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Diagnosesysteme ICD, DSM, OPD - Nutzen und Kritik

Diagnosesysteme ICD, DSM, OPD - Nutzen und Kritik. Universität zu Köln - Institut für Psychologie Seminar: Gesundheit & Krankheit Theoretische, diagnostische, gesundheitspolitische & persönliche Aspekte Leitung: Dr. C. Eichenberg Referentin: Friederike Tornau WS 2006/07 ; 16.11.2006.

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  1. DiagnosesystemeICD, DSM, OPD - Nutzen und Kritik Universität zu Köln - Institut für Psychologie Seminar: Gesundheit & Krankheit Theoretische, diagnostische, gesundheitspolitische & persönliche Aspekte Leitung: Dr. C. Eichenberg Referentin: Friederike Tornau WS 2006/07 ; 16.11.2006

  2. Gliederung • Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren • Geschichtliche Entwicklung • Aktuelle Diagnosesysteme 3.1 Vorstellung des ICD 3.2 Vorstellung des DSM 3.3 Vergleich der Diagnosesysteme • Kritische Betrachtung • Vorstellung des OPD

  3. 1. Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren • Klassifikation – Notwendige Basis von Wissenschaft oder fehlerbehaftetes Schubladendenken ??? Möglichkeiten der Klassifikation: • Symptomatologisch (Grundlage: einzelne Symptome) • Syndromatologisch (Grundlage: Symptomkomplexe) • Nosologisch (Grundlage: Krankheitslehre) • Problem der nosologischen Einteilung: durch mangelnde Wissensgrundlage nur vorläufiger Charakter möglich > eher syndromatische Einteilung

  4. Abbildung: Ebenen der psychiatrischen Diagnostik

  5. 1. Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren • Unterscheidung: 1. Natürliche Klassifikation (Basis: vorgefundenen Ordnung; Änderung der Einteilungsprinzipien > keine Systemänderung) 2. Künstliche Klassifikation (Basis: äußere Merkmale; Änderung der Einteilungsprinzipien > komplette Systemänderung) 3. Typologische Klassifikation (Basis: “idealer“ Typus, Mitglieder der Klasse sind sich ähnlich, nicht gleich)

  6. 1. Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren Kategorialer vs. Dimensionaler Ansatz • Kategorialer Ansatz: Einordnung eines Individuums in ein existierendes System aufgrund von bestimmten Merkmalen. Grundannahmen: - sinnvolle Gruppierung der beobachteten Phänomene - hinreichend qualitative Unterschiede (diskrete Klassen, Typen)

  7. 1. Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren Kategorialer vs. Dimensionaler Ansatz • Dimensionaler Ansatz: Grundannahmen: - beobachteten Phänomen liegen bestimmte Dimensionen zugrunde - Unterschiede vor allem quantitativ, kontinuierlich verteilt - Qualitative Unterschiede = verschiedene Dimensionen • Diagnose = Festlegung des Ausprägungsgrades eines Merkmals Bsp.: Eysenck`s dreidimensionales Persönlichkeitsmodell

  8. 1. Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren Kategorialer vs. Dimensionaler Ansatz • Gegenwärtig habe kategoriale Systeme die größere Bedeutung • Wissenschaftliche, sowie praktische Gründe • Entspricht intuitivem Vorgehen (z.B. Benennung von Gefühlen) „Bessere eine explizite Klassifikation, wenn sie auch mit Fehlern behaftet ist, als eine implizite Klassifikation.“

  9. 1. Klassifikation von psychischen Störungen - Nutzen und Gefahren Gefahren • Etikettierung • Informationsverlust • Verwechselung von Deskription und Erklärung • Reifikation künstlicher Einheiten • Verschleierung basaler Dimensionen Nutzen • Verbesserung der Kommunikation • Sinnvolle Informationsreduktion • Ökonomische Informationsvermittlung • Überzufällige Syndrome • Handlungsanleitung • Wissensakkumulation > Aufgrund dieser Aspekte werden die Diagnosesysteme mittlerweile als notwendige, wenn auch nicht als hinreichende Grundlage, von diagnostischer, forschender & therapeutischer Arbeit angesehen.

