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Martin Wellenreuther Mathematiklernen in der Grundschule - eine Diskussion neuerer empirischer Forschungen -. Übersicht:. Die asiatische Herausforderung a) Mögliche Gründe b) Lesson Study als Form der Professionalisierung

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  1. Martin WellenreutherMathematiklernen in der Grundschule- eine Diskussion neuerer empirischer Forschungen -

  2. Übersicht: • Die asiatische Herausforderunga) Mögliche Gründeb) Lesson Study als Form der Professionalisierung • Schulprojekte und Grundlagenforschunga) Projekte (z. B. Cognitively Guided Instruction, Formative Evaluation schulischer Leistungen) b) Grundlagenforschung - Rightstart-Programm - Gedächtnisforschung • Ausblick - Konsequenzen

  3. 1. Die asiatische Herausforderung Nach allen internationalen Vergleichsuntersuchungen belegen asiatische Länder wie Japan, Korea und Singapur bei den Mathematikleistungen Spitzenplätze. • Vermutete Gründe: • Mehr Mathematikunterricht und bessere Nutzung der Unterrichtszeit • Andere Lernkultur (Förderung statt Selektion; Anstrengungsorientierung statt Begabungsorientierung) • Mathematik wird durch Fachlehrer auch in der Grundschule unterrichtet; diese haben weniger Unterrichtsstunden • Verständliche Erklärungen (Schulbücher sind Erklärbücher) • Lesson Study: Eine Methode institutionalisierter Lehrerbildung

  4. Verständliche Erklärungen Nach Forschungen von Mayer, Sims & Tajika (1995) sind Erklärungen in japanischen Mathematikbüchern eher verständlich, weil sie den Sachverhalt in der Regel auf drei Ebenen darstellen: (1) Textlich den Gegenstand beschreiben, (2) visuell den Gegenstand veranschaulichen, und (3) formal (z. B. in einer Gleichung) den Gegenstand zusammenfassen. Begründung:Solche Erklärungen können eher für die Vorbereitung und Nachbereitung von Inhalten verwendet werden. Schüler können damit selbstständiger arbeiten.

  5. Beispiel:Unverständliche Schulbucherklärung: Mathematik heute 6 (Griesel & Postel 1985)

  6. Beispiel:Verständliche Schulbucherklärung(Wellenreuther 1994)

  7. Korrekte Erklärungen Forschungen von L. Ma (1999) in den USA sowie von Seyd (2004) in Deutschland haben ergeben:Nur etwa 20 % der deutschen Mathematiklehrer in der Grund-schule sind in der Lage, mathematische Inhalte der Grundschule vollständig korrekt im Hinblick auf mathematisches Verständnis und Lösungsmethode zu erklären, verglichen mit etwa drei Vierteln der chinesischen Lehrer. Liping Ma spricht davon, dass Grundschullehrer in den USA etwa über die Mathematikkenntnisse eines chinesischen Schülers der 9. Klassenstufe verfügen. Mögliche Konsequenz:1. Nur noch Fachlehrer im Mathematikunterricht der Grundschule 2. Bessere Lehrer(fort)bildung;  Lesson Study

  8. Lesson Study (Fernandez, Clea & Yoshida, Makoto 2004) Methode einer kooperativen Unterrichtsvorbereitung, die in Japan üblich ist. Ziel: Die Entwicklung von Meisterlektionen. Vor allem kann Lesson Study als eine Form schulinterner Lehrerfortbildung aufgefasst werden. Beispiel:Zwei Lehrer planen gemeinsam eine Unterrichtsstunde für erste Klassen. Diese Unterrichtsvorbereitung wird mit den Mathematiklehrern der unteren Klassen diskutiert. Danach präsentieren diese Lehrer die Unterrichtskonzeption vor den anderen Mathematiklehrern, überarbeiten die Lektion aufgrund der Anregungen Danach wird die Stunde zweimal erprobt, jeweils danach diskutiert, wobei nicht nur die Mathematiklehrer, sondern auch Experten außerhalb daran teilnehmen. Danach Überarbeitung der Unterrichtsvorbereitung.

