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o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerlind Weber Universität für Bodenkultur Wien. Institut für Raumplanung und ländliche Neuordnung. Bodengerechte Planung im Lichte aktueller Herausforderungen. Wien, 6. November 2008.
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o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerlind Weber Universität für Bodenkultur Wien Institut für Raumplanung und ländliche Neuordnung Bodengerechte Planung im Lichte aktueller Herausforderungen Wien, 6. November 2008
Raumordnung ist „die planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes in Bezug auf seine Verbauung, insbesondere für Wohn- und Industriezwecke einerseits und für die Erhaltung von im wesentlichen unbebauten Flächen anderseits…“ VfSlg 2674/1954 Programmatik
Raumordnung = Trennung von Siedlungsgebiet und Nichtsiedlungsgebiet = klare Trennung der Ortsbereiche gegenüber der freien Landschaft
Ziele der Raumplanung • kompakte Siedlungskörper • Nutzungsmischung • Nahversorgung auf kurzem Wege • Begünstigung des „Umweltverbundes“ (= zu Fuß, Rad, öffentlicher Verkehr) • Vermeidung von motorisiertem Individualverkehr • schonender Ressourceneinsatz, insbesondere Energie • haushälterische Bodennutzung
Die Realität Zersiedelung ist: • Ausufern der Städte in ihr Umland Foto: IRUB
Die Realität Zersiedelung ist: • Ausufern der Bebauung in ländlich geprägten Gemeinden Foto: IRUB
Die Realität Zersiedelung ist: • Entstehen von Siedlungssplittern inmitten agrarisch genutzter Flur Foto: IRUB
Die Realität Zersiedelung ist: • fortschreitende Suburbanisierung (= Rurbanisierung)
Die Realität Zersiedelung ist: • Siegeszug des freistehenden Einfamilienhauses Foto: IRUB
Die Realität Zersiedelung ist: • Randwanderung großflächiger Raumnutzer (Handel, Gewerbe und Industrie, Freizeitanlagen) Foto: Amt der NÖ Landesregierung
Die Realität Zersiedelung ist: • nicht standort- gerechte Um- nutzung von privilegierten Bauten Foto: Damm
Der Bodenverbrauch Österreichs in Zahlen • täglicher Bodenverbrauch durch Bauten und Verkehrs- flächen: 17 ha • davon 10 ha „versiegelt“ • 2006: 25.000 neue Wohneinheiten und 40.000 Arbeitsplätze • 40 m² Wohnnutzfläche pro Person • 238 m² Verkehrsfläche pro Person • +20% Bau- und Verkehrsflächenzuwachs in etlichen Gemeinden 2001-2006
Hinweis auf Zersiedelung Jährlicher Zuwachs an Baufläche pro Person: • in Österreich: 10m² • in Deutschland: 5m²
Zersiedelung begünstigt durch: • Glaube an unbegrenzt verfügbare billige fossile Energieträger • Bedeutungsverlust der Land- und Forstwirtschaft als Energiebereitstellerin „Rückzug aus der Fläche“ • unbegrenzte „Automobilität“, Spitze des Eisbergs: Ein- kaufszentren auf der „grü- nen Wiese“
Zersiedelung begünstigt durch: • Bereitschaft der Steuerzahler eine weitläufige, d.h. kost- spielige und energiezehrende Infrastruktur zu finanzieren (zu 63%) • Wunsch nach freistehendem Einfamilienhaus (hohe Ab- strahlungsverluste, größere Wohnflächen, weite Wege und weitläufige Infrastruktur)
Zersiedelung begünstigt durch: • Fehlsteuerungen der Raumplanung • Raumplanung ist auf „grüne Wiese“ fixiert • schweigt zu hohen Planungsgewinnen (3,3 Mrd. €/ J.) • hat keine effektiven Umsetzungsstrategien • wird von Politikern vollzogen, daher: • viele Gefälligkeitswidmungen • keine Kostenwahrheit und -gerechtigkeit • kein Problembewusstsein
Zersiedelung ist Fazit „Landschaftsfraß“ • hohe Siedlungsdynamik • ungeordnete Siedlungsent- wicklungen • Dominanz freistehendes Einfamilienhaus „Negativform menschlichen Siedelns“ (VfGH)
Übliche Argumente gegen Zersiedelung • Raubbau am unvermehrbaren Boden • Zerschneidung der Landschaft erschwert Austausch von genetischem Material • Vergeudung von Steuergeldern (1m Straße kostet 1000-2000€) • bedeutet mehr Autoverkehr • belastet Landschaftsbild • isoliert die Autolosen • ist ein sich selbst verstärkender Prozess
