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1. “Dorferneuerung“ - eine begriffliche Erläuterung 2. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel

Dorfentwicklung – Konzepte und Erfahrungen aus der deutschen Praxis Dr. Ralf Nolten Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn. 1. “Dorferneuerung“ - eine begriffliche Erläuterung 2. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel

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1. “Dorferneuerung“ - eine begriffliche Erläuterung 2. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel

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  1. Dorfentwicklung – Konzepte und Erfahrungen aus der deutschen PraxisDr. Ralf NoltenInstitut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomikder Universität Bonn 1. “Dorferneuerung“ - eine begriffliche Erläuterung 2. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel 3. Dorferneuerung - ein Instrument der ländlichen Entwicklung 4. Dorferneuerung - ein bürgernahes Planungsverfahren? 5. Fazit

  2. „Dorf“ - was ist das? Einzelhof Weiler Dorf Stadt Mögliche Abgrenzungskriterien: - Zahl der Wohneinheiten, Zahl der Einwohner - infrastrukturelle Ausstattung - Lage im Raum Probleme: - historisches Stadtrecht kleiner Siedlungen - Eingemeindung ändert / verschleiert funktionale Beziehung - keine raumplanerische Einheit - Begriff individuell belegt und imagebehaftet

  3. Lebensort „Dorf“ Verfügbarer Wohnraum Technische Infrastruktur Individueller Charakter Individuelle Ent- faltungsmöglichkeit Ansprüche an das „Dorf“ Arbeitsplätze Gemeinschafts- erleben Minimum an Wirtschaftsstruktur Hoher Erholungswert Freiheit von Umweltbelastungen Soziale Infrastruktur

  4. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel - I Wanderungsgewinne durch junge Familien und Arbeitsplatzwanderung führen zu Bevölkerungswachstum in ländlichen Räumen seit 20 Jahren Positiver Wanderungstrend wird zulasten der Großstädte anhalten Die Erwerbsstrukturen sind regional und lokal sehr unterschiedlich; die Wirtschaftsstruktur ist nicht auf regionale Märkte ausgerichtet Der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten schwankt sehr stark; Die Tertiärisierung ist sehr weit fortgeschritten. Viele Erwerbstätige sind Pendler; Zielorte liegen meist im Umfeld; nur wenige Prozent sind Fernpendler Das Regionalbewußtsein und die regionalen Sozialbeziehungen gewinnen zunehmend an Bedeutung Die Lebensstile auf dem Lande weisen die gleiche Breite auf wie in den Städten; trad. Wertorientierungen haben ein etwas höheres Gewicht

  5. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel - II Die allgemeine Kenntnis der Dorfbewohner untereinander weicht einem stärkeren gruppen-/ausschnittsbezogenen Kennen Die sozialen Beziehungen im Ort sind individuell und in Abhängigkeit von der Lebensphasesehr unterschiedlich Dörfliches Leben wird zur unverbindlichen Freizeitgestaltung Vereine fördern dauerhafte Kommunikationsstrukturen über demographische Strukturen hinweg Vereinsstruktur differenziert sich mit individuellen Freizeitansprüchen Kindergarten- und Schulkindereffekt haben einen starken Einfluß auf die Ausbildung der Kommunikationsstrukturen Informelle Gruppierungen gewinnen an Bedeutung

  6. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel - III Auch Alte haben Wünsche nach Lebensveränderung jenseits traditionell dörflicher Orientierungen: Rückzug, Abbau der Kräfte, Anspruchslosigkeit u. Genügsamkeit Bisher wurden kaum neue soziale Räume für das Altern geschaffen; hierauf wird z.T. mit dem Rückzug ins Private reagiert Die regionale Orientierung bietet Jugendlichen im ökonomischen und sozialen Bereich einen Rückhalt Im Westen fehlt es an kulturellen Gestaltungsmöglichkeiten,im Osten beginnen Regionalentwicklung und die Freisetzung der Jugendkultur erst Nachbarschaftsbeziehungensind nicht mehr normativ oder funktional begründet, sondern beruhen auf Wahlentscheidungen Je größer das Dorf, desto höher der Anteil derer ohne Kontaktperson zur dörflichen Kommunikation

  7. Was heißt „Erneuerung? Wiederaufbau zerstörter Orte? Renovierung v. Bau- substanz u. Straßen? Zuweisung neuer Funktionen? Weiterentwicklung zur Funktionserfüllung?

