340 likes | 493 Views
Neunt-Sitz_Basiswissen - 1. Programm heute Hinweise zu den Kurz-Hausarbeiten Linguistische Analyse literarischer Texte: Kurz-Wiederholung Sprachwissenschaftliche Probleme, Theorien und Positionen. Linguistische Analyse literarischer Texte - 2. Bertolt Brecht: Wir sind sie
E N D
Neunt-Sitz_Basiswissen - 1 • Programm heute • Hinweise zu den Kurz-Hausarbeiten • Linguistische Analyse literarischer Texte: Kurz-Wiederholung • Sprachwissenschaftliche Probleme, Theorien und Positionen
Linguistische Analyse literarischer Texte - 2 Bertolt Brecht: Wir sind sie Wer aber ist die Partei? Sitzt sie in einem Haus mit Telefonen? Sind ihre Gedanken geheim, ihre Entschlüsse unbekannt? Wer ist sie? Wir sind sie. Du und ich und ihr – wir alle. In deinem Anzug steckt sie, Genosse, und denkt in deinem Kopf. Wo ich wohne, ist ihr Haus, und wo du angegriffen wirst, da kämpft sie.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 3 Zeige uns den Weg, den wir gehen sollen und wir Werden ihn gehen wie du, aber Gehe nicht ohne uns den richtigen Weg Ohne uns ist er Der falscheste Trenne dich nicht von uns! Wir können irren, und du kannst recht haben, also Trenne dich nicht von uns. Dass der kurze Weg besser ist als der lange, das leugnet keiner Aber wenn ihn einer weiss Und vermag ihn uns nicht zu zeigen, was nützt uns seine Weisheit? Sei bei uns weise! Trenne dich nicht von uns!
Linguistische Analyse literarischer Texte - 4 • Analyse laut: Roman Jakobson: "Der grammatische Bau des Gedichts von B. Brecht ›Wir sind sie‹", In: R.J.: Selected writings. • Bd. III, S. 660-676. • Gedicht stammt aus der „Maßnahme“ (1926): Gestaltung des Gegensatzes Individuum - Kollektiv, ‚Vermittlung‘ des Führungsanspruches der Partei • Dieser Führungsanspruch wird von Brecht dialektisch-doppeldeutig gestaltet über die Form
Linguistische Analyse literarischer Texte - 5 • Form heißt in diesem Fall Grammatik • Grammatisch organisiertes und grammatisch analysierbares Gedicht • Organisation über die Verwendung grammatischer Kategorien, also insbes. Pronomina (61 von 124 Wörtern) • Funktionswörter (27) (insges. 71 %); dazu die meisten Nomina unbelebt.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 6 • Weiterhin auffällig Verteilung grammatischer und syntaktischer Strukturen über die fünf Gedichtstrophen: • Generelle Tendenz: Zunahme von Merkmalhaftigkeit: also von • Modi, Kasus, Numerus und Negation. • D.h. das Gedicht vom Einfachen zum Komplexen, von der einfachen Fragestellung zur Komplizierung.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 7 • Gliederung des Gedichts in zwei Strophenblöcke I/II und III/V • Mittelzeile: 11: „Gehe nicht ohne uns den richtigen Weg!“ • Beispiel für die Zunahme von Merkmalhaftigkeit: • Zunahme von Kasus: Vorherrschen von Nominativen in I und II, von obliquen Kasus ab III.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 8 Grammatisch-syntaktische Strukturmerkmale: 1. Vorherrschen Pronomen „sie“ in I und II, Überwechseln zum „Wir“ in III, schließlich „Du“ und ‚einer‘ 2. Fragesätze in I, (Frage in V rhet. Frage!) Aussagesätze (Indikativ) in II, Aussagesätze und Imperativsätze in III-V. 3. Parallelismen, Wiederholungen (bis zu Assonanzen) im ersten Strophenblock, dynamische Rhythmen und Enjambements im zweiten Strophenblock.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 9 • Deutung der grammatisch-syntaktische Strukturmerkmale: • Wahrheitsanspruch der Partei beschränkt sich auf formale Strukturen („Trenne dich nicht von uns“) und ist nicht inhaltlich und damit nicht essentiell abgesichert • = implizite, nicht ausgesprochene Kritik am Führungsanspruch der Partei
Sprachwissenschaftliche Positionen - 10 Teilkapitel Sprachwissenschaftliche Probleme, Theorien und Positionen