  9. Konkretes Beispiel:Subtraktion – mit Entbündeln (z.B. 12 – 7). Dazu werden insgesamt 12 Stunden vorgesehen. Die erste davon wird minituös ausgearbeitet, erprobt, wieder überarbeitet usw. Wichtigstes Ziel: Schüler sollten verschiedene Lösungsmethoden kennenlernen, um dann für die jeweilige Aufgabe die effizienteste Methode auswählen zu können. Grobplanung der Stunde (45 Minuten + 10 Minuten)(1) Problementwicklung (Ginko-Blätter gesammelt, jeder Schüler hat in einer früheren Stunde seine Familie auf Blätter der zwölf Zweige eines Ginko- Baumes eingetragen). Problemrepräsentation: 12 Blätter, 7 Familienmitglieder auf Ginko-Blättern, wie viele Blätter bleiben übrig.(2) Anschluss an das Vorwissen: 10 - 2(3) Formulierung der neuen Aufgabe, die Entbündeln erfordert(4) Lösung des Problems (hauptsächlich Einzelarbeit)(5) Präsentation der Lösungsmethoden vor der Klasse(6) Zusammenfassung und Ankündigung der nächsten Stunde.

  10. Subtraktionsmethoden für 12 - 7 I. Abzählmethoden (1) (2) (3) Sieben von 12 weg- Die zwölf Objekte Von 8 anfangen zu zählen,nehmen, den Rest in 10 und 2 Objekte (an Fingern abzählen: abzählen aufteilen. 7 von 10 „8, 9, 10, 11, 12“.) wegnehmen. Die restlichen Objekte abzählen. II. Methoden, die ohne Abzählen auskommen (4) Subtraktions-Additions-Methode(5) Subtraktions-Subtraktionsmethode 12 wird in 10 und 2 aufgeteilt, 12 wird in 10 und 2 aufgeteilt, 7 wird von 10 abgezogen, Antwort 3. 7 wird in 5 und 2 aufgeteilt.Dann wird 2 und 3 addiert, Dann schrittweise Antwort: 5 12 – 2 = 10 10 – 5 = 5. Antwort: 5

  11. Gründe für die Wirksamkeit der Lesson Study Unterrichten ist eine hochkomplexe Tätigkeit, und Professionalität entwickelt sich im günstigsten Fall in zehn Jahren. Lesson Study berücksichtigt diese Komplexität, weil in ihr alle wichtigen Aspekte ausführlich reflektiert und diskutiert werden. So wurden in der Lektion zur Subtraktion Folgendes ausführlich diskutiert:- Die Frage der Hinführung zur kritischen Aufgabe; Anschluss an bisher gelöste Aufgaben (Aufgaben ohne Entbündeln)- Auswahl der Aufgabe (12 – 5 oder 12 – 7)- die Frage, welche Vorkenntnisse bei den Schülern vorausgesetzt werden können (z. B. wieweit sind Schüler der ersten Klasse in der Lage, vor der Klasse ihre Lösungsmethode zu erklären) - die Frage der Verwendung von Veranschaulichungsmitteln- die Frage der Gestaltung von Handouts für die Schüler (Gesichtspunkt: was können die Schüler ausfüllen?)- die Frage einer motivierenden Einbettung der Aufgabe (Verknüpfung mit einer Exkursion, bei der Ginko-Blätter gesammelt wurden; Darstellung der Familie ( Personalisierung und Kontextualisierung der Aufgabe)

  12. Lehrerprofessionalität - Expertenwissen Für die Entwicklung von Expertenwissen ist eine ständige Fortbildung im Sinne einer „deliberate practice“1) notwendig: Um Professionalität zu entwickeln, benötigt der Lehrernovize Feedback und konkrete Hilfen. Fünf Jahre Ausbildung in Universität und Referendariat genügen dafür nicht. Die Lesson Study organisiert „deliberate practice“ für Lehrer. Auch erfahrene Lehrer stellen sich der Herausforderung, eine Stunde kooperativ bis ins Einzelne zu planen und der Kritik von Fachkollegen auszusetzen. Lehrer lernen voneinander, entwickeln z. B. zu zweit die Lektion, geben sich wechselseitig Anregungen. Allerdings: Die Fruchtbarkeit der Lesson Study hängt davon ab, ob die bei der Interpretation vorausgesetzten Theorien und Methoden „wahr“ bzw. wirksam sind. Lesson Study muss also durch experimentelle Forschung und durch Trainingsstudien ergänzt werden. ____________________________________________________ 1) Zum Begriff der „deliberate Practice“ vgl. Anhang, Folie 35

