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Birgit Krueger - 2. Beschlussabteilung -. Berlin, 18. Januar 2010. Marktmacht in der Milchwirtschaft - Zwischenergebnisse einer Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes. Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch. Verfahren der Sektoruntersuchung
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Birgit Krueger- 2. Beschlussabteilung - Berlin, 18. Januar 2010 Marktmacht in der Milchwirtschaft - Zwischenergebnisse einer Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Verfahren der Sektoruntersuchung • rechtlicher Rahmen (Eingriffsvoraussetzung, kein Einzelverfahren, sondern Analyse der Marktverhältnisse insgesamt) • Anlass / Beschwerden • Verfahrensablauf (Ermittlungen, Zwischenbericht, schriftliche Stellungnahmen, öffentliche Anhörung, ggf. weitere Ermittlungen, Abschlussbericht) • Zielsetzung/mögliche Folgewirkungen (besseres Verständnis der Marktmechanismen für Kartellbehörde, Marktteilnehmer, Öffentlichkeit; Beitrag zur Versachlichung der Diskussion; Aufzeigen von Möglichkeiten und Grenzen eines kartellbehördlichen oder gesetzgeberischen Eingreifens in den Markt; bei Wettbewerbsverstößen ggf. Verwaltungs- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren)
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Wettbewerb auf der Ebene Erzeuger/Molkereien • Wettbewerb um die Rohmilch (1) • Marktstufe der Milcherzeuger stark fragmentiert: 100.000 Milcherzeuger/100 Molkereien; aber: Erfassungsmärkte regional; maßgeblich sind die konkreten Verhältnisse in der Region • auch in genossenschaftlichen Molkereien Machtgefälle zu Lasten der Milcherzeuger • Andienungspflichten und längerfristige Milchlieferverträge dienen der Absicherung der Rohmilchanlieferung bei den Molkereien • wichtigster Faktor: Verhältnis von Angebot zu Nachfrage
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Wettbewerb auf der Ebene der Molkereien • Wettbewerb um die Rohmilch (2) • Milchpreisbildung bei genossenschaftlichen Molkereien: „upside down“ Folge: genossenschaftlich organisierte Molkereien tragen für die Vermarktung der Rohmilch nur ein begrenztes Risiko • Milchpreisbildung bei privaten Molkereien unter Berücksichtigung regionaler Vergleichspreise Folge: wenig Anreiz der Molkerei, ein an den eigenen Absatzkosten orientierten Milchgeld zu zahlen • Gebietsschutz?
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Wettbewerb auf der Ebene der Molkereien • Wettbewerbsrechtliche Beurteilung längerfristiger Lieferverträge • derzeitige Vertragssituation (Laufzeit und Kündigungsfristen bei genossenschaftlichen und privaten Molkereien) • bisherige Einschätzung von Seiten der Marktteilnehmer („große Ambivalenz“) • vorläufige wettbewerbsrechtliche Einschätzung (offen: Interessenlage der Milcherzeuger und Molkereien, Voraussetzungen für Eingriffsbefugnis, welches Missbrauchspotential von Seiten der Molkereien?)
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Wettbewerb auf der Ebene der Molkereien • Wettbewerbsrechtliche Beurteilung der hohen Markttransparenz • Hohe Bandbreite des Datenaustauschs über Milchauszahlungspreise, Liefermengen und andere betriebsinterne Daten. • politische Initiativen zur Beibehaltung und weiteren Erhöhung der Markttransparenz (z.B. AMI als Nachfolgeorganisation der ZMP, europäische Initiativen zur Offenlegung von Herstellerabgabepreisen der Molkereien und Endkundenpreise des LEH). • Grenzen der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Marktinformationssystemen. • Auswirkungen der hohen Markttransparenz auf die Verhandlungsposition der Milcherzeuger, der Molkereien und des LEH.