Sprachwissenschaftliche Positionen - 11 • Sprachwissenschaft (SW) eher erklärende als verstehende Disziplin • SW untersucht den Aufbau und die Funktionsweise von Sprache: die Verbindung von Lauten und Bedeutungen • SW untersucht Baulemente der Sprache: phonologische Merkmale (Repertoire) und syntaktische Kategorien (Anordnungsprinzipien)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 12 • „ [...] die erstaunliche Erfindung, aus fünfundzwanzig oder dreißig Lauten eine unendliche Vielfalt von Wörtern zu bilden.“ (Grammatik von Port-Royal 1660) • SW kann sich auf einzelne Sprachen (Nationalsprachen) oder allgemein auf die Sprache beziehen • SW untersucht das Kommunikationssystem der Gesellschaft
Sprachwissenschaftliche Positionen - 13 • SW in den 70er Jahren („linguistic turn“) Leitwissenschaft der Geisteswissenschaften: Leitpositionen Soziolinguistik (Bernstein) und Sprechakttheorie (Searle und Austin) • Leitpositionen heute Computerlinguistik und Neurolinguistik • ansonsten Ablösung des „linguistic turn“ durch „pictorial turn“ (Leitwissenschaft Medienwissenschaften)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 14 Sprachwissenschaftliche Positionen 1. Traditionelle Grammatik-Auffassung, Historisch- vergleichende Sprachwissenschaft 2. Strukturalismus 3. Generative Transformationsgrammatik von N. Chomsky 4. Sprachanalytische Philosophie - Pragmatik - Sprechakttheorie 5. Psycholinguistik
Sprachwissenschaftliche Positionen - 15 Vorläufer des Strukturalismus Zeichenmodell von F. de Saussure („Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft“, Erstdruck 1917) als Begründung moderner Linguistik
Sprachwissenschaftliche Positionen - 16 Zeichenmodell von F. de Saussure Zeichen ist die Einheit von Lautgestalt und Begriff, /baum:/ und „Baum“, signifiant und signifié Zeichen ist eine psychische Gegebenheit. Die Verbindung von Lautgestalt und Begriff ist arbiträr. /baum:/ Signifikant bedeu-tet „Baum“ Signifikat
Sprachwissenschaftliche Positionen - 17 • Organonmodell von K. Bühler als Wegbereiter der Pragmatik • Zeichen im kommunikativen Kontext • Zeichen dreigliedrig Zeichen Gegenstände und Sachverhalte:Darstellung Ausdruck:Sender Appell: Empfänger
Sprachwissenschaftliche Positionen - 18 • Strukturalismus • Grundtätigkeit Analyse: Segmentierung von Lautfolgen und Klassifikation in sog. Taxonomien. • Verfahren: binäre Oppositionsbildung. • Ziel: Funktionsanalyse der sprachlichen Bedeutungsgenerierung.
Sprachwissenschaftliche Positionen - 19 • Beispiel Funktionsanalyse der sprachlichen Bedeutungsgenerierung: • Unterscheidung zwischen Relevanz und Redundanz. • Relevant für Pluralbildung im Deutschen z.B. • -er-Suffix: Kind-Kinder. • Redundant begleitender Umlaut in Buch-Bücher.
Sprachwissenschaftliche Positionen - 20 Funktionsbestimmung von Sprache durch Roman Jakobson Komplexe Sprachfunktion: poetische Funktion („Horrible Harry“): Poetische Funktion = Projektion des paradigmatischen Prinzips der Ähnlichkeit auf die syntagmatische Achse der Kombination
Sprachwissenschaftliche Positionen - 21 • Kompetenzbegriff von Noam Chomsky • Begründer der generativen Transformationsgrammatik • Kompetenz: im Spracherwerbsprozess erworbenes bzw. angeborenes unbewusstes Wissen • = mental repräsentierte Regeln und Prinzipien zur Sprachproduktion (‚Generierung‘) • wird aktualisiert durch Performanz • Analog zu „langue“ (Sprachsystem) und „parole“ (akuter Sprachgebrauch)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 22 • Vier Dimensionen Kompetenz • 1. Fähigkeit zum Sprachverständnis • 2. Fähigkeit zur Regelanwendung • 3. Fähigkeit zur Entdeckung semantischer Ambiguität: • „Der Mann überrascht den Liebhaber im Schlafanzug.“ • „Der Vater lässt die Kinder für sich sorgen.“ • 4. Fähigkeit zur Metakognition (effektive Art Sprachverständnis, Bereitschaft zur Verbesserung etc.)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 23 Annahme Tiefen- vs. Oberflächenstruktur Sprache Aus Tiefenstrukturen ist über (semantische und phonologische) Transformationskomponenten die Oberflächenstruktur generierbar.