  13. 2. Projekte und Grundlagenforschung Die asiatische Herausforderung hat verschiedene Reformprojekte unterstützt. Ich möchte auf folgende kurz eingehen: I. Schulprojekte: • Das CGI-Projekt (CGI  Cognitively Guided Instruction) und Projekte radikaler Individualisierung an Schulen • Das Projekt von Black & Wiliam: Die Nutzung von Tests und Fehlern für das Lernen Danach berichte ich kurz über zwei Ansätze der experimentellen Grundlagenforschung. II. Grundlagenforschung: • das Rightstart-Programm (Förderung von Kindern mit falschen Zahlvorstellungen (Griffin, Case & Siegler 1994), und • Ansätze zur Berücksichtigung von Ergebnissen der Gedächtnisforschung (Sweller 1999)

  14. I. Schulprojekte • Beispiel: Das CGI-ProjektDas CGI-Projekt hat wie die meisten Reformprojekte eine gemäßigt konstruktivistische Orientierung.Schüler müssen ihre impliziten Theorien weiterentwickeln, es geht dabei um die sukzessive Entwicklung einer Verständnisbasis und nicht um das Einschleifen von Prozeduren. Lehrer bauen auf dem Wissen der Kinder auf, ihre Rolle ist die eines Lernbeglei-ters. Betont wird eine starke Individualisierung, und eine exakte Beobach-tung des individuellen Lernens.Das Projekt bezieht sich auf die Förderung der Problemlösekompetenz bei Textaufgaben zur Addition und Subtraktion. Lehrer der Grundschule benötigen Kenntnisse über die Entwicklung von Methoden, mit denen Kinder Textaufgaben zum Addieren und Subtrahieren lösen (z. B. zuerst bestimmte Zählstrategien anhand konkreter Objekte, später, wenn bestimmte Zahlenschemata im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, werden „reifere“ Methoden verwendet).

  15. Radikale IndividualisierungParallel werden in Schulen Formen einer mehr oder weniger radikalen Individualisierung des Unterrichts erprobt. Beispiel: Max Brauer Schule in Hamburg Hier machen Schüler sieben grüne Punkte in einem Wissensbereich, d. h. zu jedem Punkt bearbeiten sie bestimmte Übungsaufgaben. Nach deren erfolgreicher Erledigung dürfen sie einen Test schreiben. Wenn sie diesen erfolgreich bestanden haben, bekommen sie einen roten Punkt und dürfen mit dem nächsten Inhaltsbereich beginnen.Manche Lehrer lehnen jegliches Erklären vor der Klasse ab, andere pflegen Formen eines „individualisierten Frontalunterrichts“ (vgl. Hannemann 2004) Wichtig: Übungen sind nur effektiv, wenn an Fehlern und Fehlvorstellungen intensiv gearbeitet wird (z. B. Fehlerdiskussionen).Bei radikaler Individualisierung ist der Lehrer mit dem individuellen Erklärbedarf überfordert. (Ausweg: Lehrerassistenten; Arbeit mit leistungshomogenen Gruppen). Zusätzlich erforderlich: Nach Schwierigkeit geordnete Unterrichts-materialien mit guten Erklärungen.

  16. 2. Der Ansatz von Black & Wiliam Fehler in Tests bzw. im Unterricht informieren den Lehrer über das, was noch im Unterricht behandelt werden muss. Traditionelle Vorgehensweise:Nach einer vierwöchigen Behandlung eines Themas wird eine Klassenarbeit geschrieben. Etwa 20 % der Schüler schreiben eine schlechte Arbeit. Bei der Rückgabe der Arbeit arbeitet man in der Klasse schon an einem neuen Thema. Eine systematische Behebung der Lücken bei den schwächeren Schülern erfolgt nicht... Alternative Vorgehensweise: (1) Durchführung kleinerer Test zu Teilbereichen des Themas (2) Möglichkeit der Testwiederholung: Mehrfacher Einsatz paralleler Tests zum gleichen Thema, wenn Schüler versagt haben ( Martinez & Martinez 1992). (3) Kriterienorientierte und mastery Tests statt normbezogene Tests, inhaltliche Kommentare statt Noten. ( Rolle von spezialisierten Instituten...)

