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Filmgeschichte I: - Lumière/Méliès - Griffith/Stroheim - Der deutsche Expressionismus (Leni, Martin, Wiene) - Höhepunkte des deutschen Stummfilms (Lang, Murnau, Pabst) - Das sowjetische Montage-Kino (Eisenstein) - Höhepunkte des frühen deutschen Tonfilms (Sternberg, Lang, Siodmak)
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Filmgeschichte I: - Lumière/Méliès - Griffith/Stroheim - Der deutsche Expressionismus (Leni, Martin, Wiene) - Höhepunkte des deutschen Stummfilms (Lang, Murnau, Pabst) - Das sowjetische Montage-Kino (Eisenstein) - Höhepunkte des frühen deutschen Tonfilms (Sternberg, Lang, Siodmak) - Hollywoods Studiosystem der 30er Jahre - Frankreichs Poetischer Realismus - Das deutsche Nazi-Kino - Hollywoods Studiosystem der 40er Jahre (Warner) - Der italienische Neorealismo
Der poetische Realismus im Frankreich der dreißiger Jahre
Jacques Feyder (1888-1948) Jean Renoir (1894-1979) Julien Duvivier (1896-1967) René Clair (1898-1981) Marcel Carné (1906-1996)
Definitionen (I): Für Ulrich Gregor/Enno Patalas gilt der Poetische Realismus als besonderer Epochalstil der 30er Jahre, der geprägt ist von „realistischer Gestaltung“ und „scharfer Sozialkritik“, verbunden mit einem „untergründige(n) Pessimismus“.
Definitionen (II): Jerzy Toeplitz: „Alle Filmschöpfer (…) waren an einer psychologischen Analyse (…) interessiert. Die Fabel diente nur als Vorwand, um zu zeigen, was „in“ den Menschen steckt. (…) Bei der Wiedergabe des Milieus war das Prinzip des Realismus verpflichtend, und wenn davon abgewichen wurde, so geschah es um der poetischen Stilisierung der Charaktere, der Landschaft und des Tonhintergrunds willen.“
Definitionen III: Alexandre Arnoux, 1939: „Charakteristische Merkmale“ des PR sind – „Technik voller Enthaltsamkeit“; „große Freiheit im Drehbuchaufbau“; „leichte Erzählweise“; „Abkehr vom (…) Ausstattungsfilm“; „Vorliebe für einfache (…) Helden“; „die charakteristische Poesie, die man in den Bildern vom Elend, von den Arbeitervor- städten, in den Garagen (…) finden kann“; „spürbarer Einfluß des Surrealismus“;
Definitionen (IV): Bernd Kiefer: „Unter diesem Begriff (…) finden sich (…) stilistisch divergierende Werke unterschiedlicher Regisseure (…). Gemeinsam ist (den) Filmen meist das Thema der Unmöglichkeit der Liebe und die Ansiedlung der Handlung in einem proletarischen Milieu, in dem der Held (…) tragisch scheitert, aus Zorn auf die Verhältnisse zum Mörder wird und am Ende selber stirbt.“
Im poetischen Realismus geht es also einerseits um Realistisches im Sujet: um genaue Blicke auf Menschen in konkreten Umgebungen / Landschaften („um Wirklichkeit ohne Künstelei“), und andererseits um Poetisierung durch filmische Formen: um die besondere Stimmung des Lebens in der jeweiligen Zeit. Es geht um Trostlosigkeit / Ausweglosigkeit in der sozialen Situation / hinter bzw. in der stets menschliche Kraft entdeckt und gefeiert wird.
Beispielhafte Filme: Clairs SOUS LES TOITS DE PARIS (1930) Renoirs TONI (1934) Vigos L‘ATALANTE (1934) Feyders HOTEL MIMOSAS (1935) Duviviers LA BELLE EQUIPE (1936) Carnés LE JOUR SE LÈVE (1939)
Rene Clair und sein Film SOUS LES TOITS DE PARIS
Jean Renoir und sein Film TONI K: Claude Renoir Sch: Marguerite Renoir P: Marcel Pagnol D: Charles Blavette (Toni), Jenny Hélia (Marie), Célia Montalvan (Josepha), Max Dalban (Albert)
Vorspruch: „Die Handlung spielt in Südfrankreich, da wo die Natur den Geist von Babel zerstört und die Verschmelzung der Rassen so gut zu betreiben versteht.“ Prinzipien: Originalschauplätze außen wie innen / keine Profi-Schauspieler, sondern Laien / keine Inszenierung, sondern Improvisation
André Bazin: Man „erkennt (…) die Dialektik zwischen der rohen Wirklichkeit, die ohne Rücksicht auf psychologische Wahrscheinlichkeit dokumentiert wird, und der moralischen Wahrheit, die keinen Bezug zur Psychologie mehr hat. Zwischen den beiden schwankt der Film ständig hin und her, insofern seine Personen als Charaktere ganz unglaub- würdig sind und nur gesellschaftliche und moralische Realität haben.“
Truffaut: „Das Auffälligste ist (…) die Beschreibung nicht von zwei Frauencharakteren, sondern vielmehr von zwei Etappen im Leben einer Frau: nach ihrer Heirat mit Albert wird Josepha, die zunächst aufreizend und unwiderstehlich ist, ein Opfer wie Marie, eine arme Frau wie die anderen. TONI ist einer der fünf oder sechs schönsten Filme Renoirs, eine Tragödie, in der die Sonne den Platz des Schicksals einnimmt.“
TONI: „Interesse an sozi(alen) Problemen“; Streben nach „Authentizität“; Gedreht „in natürlichen Exterieurs“; Ablehnung des „Kalligraphischen“; Abkehr vom „Minimalistischen“; Akzent auf „Improvisation“; „Herausfühlen der Dramturgie“; „Bemühen um die Plastizität des Bildes“; Versuch einer „individuellen Handschrift“; (Jerzy Toeplitz)
