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Abstract
E N D
Abstract Vorgestellt wird die deutsche Adaptation des Strukturierten Interviews für das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (SIFFM; Trull & Widiger, 1997), ein semistrukturiertes, klinisches Interview zur Messung von adaptiven und dysfunktiona-len Persönlichkeitsmerkmalen im Kontext des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit (FFM). Empirische Analysen der Interviewdaten aus nicht-klinischen und klinischen Stichproben bestätigten die Reliabilität und Validität des SIFFM. So erwiesen sich die Interviewergebnisse über verschiedene Beurteiler als hoch reliabel; die Skalen waren intern konsistent und zeigten die erwarteten konvergenten und divergenten Bezüge zu konzeptionell ähnlichen bzw. fremden Persönlich-keits- und Persönlichkeitsstörungsmaßen. Validität Faktorenstruktur der Facetten Die Tabelle 3 informiert über die varimax-rotierte Faktoren-struktur der Facetten der SIFFM-Form S in der klinischen Stichprobe. Sie enthält zugleich Angaben zur Beurteilung der Stabilität der Faktorenstruktur, d. h. Kongruenzkoeffizienten aus dem empirischen Vergleich der Faktorenstruktur mit der Varimaxstruktur der Facetten in der nicht-klinischen Stich-probe. Die ersten acht Eigenwerte der Hauptkomponenten-analyse betrugen 5.59, 3.75, 3.25, 1.75, 1.57, 1.21, 1.06, 0.99; eine Parallelanalyse nach Horn (1965) ergab fünf bedeutsame Komponenten. Die Faktorkongruenzkoeffizienten zeigen mit Ausnahme des Faktors Verträglichkeit eine sehr hohe Ähnlichkeit der Fakto-ren der klinischen und der nicht-klinischen Stichprobe. Abge-sehen von einer Ausnahme (A5, Bescheidenheit) laden die Facetten primär auf den zugehörigen Faktoren. Strukturiertes Interview für das Fünf-Faktoren-Modell (SIFFM)Fritz Ostendorf, Alois Angleitner, Silke Wiedemann & Jana Wyschkon, Universität Bielefeld • Hintergrund und Ziele der Entwicklung • Kritik der kategorialen Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen • Das Instrument entstand u. a. in Reaktion auf die vorherrschende Kritik der Konzeption der Persönlichkeitsstörungen durch die aktuellen psychiatrischen Klassifikationssysteme (DSM-IV-TR und ICD-10). Zu den häufig genannten Proble-men zählen etwa: • Der erhebliche Verlust an Information durch die Verwendung eines kategorialen Klassifikationssystems. • Die Kategorien sind im wesentlichen das Resultat von Komiteevereinbarungen. • Die Unterscheidung von „normaler“ und „gestörter“ Persönlichkeit anhand willkürlicher Cut-Off-Werte. • Die substantielle Überlappung der Diagnosen, die sich nicht mit der „kategorialen Sichtweise“ vereinbaren lässt. • Dem SIFFM liegt hingegen ein dimensionale Ansatz zugrunde, der dem traditionellen kategorialen Modell überlegen ist. • Vorteile des Fünf-Faktoren-Modells • Die Persönlichkeitsmerkmale die durch das SIFFM gemessen werden entsprechen denen des Fünf-Faktoren-Modells (FFM) von Costa und McCrae (1992). Es gibt andere dimensionale Persönlichkeitsmodelle, dem FFM wurde jedoch der Vorzug gegeben, da es u. a. die folgenden Vorteile besitzt: • Das FFM ist theoretisch neutral. • Es gibt eine großes Netzwerk bestätigender empirischer Befunde. • Das FFM besitzt eine sehr große Bandbreite, die größer ist, als die der Persönlichkeitsstörungen des DSM. • Warum ein zusätzliches Interview? • Es gibt bereits diverse Fragebogen (z. B. NEO-PI-R). Ein Interview besitzt jedoch Vorteile, insbesondere im klinischen Kontext: • Persönlichkeitsbeurteilungen mittels des SIFFM werden in geringerem Maße durch die aktuelle Stimmungslage beeinflusst. • Kliniker bevorzugen (oft unstrukturierte) Interviews und halten sie für valider. • Das Verständnis der Fragen kann eher sichergestellt werden. • Das SIFFM stellt eine weitere Modalität zur Messung der fünf Faktoren zur Verfügung. • Wichtiger Unterschied zum NEO-PI-R: Das SIFFM erfasst nicht nur normale/adaptive sondern auch extreme/dysfunktio-nale Ausprägungen der Persönlichkeitsmerkmale