  17. Die Wirkung der Wiederholbarkeit von Teiltests bei schlechten Leistungen – das Experiment von Martinez & Martinez 1992: Ergebnisse im Endtest (Mittlere Lösungsprozentsätze und Standardabweichungen in Klammern)

  18. Interpretation - Durch die Möglichkeit der Testwiederholung kann jeder Schüler seine individuellen Lücken vor dem Endtest schließen. - Bei hierarchischem Wissensaufbau wird durch das Schließen solcher Wissenslücken nachfolgendes Lernen erleichtert. Der erzielte Effekt ist hier so stark, dass bei mehrfachem Testeinsatz mangelnde Professionalität des Lehrers keine Rolle mehr spielt!

  19. Zur Wirkung von Noten bzw. Kommentaren auf die kognitiven Leistungen Butler (1988):Nur Kommentare, keine Noten: Leistungsverbesserung signifikantes Absacken der Leistungen Noten + Kommentare, oder nur Noten Ähnliche positive Ergebnisse treten ein, wenn Lehrer Hausaufgaben regelmäßig nachsehen und dazu Kommentare schreiben wie „das ... kannst Du schon ziemlich gut, aber Aufgaben zu ... solltest du dir nochmals genau ansehen“. Dazu hat der Lehrer die entsprechenden falsch gelösten Aufgaben unterstrichen (Nachweis: Cardelle-Elawar & Corno 1985).

  20. Interpretation - Kommentare weisen auf zu behebende Wissenslücken hin (Attribuierung der Leistungen auf Anstrengungen). - Noten, auch mit Kommentaren, enthalten Vergleichsinfor- mationen, die „ich-gefährdend“ sind (Attribuierung der Leistungen auf Fähigkeiten). Dadurch wird die Sachmotivation untergraben, nachfolgend unterbleiben Anstrengungen… KonsequenzVergleichsinformationen (Noten) behindern häufig das Lernen, weil schwächere Schüler meistens entmutigt werden! Wenn alle Schüler möglichst viel lernen sollen, sind konkrete sachliche Informationen lerneffektiver.

  21. II. Grundlagenforschung 1. Rightstart1): Ein Programm zur mathematischen Frühförderung (vgl. Griffin, Case & Siegler 1994) Es geht um die Entwicklung zentraler konzeptueller Strukturen, insbesondere die Entwicklung einer mentalen Zahlenlinie. Dazu gehört die Fähigkeit zum Vergleichen zweier Zahlen, zur Visualisierung der Zahlenlinie, zum Zählen, sowie adäquate Vorstellungen über die Größe von Zahlen. Bei Kindern aus Familien mit niedrigem sozialen Status zeigten nur 32 % der Schüler ein akzeptables Verständnis, bei hohem sozialen Status dagegen 67 %. Kinder niedriger sozialer Schichten gaben wilde Schätzungen ab wie z. B. 4 + 3 = 13 oder einfache Assoziationen wie 4 + 3 = 5. Ihnen schien das notwendige konzeptuelle Vorwissen für erfolgreiches Rechnen zu fehlen. 1) In neueren Veröffentlichungen wird anstelle von „Rightstart“ von „Number Worlds“ gesprochen.

  22. Soziale Herkunfthoch niedrig 72 % 14 % 64 % 28 % Durchschnitt 4a – 6b 96 % 18 % (Griffin, Case & Siegler 1994, S. 30 f.) Kenntnisse von Vorschulkindern in einem Test für den Schulanfang, nach sozialer Herkunft (Stufe 1: 6 Jahre) 1. Wenn Du 4 Schokoladenstücke hast und Dir jemand drei dazu gibt, wie viele Schoko- ladenstücke hast du dann? 2. Welche Zahl kommt direkt nach 7? 3. Welche Zahl kommt zwei Zahlen nach 7? 4a. Welche ist größer: 5 oder 4? 4b. Welche ist größer: 7 oder 9? 6a. (Macht eine visuelle Zusammenstellung): Welche Zahl ist näher bei 5: 6 oder 2? 6b. (Macht eine visuelle Zusammenstellung): Welche Zahl liegt näher bei 7: 4 oder 9?

