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Strukturierte Textwiedergabe. Eine interaktive Einführung für Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse. Verfasst von Bernd Mader. Quelle: Uta Wernicke, Sprachwissen. Lehr- und Arbeitsbuch Deutsch Sekundarstufe II Hamburg 1981, S. 35. Strukturierte Textwiedergabe?. Eine Textwiedergabe, die
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Strukturierte Textwiedergabe Eine interaktive Einführung für Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse
Verfasst von Bernd Mader Quelle: Uta Wernicke, Sprachwissen. Lehr- und Arbeitsbuch Deutsch Sekundarstufe II Hamburg 1981, S. 35
Strukturierte Textwiedergabe? • Eine Textwiedergabe, die • den Inhalt eines gedanklichen Textes zusammenfasst • und seinen gedanklichen Aufbau verdeutlicht
Ein gedanklicher Text • stellt meistens eine THESE auf. • Diese These wird mit ARGUMENTEN begründet. • Diese Argumente werden mit BEISPIELEN belegt bzw. veranschaulicht. • Am Ende zieht die Autorin/der Autor meistens eine SCHLUSSFOLGERUNG.
Beispieltext: Georg Christoph Lichtenberg Aphorismus
Georg Christoph Lichtenberg 1742 – 1799 Einer der wichtigsten Autoren der Aufklärung. Er war zugleich Schriftsteller und experimentierender Naturwissenschaftler.
Was ist ein Aphorismus? • Ein Apparat zum Abhören von Staatsfeinden? • Die wissenschaftliche Bezeichnung für das Affenverhalten? • Eine knapp und zugespitzt formulierte Erkenntnis?
Nein! Das überlassen wir dem Bundesnachrichtendienst.
Der Text – Teil 1 Der gewöhnliche Kopf ist immer der herrschenden Meinung und der herrschenden Mode konform, er hält den Zustand, in dem sich alles jetzt befindet, für das einzig Mögliche und verhält sich leidend bei allem. Ihm fällt nicht ein, dass alles, von der Form der Möbel bis zur feinsten Hypothese hinauf, in dem großen Rat der Menschen beschlossen worden, dessen Mitglied er ist. Er trägt dünne Sohlen an seinen Schuhen, wenn ihm gleich die spitzen Steine die Füße wunddrücken; er lässt die Schuhschnallen sich durch die Mode bis an die Zehen drücken, wenn ihm gleich der Schuh öfters steckenbleibt; er denkt nicht daran, dass die Form des Schuhes so gut von ihm abhängt als von dem Narren, der sie auf elendem Pflaster zuerst dünne trug.
Wielautet die These? • Der gewöhnliche Kopf leidet unter der herrschenden Meinung. • Der Autor stellt die These auf, dass der gewöhnliche Kopf immer der herrschenden Meinung und Mode konform ist. • Der Autor stellt die These auf, dass der Durchschnittsmensch sich immer den aktuellen Moden anpasst.
Und die Begründung? …er hält den Zustand, in dem sich jetzt alles befindet, für das einzig Mögliche und verhält sich leidend bei allem. Was heißt das denn?
Den Grund sieht er darin, dass der Durchschnittsmensch Zustände kriegt und darunter leidet. Lichtenberg begründet dies mit der Unfähigkeit des Durchschnittsmenschen, eine Alternative zum aktuellen Zustand zu erkennen. Er begründet die These damit, dass der Durchschnittsmensch unter den einzig möglichen Zuständen leidet. Ja, was denn nun?
Lichtenberg gibt eine zweite Begründung.Ach ja?. Ihm fällt nicht ein, dass alles, von der Form der Möbel bis zur feinsten Hypothese hinauf, in dem großen Rat der Menschen beschlossen worden, dessen Mitglied er ist.
Diese Begründung kann man so wiedergeben: • DieseUnfähigkeit erklärt der Autor so: Der Durchschnittsmensch bemerkt nicht, dass alle Moden von Menschen gestaltet werden und dass er sie ebenfalls beeinflussen kann.