des FFM. Konvergenz mit den NEO-PI-R-Faktoren Eine gemeinsame Hauptkomponentenanalyse der Hauptskalen der SIFFM-S und NEO-PI-R-S-Formen ergab fünf Faktoren die durch die assoziierten Skalen mit Ladungen von .90 - .92 markiert wurden. Die Eigenwerte der ersten sechs Faktoren dieser Analyse lauteten 1.87, 1.75, 1.71, 1.67, 1.58 und 0.42. Multitrait-Multimethod-Analyse Die Tabelle 4 informiert über die konvergente und divergente Validität der fünf Hauptskalen der SIFFM- und NEO-PI-R-Formen S und F. Die Ergebnisse zeigen, von einigen Ausnahmen abgesehen, eine hohe konvergente und diskriminante Validität der SIFFM- und NEO-PI-R-Hauptskalen. Bei den drei Ausnahmen handelt es sich um Konvergenzen der SIFFM-Form F zu den beiden Methoden, die auf Selbstberichten basieren (NEO-PI-R- und SIFFM-Form S). Da die konvergenten Validitäten innerhalb eines Beur-teilungsmodus jeweils deutlich höher ausfallen als zwi-schen den Beurteilungsmodi (Selbst- versus Fremd-beurteilungen), liegt offenbar ein starker Methoden-effekt vor. Selbst- und Fremdbeschreibungen sind demnach qualitativ verschiedene Informationsquellen. Somit kann die konvergente und divergente Validität des SIFFM als auch des NEO-PI-R als ausgezeichnet bewertet werden, sofern den Messungen die gleiche Informationsquelle (Selbst- oder Fremdbeurteilungen) zugrunde liegt. Die beobachteten Mängel in der Konvergenz gehen also nicht zu Lasten des Instru-ments sondern zu Lasten der mangelnden Überein-stimmung von Selbst- und Fremdbeurteilungen. Entwicklung des SIFFM Amerikanische Originalform Die Entwicklung folgte dem rationalen Ansatz der Testkonstruktion. Zu den statistischen Kriterien der Itemselektion gehörten u. a. hohe konvergente und diskriminante Korrelationen der SIFFM-Items zu den assoziierten Facetten und Hauptskalen des NEO-PI-R. Deutsche Übersetzung Die Items wurden von einem Team (vier deutsche Mitarbeiter, ein ‚native speaker‘ sowie die amerikanischen Autoren) in einem iterativen Rückübersetzungsverfahren übersetzt. Deutsche SIFFM-Form F (Fremdbeurteilungsversion) Eine nützliche Maßnahme zur Erhöhung der Validität klinischer Urteile besteht darin, neben Selbstbeschreibungen auch Fremdurteile über eine Person von nahe stehenden Personen bzw. relevanten Informationsträgern zu erheben. Zu diesem Zweck wurde eine deutsche Form F entwickelt, indem die Items der SIFFM-Form S in die dritte Person umformuliert wurden. • Aufbau des SIFFM • Das SIFFM enthält 120 Fragen, vier je Facette, 24 pro Hauptskala. Durchführungszeit ca. 1 Stunde. Zunächst wird immer eine Eingangs gestellt. In Abhängigkeit von der Antwort auf diese Frage werden ggf. weitere Fragen gestellt. Beispiel: • 9. Halten Sie sich selbst für einen deprimierten Menschen? • FALLS JA: Fühlen Sie sich oft wertlos, einsam oder bedrückt? Wie lange dauern diese Zeiträume? Wie oft fühlen Sie sich glücklich? • 0 NEIN - hält sich nicht für eine deprimierte Person. • 1 JA - hält sich für eine deprimierte Person; fühlt sich einen bedeutsamen Teil der Zeit (z.B., 50%) niedergeschlagen. • 2 JA - hält sich für eine deprimierte Person; fühlt sich selten (falls überhaupt jemals) glücklich; depressive Zeiträume sind lang andauernd. • Die Items sind hinsichtlich der Verschlüsselungsrichtung relativ ausbalanciert. Das SIFFM ist leicht auszuwerten. Punkt-werte werden markiert die nicht weiter rekodiert sondern unmittelbar (je 4 Items einer Facette pro Seite) zu Skalenwerten addiert werden können. Beziehungen zu Persönlichkeitsstörungen Tabelle 5: Eine gemeinsame Hauptkomponenten-analyse der Hauptskalen der SIFFM- und NEO-PI-R-Formen S mit den Persönlichkeitsstörungsskalen des Coolidge Axis II Inventory (CATI) ergab fünf Faktoren, die 77% der Gesamtvarianz erklärten und nach Varimax-Rotation recht klar im Sinne der Faktoren des FFM interpretiert werden konnten. Der Eigenwertverlauf deutete sowohl nach dem Kaiser-Guttman-Kriterium, als auch nach den Ergebnissen einer Parallelanalyse auf fünf bedeutsame