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch Kooperationsmöglichkeiten der Erzeuger (Auszug): Freistellung von § 1 GWB nach § 28 GWB Ausnahmebereich Landwirtschaft • wer: Erzeuger, die landwirtschaftliche Urprodukte herstellen nicht: Unternehmen, die landwirtschaftliche Urprodukte be- oder verarbeiten (z. B. Molkereien) • was: Verträge und Beschlüsse, soweit sie sich unmittelbar auf die Erzeugung beziehen; z.B. Mengenbegrenzungen, vorzeitige Schlachtung, Verpflichtung, bestimmte Erzeugnisse anzubauen Grenzen: • keine Preisbindung (auch nicht von Preisbestandteilen, z. B. „Mindestpreis“, „Referenzpreis“, Zu- oder Abschläge • Verbot, Wettbewerb auf dem räumlichen Markt auszuschließen
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch Kooperationsmöglichkeiten der Erzeuger (2): § 11 Marktstrukturgesetz: § 1 GWB findet keine Anwendung • wer: anerkannte Erzeugergemeinschaft • wofür: soweit deren Beschlüsse Erzeugnisse betreffen, die satzungsmäßig den Gegenstand ihrer Tätigkeit bilden Grenze: • kein Ausschluss des Wettbewerbs (Achtung: Regionalmärkte!)
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch Kooperationsmöglichkeiten der Erzeuger (3): allgemeine Grenzen von § 28 GWB/§ 11 Marktstrukturgesetz • kein Ausschluss des Boykottverbots (§ 21 GWB) • kein Ausschluss der Missbrauchsaufsicht (§§ 19, 20 GWB) • keine marktstufenübergreifenden Vereinbarungen • keine Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels, die nicht nach europäischem Recht zulässig ist (europäisches Wettbewerbsrecht ist auch im Bereich der Landwirtschaft grundsätzlich anwendbar)
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Wettbewerb auf der Ebene Molkereien/Handel • 100 Molkereien stehen im Wesentlichen 9 Unternehmen des LEH als Nachfrager gegenüber • LEH hat erhebliche strategische Vorteile bei Verhandlungen mit den Molkereien • Molkereien haben geringere Ausweichmöglichkeiten ( „outside options“) • Abnahmeverpflichtung der Molkereien für sämtliche angelieferte Rohmilch bedeutet einen Nachteil der Molkereien in Verhandlungen mit dem LEH • Markttransparenz nutzt dem LEH in seinen Verhandlungen Position der Molkerei ist jedoch differenziert zu betrachten, je nach: • individuellem Produktportfolio • allgemeiner Marktlage
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch Kooperationsmöglichkeiten der Molkereien: § 1 GWB/Artikel 101 AEUV • grundsätzlich: keine besondere Freistellung nach § 28 GWB/§ 11 Marktstrukturgesetz • allgemeine Ausnahmen vom Kartellverbot • § 3 GWB Mittelstandskartell • § 2 GWB freigestellte Vereinbarungen (Verbesserung der Warenerzeugung oder-verteilung) • Grenzen: - Beschränkung muss unerlässlich zur Erreichung dieses Ziels sein - angemessene Beteiligung des Verbrauchers - keine Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betroffenen Waren
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch Molkereien: Fusionskontrolle (§§ 35 ff GWB) • nur anwendbar, wenn die Aufgreifschwellen erreicht werden (alle Beteiligten: mehr als 500 Mio. €; einer von beiden: mehr als 25 Mio. € im Inland, ein weiterer: mindestens 5 Mio. € im Inland/Anwendungsvorrang europäischen Rechts) • Grenze: Marktbeherrschung • zwei Marktstufen: Angebotsmarkt (Molkerei/Handel oder Industrie)Nachfragemarkt/Beschaffungsmarkt (Beschaffung von Rohmilch )
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch Molkereien: Missbrauchsaufsicht (§§ 19, 20, 21 GWB) • § 19 GWB: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (langfristige Lieferverträge? Erschwerung der Wechselmöglichkeiten von Lieferanten? Problem: Genossenschaftsrecht, Genossenschafts-struktur)Normadressat: marktbeherrschendes Unternehmen • § 20 GWB: Verbot der Diskriminierung, Verbot der unbilligen Behinderung (u.a. Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis)Normadressat: marktbeherrschende Unternehmen und solche mit relativer Marktmacht • § 21 GWB: Boykottverbot, keine Druckausübung, z.B. um Vereinbarungen gemäß §§ 2, 3, oder 28 beizutreten (§§ 37 ff)