  8. Instrumente der Dorfentwicklung Dorfwettbewerb Dorferneuerung Städtebauliche Entwicklungs- maßnahme Kommunales In- vestitionsprogramm Straßenbau- programm Staatliche (Förder-)programme zur Dorfentwicklung Landschaftsplanung GAK Verbesserung regionale Wirtschafts- struktur Ländliche Wasser- /Wegebau Flurbereinigung LEADER + AEP Denkmalschutz

  9. Die Entstehung der Dorferneuerung in Deutschland 1820 Landesverschönerungsbewegung in Bayern 1975 Bundesraumordnungsprogramm 1976 § 37 FlurbG erkennt „Dorferneuerung“ als Aufgabe an 1977 Aufnahme als Teil des Zukunftsinvestitionsprogramms Aufnahme als eigenständiger Förderbaustein in die GAK 1984 1985 Beginn der Kofinanzierung durch die EU mittels VO 797/85 1987 Neuer Förderbaustein „Be- und Durchgrünung der Orte“ 1991 Programme in den neuen Bundesländern 1998 Neuer Förderbaustein „Umnutzung landw. Bausubstanz“

  10. Das Förderprogramm „Dorferneuerung“ heute Alle Bundesländer verfügen über ein Dorferneuerungsprogramm Die „Grundsätze für die Förderung der Dorferneuerung und den Maßnahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zur Umnutzung ihrer Bausubstanz“ der GAK sind verbindlich für alle Bundesländer EU-Kofinanzierungshöhe in den alten BL nach Art. 33 der VO 1257/99 der EU: 50 %, in NBL nach VO 1260/99 zum Strukturfond: 75% Die nationale Kofinanzierung erfolgt zu 60:40 durch Bund:Länder Neubewilligungen 2003 im Rahmen der GAK: - 8.626 Maßnahmen mit 790 Mio. € - 96 Mio. € GAK, 164 Mio. € EAGFL, sonst. Öffentl. 70 Mio. € 459 Mio. € Private Förderung der einzelnen Maßnahmen: * Privatpersonen: 30 % der förderfähigen Ausgaben (NBL: 40 %), max. 20.000 €, bei Umnutzungen bis 50.000 € pro Jahr, max. 100.000 € binnen 3 Jahren * Gemeinden u. ä.: 50 % Zuschuß (NBL 70 %); bei Eigenleistung 60 %

  11. Ziele der Dorferneuerung Erhalt u. Entwicklung der historisch gewachsenen Dorfstruktur Erhalt regionaltypischer Bauten u. Zuführung in zeitgemäße Nutzung Verbesserung der Wohn-, Arbeits-, Erholungsverhältnisse Erhalt bzw. Verbesserung der Grundversorgung Verbesserung der Bedingungen für Landwirtschaft, Handwerk, Dienst-leistungssektor Bessere ökologische Einbindung und Durchgrünung der Dörfer Gemeinschaftsleben anregen Eigeninitiative im sozialen, kulturellen u. wirtschaftl. Bereich anregen

  12. Maßnahmen der Dorferneuerung Verbesserung innerörtlicher Verkehrsverhältnisse Abwehr von Hochwassergefahren u. Sanierung von Gewässern Gestaltung von Plätzen und Eingrünungen Ortsrandeingrünungen Gestaltung aktueller/ehemaliger land- o. forstwirtschaftlicher Gebäude mit ortsbildprägendem Charakter incl. Hof-, Garten-, Grünflächen Abbruch nicht nutzbarer landwirtschaftlicher Bausubstanz Umnutzung ehemals landwirtschaftlicher Bausubstanz Neu-, Aus- und Umbau von landwirtschaftlichen Gemeinschaftsanlagen