Faktoren [Eigenwertverlauf: (1) 8.11, (2) 4.05, (3) 2.89, (4) 2.04, (5) 1.37, (6) .91]. Die Kommunalitäten der CATI-Skalen zeigen, dass sich die Persönlichkeitsstörungen des DSM-IV gut im Kontext des FFM beschreiben lassen. Das Ladungsmuster der CATI-Skalen zeigt ferner, dass die im DSM-IV vorgenommene Gruppierung der Persönlichkeitsstörungen zu den Clustern A-C nicht den empirischen Fakten entspricht. Hingegen bestätigt das Ladungsmuster recht gut die von Widiger, Trull, Clarkin, Sanderson und Costa (2002) postulierten Beziehungen zwischen den DSM-Persönlichkeitsstörungen und den Faktoren des FFM. Psychometrische Merkmale der deutschen Version Stichproben Die SIFFM-Form S wurde in mehreren Studien zusammen mit anderen Instrumenten eingesetzt. Der Gesamtdatensatz aller Form- S-Interviews (N = 398) umfasste eine Stichprobe klinischer (N = 179) und eine Stichprobe nicht-klinischer Probanden (N = 219). Materialien und Prozedur Die zusätzlichen Instrumente waren u. a. die NEO-PI-R Formen S (N = 384) und F (N = 200), das Coolidge Axis II Inventory (CATI; N = 210) zur Messung der DSM-IV Persönlichkeitsstörun-gen (Coolidge, 1993), der DAPP-BQ(Dimensional Assessment of Personality Pathology – Basic Questionnaire; N = 45) von Livesley und Jackson (in press), sowie die SIFFM Form F (N = 52). In zwei der Studien wurde die Auswertungsobjektivität der SIFFM-Form S untersucht, d. h. jedes Interview wurde auf Tonband aufge-zeichnet und diese Aufzeichnung wurde später von einem zweiten unabhängigen Beurteiler bewertet (N = 80). Eine der beiden Stu-dien prüfte ebenfalls die Auswertungsobjektivität der SIFFM-Form F (N = 28). Inter-Rater-Reliabilität Die Tabelle 1 zeigt die Korrelationen zwischen den Kodierungen zweier unabhängiger Beurteiler für die Facetten und Hauptskalen der SIFFM Formen S und F. Die mit den deutschen Formen erziel-ten Werte sind insgesamt sehr ermutigend und vergleichbar mit den Werten der amerikanischen Originalform. Interne Konsistenz Ebenfalls können sich die internen Konsistenzen der Hauptskalen (vgl. Tabelle 2) und der Facetten der deutschen SIFFM-Formen mit denen der Originalfassung messen. Da die Facetten jeweils nur vier Items enthalten, können die meisten Internen Konsistenzen als recht zufrieden stellend beurteilt werden (mittlere Konsistenz: Originalform .58, Übersetzung: .56). Deutlich günstigere Schätzun-gen berichteten Trull, Widiger, Useda, Holcomb, Doan, Axelrod, Stern & Gershuny (1998) aus einer Test-Retest-Studie in der die Retest-Reliabilität der Facetten im Mittel .76 betrug (Abstand: 2 Wochen). Literatur Coolidge, F.L. (1993). The Coolidge Axis II Inventory: Manual. University of Colorado at Colorado Springs. Frederick L. Coolidge. Costa, P. T. (Jr.) & McCrae, R. R. (1992). Revised NEO Personality Inventory (NEO PI-R) and NEO Five Factor Inventory. Professional Manual. Odessa, Fl.: Psychological Assessment Resources. Horn, J. L. (1965). A rationale and test for the number of factors in factor analysis. Psychometrika, 30, 179-185. Livesley, W. J. & Jackson, D. (in press). Manual for the Dimensional Assessment of Personality Pathology - Basic Questionnaire. Port Huron, MI: Sigma Press. Trull, T. J. & Widiger, T. A. (1997). Structured Interview for the Five-Factor Model of Personality (SIFFM). Professional Manual. Odessa, FL: Psychological Assessment Resources. Trull, T. J., Widiger, T. A., Useda, J. D., Holcomb, J., Doan, B. T., Axelrod, S. R., Stern, B. L. & Gershuny, B. S. (1998). A structured interview for the assessment of the five-factor model of personality. Psychological Assessment, 10, 229-240. Widiger, T. A., Trull, T. J., Clarkin, J. F., Sanderson, C. & Costa, P. T. (Jr.) (2002). A description of the DSM-IV personality disorders with the five-factor model of personality. In P. T. Costa Jr. & T. A. Widiger (Eds.), Personality disorders and the five-factor model of personality (2nd edition; pp. 89-99). Washington, DC, US: American Psychological Association.