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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS 2009. y 2. F. Abschnitt 5: Adverse Selektion auf dem Versicherungsmarkt. E. K. M. J. A. y -L. y -L-a. C. H. O. y -a. y. y 1. Pflichtliteratur
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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS 2009 y2 F Abschnitt 5: Adverse Selektion auf dem Versicherungsmarkt E K M J A y-L y-L-a C H O y-a y y1
Pflichtliteratur • Scherer, B. (1994), “Adverse Selektion auf dem Versicherungsmarkt”, WiSt, Zeitschrift für Wirtschaftswissenschaft, Heft 4, S. 201-205. • Gravelle, H. und R. Rees (2004), Microeconomics, 3. Auflage, Prentice Hall, S. 507-511; 530-536. • Ergänzende Literatur • Rothschild, M. und J. E. Stiglitz (1976), „Equilibrium in Competitive Insurance Markets: An Essay on the Economics of Imperfect Information“, Quarterly Journal of Economics Jg. 90, S. 629-649.
Versicherungsnehmer sind durch unterschiedliche Schadenswahrscheinlichkeiten gekennzeichnet und Versicherungen können diese Wahrscheinlichkeiten nicht oder nur unvollkommen einschätzen. • Es herrscht diesbezüglich asymmetrische Information, wobei nur der Versicherungsnehmer sein Risiko kennt, die Versicherung hingegen nur das durchschnittliche Risiko beobachten kann. • Die resultierenden Marktergebnisse sollten im Folgenden formal hergeleitet werden.
Es seien zwei Umweltzustände s1 und s2 gegeben. • In s1 besitzt das Wirtschaftssubjekt das Einkommen y1=y, während es in s2 zusätzlich einen Verlust in Höhe von L erleidet, also resultiert dort das Einkommen y2=y-L. • Es kann nun eine Versicherung abgeschlossen werden, welche im Schadensfall den Betrag q auszahlt. Hierfür muss eine Prämie p (0<p<1) prozentual zu q gezahlt werden.
Das Einkommen beträgt dann: • y1=y-pq (1) • y2=y-L-pq+q=y-L+(1-p)q (2) • Dies lässt sich graphisch veranschaulichen: Sicherheitslinie(y2=y1; q=L) y2 -(1-p)/p A y-L 45° y O y1
Erhöht der Versicherte seine Schadensdeckung q, so findet ein Einkommenstransfer von y1 nach y2 statt. • Löst man (1) nach q auf und setzt dies in (2) ein, so erhält man die Austauschbeziehung für Einkommen in s1 und s2, auch Budgetrestriktion genannt: y2=y-L+(1-p)(y-y1)/p (3) • Durch Differentiation nach y1 ergibt sich die Steigung der Budgetrestriktion dy2/dy1=-(1-p)/p (4)
Welchen Zustand sollte ein Wirtschaftssubjekt nun anstreben? • Es seien (1-p) und p die Wahrscheinlichkeiten, dass s1 oder s2 eintreten. • Diese Zustände sind im Rahmen einer Nutzenfunktion zu bewerten. • Wir bilden dazu den Erwartungsnutzen. Dabei gewichtet man die Auszahlung jedes Umweltzustands mit der Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zustand eintritt. • Gewählt wird die Handlung, bei der die Summe der so gewichteten Auszahlungen am größten ist.
Für die „Auszahlung“ müssen wir aber zusätzlich unterstellen, dass die Individuen einen abnehmenden Grenznutzen des Geldes besitzen. • Es gilt also U(y), U’>0, U’’<0. • Den Erwartungsnutzen erhalten wir nun, indem wir den Nutzen der einzelnen Zustände i mit ihrer Wahrscheinlichkeit gewichten und aufsummieren: max EUi=max (åpi·U(yi)). • Dieses Entscheidungskriterium geht auf John von Neumann und Oskar Morgenstern zurück. Diese konnten zeigen, dass der Erwartungsnutzen unter einfachen Annahmen ein geeignetes Kriterium ist.
