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E N D
„Von allen Eigenheiten eines Volkes, wie eines einzelnen Menschen, ist die auffallendste seine Sprache. Die Sprache ist das von Geschlecht zu Geschlecht fortgeführte Selbstbewußtsein eines Volkes, sie ist von seinem Entstehen an die bestimmende und bestimmte Form seines Thuns, nur durch sie dauert ein Volk als Volk, denn mit ihr geht das Bewußtsein des Volkes verloren, das Volk als dieses Volk hört auf. So ist von Europas frühern Bewohnern, weil sie mit den spätern Einwanderern sich vermischt und bis auf wenige traurige Reste des Baskischen, Finnischen [...] und Irischen, ihre eigenthümlichen Sprachen aufgegeben, kaum noch das Andenken übrig, aber eben dieses hartnäckige Fortglimmen der genannten Sprachtrümmer längst verwischter Nationen ist auch ein Beweis, wie äußerst fest jedes Volk an seiner Sprache hält, und welcher Gewaltthätigkeit es bedarf, sie ihm zu rauben.“ [1] • [1] Eichinger, Ludwig M., Die Dialekte und Regionalsprachen und ihr Verhältnis zur Hochsprache. Die Lage in Deutschland und Frankreich, in: Hättich, Manfred; Pfitzner, Paul Dietmar (Hg.) 1989: Nationalsprachen und die Europäische Gemeinschaft, München: Olzog Verlag, S. 53
Hauptseminar: Europäische Mentalitätsgeschichte Prof. Dr. Beneke Kommunikation und Sprache Kommunikation und Sprache Referentinnen: Catherine Vogel Nina Plaschke Maike Holzhauer-Koffi
„Sie sprechen anders als wir. Also sind sie anders. Also mögen sie uns nicht.“(Crystal,1998) • Theoretische Zusammenhänge von Sprache und Identität • Geschichtliche Sprach- und Kommunikationsentwicklung • Sprachpolitik der EU
Sprache und Identität • Sprache und Denken • Physische Identität • Psychische Identität • Geographische Identität • Soziale Identität
Sprache und Denken • Schreibt uns Sprache die Bahnen vor, in denen wir denken können? • Jean Piaget (1896-1980): „Modell der kognitiven Entwicklung“: Sprache ist abhängig vom Denken! • Edward Sapir (1884-1939) und Benjamin Lee Whorf (1897-1941): „Sapir- Whorf- Hypothese“: • „sprachlicher Determinismus“ • „sprachliche Relativität“
Physische Identität • Besteht ein Zusammenhang zwischen der Sprache und den physischen Merkmalen eines Menschen? • Anatomische Beschaffenheit der Sprechorgane • Gesundheitszustand • Alter • Geschlecht
Psychische Identität • Spiegelt Sprache die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen wider? • Sprache und Intelligenz • Gefahr stereotyper Vorstellungen bezüglich der Persönlichkeit
Geographische Identität • Dialekt: Varietät einer Sprache; Grammatik und Wortschatz • Akzent: besondere Aussprache • Idiolekt: individuelles Sprachsystem eines einzelnen Sprechers • Soziolekt: Deckungsbereich verschiedener Idiolekte, wenn er mit einer Gruppenbildung einhergeht (Familie, Berufsgruppe, Gesinnungsgruppe,...)
Grenze zwischen Sprache und Dialekt • Geographisches Dialektkontinuum: Innerhalb eines Gebiets wird eine „Kette“ von Dialekten gesprochen • Dialektkontinua in Europa: • Skandinavisches Dialektkontinuum • Nordslawisches Dialektkontinuum • Südslawisches Dialektkontinuum • Westgermanisches Dialektkontinuum • Westromanisches Dialektkontinuum
Theoretisches Problem: • An welchem Punkt der „Kette“ lässt sich sagen, dass eine Sprache aufhört und die nächste anfängt? • Linguistische versus politische/historische Gründe
Soziale Identität • Was ist der Mensch in den Augen der Gesellschaft, zu der er gehört? • Gesellschaftliche Schicht: Gruppe von Menschen mit ähnlichen sozialen oder wirtschaftlichen Merkmalen
Basil Bernstein (1924): • „elaborierter Code“: Sprachvariante der Mittelschicht; personorientiert • „restringierter Code“: Sprachvariante der Unterschicht; statusorientiert
Soziale Solidarität versus soziale Distanz • Diglossie: In einer Gemeinschaft existieren zwei deutlich voneinander abgegrenzte Varietäten als Standardsprachen • „Low- Varietät“ für Alltagsgespräche • „High- Varietät für besondere Gelegenheiten
