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Lernerseite. Beate Wischer. Reformengagement als Reflexionsproblem. Schultheoretische Rückfragen an den pädagogischen Heterogenitätsdiskurs. Pädagogik/ Didaktik. Reform- diskurs. Schultheorie. Organisations- theorie. Die (Schul-)Pädagogik als eine merkwürdige Disziplin:.
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Lernerseite Beate Wischer Reformengagement als Reflexionsproblem Schultheoretische Rückfragen an den pädagogischen Heterogenitätsdiskurs Pädagogik/ Didaktik Reform- diskurs Schultheorie Organisations- theorie
Die (Schul-)Pädagogik als eine merkwürdige Disziplin: Päd. Schulbeschreibungen* Erfahrungen mit Schule** Strategische Anpassung Lernzwang, Schulpflicht Asymmetrische Beziehungsstruktur /Definitionsmacht Formalisiertes Handeln; der „Schülerjob“/doing student (…) • Autonomie & Selbstbestimmung • Intrinsisch motivierte Lernprozesse • LehrerInnen als Coach/Lernbegleiter • Personen, die authentisch inter-agieren (informell) • (…) • irritierende Selbstbeschreibungen/“Talk“ vs. „Action“ • Problem der „nickenden Köpfe“ • „Reformengagement als Reflexionsproblem“
Heterogenität als zentrales & pädagogisches Reformthema: Unterschiede nutzen – Gemeinsamkeiten stärken Prämissen: • Subjekte sind einzigartig • Haben ein Recht auf optimale Förderung & Entfaltung • Orientierung an Stärken, nicht an den Schwächen • Verzicht auf Kategorisierung/ Klassifizierung/Normierung Es ist normal verschieden zu sein! Recht auf Gleichheit/Recht auf Differenz Wertschätzende/anerkennende „ganzheitliche“ Einzelfall-betrachtung und -behandlung „Individuelle Förderung“
Pädagogik Didaktik Schultheorie Organisations- theorie Ausgangsthesen: • Reformerwartungen sind i.d.R. nur vom Lerner/vom „einzelnen Kind“ aus gedacht (päd. Prämissen); • Die „Grammatik der Schule“ als gesellschaftl. Organisation bleibt unberücksichtigt (organisatorische Prämissen) Verkürzte, weil einseitige Problembeschreibung, die zu zahlreichen programmatische Fallstricken führt BLACKBOX Lernerseite Organisation
„Mein Standort“: Päd. Wissensformen/päd. Programmatik als spezif. & ambivalenter Reflexionstyp Schul- und organisationstheoretische Perspektiven als notwendiges Korrektiv, um Gestaltungsspielräume auszuloten Ziele des Vortrags schultheoretische Perspektiven vorstellen für programmatische Fallstricke sensibilisieren Angebote zur Reflexion von Reformmöglichkeiten u. -grenzen machen Was können Sie von mir erwarten?
Ausgewählte Spannungsfelder päd. u. organisat. Prämissen „Pädagogik vom Kinde aus“ Einzigartigkeit als Referenz Einzelfallbehandlung Schule als päd. Institution Fördern, individuelle Entfaltung Wertgeleitetes, intentionales Handeln „Funktions-/Organisationslogik“ Massenlernprozessen Normierung/Standardisierung Schule als gesellschaftl. Institution Selektion-/Allokation, Qualifikation Eigenlogik organisationalen Handelns
Zentrale Thesen: 1) Die Organisation v. Massenlernprozessen erfordert Strukturen, die von Einzelinteressen absehen müssen 2) Schule ist nicht nur eine pädagogische Institution, sondern hat auch gesellschaftl. Funktionen (Qualifikation, Allokation) 3) Organisationales Handeln ist nicht nur intentional, sondern besitzt eine eigensinnige (eigendynamische) Struktur- und Funktionslogik
1) Individualisierung vs. Normierung/Kategorisierung Moderne Schule als Errungenschaft gegenüber dem „Hauslehrermodell“, aber auf „Kosten der Schülerindividualität“ Einzigartiges Subjekt Einzelfallbehandlung/ Individualisiertes Lernen „Dekategorisierung“ etc. Massenlernprozesse Gruppenunterricht, Standar-disierung, Normierung Kategoriale Behandlung etc.
