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Sprache und Geschlecht. Universität zu Köln Romanisches Seminar Hauptseminar: Die Romanischen Sprachen aus soziolinguistischer Perspektive Wintersemester 2010/2011 Dozent: Dr. Andreas Michel Referentinnen: Marina Deyanova, Tanja Pöthig. Sprache und Geschlecht. Inhalt
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Sprache und Geschlecht Universität zu Köln Romanisches Seminar Hauptseminar: Die Romanischen Sprachen aus soziolinguistischer Perspektive Wintersemester 2010/2011 Dozent: Dr. Andreas Michel Referentinnen: Marina Deyanova, Tanja Pöthig
Sprache und Geschlecht Inhalt 1. Entwicklungsgeschichte des Forschungsbereichs Sprache und Geschlecht 1.1 Ungleichheit der Geschlechter und die Sprache: Tradition 1.1.1 Aufklärung bis 20. Jahrhundert 1.1.2 ab 1970er Jahren 1.1.3 Perspektiven im 21. Jahrhundert 2. Sprache und Geschlecht in der spanischsprachigen Romania 2.1 Vielschichtigkeit der Thematik 2.2 Deskriptive Untersuchungen der Gesprächsverhalten von Frauen und Männern 2.3 Fallbeispiel
1. Entwicklungsgeschichte des Forschungsbereichs Sprache und Geschlecht damals und heute: Geschlecht einer Person ist mit unterschiedlicher Bewertung verbunden. → Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz, wie in demokratischen Gesellschaften in den Grundgesetzen festgelegt.
1. Entwicklungsgeschichte des Forschungsbereichs Sprache und Geschlecht Einige Fakten: • hoch industrialisierte Staaten (USA/BRD): Lohngefälle • BRD 1960: Frauen, die Beruf nachgehen wollten, mussten Ehemann um Erlaubnis fragen • Frauen sind überwiegend für die Kinderbetreuung verantwortlich → keine volle Erwerbstätigkeit möglich, Sozialhilfe (Statistisches Bundesamt 2003) • keine höheren Leitungspositionen in Wirtschaft/Politik (Bericht der Bundesregierung 2002) • (Dtl.) mehr Frauen leben unterhalb der Armutsgrenze (Statistisches Bundesamt 2003)
1. Entwicklungsgeschichte des Forschungsbereichs Sprache und Geschlecht • weltweit höhere Zahl von Infantiziden und Abtreibungen von Mädchen • weit weniger Mädchen gehen zur Schule, lernen lesen und schreiben • 1998 Who is who in America: berühmte Persönlichkeiten in Wirtschaft, Politik, Künsten und Wissenschaft 93% Männer
1.1 Ungleichheit der Geschlechter und die Sprache: Traditionen 1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert natürliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern: begründet im unterschiedlichen Wesen der Geschlechter → Frauen und Mädchen wurden bestimmte Fähigkeiten und Neigungen zugeschrieben. → Wesens- und Aufgabenbestimmung für das weibliche Geschlecht → Intellektuelle Betätigung von Frauen galten als widernatürlich
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert Jean Jacques Rousseau (1712 – 1778) die Würde der Frau ist, „[...] nicht gekannt zu sein; ihre Ehre ist die Achtung ihres Mannes, ihre Freuden liegen im Glück ihrer Familie [...]“ (Rousseau zitiert nach Hof 1995, S. 5). Quelle: Internet
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert Max Planck (1858 - 1947) Man kann „[...]nicht stark genug betonen, daß die Natur selbst der Frau ihren Beruf als Mutter und Hausfrau vorgeschrieben hat und dass Naturgesetze unter keinen Umständen ohne schwere Schädigungen, welche sich im vorliegenden Falle besonders an dem nachwachsenden Geschlecht zeigen würden, Quelle: Internet ignoriert werden können“ (Planck, zit. nach Kirchhoff 1897, S. 257f).
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert geringschätzige und vorurteilsvolle Bewertung des weiblichen Geschlechts insgesamt, so wie der Sprachfähigkeit von Frauen und Mädchen.
