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Entwicklungsdiagnostik in der Sonderpädagogik

Entwicklungsdiagnostik in der Sonderpädagogik. Zum Stand der Entwicklungsdiagnostik Voraussetzungen von Entwicklungsdiagnostik Beispiel: Intelligenz und kognitive Entwicklung. Zum Stand der Entwicklungsdiagnostik im Vorschulalter. Anliegen an die Entwicklungsdiagnostik.

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Entwicklungsdiagnostik in der Sonderpädagogik

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Presentation Transcript


  1. Entwicklungsdiagnostik in der Sonderpädagogik Zum Stand der Entwicklungsdiagnostik Voraussetzungen von Entwicklungsdiagnostik Beispiel: Intelligenz und kognitive Entwicklung Entwicklungsdiagnostik in der Sonderpädagogik

  2. Zum Stand der Entwicklungsdiagnostik im Vorschulalter

  3. Anliegen an die Entwicklungsdiagnostik • Frage nach dem Entwicklungsstand • Was ist? • Genese von Entwicklungsproblemen • Wie ist es geworden? • Prognose • Was wird? • Festlegung von Entwicklungszielen • Was sollte werden? • Methoden und Mittel zur Zielerreichung (Montada, 1985)

  4. Historischer Überblick • Die ersten Entwicklungstests basierten auf endogenistischen Theorien • zunehmendes Lebensalter => Entwicklungsfortschritte • Kindheit und Jugendalter als bevorzugte Zeiträume • Beispiele: • Stufenleiter der Intelligenz von Binet & Simon (1905) • Bühler-Hetzer-Kleinkindertest (Bühler & Hetzer, 1932) • 60er und 70er Jahre: Blütezeit der Testentwicklung im Zuge des Förderoptimismus (Head-Start-Programme)

  5. Historischer Überblick • Interaktionistische / kontextualistische Entwicklungstheorien • Bedeutung der Umwelt • Entwicklung als lebenslanger Prozess • Forderung nach einer entwicklungstheoretischen Fundierung der Testinstrumente • seit 1990: Stagnation in der Entwicklungsdiagnostik • enttäuschte Erwartungen an die Effekte kompensatorischer Vorschulerziehung • Schwierigkeit und Komplexität der Konstruktion solcher Verfahren

  6. Praxis der Entwicklungsdiagnostik heute • Anspruch: Testverfahren für das Vorschulalter sollten • theoretisch fundiert sein, • ökonomisch sein und • den Qualitätsstandards psychologischer Testdiagnostik entsprechen. • Realität: Testanwender monieren... • schlechte Standardisierung • veraltete Normen • „neue Tests“ werden aus Aufgaben anderer Tests gebildet • Fehlen von geeigneten Verfahren für die Frühdiagnostik

  7. Praxis der Entwicklungsdiagnostik heute • Ökonomische Engpässe  Kostendruck • Einsparung von Fachkräften • Entwicklungsdiagnostik im „Schnellverfahren“ • Screenings = vollwertige Leistungsdiagnostik ?? • Aber: • Komplexe Entwicklungsstörungen erfordern vielschichtige Diagnostik  gezielter Einsatz therapeutischer Ressourcen • Tests führen zu Wahrscheinlichkeitsaussagen, nicht zu Gewissheiten!! • Verbesserung psychologischer Diagnostik = Verbesserung der metrischen Qualitäten (Gütekriterien) von Testverfahren Krause (2001)

  8. Auszug aus dem Angebot an Entwicklungstests... • Allgemeine Entwicklungstests • Altersgruppe < 3 Jahre • Bayley Scales of Infant Development (Bayley, 1969, 1993) • Altersgruppe 3 - 6 Jahre • Bühler-Hetzer-Kleinkindertest • seit 1932 unverändertes Material • schwerwiegende teststatistische Mängel • Denver-Skalen (Frankenburg & Dodds, 1967) • McCarthy Scales of Childrens Abilities (McCarthy, 1972) • eher spezielles Verfahren: kognitive und motorische Entwicklung • kein entwicklungstheoretisches Konzept • Wiener Entwicklungstest (Kastner-Koller & Deimann, 1998)

  9. Auszug aus dem Angebot an Entwicklungstests... • Tests zur kognitiven Entwicklung • Altersgruppe 3 - 12 Jahre • Kaufman-Assessment-Battery for Children (Melchers & Preuß, 1994) • basiert auf neueren kognitionspsychologischen Annahmen • Entspricht den klassischen Gütekriterien • Normierungsangaben beruhen z.T. auf veralteten Daten... • Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder-III (Tewes et al., 2000) • wenig ökonomisch und nicht einfach in der Durchführung • geeignet für erste Eindrucksbildung + strenge diagnostische Absicherung

