohl oder übel mit“
Gemeinsamkeiten von Definitionen Verhaltensmuster: • Verhaltensmuster, nicht einzelne Handlungen. Systematisch, d.h. ständiges Wiederholen Negative Handlungen: • verbal (z. B. Beschimpfung) oder nonverbal (z. B. Vorenthalten von Informationen) oder physisch. Solche handlungen gelten üblicherweise als feindselig, aggressiv, destruktiv und unethisch.
Gemeinsamkeiten von Definitionen Ungleiche Machtverhältnisse: • Die Beteiligten haben ungleiche Einflussmöglichkeiten auf die Situation. Dazu ist kein Rangunterschied nötig, Ungleichheit kann durch individuelle Stärke oder Anzahl der Personen entstehen. Opferdynamik: • Im Handlungsverlauf bildet sich ein Opfer heraus, das Schwierigkeiten hat sich zu verteidigen
Häufige Mobbinghandlungen • Hinter dem Rücken wird schlecht über jemanden gesprochen • Abwertende Blicke oder Gesten • Kontaktverweigerungen durch Andeutungen • Falsche oder kränkende Beurteilungen der Arbeitsleistungen • Gerüchte werden verbreitet • Vorgesetzte schränken Äußerungsmöglichkeiten ein • Entscheidungen werden in Frage gestellt
Häufige Mobbinghandlungen • Man bekommt Arbeitsaufgaben weit unter seinem Können zugeteilt • Man wird lächerlich gemacht, mit dem Betroffenen wird nicht mehr gesprochen • Ständige Unterbrechungen, KollegInnen schränken die Äußerungsmöglichkeiten ein • Man lässt sich nicht ansprechen • Anschreien, lautes Schimpfen • Verdächtigung psychisch krank zu sein
Häufige Mobbinghandlungen • Mündliche Drohungen • Zuteilung sinnloser Arbeitsaufgaben • Ständig neue Aufgaben • Man bekommt kränkende Arbeitsaufgaben • KollegInnen wird das Ansprechen verboten • Angreifen der politischen Einstellung • Ständige Kritik am Privatleben, man erhält keine Arbeitsuafgaben
Häufigkeit/Dauer Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Meschkutat et al. (2002), Betroffenheitsquoten: • Ende 2000: 2,7 % • 2000 insgesamt: 5,5 % • Bisheriges Arbeitsleben: 11,3 % • Über 5 Jahre: 2 bis 8% der Betroffenen • 2 bis 5 Jahre: 2 bis 10% der Betroffenen
Häufigkeit 1. „Sind Sie in den letzten 6 Monaten gemobbt worden?“ (self-labeling-method) 2. Irgendeine Mobbing-Handlung mindestens einmal wöchentlich über mindestens 6 Monate (behavioral experience method)
Häufigkeit • 1. Zwischen 12 und 20% • 2. Zwischen 7 und 10%
Erscheinungsformen • Von einer gleichgestellten Person (ca. 20%) • Von mehreren gleichgestellten Personen (ca. 20%) • Vom Vorgesetzten zum/zur Untergebenen (ca. 40%) • Vom Vorgesetzten und gleichgestellten Personen (ca. 10%) • Von den Untergebenen zum Vorgesetzten (ca. 2%)
Zusammenhänge Branche: (-) Produktion, Handel, Land- und Forstwirtschaft (+) Bildungsbereich, Sozial- und Gesundheitswesen Alter: unklar Persönlichkeit: (+) Borderline-PS, selbstunsichere PS, insgesamt aber eher schwache Zusammenhänge, oft Querschnittuntersuchungen
Zusammenhänge Geschlecht Opfer: • Zusammenhänge eher unklar • In einer Zusammenfassung von 53 Studien mit N 54.775 waren 60% der Mobbingopfer Frauen und 40% Männer, aber in den Studien waren in der Grundgesamtheit ebenfalls 60% Frauen und 40% Männer
Zusammenhänge Geschlecht Täter: • Männer sind überrepräsentiert. • Männer neigen eher zu direkter Aggression (anschreien, beleidigen), Frauen eher zu indirekten Formen (soziale Ausgrenzung, Gerüchte streuen).
2. Ursachen und Dynamiken • Welche Rollen spielt die Gesellschaft? • Welche Rolle spielt das Unternehmen/die Branche? • Welche Rolle spielen die einzelnen Personen? • Welche Dynamiken gibt es bei Mobbingverläufen? • Welche psychologischen/soziologischen Ansätze helfen uns?
