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VO BA7, C3: Vergleichende Analyse von Politik. 7. Einheit am 19. November 2009: Politik in Italien Ingrid Metzler ingrid.metzler@univie.ac.at Anna Rösch anna.roesch@univie.ac.at. „Lodo Alfano“. Gesetz Nr. 124/2008: Aussetzung der Verfahren gegen 4 höchste Staatsämter Oktober 2009:
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VO BA7, C3: Vergleichende Analyse von Politik 7. Einheit am 19. November 2009:Politik in ItalienIngrid Metzleringrid.metzler@univie.ac.atAnna Röschanna.roesch@univie.ac.at
„Lodo Alfano“ • Gesetz Nr. 124/2008: Aussetzung der Verfahren gegen 4 höchste Staatsämter • Oktober 2009: • Verfassungsgerichtshof erklärt Gesetz für verfassungswidrig • Reaktion von Silvio Berlusconi:„Ich werde weiter machen. Das Gericht ist politisiert. Es steht auf der Seite der Linken. (…) Ich habe nie daran geglaubt, dass es möglich ist, dass ein Verfassungsgerichtshof mit 11 linken Richtern das alles bestätigt. … Die Zeitungen (in Italien) sind alle links, und der Staatschef, da wisst ihr auch, auf welcher Seite er steht. Aber diese ganzen Dinge geben mir nur mehr Ansporn. Wirmachenweiter. Eslebe Berlusconi.”(La Repubblica, 7. Oktober 2009)
Krise und Transformation der Institutionen 1861 1922 1948 1993/1994 Stabilität KönigreichErsteRepublikZweite ItalienRepublik Konstitutionelle Parlamentarische MonarchieFaschismus
Italien • Unterteilt in: • Gemeinden • Provinzen • Regionen: 5 davon sind autonom
Italien: Historische Eckdaten • Geburtsjahr Italiens: 1861: Königreich Italien • „Risorgimento“:Top-down Prozess der vom Königreich Piement-Sardinien ausgeht • „Statuto Albertino“ • Opposition: • Kirche • Borbonen im Süden • Biennio Rosso oder „Die zwei roten Jahre“: 1919/1920 • 1922: Marsch auf Rom => Faschismus
Die Erste Republik (La Prima Repubblica) • 1946: Volksabstimmung, in der sich eine Mehrheit für Republik ausspricht. • 1. Jänner 1948: Verfassung tritt in Kraft. Beginn der Ersten Republik.
Die Erste Republik • Erste Republik als „Partitocrazia“ (Sartori 1976) oder „RepubblicadeiPartiti“ (Scoppola 1996)—Parteienherrschaft • 2 dominierende Großparteien: • DC (Democrazia Cristiana): Christdemokraten • PCI (PartitoComunistaItaliano): Kommunistische Partei • Anti-Kommunistische Erzählung wirkte systemstabilisierend • Klientel- und Patronagepolitik: kurzfristig systemerhaltend und mobilisierend, langfristig mit explosiver Sprengkraft • „Polarisierter Pluralismus“ (Sartori 1976) • Instabile Regierungen mit einer durchschnittlichen Lebenszeit von 1 Jahr.
Die Erste Republik • Italien als „Mikrokosmos“ des Ost-West-Konflikts • 1969: Strage di Piazza Fontana (Mailand) • 1978: Entführung von Aldo Moro
DC-Democrazia Cristiana (Christdemokraten) PCI-Partito Comunista Italiano(Kom. Partei) PSI-Partito Socialista Italiano(Sozialistische Partei) MSI-Movimento Sociale Italiano(Fascistische Partei) Quelle: Cotta& Verzichelli 2007, 46
1990er Jahre: Was passiert? • Fall der Berliner Mauer: • PCI gründet sich neu: DS (Demoratici di Sinistra) und RC (RifondazioneComunista) • „Kommunismus“ als Bedrohung von innen fällt weg • Europäisierung: • Privatisierungswelle • „Tangentopoli“: Korruptions-, Parteienfinanzierungs- und Schmiergeldskandal • Reform des Wahlsystems • Ende der 1. Republik/Beginn der 2. Republik
Reform des Wahlsystems • Bis 1993: De facto Verhältniswahlsystem • 1991 und 1993: “Abrogative Referenden” • 1993:”Legge Matarella” • Ziele: • Reduktion der Fragmentierung der Parteien • Bioplares System, das Alternanz an Regierung ermöglichen würde • Stabilisierung von Regierungen Gemischtes Wahlsystem, überwiegend Mehrheitswahlsystem • 2005: “Legge Calderoli”
1993: “Legge Matarella” • Wahl des Senats: 1 Wahlzettel • 75% der 315 Senatoren werden mit einem Mehrheitswahlsystem mit einfacher Mehrheit gewählt • Die 25% der verbleibenden Sitze werden nach dem Verhältniswahlsystem auf regionaler Ebene unter den nicht gewählten Kandidaten vergeben • +Senatoren auf Lebenszeit • Wahl der Abgeordnetenkammer: 2 Wahlzettel: • 75% der 630 Sitze werden mit einem Mehrheitswahlsystem mit einfacher Mehrheit gewählt. • Die restlichen 25% werden proportional auf nationaler Ebene aufgeteilt. Dafür werden die Stimmen für die Kandidaten im Regionalwahlkreis herangezogen.