Die indogermanischen Sprachen • Sprachfamilien: Sprachen, die ihrer Herkunft nach miteinander verwandt sind • indogermanische: eine der am besten bekanntesten und erforschten
Geschichte der deutschen Sprache Das Mittelalter Althochdeutsch (750-1050): • zu Beginn der ahd. Zeit gelang es Karl dem Großen (768-814), die Sachsen zu unterwerfen und mit Gewalt zum Christentum zu bekehren • römischer Verwaltungsapparat und damit das Latein war übernommen worden • lese- und schreibkundig fast ausschließlich Kleriker, die auch Beamten des neuen Staates wurden
mehrere Jahrhunderte hindurch verblieb das Lateinische Amts- Gelehrten- und Kirchensprache • aber: Kulturprogramm von Karl dem Großen konnte nur mit Volkssprachen durchgeführt werden • Kleriker beauftragt Vaterunser, etc. in jeweilige Volkssprachen zu übersetzen • ahd. Schrifttum entstand also im Dienste der Missionierung in den großen Klöstern
Geschichte der deutschen SpracheDas Mittelalter Mittelhochdeutsch (1050-1350): • viele Entlehnungen aus dem Französischen, da auch Übernahme der Französisch Provenzalischen gesellschaftlichen Lebensform (Ritterstand wurde neue soziale Schicht) • von 1170-1230 erlebte höfische Ritterkultur ihre Blütezeit • aber Sprache der Kirche, Verwaltung, Unterricht noch immer in Latein
Frühneuhochdeutsche Zeit (1350-1650) • Humanismus prägend: geistige Strömung aus Italien • Latein als Sprache der Bildung; als natürliches Verständigungsmittel der Gelehrten • H. befestigte Stellung des Latein a. erneuerte auch neue Sprache • Übersetzungen L-D • Grammatiken entstanden • 17. Jh. erste Sprachgesellschaften
Der Weg zur deutschen Standardsprache • setzt etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein • mehrere Faktoren trugen dazu bei
I. Die Kanzleien • Ämter und Dienststellen • in Kanzleien entwickelten sich lokale Schreibtraditionen • Herausbildung überregionaler Kanzleisprachen • Schreibsprachen verschiedener Gegenden kamen einander näher
II. Erfindung des Buchdrucks • erste Bücher in lat. Sprache • um 1500 dt. Drucke • allmähliche Anlehnung an die größeren Kanzleisprachen; verschiedene dt. Druckersprachen entstehen • Einfluss des Gedruckten groß führt zu Vereinheitlichung der Orthographie und Sprachformen
Um 1500 haben sich fünf größere durch die Kanzleien und die Buchdrucker geprägte Schreibsprachen auf dt. Gebiet entwickelt!
Einfluss von Luther • schloss sich der ostmitteldeutschen Schreibtradition und machte sie zum Vorbild/ Gemeingut • Bibelübersetzung setzte sich in weiten Kreisen durch
Neuhochdeutsch (1650-1900) • an Normierung der Sprache wird gearbeitet • Sprachgesellschaften, Grammatiker bemühen sich um Regeln • romanische Sprachen wirken auf das Deutsche ein • Aufklärung hat auch besonderen Einfluss • Dichter der Aufklärung, des Sturm und Drang und der Klassik tragen zur Weiterentwicklung bei • Ende 18. Jh. erlangte dt. Literatur europ. Bedeutung
allmählich übernimmt die genormte hochdeutsche Sprache auch eine gewisse nationalpolitische Rolle • das Gefühl einer gemeinsamen sprachlichen Identität unterstützt pol. Einheitsbestrebungen und Abgrenzung nach außen • nach Reichsgründung 1871 vollzieht sich der letzte Schritt einer allgemein anerkannten einheitlichen Orthographie und Aussprache • 1885 gegründet: Allgemeiner Deutscher Sprachverein
Johann Gottfried Herder (1744-1803) • 1772 erschien die sprachphilosophische “Abhandlung über den Ursprung der Sprache” • beeinflusste die Entwicklung der dt. Literatursprache, ebenso wie Sprachphilosophie • betonte Beziehung zwischen Sprache und Nation • Idee der Gemeinschaftsbildung durch Sprache • Sprache als Ausdruck der Mentalität und Denkweise eines Volkes
Sprachgeschichtliche Entwicklung in Frankreich Mittelalter: • territoriale Zersplitterung bedingte Rivalität verschiedener Kulturzentren, die eine jeweils regionale schriftliche Variante verwendeten • seit 13. Jh. werden Varianten vom Franzischen überlagert/ verdrängt • Franzische: Dialekt der Ile-de-France