  13. Ablauf der Entwicklungsplanung Ist-Zustand beschreiben Stärken u. Schwächen analysieren Leitbild festlegen Konzept kurz-, mittel-, langfristiger Ziele Prioritäten festlegen Variablen diskutieren und auswählen Maßnahmen umsetzen

  14. Fadenkreuz Ist-Zustand Wie wünschen wir es? 1 2 Was hindert uns daran? Was ist zu tun? 3 4

  15. Akteure der Dorfentwicklung Zweckverbände Kommune Kreis Land Gewerbe Investoren Planer Private

  16. Die Implementation der Dorferneuerung Adressaten (=Bewohner) Verhaltensdispositionen, persönliche Merkmale Erwartungen, Wünsche Ökon./betriebl. Rahmen Externe z.B. Verbände Programm- ausgestaltung formale Kriterien, Fördersätze, Maßnahmenkataloge Problem- artikulation Ziel- definition Implemen- tation Wirkung Implementationsträger (Landeskulturverwaltung) Vermittlung, Durchführung Ministerien Bund/Länder Landes- ministerium

  17. Werden die berech-tigten Interessen aller Bewohner fair untereinander und mit dem öffentlichen Interesse abgewogen?

  18. Der Arbeitskreis als Mittler Amt für Flurerneuerung und ländl. Entwicklung Gemeinde- verwaltung Arbeitskreis Gemeinderat Planungsbüro Einwohner

  19. Die Kommunikation mit der Dorfbevölkerung Spez. Treffs, Stammtische Arbeitskreise Bürger- versammlungen Fragebogenaktion, „Kummerkästen“ Runde Tische Kommuni- kations- formen Gemeinschafts- aktionen Zukunfts- werkstätten Dorfzeitungen, Schaukästen Dorfseminare Planungszelle

  20. Anforderungen an Berater in der Dorferneuerung Kenntnis dörflicher Lebenswelten und Änderungsprozesse Sprache der Dörfler sprechen und sie informieren Didaktische Fähigkeiten (Methodenkompetenz) besitzen Sozialstrukturen eines Dorfes analysieren Interessenlagen und –konflikte erkennen u. handhaben Eigeninteressen (zünftige Planungsaufträge) zurückstellen Zu Diskussionen und Denkansätzen anregen Hilfestellungen/Fachwissen anbieten bzw. vermitteln Planungsprozesse steuern und organisieren

  21. Dorferneuerung - eine bürgernahe Planung? Über die Grundsätze werden inhaltliche Festlegungen getroffen Immer noch sehr „von oben“ gesteuert Statt urbane, technokratische Experten die Dorfbevölkerung einbinden Beteiligungsverfahren oft nur informell, nicht vorgeschrieben Beteiligungsverfahren müssen alle Bürger ansprechen Moderation, Zukunftswerkstätten u.ä. müssen eingeübt werden

  22. Fazit 1. Dorferneuerung ist eine Maßnahme neben anderen 2. Zweifel an Effektivität u. Effizienz der Dorferneuerung 3. Ziele orientieren sich an den Funktionen von Dörfern 4. Statt Dorfbildpflege zunehmend Förderung der Eigenentwicklung und Infrastruktur 5. Stärkere Bürgerbeteiligung verhindern Fehlplanungen vorbei an den Bedürfnissen der Bevölkerung 6. Hierzu sind speziell ausgebildete Berater/Moderatoren erforderlich

  23. Aber: Wer zuläßt, dass ganze Regionen den Anschluß an die ökonomische Entwicklung verlieren, kann auch mit Dorferneuerung wenig verändern! Bauliche Idyllen werden ohne soziale Infrastruktur in Regionen ohne Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zu Lebenswerten und lebensvollen Dörfern!

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