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert Jespersen (1860 – 1943): Sprache der Frauen • Mittelmäßigkeit • primitivere Syntax • inhaltsarme Sprache • unvollständige Gedankenführung • aber: Äußerungen schneller Quelle: Internet und wortreicher (Jespersen 1925, S.231ff)
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert Nicht nur Unterschiede in der Sprechweise sondern auch im sprachlichen System selbst: drei Genera entstanden nach Jacob Grimm (1785 – 1863) Quelle: Internet
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert Genera entstanden durch: „[...]eine in der phantasie der menschlichen sprache entsprungene ausdehnung des natürlichen auf alle und jede gegenstände.“(Grimm 1831, S. 346) sie haben die folgenden Eigenschaften: „Das masculinum scheint das frühere, größere, festere, sprödere, raschere, das thätige, bewegliche, zeugende; das femininum das spätere, kleinere, weichere, stillere, das leidende, empfangende; das neutrum das erzeugte, gewirkte, stoffartige, generelle, unentwickelte, collective, das stumpfere, leblose.“(Grimm 1831, S. 357)
1.1.1 Aufklärung (1720- 1785) bis ins 20. Jahrhundert Quelle: Internet
1.1.2 Ab 1970er Jahren Gleichheitschancen der Geschlechter nachhaltig eingefordert → mit den Geschlechtern assoziierten intellektuellen und sprachlichen Unterschiede und deren Niederschlag in Elementen des sprachlichen Systems wurden zum Thema
1.1.2 Ab 1970er Jahren • Geschlechterbezogene Sprachforschung • Frauen- und Geschlechterforschung • Feministische Wissenschaftskritik
1.1.2 Ab 1970er Jahren Infragestellen der universellen Vernunftideale der Aufklärung Grundannahme: Wissenschaft ist durch und durch männlich geprägt Arrangement der Geschlechter ist keine Naturtatsache, sondern Ergebnis sozialer, historisch gewordener Verhältnisse Untersuchung der Wirkung des Sozialen auf das Geschlecht und Sprache Ende 1960 erstmals Unterscheidung in biologisches und soziales Geschlecht (sex und gender) durch den Psychoanalytiker Robert Stoller (1925 – 1991)
1.2.3 Perspektiven im 21. Jahrhundert Neue Aufgaben der Geschlechterforschung: • sich der Ergebnisse und Irrtümer der bisherigen Forschung bewusst bleiben • Standort des Forschungsfeldes im Kontext zukünftiger Modernisierungs- und Globalisierungsprozesse ausmachen.
1.2.3 Perspektiven im 21. Jahrhundert Herausbildung des Gender-mainstreaming-Konzepts: Konzept, „[...]das von der Anerkennung der männlichen und der weiblichen Identität [...]ausgehen muß“.(Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1996, S. 5) „Die Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen, den Situationen und Bedürfnissen von Frauen und Männern systematisch auf allen Politik- und Aktionsfeldern der Gemeinschaft zu berücksichtigen, das ist die Ausrichtung des Mainstreaming-Grundsatzes. Es geht dabei [...] darum, [...] auf allen Gebieten dem Bedürfnis nach Entwicklung ausgewogener Beziehungen zwischen Frauen und Männern Eingang zu verschaffen.“(Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1996, S. 6)
1.2.3 Perspektiven im 21. Jahrhundert Aufgabe der zukünftigen Forschung: • Diagnose Unausgewogenheiten zwischen den Geschlechtern + mögliche Entstehungsursachen • Diagnose Unausgewogenheit der Kommunikationsverhältnisse zwischen den Geschlechtern • neue Ethikmodelle als Richtschnur für die Zukunft • Bildungschancengleichheit
Literatur Klann-Delius, Gisela (2005): Sprache und Geschlecht. Eine Einführung, Stuttgart: Metzler. Zitate Grimm, Jakob (1831): Deutsche Grammatik. Dritter Teil. Göttingen. Hof, Renate (1995): „Die Entwicklung der Gender Studies“, in: Bußmann, Hadumod/ Hof, Renate (Hrsg.), Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenchaften, Stuttgart: Kröner, 2-33. Jespersen, Otto (1925): Die Sprache. Ihre Natur, Entwicklung und Entstehung. Heidelberg.
Literatur Kirchhoff, Arthur (Hrsg.). (1897): Die Akademische Frau. Gutachten hervorragender Universitätsprofessoren, Frauenlehrer und Schriftsteller über die Befähigung der Frau zum wissenschaftlichen Studium und Berufe. Berlin: Steinitz. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1996): Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politischen Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft. Mitteilung der Kommission. 21.2.1996. Brüssel.
Literatur Bilder http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau, 7.1.2011 http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Planck, 7.1.2011 http://www.sinn-frei.com/frauenfeindliche-werbung-aus-dem-20-jahrhundert_7197.htm, 10.1.2011 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/302975/Otto-Jespersen, 7.1.2011 http://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Grimm, 7.1.2011
2. Sprache und Geschlecht in der spanischsprachigen Romania 2.1. Vielschichtigkeit der Thematik • Sozialverhalten der Geschlechter im Gespräch. Benachteiligung der Frauen • Soziolinguistisch: Sprachkontaktforschung. Diglossie und Bilinguismus • Dialektologie: Sprachgeographie. Konservativität vs. Innovativität • Neurologie: physiologisch bedingte geschlechtspezifische Unterschiede in der Sprache. Sozialer Kontext ausgeschlossen.
2.2. Deskriptive Untersuchungen der Gesprächsverhalten von Frauen und Männern • Kommunikations-verhalten spanischer Frauen in realen Gesprächssituationen: bisher weitgehend terra incognita.