Parteienlandschaft der Zweiten Republik • Parteiensystem ist (zunächst) nicht homogener geworden • Manche Parteien verschwinden: Beispiel DC • Andere Parteien nennen sich um und positionieren sich neu: • MSI (MovimentoSocialeItaliano) => AN (AlleanzaNazionale) • PCI (PartitoComunistaItaliano) => DS (Democratici di Sinistra) • Neue Parteien entstehen: • Lega Nord • Forza Italia • Italia deiValori • Wahlkoalitionen sind unabdingbar geworden Aus dem polarisierten Mehrparteinsystem wird ein bipolares Parteiensystem • Es gibt Alternanzen in der Regierung. Diese werden langlebiger.
Mitte-Links-Koalitionen: Ulivo (Olivenbaum) Unione (Union) Mitte-Rechts-Koalition: Polo delleLibertà (Polder Freiheiten) Casa delleLibertà Polo del BuonGoverno (Hausder(PolderGutenRegierung) Freiheiten) Quelle: Cotta & Verzichelli 2007, 56
Legge Calderoli: 2005 • VerhältniswahlsystemmitMehrheitsprämien • Abgeordnetenkammer: • die Liste oder Listenkoalition, die über die relative Mehrheit verfügt, bekommt mindestens 340 Sitze im Abgeordnetenhaus. Der Oppostion bleiben somit 277 Sitze. • Die restlichen Sitze werden proportional unter den unterlegenen Listen oder Listenkoalitionenen der Verlierer verteilt. • Sperrklauseln! • Senat: • Aufteilung auf regionaler Ebene. • Die siegreiche Liste bekommt 55% der Sitze. Der Rest wird proportional auf die Verlierer aufgeteilt. • Auch hier gibt es Sperrklauseln.
Neue Parteien durch Fusion von kleineren Parteien • Wahlkoalition auf der linken Seite: Ulivo => Unione => Partito Democratico • Wahlkoalition auf der rechten Seite:Polo => Casa delle Libertà => Popolo delle Libertà
Das italienische Parlament (Parlamento) • Italien als parlamentarische Demokratie (im Unterschied zu präsidentiellen Demokratien, Bsp. USA, oder gemischten Systemen, Bsp. Frankreich) • Das Parlament besteht aus 2 Kammern: • Abgeordentenkammer (CameradeiDeputati):630 Abgeordnete • Senat (Senato della Repubblica):315 Senatoren + Senatoren auf Lebenszeit Gianfranco Fini Renato Schifani
Das italienische Parlament (Parlamento) • In gemeinsamer Sitzung: • Wahl des Staatspräsidenten • 1/3 der Verfassungsrichter • Oberster Rat der Gerichtbarkeit • In Gesetzesgebung: Perfekter Bikameralismus(bicameralismoperfetto) • „Navette“ • Kontrolle der Regierung durch: • Parlamentarische Anfragen • Untersuchungsausschüsse • Misstrauensvoten
Montecitorio Palazzo Madama (Abgeordnetenkammer) (Senat)
Gesetzesgebungsprozess in Italien Wichtige Punkte: - Perfekter Bikameralismus: Abgeordnetenkammer und Senat müssen einem Gesetz zustimmen - Suspensives Vetorecht des Staatspräsidenten Quelle: Cotta & Verzichelli 2007
Staatspräsident „Presidente della Repubblica“ • Wahl: • Der Staatspräsident wird vom Senat und der Kammer in gemeinsamer Sitzung („Parlamento in sedutacomune“), sowie Repräsentanten der Regionen für eine Dauer von 7 Jahren gewählt. • In den ersten 3 Wahlgängen ist eine 2/3 Mehrheit notwendig; ab dem 4. Wahlgang reicht die absolute Mehrheit. • Amtierender Staatspräsident ist seit Mai 2005 Giorgio Napolitano
Staatspräsident • Der Staatspräsident repräsentiert die „Einheit des Landes“ und ist Garant der Verfassung. • Aufgaben: • Er wirkt bei der Regierungsbildung mit. • Er hat das Recht, das Parlament aufzulösen. • Er hat ein „suspensives Vetorecht“. • Darüberhinaus: • Steht an der Spitze der Streitkräfte und • ist Präsident des „Ordinamento Giustiziario“.