  23. Prinzipienvon Number World (Griffin 2004) • Baue auf den Vorkenntnissen des Kindes auf. • Folge der natürlichen Entwicklung, wenn neu zu erwerbendes Wissen ausgewählt wird. • Unterrichte sowohl rechnerische Flüssigkeit wie auch konzeptuelles Verstehen. • Kümmere dich um ein reichhaltiges Angebot für Exploration mithilfe von konkreten Objekten, für Problemlösung und für Gespräche darüber. • Mache das Kind mit den wichtigsten Repräsentations-formen von Zahlen vertraut, die in entwickelten Gesell-schaften vorkommen.(z. B. Zahl als Gruppe von Objekten, Punktmuster, Position auf einer Linie oder auf einer Skala)

  24. Das RightstartprogrammIn diesem Programm wurde eine Serie von interaktiven Spielen zur Förderung dieser konzeptuellen Strukturen entwickelt. Insgesamt werden etwa 40 halb-stündige Sitzungen zur Förderung dieser Strukturen durchgeführt. Beispiel: Das Zahlenlinienspiel (weitere Spiele im Anhang) Das Spiel ist für eine kleine Gruppe ausgelegt. Jedem Spieler wird auf einem Spielfeld eine Zahlenlinie zugewiesen, die jeweils unterschiedliche Farben hat. Die Kinder würfeln und bestimmen die Zahl, um festzulegen, wer anfängt. Der erste Spieler würfelt dann, bestimmt die gewürfelte Zahl, bittet den Spieler, der die Bank führt, um die entsprechende Anzahl von Chips, platziert die Chips in der Reihenfolge entlang der Zahlenlinie, während er zählt, und bewegt dann seinen Spielstein entlang der Zahlchips, während er nochmals zählt, bis der Spielstein bei dem Zahlenwert steht, der dem Zahlenwert entspricht, die gewürfelt wurde und den er sich auf der Zahlenlinie bewegt hat. Dann ist der nächste Spieler an der Reihe. Der erste Spieler, der den Gewinnkreis hinter dem zehnten Quadrat erreicht, hat gewonnen. Die anderen Kinder sollen immer mitzählen, bei Unstimmigkeiten sollen sie die Probleme durch Diskussion klären. Durch die Spiele wird die Fähigkeit, die Größe von Zahlen zu vergleichen, sowie das Vorwärts- und Rückwärtszählen gefördert.

  25. Ergebnisse: • Wenn das Training in Kleingruppen von 4-5 Kindern erfolgte, bestanden im Nachtest zwischen 70 und 80 % der Kinder den Zahlentest. In den Kontroll-gruppen wurden Prozentsätze zwischen 14 und 37 % erzielt. Wenn das Rightstartprogramm mit der ganzen Klasse durchgeführt wurde, verminder-te sich der Prozentsatz der „Könner“ auf 53 %, verglichen mit 14 % in der Kontrollgruppe. • Bei Transferaufgaben, die nicht im Programm behandelt wurden, erzielten die Kinder der VG signifikant bessere Ergebnisse. • VG-Kinder, die im Kindergarten bzw. in der Vorschule mit Rightstart gefördert wurden, konnten am Ende der ersten Klasse signifikant häufiger mündlich und schriftlich gestellte Textaufgaben lösen. Bei Aufgaben, die direkt im Unterricht behandelt wurden, ergaben sich keine Unterschiede. Wichtig dabei: Jeder Schüler muss konkrete Erfahrungen mit dem konkreten Operieren, Zählen und Vergleichen von Zahlen sammeln. Zahlen erhalten dadurch Bedeutung und Sinn. Ohne solche Erfahrungen können sie Schulmathematik nur als ein Spiel mit willkürlichen Regeln begreifen.

  26. 2. Forschungen zur Aufnahme und ersten Verarbeitung von Informationen Dabei wird von einer Unterscheidung zwischen Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis ausgegangen. Arbeitsgedächtnis: Begrenzte Speicherkapazität (7 Chunks); wenn die Chunks verarbeitet werden (3 Chunks). Langzeitgedächtnis: Speicherkapazität ist quasi unbegrenzt. • Für das Unterrichten ist wichtig, • dieser Kapazitätsbegrenzung des Arbeitsgedächtnisses Rechnung zu tragen, z. B. durch Verwendung von Lösungsbeispielen. • Außerdem sollte durch Übung und Wiederholung gesichert werden, dass die Informationen in der Struktur des Langzeitgedächtnisses fest verankert werden.