Hypothesen sind Möbelstücke fürs Gehirn!(und sind deshalb auch von der Mode abhängig!)
… und jetzt die Beispiele: • …dünne Sohlen… spitze Steine… wundgedrückte Füße • Schuhschnallen, die an die Zehen drücken…
Wiedergabe der BeispieleSo oder so? • Der Durchschnittsmensch trägt dünne Sohlen oder drückende Schnallen, auch wenn ihm davon die Füße weh tun. Er wählt seine Schuhe nicht selbständig. • Lichtenberg veranschaulicht seine Aussage am Beispiel unbequemer Schuhe, die ein Durchschnittsmensch unter Schmerzen trage, nur weil die Mode ihm das diktiere.
Der Text – Teil 2 Dem großen Genie fällt überall ein: Könnte dieses nicht auch falsch sein? Es gibt seine Stimme nie ohne Überlegung. Ich habe einen Mann von großen Talenten gekannt, dessen ganzes Meinungensystem so wie sein Möbelvorrat sich durch eine besondere Ordnung und Brauchbarkeit unterschied; er nahm nichts in sein Haus auf, wovon er nicht den Nutzen deutlich sah. Etwas anzuschaffen, bloß weil es andere Leute hatten, war ihm unmöglich. Er dachte: so hat man ohne mich beschlossen, dass es sein soll; vielleicht hätte man anders beschlossen, wenn ich dabei gewesen wäre. – Dank sei diesen Männern, dass sie zuweilen wenigstens einmal schütteln, wenn es sich setzen will, wozu unsere Welt noch zu jung ist.
In welchen Zusammenhang stellt Lichtenberg den „gewöhnlichen Kopf“ und das „große Genie“?
Er vergleicht den gewöhnlichen Kopf mit dem Genie. • Der Durchschnittsmensch soll wie das Genie handeln. • Als Gegensatz zum Durchschnittsmenschen stellt der Autor das „große Genie“ dar, das unabhängig von der Mode und der Meinung anderer denke und handele.
Der Schluss des Textes Dank sei diesen Männern, dass sie zuweilen wenigstens einmal schütteln, wenn es sich setzen will, wozu unsere Welt noch zu jung ist.
Für eine verständliche Textwiedergabe müssen die Metaphern übersetzt werden. Also bitte: Was schütteln die Genies? Was setzt sich?
Das Genie schüttelt den Staub von den Möbeln, weil es sich setzen will.
Die Genies erzeugen Unruhe und verhindern dadurch geistigen Stillstand.
Lichtenbergs Schlussfolgerung kann also so wiedergegeben werden: Der Autor schließt mit einem Appell: Die Menschen sollten den Genies dafür dankbar sein, dass sie geistige Unruhe erzeugten, indem sie gängige Vor-stellungen in Frage stellten, bevor diese sich in der Gesellschaft für immer festsetzen würden.
Die strukturierte Textwiedergabe als Ganzes: Georg Christoph Lichtenberg stellt in seinem Aphorismus die These auf, dass der Durchschnittsmensch sich immer den herrschenden Moden anpasst. Er begründet dies mit dessen Unfähigkeit, eine Alternative zum aktuellen Zustand zu erkennen. Diese Unfähigkeit erklärt der Autor so: Der Durchschnittsmensch bemerkt nicht, dass alle Moden von Menschen gestaltet werden und dass er sie ebenfalls beeinflussen kann. Lichtenberg veranschaulicht seine Aussage am Beispiel unbequemer Schuhe, die ein Durchschnittsmensch unter Schmerzen trage, nur weil die Mode ihm das diktiere. Als Gegensatz zum „gewöhnlichen Kopf“ stellt der Autor das „große Genie“ dar, das unabhängig von der Mode und der Meinung anderer denke und handele. Er schließt mit einem Appell: Die Menschen sollten den Genies dafür dankbar sein, dass sie geistige Unruhe erzeugten, indem sie gängige Vorstellungen in Frage stellten, bevor diese sich in der Gesellschaft für immer festsetzen würden.