Staatspräsident • (Palazzo del) Quirinale
Regierung: Bestellung der Regierung • Nach den Wahlen konsultiert der Staatspräsident Spitzenpolitiker. • Er beauftragt einen aussichtsreichen Kandidaten mit der Regierungsbildung. • Dieser konsultiert seinerseits und legt dem Staatspräsidenten eine Ministerliste vor. • Staatspräsident stimmt zu. • Eine neue Regierung muss sich innerhalb von 10 Tagen einem Vertrauensvotum in beiden Kammern stellen. • Beide Kammern können jederzeit ein Misstrauensvotum stellen—verliert die Regierung das Vertrauen einer der beiden Kammern, muss sie zurück treten. Vertrauens- und Misstrauensvoten als Kennzeichen von parlamentarischen Demokratien
Regierung • Die Regierung besteht aus: • Dem „Premierminister“ (Presidente del Consiglio dei Ministri): Er ist primus inter pares • Den Ministern, die gemeinsam den Ministerrat konstituieren (Consiglio dei Ministri) • Minister ohne Portefeuille (senza portafoglio) und den • Staatssekretären (sottosegretari di stato) • Ausgedehnte Verordnungspraxis: • „decreto legge“: Verordnungen mit Gesetzeskraft in außerordentlichen Not- und Dringlichkeitsfällen; muss innerhalb von 60 Tagen von Parlament in Gesetz konvertiert werden
Regierung Quelle: Cotta & Verzichelli 2007, 122
Regierung • Erste Republik: • Regierungen waren mit einer Ausnahme immer Koalitionsregierungen. • Regierungen immer von DC dominiert—keine wirkliche Alternanz in Regierung. • Regierungen waren schwach • Zweite Republik: • Regierungen sind stärker und stabiler geworden. • Es kommt zu Alternanzen in Regierungen.
Aktuelle Regierung: Berlusconi IV • Presidente del Consiglio: • Silvio Berlusconi
Justiz • Verfassung: • Umfassender Bürgerrechtskatalog • Unabhängigkeit der Justiz: Obersten Rat der Gerichtsbarkeit (Consiglio Superiore della Magistratura) • Normenkontrolle durch Verfassungsgerichtsbarkeit • Verfassungshof (CorteCostituzionale) • Bestellung: Je zu 1/3 von Präsident, Parlament und Gerichtsbarkeit • Aufgaben: (1) Normenkontrolle, (2) Kompetenz-streitigkeiten zwischen Staat und Regionen, (3) Absetzung des Staatspräsidenten, (4) Kontrolle der abrogativen Referenden • Wichtiger Player in Tagespolitik: • Tangentopoli • Silvio Berlusconi
STAATSPRÄSIDENT REGIERUNG PremierministerMinister Bestellung Wählt für 7 Jahre Bestellt 1/3 Vorsitz Wählt Teile von Mißtrauens-votum OBERSTER RAT der GERICHTS-BARKEIT Suspensives Vetorecht PARLAMENT Senat315Senatoren+S. auf Lebenszeit Abgeordneten-kammer630 Abg. VERFASSUNGS-GERICHTSHOF Auflö-sungs-recht Bestellt 1/3 Direkte Wahl für 5 Jahre Prüft Gesetze WAHLBERECHTIGTE STAATSBÜRGER_INNEN
Zusammenfassung: „Konstitutionelle Politik“ in Italien • Übergang von 1. zur 2. Republik bei ausbleibender großer Verfassungsreform • Zahlreiche Versuche (z.B. Bicamerale Ende der 1990er, Reform 2005) • Im wesentlichen sind (fast) alle Verfassungsreformversuche gescheitert • Ausnahme: Föderalismus • Aber: Vielzahl von Änderungen auf unterschiedlichen Ebenen • konstitutionelle Politik: konstante Revision der Spielregeln (B Ackerman)
Literatur Sartori, Giovanni. 1976. Parties and Party Systems. A Framework for Analysis. Cambridge: Cambridge University Press. Scopola, Pietro. 1997. La RepubblicadeiPartiti. Evoluzione e crisi di un sistema politico (1945-1996). Bologna: Il Mulino. **Cotta, Maurizio & Luca Verzichelli. 2007. Political Institutions in Italy. Oxford: Oxford University Press. Bull, Martin J. & James L. Newell. 2005. Italian Politics. Adjustment under Duress. Polity Press. **Ullrich, Hartmut. 2009. „Das politische System Italiens“ In Wolfgang Ismayr (Hrsg) Die politischen Systeme Westeuropas 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage, Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften: 643-712. ** Andrews, Geoff. 2005. Not a Normal Country. Italy After Berlusconi. London/Ann Arbor: Pluto Press.
7. Einheit am 19. November 2009:Politik in ItalienIngrid Metzleringrid.metzler@univie.ac.atAnna Röschanna.roesch@univie.ac.at VO BA7, C3: Vergleichende Analyse von Politik