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Deutsche Sprache des Mittelalters. Die Anfänge volkssprachiger Schriftlichkeit (9.-11. Jh.). Deutsche Sprache und ihre Geschichtlichkeit. Deutsche Sprache der Gegenwart. Instrument unmittelbarer Kommunikation (=körperliche Kopräsenz): Mündlichkeit → Flüchtigkeit der Kommunikation
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Deutsche Sprache des Mittelalters Die Anfänge volkssprachiger Schriftlichkeit (9.-11. Jh.)
Deutsche Sprache der Gegenwart • Instrument unmittelbarer Kommunikation (=körperliche Kopräsenz): Mündlichkeit → Flüchtigkeit der Kommunikation • Instrument einer „vermittelten/zerdehnten“ Kommunikation (Brief, Zeitung, sonstige Medien): mediale Vermittlung, u.a. Schriftlichkeit → Möglichkeit der Speicherung in verschiedenen Medien
Sprache und Funktion • in unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen/Schichten • in unterschiedlichen Anlässen, • in definierten Segmenten der Kommunikation (Fachsprachen in Medizin, Biologie, Elektronik, Astronomie, Handwerke etc.) • Untersuchung in synchroner Sprachbetrachtung
Sprache in stetiger Veränderung • Anpassung an Notwendigkeiten der Verständigung • Aktualisierung des Wortschatzes • Anpassung an sich verändernde Sprachnormen und kulturellen Wandel → Sprachwandel Untersuchung in diachroner Sprachbetrachtung
Folgerung • Sprachwandel ist kein Merkmal des unmittelbar gegenwärtigen Sprachgebrauchs, sondern kann nur im zeitlichen Verlauf (diachron) beobachtet werden. • Wer bewusst die Sprache beobachtet, bemerkt ihre Veränderung.
Sprache und Regionalität • Die Einheitlichkeit der Sprache existiert nur im Medium überregionaler Schriftlichkeit. • außerhalb der überregionalen Schriftnorm gliedert sich Sprache in unterschiedliche Varietäten: • regionale Varietäten (Dialekte) • gruppenspezifische Varietäten (Soziolekte)
1. Deutsche Sprache des Mittelalters (8.-15. Jh.) • Bezeugung nur in medialer Vermittlung • Mündlichkeit: nur in sekundärer Bezeugung greifbar • Schriftlichkeit in deutscher Sprache in unterschiedlichen Medien: Runenzeugnisse, Handschriften (ab 8. Jh.), Buchdruck (ab etwa 1450), Inschriften etc.
Schrift und Schriftgebrauch im deutschen Mittelalter • Schrift im westlichen Europa: Lateinische Alphabetschrift • Prinzip: Zusammensetzung einzelner selbständiger Lautzeichen (Buchstaben) ohne je eigenen Sinn zu sinntragenden Zeichenkomplexen = Wörtern • funktionale Anwendung innerhalb der lateinischen Sprache
Lateinische Schrift und germanische/deutsche Sprache • Zeichensystem des Lateinischen passte nicht auf das Phonemsystem des Deutschen. • Wie soll man deutsche Wörter mit den ihnen fremden Zeichen in Schrift umsetzen? • Zu den Schwierigkeiten: der Benediktinermönch Otfrid von Weißenburg (9. Jh.) im Vorwort seines (althochdeutschen) „Evangelienbuchs“
Otfrid von Weißenburg, Evangelienbuch (um 865/70)(-> Zweisprach. Ausg. von G. Vollmann Profe, reclam) Widmung an Erzbischof Liutbert von Mainz: • Otfrid tadelt die rauhe Unkultiviertheit der Sprache (linguae barbaries); • das Deutsche sei eine ungehobelte, bäuerische Sprache (lingua agrestis), • ohne den „Zügel“ eines grammatischen Systems (insueta freno grammaticae artis)
Otfrid von Weißenburg, Evangelienbuch, um 860
Otfrid, ,Ad Liutbertum‘ • Schwierig sei, die Sprache in Schrift umzusetzen • einerseits wegen der Häufung von Lauten (literarum congeries), • andererseits wegen der gegenüber dem Lateinischen ungewohnten Laute, z.B.: • drei u (uuu) für vu/wu/uw/vu • k und z.
Sprache und Regionalität im deutschen Mittelalter • Die Schriftsprache des Mittelalters und der frühen Neuzeit zielt auf die skripturale Wiedergabe des Lautbildes. • Sie ist in den Schriftformen durchgängig regional geprägt (regionalspezifische Schreibsprachen). • Eine anerkannte und verbindliche Schreibnorm (vergleichbar dem „Duden“) bildet sich erst ab etwa dem 17./18. Jh. heraus.
Wort und Bedeutung • Wörter verändern ihre Bedeutung Gegenwart um 1200 Bedeutung um 1200 Arbeit ar(e)beit ‚Mühsal‘ Frau vrouwe ‚edle Dame‘ List list ‚Klugheit, Kenntnis‘ Milde milte ‚Freigebigkeit‘ Liebe liebe ‚Freude, Glück‘ fromm vrum ‚nützlich, tüchtig‘ Gift gift ‚Gabe, Geschenk‘
Anfänge volkssprachiger Schriftlichkeit • durchgängige praktizierte Schriftlichkeit in lateinischer Sprache seit der Antike (regionale Unterbrechung durch die Völkerwanderung) • Anfänge der Schriftlichkeit des Deutschen um 800 • Deutsche Sprache: zunächst im Umkreis kirchlichen Gebrauchs: Paternoster, Credo, Beichtformeln, einzelne Predigten; auch in lat.-dt. Glossaren.
Marginale Existenz deutscher Schriftzeugnisse im 9./10. Jh. • Eintrag kleinerer deutscher Texte auf Blatträndern oder freien Blättern. • Deutsche Wörter als Übersetzungshilfen interlinear in lateinischen Texten eingetragen (Glossen). • Buchfüllende deutsche Texte im 9. Jh.: Otfried von Weißenburg, ,Evangelienbuch‘, ,Heliand‘
‚Hildebrandslied, S. 2 mit Abbruch des Textes
Williram von Ebersberg, Bearbeitung des Hohen Liedes
Schreiborte für deutsche Schriftlichkeit im 9./10. Jahrhundert
Deutsch zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit • Mündlichkeit: Flächendeckender Gebrauch des Deutschen im gesamten Sprachgebiet. • Bei Übergang der Kommunikation in die Schriftlichkeit wurde in der Regel auf die lateinische Sprache umgeschaltet. • Repräsentanz des Deutschen in literarischen Texten wird um 1200 erreicht und in der Folgezeit weiter ausgebaut. • Eine alle Lebensbereiche umfassender Schriftgebrauch des Deutschen ist erst im 15. Jh. erreicht.