  27. Die Wirksamkeit von Lösungsbeispielen (Paas & Merrienboer 1994) 1. Alle Studenten erhielten zunächst eine allgemeine Einführung in die geometrische Theorie, die für die nachfolgenden Aufgaben benötigt wurde. Die geometrische Theorie wurde anhand von vier gelösten Aufgaben erläutert. 2. Die nachfolgende Phase spezifischer Instruktion variierte je nach verwendeter Lernbedingung. Unter allen Bedingungen wurden sechs Aufgaben behandelt.Konventionelle Aufgabenstellung: Aufgaben wurden ohne Lösung oder Lösungshinweisen gestellt. Verwendung von Lösungsbeispielen: Alle sechs Probleme wurden vollständig gelöst vorgestellt. 1) Paas, G.W.C. & Van Merrienboer J.J.G. (1994): Variability of worked examples and Transfer of Geometrical Problem Solving Skills. In: Journal of Educational Psychology, Vol. 86/1, S. 122-133.

  28. ERGEBNISSELösungsprozentsätze (Standardabweichung in Klammern) Variabilität: Nachfolgende Aufgaben sind ähnlich oder unähnlich, gehören aber zur gleichen Aufgabenklasse

  29. Anmerkungen zur Wirkung von Lösungsbeispielen • Der festgestellte Effekt ist sehr stark und damit pädagogisch interessant und bedeutsam. • Dieser Effekt widerspricht gängigen pädagogischen Überzeugungen. Unsere Erwartungen werden geprägt durch die eigenen schulischen Erfahrungen. Danach erwarten wir, dass nur ein Üben anhand echter Probleme die Fähigkeit zum nachfolgenden Lösen von Problemen wesentlich verbessern kann • Das Arbeiten an gelösten Aufgaben kostet weniger Mühe und Schweiß. Die Studierenden benötigen für das Studieren der gelösten Aufgaben in der Phase spezifischer Instruktion 10 Minuten, zum Lösen konventioneller Aufgaben werden 22 Minuten benötigt!

  30. Wie ist dieser Effekt zu erklären? - Bei der Analyse von Lösungsbeispielen können sich Schüler individuell auf das Lernen von Unverstandenem konzentrieren! - Bei konventioneller Aufgabenstellung ist unser Arbeitsge-dächtnis überlastet. Deshalb können wir uns auf das Lernen gar nicht konzentrieren: Wir konnten uns nicht merken, welche Reihenfolge aus welchen Gründen zum richtigen Ergebnis geführt hat! Nachteil: Verständnisillusion: Schüler neigen zu oberflächlichem Studieren der Lösungsbeispiele, deshalb ist ein Herausarbeiten der tieferen Struktur erforderlich (Variabilität der Aufgaben, Wechsel zwischen Lösungsbeispiel – konventioneller Aufgabe).

  31. 3. Konsequenzen - Ausblick Professioneller Mathematikunterricht in der Grundschule hat m. E. folgende Voraussetzungen: • - Eine kooperative Lernkultur unter den Lehrern (Lesson Study), zwischen Universität und Schulen zur Unterstützung der Entwicklungsarbeit an den Schulen und zwischen Lehrern und Schülern (zusätzliche Förderung schon im Kindergarten, spätestens bei Schulbeginn: Rightstartprogramm) • Sorgfältig entwickelte Schulbücher mit verständlichen Erklärungen, weil dadurch den Lehrern Modelle verständlichen und fachlich korrekten Erklärens gegeben werden und mehr selbstständiges, eigenverantwortliches Lernen der Schüler möglich wird • Die Berücksichtigung individueller Voraussetzungen: Schüler werden mit ihren eigenen individuellen Erfahrungen und Theorien ernst genommen, Tests in formativem Sinne verwendet (Wiederholmöglichkeit von Tests, Tests als Mastery Tests, inhaltliche Kommentierung, Eingehen auf Fehlvorstellungen im nachfolgenden Unterricht) • Die Möglichkeiten und Grenzen unseres Gedächtnisses werden berücksichtigt (Arbeitsgedächtnis: Hilfen z. B. durch Lösungsbeispiele, Langzeitgedächtnis: Mehrfaches verteiltes Üben)

  32. ANHANG • Literatur • „Deliberate Practice“ und die Entwicklung von Expertenwissen • Zwei Beispiele für Spiele aus den „Number Worlds“