Sprachwissenschaftliche Positionen - 24 Pragmatik: 1. Stufe: Philosophie bzw. Logik 1. Sprachanalytische Philosophie: Kritik der Alltagssprache als Begründung sprachbereinigter Erkenntnis bei Frege 2. Sprachphilosophie des späten Wittgenstein als ‚Logik des Gebrauchs‘ 2. Stufe: Pragmatik in der Linguistik 3. Stufe: Sprechakttheorie
Sprachwissenschaftliche Positionen - 25 • Sprachanalytische Philosophie • Begründer Gottlieb Frege (1848-1925) • untersucht formale Strukturen von Theorien und begründet eigene Begriffsprache („Begriffsschrift“). • Z.B. Ersetzung von „Subjekt“ und „Prädikat“ durch „Argument“ und „Funktion“ • (=Umgehung von Erkenntnisirrtümern, die durch die Alltagssprache herrühren)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 26 Gegenposition Wittgenstein: Alltagssprache als Prüfstein für Wahrheitsansprüche. Z.B. Definition von sprachlicher Bedeutung durch deren Gleichsetzung mit Gebrauch.
Sprachwissenschaftliche Positionen - 27 • Pragmatik in der Linguistik • Erstellen der Regeln des kommunikativen Umgangs • Untersuchung der Intentionen von Sprachhandlungen • Überschreiten der Systemlinguistik in Richtung Kommunikations- und Handlungstheorie. • Systemlinguistik untersucht Strukturen, Pragmatik Äußerungen in Kontexten
Sprachwissenschaftliche Positionen - 28 • Pragmatik in der Linguistik: Beispiel Situationsanalyse Sprechen/ Schreiben: • Mündliche vs. schriftlichen Kommunikation • monologisch vs. dialogisch • Face-to-face-Kommunikation vs. medial vermittelte Kommunikation • Private vs. öffentliche Kommunikation • Symmetrische vs. komplementäre Kommunikation • Bs. Konversation am Mittagstisch: mündlich...
Sprachwissenschaftliche Positionen - 29 Problemstellungen Pragmatik: Präsuppositionen Diskrepanz zwischen sprachlich Formuliertem und mitgeteilter Information. Differenz zwischen Sinn der Äußerung, ihrer sozialen Bedeutung bzw. ihrer kommunikative Funktion. Beispiel: „Es zieht!“ = ) Konsequenz: Konversationsmaximen nach Grice
Sprachwissenschaftliche Positionen - 30 Sprechakttheorie Austin: „How to do things with words“: Unterscheidung zwischen konstativen (Feststellungen) und performativen („taufen, kündigen, danken“) Verben
Sprachwissenschaftliche Positionen - 31 Ausdifferenzierung Sprechakt: Äußerung: Laut und Lautbedeutung Proposition: Aussage über Welt ihrer Illokution: Hinwendung zu Kommunikationspartner mit Intention Informieren, Grüßen, Warnen, Drohen Perlokution: Jemandem beeinflussen: Lob, Einschüchterung etc. Lokution
Sprachwissenschaftliche Positionen - 32 Konversationsmaximen nach Grice Maxime der Quantität: Sag so viel wie nötig, und sage nicht zu viel. Beispiel: „Telefonnummer von X?“ - „Irgendwas mit „052“ am Anfang.“ „Wie geht es Ihnen?“ - Langer ausführlicher 15‘ Bericht.
Sprachwissenschaftliche Positionen - 33 Maxime der Qualität: Sag nichts, was du nicht für wahr hältst, oder mache den Grad der Wahrscheinlichkeit deutlich. Beispiel: Ironie-Missbrauch, z.B. bei Radiolärm im Zimmer: „Ich würde das Radio noch lauter stellen.“
Sprachwissenschaftliche Positionen - 34 Maxime der Relation: Sei relevant. Beispiel: Maxime der Modalität: Sage deine Sache in angemessener Art und Weise und so klar wie nötig. Beispiel: Realisierung von Höflichkeit, z.B. Urteil über dilettantische Bilder des malenden Kommilitonen: „Sie sind sehr farbenfroh.“