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Marktposition des LEH (1) Weitergabe erzielter Preiszugeständnisse an den Verbraucher: • für die stichprobenhaft untersuchten Produktgruppen: ja • kein wesentlicher Unterschied zwischen Markenartikeln und Handelsmarken • kein wesentlicher Unterschied zwischen Milchbasisprodukten und anderen Molkereiprodukten • gleiches Ergebnis der entsprechenden Untersuchungen anderer nationaler Wettbewerbsbehörden (u.a. Belgien und NL) • Europäische Kommission kommt zu abweichendem Ergebnis
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Marktposition des LEH (2) Verdacht von Preisabsprachen des LEH? • gleichzeitige Preisbewegungen bei Milchbasisprodukten mit identischen Ausgangs- und Endpreis sind als Hinweis auf mögl. Absprachen gesehen worden • Aldi mit einer Vorreiterrolle • Berichterstattung über Verhandlungsergebnisse mit Aldi frühzeitig in der Presse sowie hohe Markt- und Preistransparenz über öffentlich zugängliche Portale • LEH braucht nur minimalen zeitlichen Vorlauf zur Umsetzung von Preisveränderungen (öffentliche Kommunikation über Anzeigen teilweise verzögert, Veränderung der Ladenpreise sofort) • Produkte mit hoher Signalfunktion für den Verbraucher • bisher: keine substantiierten Hinweise, dass es sich nicht nur um ein kartellrechtlich nicht zu beanstandendes Parallelverhalten handelt
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Marktposition des LEH (3) Verkauf unter Einstandspreis? • häufige Beschwerden insbesondere bezüglich des angeblichen Verkaufs von Milchbasisprodukten unter Einstandspreis • bei den im Bereich der Molkereiprodukten durchgeführten Ermittlungen: bisher keine für ein Verfahren ausreichenden Anhaltspunkte • Beschwerden in keinem Fall von kleinen und mittleren Wettbewerbern; Norm schützt nur diese, nicht: Milcherzeuger oder Molkereien • neue Auslegungs- und Anwendungsprobleme durch das Urteil des OLG Düsseldorf im „Rossmann-Verfahren“ (insbes.: richtige Berechnung und Verteilung von Konditionen auf den Einkaufspreis)
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Zwischenfazit (1) • Eine Fortführung des Strukturwandels in der Milcherzeugung und –verarbeitung erscheint unausweichlich. • Wichtig ist eine (kritische) Bestandsaufnahme des derzeitigen Vertragsver-hältnisses von Milcherzeugern zu genossenschaftlichen und privaten Molkereien. • Die kartellrechtliche Relevanz und die faktischen Auswirkungen langfristiger Lieferverträge und hoher Markttransparenz sind Themen im Anhörungs-verfahren. • Gleiches gilt für die derzeitige Ermittlung von Milchauszahlungspreisen über Vorgaben der Verhandlungspartner (von oben nach unten) oder Durchschnitts-preise. • Regional begrenzte Milcherzeugergemeinschaften sind ein kartellrechts-konformer Weg zur Verbesserung der Verhandlungsposition der Milcherzeuger.
Zwischenbericht Sektoruntersuchung Milch • Zwischenfazit (2) • Stärkere Produktdifferenzierung und Realisierung von „EconomiesofScale“ bei Milchbasisprodukten könnten Verhandlungsposition der Molkereien gegenüber dem LEH verbessern. • Beschlussabteilung wird die Prüfung möglicher Missbrauchspotentiale des LEH fortsetzen, wobei bislang im Rahmen der Sektoruntersuchung keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges Verhalten des LEH bei Molkereiprodukten identifiziert werden konnten. • Marktstufenübergreifende sowie überregionale Absprachen über Preise und Mengen stellen einen eklatanten Verstoß gegen nationales und europäisches Kartellrecht dar.