Der abnehmende Grenznutzen in dieser Nutzenfunktion bewirkt, dass Unsicherheit den Erwartungsnutzen vermindert, das Wirtschaftssubjekt also risikoavers ist. • Dies lässt sich dem konkaven Verlauf des Kurvenverlaufs entnehmen. • Das Einkommensniveau markiert das sichere Einkommen (Sicherheitsäquivalent), welches den gleichen Nutzen stiftet wie das unsichere Einkommen aus y1 und y2.
U(y) U(y) U(y1) 1-p EU U(y2) p L y y2 y1 • Die Differenz zwischen und dem durchschnittlichen Einkommen, , ist derjenige Betrag, welchen das Wirtschaftssubjekt bereit wäre, zur Vermeidung der Unsicherheit herzugeben.
Für unseren konkreten Fall gilt für den Erwartungsnutzen: EU= (1-p)·U(y1)+p ·U(y2). (5) • Dies gilt es zu maximieren. Wir können zur graphischen Veranschaulichung die Grenzrate der Substitution einer Indifferenzkurve ermitteln. Dazu bilden wir das totale Differential: (1-p)U’(y1)dy1+ pU’(y2)dy2=0 • (6)
Je größer p, also je wahrscheinlicher der Schadensfall, um so flacher ist die Indifferenzkurve. • Dies bringt die hohe Bereitschaft zum Ausdruck, in s1 auf Einkommen zu verzichten um dies in s2 zur Verfügung zu haben. • Wir können nun (4) und (6) gleichsetzen und erhalten als Optimalitätsbedingung: • (7) • Es gilt hier also, dass die Grenzrate der Substitution zwischen Einkommen in s1 und s2 im Optimum gerade dem Relativpreis für diesen Einkommenstransfer entsprechen muss.
Wir wollen nun den Begriff der „fairen“ Versicherungsprämie einführen. • Hierfür soll nämlich gelten, dass diese den Erwartungswert des Einkommens nicht ändert und daher kein Gewinn für die Versicherung entsteht. • Das Einkommen ohne Versicherung ist (1-p)y+p(y-L)=y-pL. • Das Einkommen mit Versicherung hingegen ist (1-p)(y-pq)+p(y-L+(1-p)q)=y-pL-q(p-p). • Soll sich das erwartete Einkommen durch den Abschluss der Versicherung nicht ändern, so muss also gelten: p=p.
Der Gewinn der Versicherung wäre hier Null, da die Versicherung pq erhält und pq auszahlen muss. • Dies kann mit freiem Marktzutritt begründet werden, bei dem ein jeglicher Gewinn (p > p) sofort durch neue Anbieter erodiert wird. • Berücksichtigen wir nun p=p in (7), so impliziert dies U’(y1)=U’(y2) y1=y2. • Ausgehend von einem Punkt ohne Versicherung (Punkt A) würde hier der Versicherte also vollen Versicherungsschutz wählen mit L=q.
EU(p) -(1-p)/p -(1-p)/p • Bei einer fairen Prämie wird also der Punkt E erreicht. Sicherheitslinie(y2=y1; q=L) y2 E B A y-L 45° y O y1
Hätten wir hingegen p>p, also eine unfaire Prämie bei welcher der Versicherer Gewinn erzielt, so würde dies U’(y1)<U’(y2) implizieren. • Aufgrund des abnehmenden Grenznutzens ist dies nur bei y1>y2 möglich. • In diesem Falle würde der Versicherte also nur eine Teildeckung wählen, also q<L, siehe Punkt B. • Dieser Punkt B liegt unterhalb der Budgetgeraden, die durch E verläuft; das erwartete Einkommen des Versicherten ist dort also geringer. • Dies impliziert, dass hierbei der Versicherungs-nehmer schlechter gestellt wird und die Versicherung entsprechend einen Gewinn macht.
Nehmen wir nun an, zwei Gruppen von Personen fragen am Markt eine Versicherung nach (z.B. eine Krankenversicherung). • Diese Gruppen seien durch unterschiedliche Schadenswahrscheinlichkeiten gekennzeichnet. Eine Gruppe mit hohem Risiko phund eine andere mit niedrigem Risiko pl; ph>pl. Der Anteil der hohen Risiken an der Population sei b. • Für beide Gruppen sei dasselbe Anfangseinkommen y und dieselbe Schadenshöhe L gegeben.