  10. 2. Geschichtliche Entwicklung • Philippe Pinel (1745-1826) Beginn der formalen Klassifikation • Emil Kraepelin (1856-1926) etablierte die Klassifikation anhand von Symptomen • Bis 1970 existieren erhebliche Diskrepanzen in der psychiatrischen Nosologie • Durch ICD-8 erstmals international verbindliche Klassifikation (basierend auf dem nosologischen System von Kraepelin); syndromatologisch aufgeteilt; noch nicht multikategorial aufgebaut • 1980 kommt das DSM-III auf den Diagnosemarkt, welches dem ICD in vielen Punkten nicht entspricht • Heute Gültig: ICD-10 (1991) & DSM-IV (1998) • Seither Streitigkeiten um das „bessere“ Diagnosesystem, in den letzten Jahren jedoch zunehmend Beruhigung und Annäherung, aufgrund von wachsendem Störungswissen, methodischen Neuerungen der Befunderhebung, sowie die Diskussion um das Psychotherapeutengesetz

  11. 3. Aktuelle Diagnosesysteme 3.1 Vorstellung des ICD-10 (International Classification of Diseases) 3.2 Vorstellung des DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) 3.3 Vergleich der beiden Diagnosesysteme

  12. 3.1 ICD International Classification of Diseases • ICD-8 ist das erste international akzeptierte Diagnosesystem psychischer Störungen • Erarbeitet von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), basierend auf dem nosologischen System Kraepelins • Gliederung nach ätiologische, syndromatologische, sowie Verlaufscharakteristika • Durch ICD-9 (1979) Einführung multikategorialer Diagnostik (mehrstelliger Diagnosecode) • Das heutige ICD-10 ist seit 1991 auf dem Diagnosemarkt

  13. 3.1 ICD-10 International Classification of Diseases • Diagnostische Kategorien: F0 Organische, einschliesslich symptomatischer psychischer Störungen F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotope Substanzen F2 Schizoprenie, schizotype und wahnhafte Störungen F3 Affektive Störungen F4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen F5 Verhaltensaufälligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F7 Intelligenzminderung F8 Entwicklungsstörungen F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störung

  14. 3.2 DSMDiagnostic & Statistical Manual of Mental Disorders • DSM-III wurde 1980 in den USA eingeführt • DSM-IV seit 1998 • z.T. nach anderen Einteilungsgründen konzipiert als ICD • Spiegelt besser den aktuellen empirischen Wissensstand wider • Strikte Operationalisierung der Kriterien für die Erstellung einer Diagnose • Multiaxiale Klassifikation(erstmals im DSM-III-R) : Achse I: aktuelles psychopathologisches Syndrom Achse II: Persönlichkeitsstörung, geistige Behinderung Achse III: körperliche Erkrankung Achse IV: situativer Auslöser Achse V: soziale Adaption So soll die Diagnostik ein möglichst vollständiges Bild über die relevanten Informationen liefern.

  15. 3.2 DSM-IV Diagnostic & Statistical Manual of Mental DisordersMultiaxiale Diagnostik – Die fünf Achsen des DSM Achse I - Klinische Syndrome - wesentlichste Achse, auf welcher alle klinischen Syndrome & Störungen notiert werden - auch können Zustandsbilder festgehalten werde, die nicht das Ausmaß einer nach DSM diagnostizierbaren Störung erreichen Diagnostische Kategorien:

  16. 3.2 DSM-IV Diagnostic & Statistical Manual of Mental DisordersMultiaxiale Diagnostik – Die fünf Achsen des DSM Achse II – Persönlichkeitsstörungen & geistige Behinderung gezieltes Augenmerk auf langfristige Störungen, da diese häufig verborgen bleiben bzw. parallel vorliegen z.B.: Alkoholmissbrauch bei vorliegender Persönlichkeitsstörung Achse III - Körperliche Störungen und Zustände alle zusätzlichen Störungen, die für das Verständnis der Erkrankung auf Achse I oder II von Bedeutung sein könnten (ätiologische Wichtigkeit, Verständnis der Befindlichkeit, Therapieplan, etc.)