Blitzumfrage unter spanischen und mexikanischen Studierenden:„Was ist typisch weibliches und männliches Sprachverhalten?“, „Welche Unterschiede gibt es in der Sprache von Frauen und Männern?” Ergebnisse: • Wichtiges Merkmal weiblicher Sprache: recato – Zurückhaltung; Vermeidung vulgärer Ausdrücke, Schimpfwörter, gotteslästerlicher Flüche. Bescheidenheit ist nicht nur wünschenswert, sondern auch „typisch“. • Im Laufe der Diskussion: recato – Stereotyp, Klischee. • Weitere Klischees: Geschwätzigkeit und Klatschsucht der Frau. Bevorzugung subjektiver und affektiver Sprechweisen: Gebrauch von Diminutiven und qualifizierenden Adjektiven.
In der Forschung bisher: • Schwächeposition, interaktive Benachteiligung von Frauen in gemischtgeschlechtlicher Kommunikation. MännlicheDominanz vs. Majorisierung, MarginalisierungweiblicherGesprächspartner. • Trömel - Plötz 1984; Kähler 1991; Frank 1992, Grässel 1994;
Kähler:“Geschlechtsspezifische Sprechweisen in spanischen Fernsehdiskussionen“ In Medien-Diskussionen bestehen von vornherein asymmetrische Rahmenbedingungen für Frauen und Männer: • Frauen - meist in der Minderheit. • Das männliche Gesprächsverhalten ist als öffentlicher “Normal”-Stil etabliert. Männer - werden anders wahrgenommen. • Moderatorinnen behandeln Frauen und Männer unterschiedlich. Frauen erhalten weniger Anerkennung. Männer werden als „Experten“ eingeführt. Frauen werden als „Betroffene“ oder „Laien“ behandelt. • Themenbereiche: Medizin, Naturwissenschaften, Technik, Politik, Recht. • Frauen werden ausgegrenzt durch speziell als „Frauensendungen“ etikettierte Programme. „Expertinnen“.
2.3. Fallbeispiel: Starke Frauen! Interaktionsmuster und Gesprächsstrategien in spanischen Cross-gender-Diskussionen, Bierbach 1997 • Fallbeispiel: Diskussionsrunde zw. männlichen und weiblichen Mitgliedern einer Stadtteilgruppe in einem Arbeitsviertel in Barcelona. • Die Fallstudie widerspricht den Stereotypen und den häufigsten Ergebnissen linguistischer Forschung zu weiblichem Kommunikationsverhalten.
2.3.1. Parameter - Indikatoren für Dominanz, Unterlegenheit in der Kommunikation: • Redebeteiligung (Anzahl und Länge der Redebeiträge, turns) • Aspekte der Gesprächsorganisation (Sprecherwechsel) • Unterbrechungen und ihre interaktive Behandlung • Verfahren der Abschwächung, Indizierung von Unbestimmtheit, Unsicherheit, wie z.B. hedges, tag questions u.a. • Vs. Verfahren, Strategien der Durchsetzung und Gestaltung von (längeren) Redebeiträgen (Gesprächskontrolle)
2.3.2. Konklusion • Verschiedene strukturelle Bedingungen und soziale Faktoren begünstigen die weibliche Beteiligung, Dominanz in dem analysierten Gespräch. • Die Beobachtungen in der Studie – in keiner Weise repräsentativ – trotzdem signifikant. • Weitere Faktoren sind relevant. • Breitere Untersuchungen nötig, um differenzierte und zuverlässige Aussagen über geschlechtsspezifisches Sprachverhalten in Spanien machen zu können.
Literatur • Bierbach, Christine (1997): Starke Frauen! Interaktionsmuster und Gesprächsstrategien in spanischen Cross-gender-Diskussionen, in Dahmen,Wolfgang/Holtus, Günter/Kramer, Johannes: Sprache und Geschlecht in der Romania, Gunter Narr Verlag, Tübingen. • Bierbach, Christine (1997b): Is Spain different? Observations on male-female communicative styles in a Spanish group discussion, in Kotthoff, Helga/Wodak, Ruth: Communicating Gender in Context, John Benjamins Publishing Company, Amsterdam/Philadelphia. • Kähler, Gisela (1997): Geschlechtsspezifische Sprechweisen in spanischen Fernsehdiskussionen, in Dahmen,Wolfgang/Holtus, Günter/Kramer, Johannes: Sprache und Geschlecht in der Romania, Gunter Narr Verlag, Tübingen. • Kowallik, Sabine (1997): Zur Erfassung geschlechtsspezifischer Charakteristika der spanischen Sprache, in Dahmen,Wolfgang/Holtus, Günter/Kramer, Johannes: Sprache und Geschlecht in der Romania, Gunter Narr Verlag, Tübingen.