Für das höhere Risiko ist die Indifferenzkurve flacher. • Dies bringt zum Ausdruck, dass für den wahrscheinlicheren Schadensfall eine erhöhte Einbuße beim Einkommen in s1 in Kauf genommen wird. • Optimal wäre es nun, zwei unterschiedliche Tarife mit Volldeckung für beide Versicherungsgruppen anzubieten. • Bei freiem Marktzutritt für Versicherungen wären diese beiden Tarife fair.
Il -(1-pl)/pl Ih -(1-ph)/ph • Für die Gruppe geringen Risikos ergibt sich der Punkt D, für die Gruppe hohen Risikos der Punkt B. y2 Sicherheitslinie(y2=y1; q=L) D B A y-L 45° y O y1
Es ist aber plausibel anzunehmen, dass die Krankenversicherung unzureichend zwischen guten und schlechten Risiken unterscheiden kann. • Die Versicherungsnehmer mit hohem Risiko haben keinen Anreiz, freiwillig die für sie gedachte Prämie zu wählen. Sie stellen sich besser im Punkt D. • Es findet eine adverse Selektion statt; der Vertrag mit den guten Risiken wird auch von den schlechten Risiken in Anspruch genommen. • Die Versicherung würde dabei Verluste erleiden.
Für die Versicherung gibt es nun zwei Lösungsmöglichkeiten: • Sie bietet einen gemeinsamen Tarif für beide Risikotypen an, so dass sie keinen Verlust macht, wenn beide diesen Tarif wählen (Pooling-Kontrakt). • Sie bietet einen Tarif an, bei dem die beiden Typen freiwillig die für sie vorgesehenen Versicherungsverträge wählen (Separating-Kontrakt). • Für ein Gleichgewicht ist dabei erforderlich, dass bei gegebenem Verhalten aller anderen Marktteilnehmer für keinen Akteur ein Anreiz mehr existiert, das eigene Verhalten zu ändern.
Pooling-Verträge • Die Krankenversicherung wird eine Mischkalkulation vornehmen. • Die durchschnittliche Schadenswahrscheinlichkeit sei pa=bph+(1-b)pl. • Die betragsmäßige Steigung -(1-pa)/pa wird nun zwischen den beiden Steigungen für hohes und für geringes Risiko liegen. • Auf dieser Geraden wird die Versicherung gerade einen Nullgewinn machen, vorausgesetzt, die beiden Risikogruppen wählen einen identischen Deckungsgrad.
-(1-pa)/pa • Bei einem solchen Versicherungsvertrag wollen die guten Risiken keine Volldeckung haben. Sie streben stattdessen den Punkt F an. y2 D F B A 45° O y1
Würde eine Versicherung eine höhere Deckung anbieten, so würden sich nur die schlechten Risiken hierfür entscheiden; Konkurrenten würden mit F die guten Risiken attrahieren. • Die Versicherung würde damit Verlust machen. • Sie kann also keine höhere Deckung zulassen als in F und wird diesen Vertrag allen gemeinsam anbieten. • Die hohen Risiken würden zwar nun eine höhere Deckung haben wollen, sie werden aber nicht diesbezüglich bei der Versicherung nachfragen, da sie sich sonst als schlechte Risiken offenbaren und von der Versicherung gänzlich abgelehnt werden.
Ein solcher Pooling-Vertrag kann aber keinen Bestand haben. • Ausgehend von F kann ein Versicherungs-unternehmen stets einen Kontrakt anbieten, der nur von den guten Risiken genommen wird und gleichzeitig dem Versicherungsunternehmen einen Gewinn beschert. • Dies liegt daran, dass sich im Punkt F die Indifferenzkurven der beiden Risikogruppen schneiden. Alle Versicherungsverträge, die unter der Indifferenzkurve des schlechten Risikos, aber oberhalb der Indifferenzkurve des guten Risikos liegen, attrahieren nur die guten Risiken.
-(1-pa)/pa • Dieser Bereich ist in der untenstehenden Graphik schraffiert. y2 D F B A 45° O y1
Ein Vertrag innerhalb der schraffierten Fläche wäre profitabel, da • nur die guten Risiken diesen wählen und die schlechten bei F bleiben, und • die Prämie höher ist als pl. • Der Pooling-Vertrag kann deshalb keinen Bestand haben. • Dies gilt für alle möglichen Punkte F, da dort immer die Indifferenzkurve der hohen Risiken flacher verläuft als diejenige für niedrige Risiken. • Als Ergebnis können wir festhalten, dass das Gleichgewicht nicht durch einen Pooling-Kontrakt gekennzeichnet sein kann.