15.08.1539: die Ordonnanzen von Villers Cottêrets (Reform des Rechts- und Verwaltungswesens) • nach Mitte des 16. Jh. diente das Frz. überall als Amts- und Rechtssprache • das Frz.vervollkommnete sich • im späten 17. Jahrhundert war Latein als geläufiges Kommunikationsmittel aus allen Bereichen verschwunden
Bedeutung der Salons • leidenschaftliche Sprachdiskussionen • Treffpunkt für auserlesene Mitglieder der Aristokratie • durch Richelieu wurde aus einem lockerem Diskussionszirkel 1635 eine nationale Institution die Académie française • kümmerte sich um Erstellung eindeutiger Regeln und Sprachreinigung
Italien • Vorrangstellung des Toskanischen durch Klassiker des 14. Jh. ausgebaut, u.a. durch Dante Alighieri (1265-1321) • zur Zeit Dantes lebhafte Diskussionen um die “questione della lingua” • schon im 14. Jh. bezeichneten sich einige Autoren in bestimmten Zusammenhängen als Italiener • ab 16. Jh. öfter Äußerungen dieser Art
18. Jh.: • spätes 18. Jh. entscheidende Zeit, in der italienische Intellektuelle ein Bewusstsein für die Beziehung zwischen Sprache und nationaler Identität entwickelten
Sprache in Europa heute • Durch enge Zusammenarbeit auf europäischer Ebene: ständiger intensiver Sprach- und Kulturaustausch • Chancen und Risiken
Sprachanwendung innerhalb der Organe der EU Alle Sprachen der teilnehmenden Länder: „Amts- und Arbeitssprachen der Organe der Gemeinschaft“ 11x10 = 110 Kombinationsmöglichkeiten
Probleme riesige Übersetzungsleistung: mehr als 1 Mio. Seiten pro Jahr • Kostenfaktor • Zeitaufwand • Erhöhung der Amtssprachen in Sicht
Lösungsansätze • Lingua Franca: Englisch / Französisch • Neutrale Sprache: Esperanto • Selektive Vielsprachigkeit
Ideal von Vielsprachigkeit und damit verbundenem Sprach- und Kulturaustausch
Minderheitssprachen • Mehr als 45 im Gemeinschaftsgebiet lebende Minderheiten • 1992: „Europäische Charta der Regional- und Minderheitssprachen“ • 95 Maßnahmen, 35 verpflichtend
Ratifiziert: Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Italien, Österreich, Portugal • Kritik: • nur 35 Maßnahmen verpflichtend • Fehlende Definition von Minderheit • Anwendung auf welche Sprachen in Verantwortung des Landes • Kontrolle schwierig
Minderheiten in Deutschland • ca. 10 000 Friesen • ca. 50 000 Dänen • ca. 70 000 Sinti und Roma • ca. 60 000 Sorben
Geschichte • 6. Jh.: Besiedlung westslawischer Stämme der Lausitz • Einbindung in das deutsche Staatsgebilde • Oberlausitz: Sorbisch Hauptsprache bis ins 3. Reich, dort Unterdrückung • Zu DDR Zeiten: Umbaggerung sorbischer Dörfer
Mädchen in sorbischer Tracht Quelle: http://www.lindgren-grundschule-vetschau.de/sorbisch.html
Guten Tag Ich heiße Ich wohne im Spreewald Auf Wiedersehen Dobry zen Me se gronje Ja bydlim we Blotach Na zasejwizenje Sorbisch - Intensivkurs
Situation heute • Wechsel hin zur Deutschsprachigkeit • Vorwürfe an die Politik: - Kürzung der Förderungen - Kein Einrichten mehr von Schulklassen
Frankreich • Erkennt keine Minderheiten an • Französisch ist: „langue officielle de la Nation“ • Keine Ratifizierung der Charta: Schutz über die Gleichheit aller Bürger„La République est une et indivisible“
Frankreich • Sprachpflege lange Tradition • Bedrohung durch das Englische/ Amerikanische • Konsequenz: 1994: Loi Toubon: keine fremdsprachigen Begriffe • Besonders betroffen: Werbung
Mannesmann Arcor: „The telephone people“ • Philips:„Let‘s make things better“ • Premiere World:„Your personal TV“ • o.tel.o: For a better understanding
Fast-food = prêt-à-manger • Byte = octet • Fax = télécopie • Computer = ordinateur
Spanien • Sprachliche Vielfalt:- Dialekte: Aragonesisch Bable - Regionalsprachen/teilweise Amtssprachen: Katalanisch Baskisch Galizisch
Katalanisch • Katalonien • Valencia • Balearen • Andorra • Randstreifen von Aragonien • Frankreich: Pyrénées-Orientales • Italien: Alghero (Sardinien)
Katalanisch • Massive Unterdrückung unter Franco(1939 – 1975) • Heute: Intensive Pflege des Katalanischen Einräumung von Vorteilen gegenüber dem Kastellanischen (Amts- und Gerichtssprache) Trotz Reibungspunkte kein Sprachkonflikt