1. Globalisierung und Wettbewerbsverschärfung „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung • führt zu steigendem Wettbewerb zwischen Standorten • Schere zwischen „guten“ und „schlechten“ Standorten geht auf • starke Zersiedelung in siedlungsdynamischen Räumen • Zersiedelung bedeutet Wettbewerbsnachteil für „Standort Österreich“ (Nachbarschaftskonflikte, Infrastrukturkorridore)
2. Rohstoffverknappung und Energiewende (1) „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung • gefährdete Standortsicherung für Rohstoffgewinnung (Überbauung, Nachbarschaftskonflikte) • Zersiedelung = Glaube an „sorgenfreie Energiezukunft“ • 80%ige Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten muss reduziert werden
EU fordert bis 2020: 20% Energieeinsparen (= drastische Reduktion der Neuversiegelung) 20% Effizienzsteigerung (= Innenentwicklung begünstigen) 20% Erneuerbare ein- setzen: Konkurrenz am Boden steigt „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung 2. Rohstoffverknappung und Energiewende (2)
Energiepflanzen Heilpflanzen Quelle: NOVA Institut, 2006
3. Klimawandel „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung bedeutet: • Anpassung an Klimaveränderungen: • Zunahme der Extremwetterereignisse, z.B. Starkregen Hochwasser: Freihaltung von Retentionsräumen • Bekämpfung des Klimawandels: • Boden ist wichtigster Treibhausgasspeicher • Verkehr vermeiden kurze Wege, kompakte, nutzungs-durchmischte Siedlungen
4. Alterung und Rückgang der Bevölkerung „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung bis 2030: • Verdopplung der „Altenbelastungsquote“ • immer weniger Erwerbstätige erhalten immer mehr Ge-bäude und Infrastruktur • fußläufige Distanzen, Nachbarschaftshilfe, kurze Wege bei Pflege • Warnung vor Überkapazitäten!
5. Verknappung der Finanzspielräume und Verlust der Steuerungskraft der Politik (1) „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung • Zersiedelung ist extrem teuer in Planung, Errichtung, Erhal-tung, Reparatur und Erneuerung der technischen Infrastruk-tur • 63% der Erschließung eines Neubaugebiets zahlt Steuer-zahlerIn (bei Zersiedelung dreimal höhere Kosten pro Kopf als bei moderater Verdichtung)
5. Verknappung der Finanzspielräume und Verlust der Steuerungskraft der Politik (2) „Zukunftsgerichtete“ Argumente gegen Zersiedelung • Quersubventionierung der „Flächenfresser“ durch „Flächen-sparer“ • „Investitionsstau“ z.B. Siedlungswasserbau • Zersiedelung erschwert Einführung neuer Technologien (z.B. Nahwärmeerzeugung)
Fazit Zersiedelung ist Verstoß gegen zukunftsfähige Gesamt-entwicklung Österreichs in: • ökologischer • ökonomischer und • gesellschaftsrelevanter Beziehung
Was ist zu tun? 1. Planungsstrategien ändern: • verbindliche Bodensparziele vorgeben • Fixierung auf „grüne Wiese“ aufgeben • Augenmerk auf Bebauungs-Bestand lenken 2. Gesetze verbessern: • verfassungsrechtliche Zuständigkeiten prüfen • „Prinzip des Bestandsschutzes“ aufgeben • Innenentwicklungs-Verfahren und Instrumente einführen
Was ist zu tun? 3. Förderungen umbauen: • Umschichtung der Wohnbauförderung auf Althäuser • Ausschüttung der Wohnbauförderung nach Lagekriterien • Umbau des Finanzausgleiches = Begünstigung von Kooperationen und Flächensparen 4. Bewusstsein schaffen, dass: • Klimaschutz = Bodenschutz • Energiewende = auch durch Raumplanung • Zersiedelung = Verstoß gegen Interessen nachfolgender Generationen
„Wir brauchen nicht so fort zu leben wie wir gestern gelebt haben. Macht euch von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.“ Christian Morgenstern
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit ! Universität für Bodenkultur Wien Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur Universität für Bodenkultur Wien Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur Institut für Raumplanung und ländliche Neuordnung O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerlind Weber Peter Jordanstr. 82, A-1190 Wien Tel.: +43 1 47654 - 5352, Fax: +43 1 47654 - 5353 gerlind.weber@boku.ac.at http://www.rali.boku.ac.at/irub.html