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Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. Prof. Dr. Markus Jäger Richter am Bundesgerichtshof. Steuerstrafrecht Prof. Dr. Markus Jäger. Die strafbefreiende Selbstanzeige ist derzeit eines der wichtigsten Themen im Wirtschaftsstrafrecht. Steuerstrafrecht Prof. Dr. Markus Jäger.
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Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung Prof. Dr. Markus Jäger Richter am Bundesgerichtshof
SteuerstrafrechtProf. Dr. Markus Jäger Die strafbefreiende Selbstanzeige ist derzeit eines der wichtigsten Themen im Wirtschaftsstrafrecht
SteuerstrafrechtProf. Dr. Markus Jäger Diskutiert werden vor allem folgende Fragen: • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: „Kehrtwende“ oder Fortentwicklung? • Umfang der Fortgeltung der Rechtsprechung nach der Gesetzesänderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz • Behandlung von besonderen Fallkonstellationen
Der persönliche Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige • § 371 Abs. 1 AO: Notwendiger Inhalt und Rechtsfolge einer Selbstanzeige • § 371 Abs. 2 AO: Kein Vorliegen von Sperrgründen • § 371 Abs. 3 AO: Nachzahlung hinterzogener Steuern
Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes am 3. Mai 2011 • § 371 Abs. 1 AO: Notwendiger Inhalt und Rechtsfolge einer Selbstanzeige • Erfordernis der Richtigstellung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben • Rechtsfolge: Nachträgliche Aufhebung der Strafbarkeit (Strafaufhebungsgrund) • „Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei.“
Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes am 3. Mai 2011 § 371 Abs. 2 AO: Kein Vorliegen von Sperrgründen: • Nr. 1 Buchst. a:Erscheinen eines Amtsträgers zur Prüfung • Nr. 1 Buchst. b:Bekanntgabe einer Verfahrenseinleitung • Nr. 2:Tatentdeckung (zumindest zum Teil) und „Rechnen-Müssen“ mit der Tatentdeckung
Die Selbstanzeige in der bisherigen Praxis der Finanzbehörden • „Wirksamkeitsfreundliche“ Behandlung von Selbstanzeigen durch die Finanzverwaltung • „Fiskalische Sichtweise“ • Anerkennung von Teilselbstanzeigen • Restriktive Auslegung von Sperrgründen
Die Selbstanzeige in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs • Nur wenige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Selbstanzeige vorhanden • Grundsatzentscheidungen: • BGH, Beschluss vom 5. April 2000 – 5 StR 226/99 • BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09
Die Selbstanzeige in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09: Voraussetzung einer Strafbefreiung: • Erschließung verborgener Steuerquellen und • Rückkehr des Hinterziehers zur Steuerehrlichkeit • Unwirksamkeit einer Teilberichtigung (Teilselbstanzeige) • Unwirksamkeit einer „gestuften“ Selbstanzeige • Tatentdeckung bereits, wenn nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahe liegt
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Inhalt von Selbstanzeigen (§ 371 Abs. 1 AO): • Erfordernis der Vollständigkeit der Selbstanzeige Bezugspunkt ist die Tat im materiellen Sinn (unveränderter Tatbegriff!) Ausschluss von Teilselbstanzeigen • Selbstanzeige für alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart erforderlich Erfordernis „gebündelter Selbstanzeigen“ - Selbstanzeigeverbund
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Inhalt von Selbstanzeigen (§ 371 Abs. 1 AO): • Altfälle (= Selbstanzeige vor dem 28. April 2011): Rückwirkende Anerkennung von Teilselbstanzeigen für die Vergangenheit (Art. 97 § 24 EGAO)
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Inhalt von Selbstanzeigen (§ 371 Abs. 1 AO): • Geringfügigkeitsgrenze für Abweichungen bei der Selbstanzeige BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10: Geringfügige Differenzen sind unschädlich 1. Relative Geringfügigkeitsgrenze: Abweichung mit einer Auswirkung von fünf Prozent Bsp.: Bei Verkürzung von 100.000 muss Verkürzung von mindestens 95.000 aufgedeckt werden. 2. Gesamtwürdigung der Umstände bei Abgabe der Selbstanzeige Bewusst vorgenommene Abweichungen sind in der Regel nicht geringfügig
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Erweiterung der Sperrgründe (§ 371 Abs. 2 AO): • Schaffung steuerartbezogener tatübergreifender Sperrgründe (alle Sperrgründe gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AO) • Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung als neuer Sperrgrund (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO) • Hinterziehung von mehr als 50.000 € als neuer Sperrgrund (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO)
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Der Sperrgrund der Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) in seiner neuen Form: • Sperrwirkung für alle Taten derselben Steuerart • Im Übrigen: Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung zur Tatentdeckung • Keine wirksame Selbstanzeige nach einer Teilselbstanzeige • Kein „Wiederaufleben“ der Selbstanzeigemöglichkeit nach Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Der neue Sperrgrund der Hinterziehung von mehr als 50.000 € (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO) • Anknüpfungspunkt ist die einzelne Tat gemäß § 370 AO • Keine Sperrwirkung für andere Taten • Unter den Voraussetzungen des neuen § 398a AO: Absehen von der Verfolgung der Tat
Die neue Rechtslage: Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Absehen von der Verfolgung in besonderen Fällen gemäß § 398a AO • Komplementärvorschrift zum Sperrgrund der Hinterziehung in großem Ausmaß (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO) • Tatbestandsvoraussetzungen: • Entrichtung der hinterzogenen Steuern und • Zahlung eines weiteren Betrages von 5 Prozent der hinterzogenen Steuern an die Staatskasse • Rechtsfolge: • Absehen von der Verfolgung • Kein Strafklageverbrauch • Fortsetzung der Strafverfolgung aufgrund neuer Erkenntnisse möglich
Weitere (ausgewählte) Fragen zur neuen Rechtslage • Anwendbares Recht in sog. Altfällen • Maßgeblich ist der Eingang der Selbstanzeige (Rückwirkungsverbot) • Der Tatzeitpunkt ist unerheblich (§ 2 Abs. 3 StGB greift nicht ein) • Keine ungeschriebene Sonderregeln für undolose Teilselbstanzeigen • Bereits bei Tatbegehung nicht vom Vorsatz erfasste Unrichtigkeiten werden vom Vollständigkeitserfordernis des § 371 Abs. 1 AO nicht erfasst. Für sie gelten die Vorschriften der §§ 378 und 153 AO.