  33. LiteraturBlack, P., Wiliam, D.(1998): Assessment and Classroom Learning. In: Assessment in Education, Vol. 5, No.1, 7-74Butler, R. (1988): Enhancing and undermining intrinsic motivation: the effects of task-involving and ego-involving evaluation on interest and performance. British Journal of Educational Psychology, 58, 1-14 Ericsson; K. Anders (1996): The Acquisition of Expert Performance: An Introduction to Some of the Issues. In: Ericsson; K. Anders (ed.): The Road to Excellence. The Acquisition to Expert Performance in the Arts and Sciences, Sports and Games. Mahwah, New Jersey, S. 1 – 50. Fennema, E., Carpenter, T. P., Peterson, P. L., Chiang, C.-P., Loef, M. (1989): Using Knowledge of Children’s Mathematics Thinking in Classroom Teaching: An Experimental Study. American Educational Research Journal, Vol. 26, No. 4, 499-531 (CGI-Projekt). Fernandez, C., Yoshida, M. (2004): Lesson Study: A Japanese Approach to Improving Mathematics Teaching and Learning, Griffin, S.A. (2004): Building Number Sense with Number Worlds: a mathematics program for young children. Early Cildren Research Quaterly 19, S. 173 – 180. Griffin, Sharon A., Case, R., Siegler, Robert S. (1994) : Rightstart: Providing the Central Conceptual Prerequisites for First Formal Learning of Arithmetic to Students at Risk for School Failure. In: McGilly, K. (Ed.): Classroom lessons: integrating cognitive theory and classroom practice, 25-49 Griesel, H. & Postel, H. (Hrsg., 1984): Mathematik Heute. Orientierungsstufe Niedersachsen. Schroedel Hannover. Hannemann, Detlef (2004): Wege nach Rom. Praxishandbuch zur Individualisierung des Unterrichts in der Grundschule. Schneider Verlag Hohengehren. Ma, Liping (1999): Knowing and teaching elementary Mathematics. Mahwah, NJ. Martinez, J.G.R. & Martinez, N.C. (1992): Re-examining repeated testing and teacher effects in a remedial mathematics course. British Journal of Educational Psychology, Vol. 62, 356 – 363. Mayer, R. E., Sims, V. & Tajika, H. (1995): A Comparison of How Textbooks Teach Mathematical Problem Solving in Japan and the United States. American Educational Research Journal, Vol. 32, No. 2, 443-460. Paas, F.G.W.C. & Van Merrienboer, J.G. (1994): Variability of Worked Examples and Transfer of Geometrical Problem-Solving Skills: A Cognitive Load Approach. Journal of Educational Psychology, Vol. 86, No. 1, 122-133. Wellenreuther, M. (1994): Bruchrechnung 1. Grundlagen der Bruchrechnung. In: Zech, F. & Wellenreuther, M. (Hrsg.): „Stützpfeiler Mathematik“, Berlin.