Separating-Verträge • Für separierende Verträge muss gelten, dass keiner der Versicherung einen Verlust erbringen darf; ansonsten wird die Versicherung darauf verzichten, ihn anzubieten. • Eine Quersubventionierung ist also nicht möglich. • Andererseits wird bei freiem Marktzutritt kein Vertrag einen Gewinn erbringen können; es muss also für jeden Vertrag eine faire Prämie genommen werden und ein Nullgewinn resultieren. • Die guten und die schlechten Risiken müssen freiwillig die für sie vorgesehenen Verträge wählen.
Ein solches Paar von separierenden Verträgen ist in der folgenden Graphik mit B und H gegeben. y2 D B H A 45° O y1
Jede Risikogruppe wählt freiwillig den für sie vorgesehenen Vertrag. • Die niedrigen Risiken stellen sich in H besser als in B. • Die hohen Risiken sind gerade indifferent zwischen B und H; wir nehmen an, sie wählen dann B. • Hierzu könnten wir hilfsweise unterstellen, dass H infinitesimal schlechter ist (und auf der Budgetgeraden nach rechts unten infinitesimal verschoben ist).
Die schlechten Risiken erhalten nun eine Volldeckung. • Die guten Risiken erhalten eine günstigere, für sie faire Prämie, allerdings diese nur bei einer Teildeckung. • Die Separierung erfolgt, weil die Teildeckung zu unattraktiv für die hohen Risiken ist. Nur die guten Risiken sind bereit, einen großen Teil des Risikos zu übernehmen.
Nun hat aber unter Umständen auch das Separating-Gleichgewicht keinen Bestand. • Es darf keinen anderen Vertrag geben, der jetzt profitabler wäre. • Es gibt sicherlich keinen anderen profitablen separierenden Vertrag. • Die hohen Risiken haben bereits ein (faires) Optimum erreicht. Ihre Position zu verschlechtern würde die Anreizkompatibilität auch weiter verschärfen. Es muss daher B angeboten werden.
Für die niedrigen Risiken wird aber auch kein besserer Punkt gefunden werden, der gleichzeitig fair und anreizkompatibel ist. • Es könnte aber ein Pooling-Vertrag angeboten werden, der für alle Versicherungsnehmer attraktiver ist. • Ob ein solcher Vertrag profitabel ist, hängt von dem Anteil schlechter Risiken ab. • Sollten die schlechten Risiken selten sein, so verläuft die Budgetgerade eines Pooling-Vertrages steil.
-(1-pa)/pa • Der Pooling-Vertrag kann dann für beide Risikogruppen günstiger ist. y2 D F B H A 45° O y1
Die Pooling-Lösung ist hier mit dem Punkt F gekennzeichnet. • Nun wissen wir aber bereits, dass ein solcher Pooling-Vertrag nicht die Lösung sein kann, da es hierbei immer die Möglichkeit gibt, die guten Risiken herauszulösen. • Ergebnis: Wenn ein Gleichgewicht existiert, muss es ein separierendes Gleichgewicht sein, bei dem die schlechten Risiken Volldeckung und die guten Risiken Teildeckung zu jeweils fairen Prämien erhalten. • Für den Fall, dass nur wenige schlechte Risiken vorhanden sind, existiert kein Gleichgewicht.
Die Ergebnisse für den Versicherungsmarkt können auf andere Märkte übertragen werden. • Sucht eine Firma beispielsweise neue Mitarbeiter, so mag es hier effiziente und weniger effiziente geben. • Die Firma kann dadurch separieren, dass sie risikobehaftete Anreizverträge bietet, für welche sich nur die effizienten Mitarbeiter entscheiden werden. • Alternativ wird die Firma beiden Gruppen einen durchschnittlichen Lohn anbieten. Hier droht aber, dass effiziente Mitarbeiter sich von den Anreizverträgen der Konkurrenten abwerben lassen.