André Bazins Thesen zu Jean Renoir
These 1: „Renoir (ist) ein Meister des filmischen Realismus, ein Erbe der naturalistischen Roman- tradition und der impressionistischen Malerei.“ (21)
These 2: Renoirs „Realismus ist keiner der bloßen Kopie oder platten Widerspiegelung, sondern die Wiederentdeckung jener Exaktheit, die jenseits aller Konventionen das gleichzeitig dokumentarische und signifikante Detail getreulich wiederzu- geben vermag.“ (43)
Komponenten von Renoirs Realismus: 1) Detailtreue (die „ebensosehr das Resultat seiner Phantasie wie seiner Beobachtung der Wirklichkeit“ sei, „der er immer die signifikante, aber nicht konventionelle Seite abzugewinnen vermag.“ (44)
2) Außenaufnahmen in natürlicher Umgebung 3) Aufnahmetechnik immer im Dienst der „dramatischen Aufmerksamkeit“ 4) Tiefenschärfe 5) Technik der Rekadrage, „die den Einstellungswechsel ersetzt und dazu zwingt, die Szenen nicht mehr in einzelne Fragmente zu zergliedern, sondern sie wirklich als Einheit zu behandeln.“ (44)
These 3: „Renoir (ist) hauptsächlich darum bemüht, das durch seine Objektive vertiefte Bildfeld durch die seitliche Rekradrage zu erweitern. So werden Schwenk und die Parallelfahrt zu den zwei Hauptbewegungen seiner Kamera.“ (14)
These 4: „Renoirs Kunst (ist) eine Ästhetik der Diskrepanz, der décalage.“ Oft lägen Handlung und Buch „neben dem Sujet, die Schauspieler neben den Rollen, das Spiel neben der Situation.“ (20)
These 5: Im Zentrum von Renoirs Filmen – nicht „Situationen und dramatische Entwicklungen“, sondern „Menschen und Tiere, Dinge und Tatsachen.“ (59) (Filme als „Geflecht aus Anspielungen, Beziehungen und Entsprechungen“, als „Karussell von Motiven“)
These 6: „Bildhaftigkeit“ bei Renoir sei nicht Folge „der Komposition seiner Fotografie“, sondern Resultat „der Qualität seines Blicks und seiner Parteinahme für die Erscheinungen.“ (60) („Renoirs Fime rücken den Dingen auf den Leib.“)
These 7: In Renoirs Werk sei die Leinwand genutzt als „homothetische Fläche des Kamera- suchers“, also als „Gegenteil eines ‚Rahmens‘ (cadre)“: Sie „ist ein ‚Versteck‘ (cache), dessen Funktion darin liegt, die Realität dem Blick nicht weniger zu entziehen als zu offenbaren. Was sie zeigt, bezieht seinen Wert aus dem, was sie versteckt.“ (63)
(Erläuterung dazu…) Anstelle des dekorativen oder expressioni- stischen ‚Rahmens‘ (cadre) der traditionel- len Einstellung (…) hat Renoir die Lein- wand als umweltverbergenden Ausschnitt (cache) und die lebendige Kontinuität der Rekadrage gesetzt. Dadurch verhalf er dem Kino gleichzeitig zu mehr Realismus und zu mehr Ausdruck: Er ermöglichte ihm, mehr zu bedeuten durch ein Mehr an Realität.“
These 8: „Die Perspektive der Kamera ist nicht die abstrakte Sicht des allwissenden Erzählers in der dritten Person, sie ist auch nicht die bornierte der stur subjektiven Kamera, sondern eine von allen Zwängen befreite Sehweise, die sich gleichwohl die Dienstbarkeit und die konkrete Qualität des Blickes bewahrt, seine Kontinuität in der Zeit, seinen einzigen Fluchtpunkt im Raum.“ (63)
Marcel Carné und sein Film LE JOUR SE LÈVE (1939) K: Curt Courant M: Maurice Jaubert D: Jean Gabin (Francois), Jacqueline Laurent (Francoise), Arletty (Clara)
Die Geschichte • spielt in einer einzigen Nacht • vor dem Tod des Helden Francois, • der sich in drei Rückblenden noch einmal • an seinen Leben erinnert: • an seine schwere Arbeit / • an seine Liebe zu Francoise / • - an seine Eifersucht wegen Francoise • an seine Affäre mit Clara / • an seinen Kampf gegen Valentin, • den er schließlich tötet
Die Atmosphäre des Films wirkt schwarz und poetisch zugleich / Die Inszenierung des Films betont das Künstliche von Architektur und Dekor, auch durch das raffinierte Spiel von Licht und Schatten und die vielen Nuancen zwischen Mittel- und Dunkelgrau / Der melancholisch-schöne Schein des Scheiterns ist Ausdruck für Protest und Widerstand in der/gegen die Zeit /
Es war die Zeit in Frankreich, in der die Volksfront „vor dem Zusammenbruch“ stand – und das, so Carné, habe man gespürt, „untergründig“. So inszenierte Carné vor allem die Wunden, die das Allgemeine im Individuellen schlägt. Kontrapunktisch dazu sind kurze Momente des Glücks inszeniert, die auf etwas Anderes verweisen, das es auch gibt, ohne dass es wirklich eine Rolle spielt.
Die Situation des Menschen, so Carné, ist nur als düster, kalt und ausweglos zu beschreiben, als tragisch, absurd und ohne jede Hoffnung Poetischer Realismus bei Carné heißt: Das Reale wird poetisiert, nicht um es bloß zum Schauen vorzulegen, sondern um seine tieferen Schichten, sein „wahreres Gesicht“ zu offenbaren.