  10. Auszug aus dem Angebot an Entwicklungstests... • Verfahren zur Erfassung der Sprache • Altersgruppe < 3 Jahre • Sprachentwicklungstest für zweijährige Kinder (Grimm, 2000) • Altersgruppe 3 - 6 Jahre • Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (Grimm, 2001) • Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten • Altersgruppe > 6 Jahre • Heidelberger Sprachentwicklungstest (Grimm & Schöler, 1975, 1991)

  11. Auszug aus dem Angebot an Entwicklungstests... • Verfahren zur Erfassung des Verhaltens und der sozial-emotionalen Entwicklung • Altersgruppe < 6 Jahre • ChildBehavior Checklist für 1 ½ bis 5jährige (CBCL 1 ½-5 Jahre) • Altersgruppe ab 4 Jahre • ChildBehavior Checklist für 4 bis 18jährige (CBCL 4-18 Jahre)

  12. Voraussetzungen der Entwicklungsdiagnostik

  13. Theoretische Grundlagen: Der Entwicklungsbegriff • enger Entwicklungsbegriff: biologische Entwicklungsmodelle • Entwicklung ist • sequentiell, irreversibel, • unidirektional, universell, • qualitativ-strukturell • weiter Entwicklungsbegriff: Entwicklungspsychologie der Lebensspanne • Entwicklung ist • nicht linear mit universalen Sequenzen, • Veränderungen verlaufen multidimensional („Veränderungsmuster“), • ungerichtet oder „multidirektional“, • nicht einfaktoriell erklärbar, sondern multikausal.

  14. Theoretische Grundlagen • Zentrale theoretische Fragen an ein Testverfahren: • Auf welchem Niveau sind die diagnostischen Merkmale angesiedelt? • direkt beobachtbares Verhalten vs. Konstrukte • Wie wird der Bezug zwischen Merkmalen und Testaufgaben theoretisch begründet? • Inhaltsvalidität vs. konvergente und diskriminante Validität (=> empirisch) • Welches sind die zugrundeliegenden Annahmen im Hinblick auf die Transformation von Entwicklungskonstrukten über die Zeit? • Stabilität vs. Variabilität / Kontinuität vs. Diskontinuität • Beispiel: Intelligenz

  15. Beispiel: Zwei-Komponenten-Modell der Intelligenz • Fluide Intelligenz (Mechanik)  „Hardware“ des Gehirns • grundlegende biologische Lernkapazitäten des Individuums ~ neuronale Vernetzungen des kognitiven Systems, • Basisprozesse der Intelligenz, • Operationalisierung: kulturfreie Aufgaben (räumlich-figürliches Material). • Kristalline Intelligenz (Pragmatik)  „Software“ des Gehirns • kulturelle Dimension der intellektuellen Entwicklung, • Inhaltliche Ausgestaltung des Denkens und Wissens durch den Enkulturationsprozess, • Operationalisierung: Sprachliche Aufgaben, berufliches Wissen, bereichsspezifisches Wissen.

  16. Beispiel: Zwei-Komponenten-Modell der Intelligenz

  17. Beispiel: Differenzierung/De-Differenzierung • Differenzierungshypothese der Intelligenz • Das Ausmaß der Kovariation zwischen verschiedenen Fähigkeiten (= die relative Stärke des g-Faktors) nimmt mit zunehmendem Leistungsniveau ab. • Der Generalfaktor der Intelligenz verliert im Laufe der Kindheit an Gewicht, • Reifung und Ausdifferenzierung des Gehirns • Erwerb spezifischer Wissensbestände (individuelle Stärken-Schwächen-Profile) • bleibt vom Jugendalter bis ins späte Erwachsenenalter konstant auf mittlerem Niveau, • nimmt im hohen Alter erneut zu ( Dedifferenzierung/Neointegration) • zunehmend ineffizientere Informationsverarbeitung durch biologische Beschränkungen der Ressourcen.

  18. Beispiel: Differenzierung/De-Differenzierung g-Faktor g-Faktor Differenzierung De-Differenzierung Kindheit höheres LA

  19. Theoretische Grundlagen • Problem allgemeiner Entwicklungstests: • Es gibt keine allgemeingültige Theorie der allgemeinen Entwicklung. • Lösung: • Inhaltliche Präzisierung durch die Auswahl spezifischer Merkmalsbereiche (Subtests) und deren Erfassung mittels spezifischer Testaufgaben. • Aber: • Es gibt auch keine allgemein akzeptierte, umfassende Theorie der Sprachentwicklung, der motorischen Entwicklung, der kognitiven Entwicklung etc. ...