  34. Expertenwissen und „deliberate practice“ Um in einem Bereich Experte zu werden, benötigt man in der Regel 10 Jahre intensives Training. Unter intensivem Training ist „deliberate practice“ gemeint. (Practice activities are deliberate efforts to improve, hence the term „deliberate practice”.) Solche Übungen zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: 1) Die Übungen bzw. Handlungen sind in hohem Maße relevant für den Erwerb des in Frage stehenden Expertenwissens und verlangen ein hohes Maß an Anstrengung. Solche Übungen sind nicht nebenbei z. B. im Rahmen von Unterhaltungsmusik zu erledigen, insofern ist nicht entscheidend, wie lange ein Musiker übt, sondern wie lange er im Sinne dieser „deliberate practice“ übt. Bei Schachmeistern gehört zu diesen Handlungen das Nachanalysieren von Meisterpartien, wobei jeweils die nächsten Züge vorhergesagt werden und mit den aktuell durchgeführten Zügen dann verglichen werden, um dadurch herauszubekommen, welche Überlegungen hinter den einzelnen Zügen standen.Wissenschaftler verbessern ihre Fähigkeiten, indem sie ihre Gedanken schriftlich darlegen und diese Darlegungen werden dann vielfach überarbeitet, neu gegliedert usw. 2) Diese einschlägigen Tätigkeiten werden häufig ausgeführt (Pro Tag etwa 4 Stunden deliberate practice). 3) Konzentration ist der wichtigste Aspekt dieses Übens: Entsprechend wird nach einer Stunde konzentrierten Übens eine Pause eingelegt, für konzentriertes Üben werden vor allem Morgenstunden verwendet, Mittagsschlaf wird gehalten, um sich danach wieder voll konzentrieren zu können. Meist wird bei einem solchen verteilten Üben pro Tag nicht länger als 4 Stunden geübt. Am Beginn der „Karriere“ wird meist erheblich weniger geübt, und dann werden die Übungszeiten langsam gesteigert. Ein Faktor, der häufiger in Zusammenhang mit der Entstehung von Expertenwissen auftaucht, ist Isolation. Menschen, die aufgrund von Umständen längere Zeit isoliert leben mussten oder die die Isolation für sich selbst wählten, haben dann häufig in einem Bereich Expertenwissen erworben. 4) Sie sind nicht von Natur aus angenehm, die Personen führen sie aus, um ihre Leistung bis zu den höchsten Niveaustufen zu verbessern. Der Wunsch nach Erfolg scheint die wichtigste Triebfeder des Handelns zu sein. Die Suche nach besonderen positiven Erfahrungen ist irrelevant. Vielmehr ist festzustellen, dass z. B. professionelle Musiker eher weniger Zeit für Freizeitmusizieren erübrigen als weniger professionelle Musiker.“One important variable differentiating students who dropped out, those who succeeded, and those who attained intermediate results of mastery was the level of support and involvement of their parents in their music training. Eventually the successful music students are probably able to internalize long-term professional goals and more intermediate goals, making improvements that occur during individual practice sessions meaningful and emotionally rewarding. Furthermore, music students establish new social networks with their and other music students that provide them with support and encouragement for further improvements.” (Ericsson 1996, 27)

  35. Weitere Spiele aus „Number World“, Vorschule: „Das Maus und Plätzchentresorspiel“ (Griffin 2004, S. 176) Jedes Kind bekommt eine bestimmte Anzahl von farbigen Chips, z. B. bekommt Kind A 5 blaue Chips, Kind B fünf gelbe Chips und Kind C 5 grüne Chips. Sie sollen annehmen, dass es sich bei den Chips um Plätzchen handelt. Zunächst zählt jedes Kind seine „Plätzchen“. Die Anzahl der Plätzchen sollen sie sich merken. Während die Kinder schlafen, kommt eine Maus und nascht ein oder zwei Plätzchen. Den Kindern wird dann die Frage gestellt, ob sie heraus bekommen können, wie viele Plätzchen die Maus genascht hat. Für die Kinder ist es einfach, die verbliebenen Plätzchen zu zählen, viel schwieriger ist es, den Vergleich vorzunehmen, um sagen zu können, ob die Maus ein oder zwei Plätzchen weggenommen hat.

  36. Das Drachensuchspiel – ein Spiel für die erste Klassenstufe (Griffin 2004, S. 177) Ein feuerspeiender Drachen terrorisiert das Leben in einem Dorf, in dem die Kinder leben. Die Kinder spielen Helden, die auserwählt wurden, den Drachen zu finden und sein Feuer zu löschen. Um sein Feuer zu löschen, benötigen sie mindestens 10 Eimer mit Wasser. Wenn der Held mit weniger als 10 Eimer Wasser in das Gebiet des Drachen eindringt, wird er vom Drachen gefangen genommen und in ein Gefängnis gesteckt. In diesem Fall kann er nur durch die Taten der Mitspieler befreit werden. Die Kinder würfeln und rücken mit ihrer Figur entsprechend viele Schritte voran. Wenn sie auf bestimmte Plätze gelangen, können sie eine Karte ziehen, auf der z. B. „+ 4“ für „4 Eimer Wasser“ steht. Die Kinder sollen nun jeweils ihre Eimer zusammenzählen, wobei sie dies auf verschiedene Weise tun kön-nen. Das erste Kind, das mindestens zehn Eimer zusammen hat, kann das Feu-er des Drachen löschen und Gefangene des Drachen befreien. Es muss allerdings seine Rechnung dem Bürgermeister des Dorfs begründen. Die Schwierigkeitsstufe kann erhöht werden, indem später noch Verschütt-karten hinzugefügt werden (- 4). Außerdem können zwischendurch Fragen gestellt werden wie „wieviele Eimer benötigst Du noch, um das Feuer des Drachen zu löschen?“ „Wieso?“

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