Zwei schul- u. organisationstheoretische Beobachtungen ... „Es liegt im Wesen der Schule der modernen Gesellschaft, dass sie einen Handlungsrahmen schafft, dem das ihm unterworfene Subjekt gleichgültig ist.(...) Ob Schulpflicht oder Fächerkanon, ob Jahrgangsklasse oder Prüfungswesen: mit ihren elementaren Strukturprinzipien positioniert sich die moderne Schule zumindest indifferent, wenn nicht gar gegensinnig zur Subjektivität der ihr unterworfenen Individuen. Für ihre individuellen Präferenzen und Dispositionen hat sie keinen Platz.“ (Andreas Wernet 2008) „Eine pauschale Kategorisierung individueller Situationskonstellationen ist (...) im Normalfall (…) die eigentliche Grundlage für effizientes organisationales Handeln. (…) Deshalb ist es aus der Sicht der Organisation nahe liegend, auch bei angeblichen Sonderfällen möglichst lange zu versuchen, diese im Rahmen der gängigen Routinen (…) als Standardfälle zu prozedieren“ (Preisendörfer 2008, 161)
Konsequenzen/Probleme: „…aber die Schule erweitert nicht, sondern sie verengt vielmehr die pädagogische Tätigkeit; sie verhindert die Anschließung an Individuen, denn die Schüler erscheinen massenhaft in gewissen Stunden, … sie macht die feinere Führung unmöglich, denn sie erfordert Wachsamkeit und Strenge gegen so viele.“ Herbart (1810): Über die Erziehung unter öffentlicher Mitwirkung a) Komplexitätsprobleme (im Unterricht/Mikroebene): • Vervielfältigung von zeitgleich ablaufenden Lernprozessen • Herstellung von Passung (Diagnose & Förderung) • Individuelle vs. kollektive Zielkriterien • (z.B. Zielkonflikt zwischen optimalem Leistungszuwachs & Chancenausgleich)
Vielfalt an Differenzlinien/Heterogenitätsmerkmalen (ohne Priorisierung)/ individuelle Einzelfallbetrachtung b) Klassifikationsprobleme: Auch im Unterricht: • (gezielte) Förderung setzt Klassifizierung (von Lernermerkmalen) voraus (pädagogisches Dilemma!) Auf der Organisationsebene: • Zuordnung von SchülerInnen auf unterschiedliche Lernangebote, Bildungsgänge, Lerngruppen, Schulen usw. • Regelung von Zu- u. Übergängen • Kalkulation von Angebot u. Nachfrage/effektiver Ressourceneinsatz etc. Kategoriale Schülerbehandlung als Voraussetzung legitimer Zuweisungen (universelle Regeln der Mitgliedschaft) Zahlreiche Differenzierungsprobleme, die sich durch vorrangige Betrachtung nur der Mikroebene ausblenden lassen
2. Pädagogische Aufgaben vs. gesellschaftl. Funktionen „Pädagogik der Vielfalt versteht sich als Pädagogik der intersubjektiven Anerkennung zwischen gleichberechtigt Verschiedenen“ (S. 62) Ausgangspunkt eines demokratischen Differenzbegriffs ist, dass er sich gegen Hierarchien wendet. (…) Differenzen dürfen nicht mehr zur Legitimation von Hierarchien herangezogen werden“ (A. Prengel, 180) ABER: „Die unterschiedlichen sozialen Positionen, zu denen Schullaufbahnen hinführen, bilden nicht einfach eine interessante Vielfalt mit spannenden Differenzen, sondern verbinden sich mit ungleichen Möglichkeiten, ungleichem Einkommen, Ansehen oder ungleicher Arbeitszufriedenheit“ (Streckeisen/Hänzi/Hungerbühler 2009, 9) Allokationsfunktion!
Helmut Fend Pädagogische Störgröße, die in der Regel ausgeblendet wird
Eine wichtige Unterscheidung Selektion = systeminterne Operationen der Unterscheidung u. Auswahl von SuS z.B. nach dem Modus „geeignet/ungeeignet“ (nach diversen Kriterien); für päd. Prozesse unverzichtbar ( „Förderdiagnostik“) Allokation = für die Umwelt relevante Differenzmarkierung als Voraussetzung für „Zuteilung“ der nachwachsenden Generation auf die (ungleichwertigen) sozialen Positionen „meritokratisches Leistungsprinzip“ Analytisch wichtig zu trennen, auch wenn faktisch enge Verknüpfungen; Allokationsfunktion als zentraler Faktor, weil kontinuierlich stattfindende Selektionsprozesse allokationsrelevante Dynamik entfalten!