  17. 3.2 DSM-IV Diagnostic & Statistical Manual of Mental DisordersMultiaxiale Diagnostik – Die fünf Achsen des DSM Achse IV - Psychosoziale und Umweltprobleme alle psychosozialen, sowie Umweltprobleme, welche für die Diagnose, Behandlung und Prognose der Erkrankung (Achse I bzw. II) von Bedeutung sein können (vor allem negative Bedingungen, d.h. Ausführung nur, wenn sie die Störung fördern; dabei soll die subjektive Sensibilität nicht mit einbezogen werden) z.B.: soziale Netze, soziale Umgebung, Bildung, Beruf, Wohnbedingungen, wirtschaftliche Verhältnisse, Gesundheitsversorgung, juristische Lage Achse V - Allgemeines Niveau der sozialen Anpassung - soziale Anpassung in folgenden drei Bereichen „soziale Beziehungen“, „Leistung im Beruf“ & „Nutzung der Freizeit“ soll auf einem Kontinuum (Gesundheit-Krankheit) zw. 1-100 eingeschätzt werden, wobei für die Zehnerstufen Beschreibungen im DSM angeboten werden - neben einer Beurteilung des gegenwärtigen Zustandes bietet sich evtl. auch eine des höchsten Niveaus einer vergangeneren Zeitspanne an

  18. 3.3 Vergleich der beiden Diagnosesysteme • Welche Gemeinsamkeiten fallen euch zwischen den beiden Klassifikationen auf ? • Welche Unterschiede fallen euch zwischen den beiden Klassifikationen auf ? • Welche Probleme / Schwierigkeiten seht ihr in diesem Zusammenhang ?

  19. 3.3 Vergleich der beiden DiagnosesystemeWelches diagnostische System sollte man benutzen? DSM-IV • Gedankliche Klarheit und Präzision • Besser an aktuellem Forschungsstand orientiert • Klar operationalisiert • Wird hauptsächlich für die Forschung verwendet ICD-10 • Knüpft besser an bisherige Traditionen an • Höhere Praktikabilität für die Alltagsversorgung • Für Deutschland verbindliche Diagnosesystem Die Verwendung zweier (bzw. mehrerer) Diagnosesysteme birgt zwar nahe liegende Probleme in sich, macht aber andererseits deutlich, dass es bei den Einteilungen um einen nicht abgeschlossene Prozess handelt.

  20. 4. Kritische Betrachtung • Getrennte diagnostische Kriterien (kategorialer Ansatz) erzeugt einen Eindruck von Diskontinuität • Grundlegende „Realität“ bleibt ungeklärt • früher schlechte Reliabilitätswerte, mittlerweile zufriedenstellend • Konstruktvalidität unterscheidet sich innerhalb der unterschiedlichen Krankheitskonstrukte in beiden Diagnosesystemen

  21. 4. Kritische Betrachtung Verbesserungen der Reliabilität und Validität: • Ausführlichere Beschreibung der Symptome und Merkmale der einzelnen Diagnosekriterien (Haupt- & Nebenmerkmale, Laborbefunde, körperliche Untersuchungsergebnisse, etc.) • Kulturspezifische Unterschiede stärker berücksichtigt • Einführung standardisierter(er) Interviewtechniken Weiterhin nicht zufrieden stellend gelöste Fragen: • Kategorial vs. Dimensional • Willkürliche Einteilung • Alltägliche Präzision in der Anwendung vermutlich geringer • Höhere Reliabilität ≠?= höhere Validität • Bewertung der Diagnosestellung nach wie vor subjektiv • DSM-IV zu viele vorübergehende Kindheitsprobleme zu psychischen Störungen => Stigmatisierung

  22. Kritische Betrachtung der Psychoanalytiker – Vorstellung des OPD • In der syndromatologische Ausrichtung der aktuellen Diagnosesysteme finden sich Psychoanalytische Vorstellungen kaum wieder. (gesunde Entwicklung als aufeinander aufbauende gelungene Lösungen von Konflikten vs. Aufzählung von vorhandenen Symptomen ohne Sinnzusammenhang) „...die Suche nach Sinnzusammenhängen einer Erkrankung aus der individuellen Pathogenese und Ätiologie ... wird nicht mehr erfasst und durch eine Aneinanderreihung von Symptomen verschwinden Bedeutung und Individualität zugunsten einer Funktionierbarkeit.“

