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Vortrag: Herbstplenum des Regensburger Suchtarbeitskreises am 28.11.2007 Männersache: Brauchen wir eine männerspezifische Suchtkrankenhilfe ?. Dr. A. Vosshagen Psychologischer Psychotherapeut Leitender Psychologe der Fachklinik Kamillushaus GmbH. Männer und Sucht.
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Vortrag: Herbstplenum des Regensburger Suchtarbeitskreises am 28.11.2007Männersache: Brauchen wir eine männerspezifische Suchtkrankenhilfe ? Dr. A. Vosshagen Psychologischer Psychotherapeut Leitender Psychologe der Fachklinik Kamillushaus GmbH
Männer und Sucht Trotz einer gewissen Geschlechterkonvergenz im Suchtverhalten gilt: • 4, 8 % der Männer (1,3 % der Frauen) sind alkoholabhängig • (Kraus & Augustin, 2001) • Männer stellen 2/3 der Drogenabhängige • Männer trinken mehr als dreimal so viel wie Frauen • (BzgA, 2002) • 84 % der Drogentoten sind Männer • 76 % der Alkoholtoten sind Männer Männlicher Trinkkonsumstil: • besonders hart • sozial auffällig • besonders gesundheitsgefährdend
Geschlechtsspezifische Besonderheiten von Männern • Das Genderbewusstsein von Männern ist generell gering ausgeprägt Dies gilt auch für den Zusammenhang von Männlichkeit und Sucht Erfreulich ist: • Seit 2005 finden vermehrt Fachtagungen zum Thema „Mann und Sucht“ statt – zuletzt am 15./16.11.07 in Bremen • Ein erster Reader zum Thema Sucht und Männlichkeit wurde 2006 veröffentlicht (Jacob und Stöver) • Vom Landschaftsverband Westfalen Lippe (www.lwl.org) wurde 2006 ein Leitfaden zur männerspezifischen Sucht und Drogenarbeit veröffentlicht. • Die Ausgabe 3/07 „Suchttherapie“ hat den Schwerpunkt „Männer undSucht“
Männersozialisation • Männliches Geschlechtsrollenverhalten: Du zeigst Dich nach außen stark, robust und aggressiv und zeigst weder Schwäche noch Verletzbarkeit. Drogen helfen dabei, diese Imperative zu erfüllen. • MännlicheAdoleszenz ist durch eine Kluft zwischen demonstrierter Unabhängigkeit und innerer Unsicherheit geprägt (Flaake 2007) >Leitbild: Dominanz, Aktivität, Hierarchisierung, Abgrenzung und Abwertung von Mädchen und bestimmten Männergruppen
Gesundheitsrisiko von Männern: • geringe Lebenserwartung, ca. 6 Jahre • Männer sterben bis zum Rentenalter: • zweimal häufiger an Leberzirrhose, • dreimal häufiger an Lungenkrebs, • dreimal häufiger an Selbstmord, • dreimal häufiger an tödlichen Verkehrsunfällen, • sind 55mal häufiger inhaftiert. All diese Risiken sind vermeidbar.
Genderspezifische Suchtfaktoren bei Männern • Traditionelle Männlichkeit und Suchtmittelkonsum hängt eng zusammen: Skalen, mit denen traditionelle Männlichkeit gemessen wird, korrelieren hoch mit der Menge des Alkoholkonsums. • Exzessives Trinken von Männern wird in der Regel von anderen Männern in Männercliquen positiv verstärkt. • „Doing Gender with Drugs“ – Geschlechtsrollenverhalten wird mit Alkohol und Drogen gestaltet inszeniert und in der Interaktion mit anderen Männern entwickelt. • Eingeschränktes Gefühlsmanagement bei Männern fördert die Anfälligkeit für Suchtmittel (Cooper et al., 1992). • Das Machtbedürfnis von Männern steht im engen Zusammenhang zum Konsum von Alkohol (McClelland et al., 1972) • MOA-These: Macht-Ohnmacht-Alkohol-These von Sieber, 1997
Genderspezifische Suchtarbeit Voraussetzungen: • Berater und Therapeuten: kritisches Auseinandersetzen mit der eigenen Männlichkeit • Männerkritische und gleichzeitig männerfreundliche Haltung plus Ressourcenorientierung • Frauenabwertung ist zu unterbinden, antisexistische Grundhaltung Mit Männern zu arbeiten heißt noch nicht, auch gendersensibel zu arbeiten.
Besondere Probleme suchtkranker Männer (1) • Kontrollunfähigkeit dem Suchtmittel gegenüber ist für Männer schwer zu akzeptieren, steht im Widerspruch zum Männerklischee von Unabhängigkeit und Kontrolle. • Abschied vom Alkohol heißt für Männer auch Abschied von Inszenierungen und der Symbolfunktion von Alkohol. • Männliche Patienten fühlen sich durch Versagenserlebnisse, Arbeitslosigkeit, Trennung und Rollenverlust speziell belastet.