Allokationsfunktion ist ein zentraler Bestandteil der Grammatik der Schule: • Transformation von „Schülermerkmalen“ in Leistungsunterschiede als eigengesetzliche klassifikatorische Praxis • Besser-Schlechter-Klassifikation als Grundmodus (vs. egalitärer Differenzbegriff) • Antinomische Struktur des Lehrerhandelns (Fördern & Auslesen) Lässt sich nur semantisch, aber kaum tats. außer Kraft setzen • Verwendung umfassender Diagnose-Informationen nur für Förderung? • Förderergebnisse haben unterschiedlichen Tauschwert Durch die Allokationsfunktion ergeben sich vor allem ganz zentrale Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen!
Heterogenität & Chancengleichheit: Die Chancenungleichheit im Schulsystem bestünde im bildlichen Sinne darin, „dass die Startchancen beim Hundertmeterlauf insofern ungleich verteilt sind, als dass die Arbeiterkinder mit zu groß geraten Schuhen ohne Schnürsenkel an der Startlinie stehen, während die Kinder aus höheren Sozialschichten mit bester Ausstattung einen nicht einholbaren Vorsprung von 50 Metern haben, bevor überhaupt der Startschuss gefallen ist“ (Rolf Becker/Wolfgang Lauterbach 2008, 134)
Was wäre gerecht? Jeder Schüler und jede Schülerin hat unabhängig von der Ausgangslage einen Anspruch auf das gleiche Maß an Bildungsgütern/Förderung (= equality, sog. egalisierende Gerechtigkeit): Jeder Schüler und jede Schülerin hat Anspruch auf ein faires Maß an Bildungsgütern(=equity, sog. unterscheidende Gerechtigkeit) nach Anstrengung/Verdienst/Leistung nach Benachteiligung im Sinne eines Ausgleichs • Kaum Gegenstand der pädagogischen Reflexion, weil • Allokationsfunktion semantisch ausgeblendet bleibt, • jeder Schüler individuell gefördert werden soll • Ressourcen unendlich vorhanden sind!
Zwischenfazit: Struktur- und Funktionslogik der Schule • Normierung/Standardisierung/Vereinheitlichung • Schülerklassifikationen, kategoriale Schülerbehandlung • „Besser-Schlechter-Klassifikation“/Verknüpfung v. Merkmalen mit ungleichem Wert Ausblendung in der päd. Reflexion durch • Wechsel der Systemebenen (Organisation Interaktion) • „Abarbeiten“ an Selektion, nicht an Allokation; Förderrethorik • „Programmatische Nebelbomben“
3. Individuelle Gestaltungsspielräume vs. organisationale Handlungslogik Pädagogische Perspektive: • Die Akteure (LehrerInnen) haben eine/die zentrale „Gestaltungsmacht“ (Reformhindernis/-motor) • Einstellungen & Haltungen als Voraussetzung Individuelle Förderung (...) setzt beim einzelnen Lehrer/bei der einzelnen Lehrerin also eine bestimmte Haltung voraus. Individualisierung ist eine Einstellung, Respekt und Vertrauen gegenüber dem Einzelnen, Glauben an seine Stärken und positive Leistungserwartungen sind Fundament für individuelle Förderung“ (Solzbacher 2008, 41)
Probleme Grundsätzlich gilt zwar: • Ethos als Haltung/Mentalität/Einstellung spielt durchaus eine zentrale Rolle Aber gewichtige Einwände: • Werte als „programmatische Nebelbombe“ • Appellativer Modus = Moralisierung der Probleme; erzeugt Abwehrhaltungen/Ideologisierungen • Ausblendung von Wissen & Können • Ausblendung der Struktur- und Funktionslogik schulischen Handelns
Helmut Fend Das Konzept der Rekontextualisierung • Handeln ist „Auftragshandeln“ • institutionelle Regelungen u. Vorgaben • Vorgaben müssen aber auf konkrete Ebene adaptiert werden • Konkrete Bedingungen vor Ort • Interpretation durch die Akteure • Reflexive Prozesse & Eigeninteressen Normierung Variation Gretchenfragen: In welchem Verhältnis stehen Struktur & Akteur? Wie groß sind die individuellen Handlungsspielräume?