Gesellschaftliche Ebene • Gesellschaftliche Normen und Werte (Ausgleich/Konkurrenz) • Atmosphäre/Klima • Arbeitsmarktlage: Rezession oder Boom?
Betriebliche Ebene • Lage des Betriebes, Auftragsstand, Lage der Branche • Grad der betrieblichen Organisation, Klarheit von Regelungen
Individuelle Ebene • Persönlichkeit (Big Five: Verträglichkeit) • Selbstwertgefühl/Selbstbewusstsein • Soziale Kompetenzen/Konfliktfähigkeit
Entwicklung/Dynamik bei Mobbing • Sehr viele Mobbingsituationen entstehen aus eskalierten Konflikten • Konflikttheorien sind wichtig für das Verständnis der Entwicklung und des Verlaufs von Mobbing
Soziale Konflikte • Erleben einer Unvereinbarkeit der Überzeugungen oder Interessen mindestens zweier Parteien • Und die Aktivitäten dieser Parteien, die erlebte Unvereinbarkeit – wie und womit auch immer – zu überwinden
Konfliktgegenstände Beziehungskonflikte • Unvereinbare private Einstellungen und Werthaltungen bzw. Fragen des Miteinanders Aufgabenkonflikte • Dissonante Standpunkte und Handlungspläne, die die Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe betreffen
Konfliktverhalten • Vermeiden oder Untätigkeit • Sich anpassen bzw. Nachgeben • Kompromisse schließen • Problemlösen bzw. Integrieren • Kämpfen bzw. sich durchsetzen
3. Folgen • Welche Auswirkungen hat Mobbing für den einzelnen und sein direktes Umfeld? • Welche Auswirkungen hat Mobbing für den Betrieb/die Organisation?
Folgen(lt. Mobbing-Report) Auswirkungen auf das Arbeits- und Leistungsverhalten • Demotivation (71,9%) • Starkes Misstrauen (67.9%) • Nervosität (60,9%) • Sozialer Rückzug (58,9%) • Ohnmachtsgefühle (57,7%) • Innere Kündigung (57,3 %)
Folgen(lt. Mobbing-Report) Private und familiäre Auswirkungen • 43,9% erkranken, davon fast die Hälfte länger als sechs Wochen • Unausgeglichenheit (23,7%) • soziale Isolation (21,6%) • Streit in der Familie bzw. Partnerschaft (19,7%), • allgemeine Belastung (16,6%) • finanzielle Probleme (15,4%), • Antriebslosigkeit (13,9%)
Folgen Für die Organisation: • Erhöhte Abwesenheitsraten • Verminderte Leistung • Verschlechterung des Gesamtklimas • Kosten (Ausfälle, Minderleistung, Schadenersatz) • Schätzungen ohne Schadenersatz: 20000 – 80000€ • Verlust an Ansehen und Reputation
4. Lösungsansätze • Was kann die Gesellschaft tun? • Was kann der Betrieb/die Unternehmung tun? • Was können die Beteiligten tun?
Lösungsmöglichkeiten Primäre Prävention • Vor Eintreten des Mobbing Sekundäre Prävention • Frühstadium oder Akutphase des Mobbing Tertiäre Prävention • Nach dem Mobbing
Gesellschaftliche Ebene Primäre Prävention • Gesetzliche Regelungen • Gesellschaftliche Vereinbarungen • Verhaltenscodizes
Mobbing aus rechtlicher Sicht Bundesarbeitsgericht 1997: • Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
Die rechtliche Sicht Landesarbeitsgericht Thüringen 2001: • Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfasst der Begriff des Mobbing fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtssprechung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder Gesundheit des Betroffenen, verletzten.
Die rechtliche Sicht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (2006): • … verbietet die Diskriminierung aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ... und der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft.
Die rechtliche Sicht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (2006): Beschwerderecht • Recht sich im Betrieb zu beschweren, Prüfung muss erfolgen, und eine Antwort ergehen „Leistungsverweigerungsrecht“ • Problematisch, Fehleinschätzungen können gravierende Folgen haben.
Die rechtliche Sicht • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (2006): • Gilt bei Benachteiligungen durch den Arbeitgeber und andere beschäftigte • Regelt die Ansprüche der Betroffenen auf Entschädigungen und Schadensersatz und enthält ein Maßregelungsverbot
Die rechtliche Seite Strafrechtliche Relevanz: • Körperverletzungen, Nötigung, sexuelle Nötigung, Sachbeschädigung, Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, unterlassene Hilfeleistung Zivil/arbeitsrechtliche Relevanz: • Beeinträchtigungen der Gesundheit, der Ehre, des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“