Besondere Probleme suchtkranker Männer (2) • Männer haben nicht gelernt, mit anderen Männern zu reden. • Männer machen am Therapiebeginn stärker als Frauen äußere Umstände für ihre Lebenslage verantwortlich. • Wichtiges Lernziel ist die positive und kritische Männersolidarität. • Ebenso Unabhängigkeit von Frauen (Co-Abhängigkeit).
Besondere Probleme suchtkranker Männer (3) • Unabdingbar ist die Infragestellung des kulturspezifischen Männerbildes. • Ein sensibler Umgang mit sich, anderen und der Umwelt ist aufzubauen. Sporttherapie sollte ein Erleben von Körperlichkeit möglich machen. • Emotionen, die zuvor im Alkohol ertränkt wurden, bedürfen der Ausdrucksfähigkeit, insbesondere das Erleben von Ohnmacht, Angst, Schmerz, Scham, Versagen. • Traumaerfahrungen wurden bei Männern bisher zunächst selten im Zusammenhang zur Suchtentwicklung betrachtet.
Besondere Probleme suchtkranker Männer (4) • Veränderungen von Genderschemata sind für die Aufrechterhaltung von Abstinenz besonders hilfreich (Empirische Arbeit, Vosshagen, 1997 • Stärke und eine kämpferische Haltung ist für die Abstinenz in einer alkoholisierten Gesellschaft unabdingbar. • Funktionale Äquivalenzen zur Sucht zu entdecken, ist für Männer besonders wichtig.
Etablierung männerspezifischer Arbeit im Suchtbereich ( 1) • Tagungen und Fortbildungen und Arbeitsgruppen von männlichen Therapeuten und Beratern im Suchtbereich sind zu initiieren. • Empirische Forschung ist voran zu treiben. • Jetzt ist einerseits mit praktischer Arbeit in Form von Männergruppen zu beginnen, andererseits braucht die Etablierung des Themas Zeit.
Etablierung männerspezifischer Arbeit im Suchtbereich ( 2) • Wenigstens ein männlicher Mitarbeiter (mit 35 % die Minderheit) solte sich diesem Thema verschreiben – in größeren Einrichtungen: Bildung einer Projektgruppe • Professioneller Gewinn: zielgruppegenaue Arbeit ( siehe Schweiz: drugsandgender.ch ) • Persönlicher Gewinn: intimer, herzlicher und intensiver Austausch zwischen Männern, der sonst im Alltag die Ausnahme darstellt • Subgruppen, wie Migranten oder homosexuelle Suchtkranke werden bisher nicht ausreichend beachtet
Generelle Themen in der geschlechtshomogenen Gruppenarbeit mit männlichen Suchtkranken • Das Trinken in seiner Funktion als Linderungs- und Kompensationsmittel erkennen - um mit Einschränkungen der Männerrolle fertig zu werden. • Die individuelle Suchtgeschichte ist dahingehend zu analysieren, wie das Suchtgeschehen von anderen Männern verstärktund gefördert wurde. • Das persönliche Scheitern und Enttäuschung und Schuldgefühle müssen verarbeitet werden, ebenso • Abschied von männlichen Stereotypen, wie Kontrolle und Unbesiegbarkeit. • Neukonstruktion der eigenen Männlichkeit.
SpezifischeThemen in der geschlechtshomogenen Gruppenarbeit mit männlichen Suchtkranken(1) • Vaterbeziehung Vaterentbehrung, Sehnsucht, trinkender, gewalttätiger Vater, Ähnlichkeit zu ihm. eigene Vaterrolle „Meine Kinder haben nichts mitbekommen“, Scham, Vätergruppe empfehlenswert • Beziehung zu anderen Männern Konkurrenz, Homophobie, wenig intensive Freundschaften, soziale Unterstützung in Selbsthilfegruppen • Partnerschaft Partnerin übernahm Hauptverantwortung, Machtverschiebung, Verantwortungsbereitschaft, Selbstkonfrontation, Konfliktfähigkeit dringend notwendig. • Sexualität Sexuelle Störungen sind sehr verbreitet, fehlende Vergleiche, Notwendigkeit der Thematisierung in geschlechtshomogenen Gruppen
Spezifische Themen in der gendersensiblen Arbeit mit männlichen Suchtkranken (2) • Gewalt Alkohol senkt die Gewaltschwelle, in Therapie Tabuthema, eventuell in Einzelgesprächen bearbeitbar, wichtig ist Aggressionsmanagement aber auch die Verarbeitung eigener Traumata. • Arbeit(slosigkeit) Beruf als zentrale Bekräftigungsmöglichkeit, erlebt berufliche Identität als Identität schlechthin, Arbeitslosigkeit als Versagenserlebnis, Selbstbewusstsein stark an den Beruf geknüpft, wenig andere Bekräftigungsmöglichkeiten, wenig Freizeitaktivitäten, Coping-Mechanismen für ein Leben ohne Arbeit wichtig. • Gesundheitsbewusstsein • Achtsamkeit, Vorsorgemaßnahmen, Genusstraining