  20. Fazit „Die theoretische Fundierung vieler entwicklungs-diagnostischer Verfahren ist äußerst unzureichend.“ Insbesondere im Hinblick auf a) den zugrundegelegten Entwicklungsbegriff b) den angenommenen Entwicklungsverlauf der erfassten Merkmale. Filipp & Doenges, 1983

  21. Normative Grundlagen: Der Normalitätsbegriff • „normal“ = altersadäquat • verfrühte/verspätete Verhaltensformen gelten als abweichend • aber: Es gibt beträchtliche Varianzen zwischen und innerhalb der Altersgruppen!! • Annahme eines komplexeren Wirkgefüges: • Standardisierungsstichproben müssen sehr groß gewählt werden • Entwicklungsnormen für einzelne Standardisierungs-gruppen, die sich • in entwicklungsrelevanten Umweltmerkmalen • in entwicklungsrelevanten Eigenschaften unterscheiden.

  22. Psychometrischer Ansatz Hochbegabung • Intelligenztests  Selektion, Diagnose, Evaluation • Gesamttestwert und verschiedene Subtestwerte (M = 100, SD = 15) • 95% der Population erreicht einen Testwert zwischen 70 und 130 (+/- 2 SD) Rund 50% der deutschen Bevölkerung hat einen IQ von 100.

  23. Normative Grundlagen • Problem: • Altersnormen wurden aufgrund querschnittlicher Altersvergleiche gewonnen • Altersdifferenzen = Entwicklungs- oder Kohortenunterschiede? • Forderung nach kohortenspezifischen Entwicklungsnormen • aber: beträchtliche Variation der Entwicklungsbedingungen auch innerhalb einer Kohorte • Lösungen: • kriterienorientierte Diagnostik • Definition des „Kriteriums“ durch eine zugrundeliegende hypothetische Entwicklungssequenz • aber: Wie gesichert sind die Beziehungen zwischen diagnostiziertem Entwicklungsniveau und gewähltem Kriterium? • individuelle Bezugsnorm • „Fortschritt“, „Retardierung“, „Stillstand“ als Merkmale des individuellen Entwicklungsprozesses

  24. Normative Grundlagen • Ökologische Ausweitung der Entwicklungsdiagnostik • Betrachtung und Bewertung der Entwicklungsumwelt • Aufhebung der Konfundierung von Merkmals- und Umweltstabilität • z.B. Veränderungen im sprachlichen Leistungsniveau => Variationen im emotionalen Klima der Familie • prognostischer Wert von Testergebnissen wird durch die Berücksichtigung von Umweltparametern erhöht • Voraussetzungen: • Kenntnis der entwicklungsrelevanten Umweltfaktoren • Kenntnis der Veränderungen ihres Einflusses im Laufe der Entwicklung

  25. Fazit • Dominanz der Altersnormierung von Entwicklungstests • geringer Aufwand an konzeptueller Vorarbeit • entwicklungstheoretisch eher voraussetzungsfrei • eher weniger exakte und gesicherte individualdiagnostische Aussagen, als numerische Kennwerte suggerieren... • Entwicklungsalter • Entwicklungsquotient etc. • umweltdiagnostische Verfahren stehen eher beziehungslos zu entwicklungsdiagnostischen Fragen • Forderung nach einer Explizierung des Entwicklungsbegriffs!!

  26. Grundlagen der Testkonstruktion: Gütekriterien • Objektivität • = Vergleichbarkeit als Voraussetzung für Unterscheidbarkeit • Untersuchungssituation • Untersuchungsmaterial • Aufgabenstellung • Bewertung und Interpretation der erhobenen Daten • Wie kann festgestellt werden, ob ein Test diesem Gütekriterium genügt? • Durchführungsobjektivität • Auswertungsobjektivität • Interpretationsobjektivität (r >= .90)

  27. Grundlagen der Testkonstruktion: Gütekriterien • Reliabilität • = Zuverlässigkeit des ermittelten Testergebnisses • Wachheit des Kindes • Motivation etc. wirken als Störvariablen • maximal so hoch wie die Objektivität... • Wie kann festgestellt werden, ob ein Test diesem Gütekriterium genügt? • Test-Retest-Reliabilität r = .80-.90 o.k. • Paralleltest-Reliabilität r >= .90 hoch • Split-Half-Reliabilität • Innere Konsistenz (Cronbach´s Alpha)

  28. Grundlagen der Testkonstruktion: Gütekriterien • Validität • = Wie gut bewältigt der Test die Aufgabe, für die er konstruiert wurde? • Wie kann festgestellt werden, ob ein Test diesem Gütekriterium genügt? • Inhaltsvalidität (Augenscheinvalidität, logische Validität) • Kritieriumsvalidität • prognostische Validität r = .40-.60 o.k. • Übereinstimmungsvalidität r >= .60 hoch • Konstruktvalidität • konvergente Validität • diskriminante Validität

  29. Fazit • Ein Entwicklungstest kann nur so gut sein, wie seine entwicklungstheoretischen Grundlagen... • Es wäre illusionär, Tests zu fordern, die perfekte oder nahezu perfekte Entscheidungen gewährleisten. • Der Wert eines Testes bemisst sich letztlich an seinem Beitrag zur Optimierung von Entscheidungen.

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