Ein „provokativer Befund“: Individuelle Einstellungen können für den Umgang mit Heterogenität bedeutungslos sein „Man kann daraus schließen, daß sich die bisher fast durchgängig verfolgte Strategie erschöpft hat (...) zur Vermeidung von Diskriminierung beim Bewußtsein ihrer Lehrerinnen durch Aus- und Fortbildung anzusetzen. Sie übersieht die Kräfteverhältnisse in der Rationalität und Eigenlogik der Entscheidungspraxis. […] Die Praxis (...) in Organisationen wird bestimmt von Organisationsstrukturen, materiellen und institutionellen Vorgaben, mit denen das jeweilige Personal umgehen muß. […] Erst wenn sich die Mitgliedschaftsbedingungen der Organisation ändern, wird sich auch sein Denken und Begründen umstellen können“ (Gomolla/Radtke 2003, 292)
Deutungen: • Nicht die Akteure „diskriminieren“, sondern die Institution (= institutionelle Diskriminierung) • Organisationslogik (Komplextätsreduktion/Selektion/Allokation) determiniert den Umgang mit Heterogenität • Schülerzuweisung/-ablehnung nach Ressourcen • Vereinfachende Schülerklassifikation • Anschließende Legitimation durch „pädagogische Argumente“ Reflexionsfragen: Können LehrerInnen Heterogenität überhaupt als Bereicherung bewerten? Wie lassen sich SchülerInnen als „gleichberechtigt Verschiedene“ wahrnehmen & behandeln?
Fazit: • Verbesserungen sind durchaus geboten (Reformengagement) • Es gibt Konzepte & Handlungsspielräume für einen anderen Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer/in der Schule Allerdings wird schnell übersehen (Reflexionsproblem): • Sind i.d.R. sehr anspruchsvoll ( Komplexitätssteigerung) • stehen oft im Widerspruch zur „Grammatik der Schule“ • müssen immer die Gesamtstruktur von Regeln/das Bildungssystem als Ganzes im Blick haben • Es gibt zahlreiche Zielkonflikte, die auszubalancieren sind • Es ist immer auch mit unerwünschten Folgewirkungen zu rechnen
Abschließende Einordnung: Probleme pädagogischer Wissensformen: „Das wissenschaftliche Wissen ist weniger sicher als das Alltagswissen. In der Interpretation von Wahrnehmung des Alltags entstehen normalerweise keine Zweifel (...). Ganz anders die Interpretation der Ergebnisse von Experimenten oder sonstigen wissenschaftl. Daten. Durch Wissenschaft wird nicht Sicherheit, sondern gerade auch Unsicherheit gesteigert – in gerade noch tolerierbaren Grenzen“ (N. Luhmann) Pädagogik als Dogmatik: Der Umgang mit Erkenntnissen z.B. aus der Sozialwissenschaft „darf daher nicht beliebig sein, sondern muß sich selektiv organisieren, so daß die Informationen über die Welt nicht die Erziehung in der Welt belasten“ (H.E. Tenorth 1987)
Hier können Sie zentrale Grundgedanken des Vortrages nachlesen: • Trautmann, M./Wischer, B. (2011): Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. Wiesbaden: VS-Verlaghttp://www.vs-verlag.de/Buch/978-3-531-16573-8/Heterogenitaet-in-der-Schule.html Und zwei Internet-Quellen: • Wischer, B./Trautmann, M.: Individuelle Förderung: Ideen, Hintergründe und Fallstricke. Dossier Zukunft Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung. URL: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/zukunft-bildung/162108/individuelle-foerderung-hintergrund-und-fallstrickeWischer, B./Trautmann, M.: Individuelle Förderung: Gestaltungsmöglichkeiten. Dossier Zukunft Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung. URL: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/zukunft-bildung/162109/gestaltungsmoeglichkeiten-fuer-individuelle-foerderung