  23. 5. Vorstellung des OPD • OPD (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik) Ergebnis eines PA-Arbeitskreises • Probleme ergaben sich aus der Paradoxie der Definition der operationalisierten Diagnostik mit den Grundgedanken psychodynamischer Vorstellungen. • Auswahl einiger grundlegender, abbildbarer Konzepte

  24. 5. Vorstellung des OPD • Achsen des OPD: • Achse 1: Krankheitserleben • Achse 2: Beziehung • Achse 3: Konflikt • Achse 4: Struktur • Achse 5: ICD-10 Kategorien psychischer & psychosomatischer Störungen • Je Achse Antwort- & Beurteilungskategorien (meist vierstufige Skala) • Spezielles Training notwendig, danach gute Reliabiltätswerte

  25. 5. Vorstellung des OPD • Achsen des OPD: • Achse 1: Krankheitserleben • Schweregrad des somatischen bzw. psychischen Befundes • Leidensdruck bzw. Beschwerdeerleben • Beeinträchtigung des Selbsterlebens • sekundärer Krankheitsgewinn • Angemessenheit der subjektiven Beeinträchtigung • Behandlungserwartungen & Inanspruchnahmebereitschaft • Einsichtsfähigkeit für psychodynamische/-somatische bzw. somatopsychische Zusammenhänge • Einschätzung der geeigneten Behandlungsform (Psychotherapie, körperliche Behandlung) • Psychotherapiemotivation • Motivation zur körperlichen Behandlung • Compliance • Ressourcen • psychosoziale Integration • persönliche Ressourcen (Belastbarkeit) • soziale Ressourcen • soziale Unterstützung

  26. 5. Vorstellung des OPD • Achsen des OPD: • Achse 2: Beziehung Interpersonelles Kreismodell: aktive Ebene: => Autonomie gewähren => bestätigen => lieben => beschützen => kontrollieren => herabsetzen => angreifen => ignorieren => reaktive Ebene: => behaupten => öffnen => liebevoll hingeben => anklammern => unterwerfen => gekränkt sein => zurückschrecken => abschotten=> Die Tendenzen werden anhand einer 30teiligen Itemliste ermittelt, welche von dem Patienten selbst, sowie auch von anderen (Untersucher) durchgeführt wird

  27. 5. Vorstellung des OPD • Achsen des OPD: • Achse 3: Konflikt 1.1 Abhängigkeit vs. Autonomie 1.2 Unterwerfung vs. Kontrolle 1.3 Versorgung vs. Autarkie 1.4 Selbstwertkonflikte (Selbst- vs. Objektwert) 1.5 Schuldkonflikte (egoistische vs. prosoziale Tendenzen) 1.6 Ödipal-sexuelle Konflikte 1.7 Identitätskonflikte 2 Eingeschränkte Konflikt-& Gefühlswahrnehmung 3 Konflikthafte äußere Lebensbelastung Modus der Verarbeitung

  28. 5. Vorstellung des OPD • Achsen des OPD: • Achse 4: Struktur • Selbstwahrnehmung • Selbststeuerung • Abwehr • Objektwahrnehmung • Kommunikation • Bindung Globale Einschätzung

  29. 5. Vorstellung des OPD „Unser wertvollstes Wissen erreichen wir in einer ätiologisch relevanten Nosologie: Wenn unsere nosologischen Konzepte Wesenskategorien oder kausale Netzwerke erfassen und nicht bei der Klassifikation von Oberflächenphänomenen verharren.“ Marijama, V.

  30. Literatur • Ahrens, S. (2002). Lehrbuch der psychotherapeutischen Medizin. Stuttgart: Schattauer. Daraus: S. 185-189. • DSM IV (American Psychiatric Association): Geschichte, Merkmale und Systematik: http://www.paed.uni-muenchen.de/~chris/dsm4.htm • Berger, M. (2003). Psychische Erkrankungen. Klinik und Therapie (2. überarb. Aufl.). Heidelberg: Urban & Fischer. Daraus: S. 48-59. • Davison, G.C. & Neale, J.M. (2002). Klinische Psychologie. Weinheim: Beltz. Daraus: S. 56-79. • ICD-10 (Dilling et al.): Systematik: http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icd-10-gm/version2007/ • Fischer, G., Barwinski, R. & Bering, R. (in Vorbereitung). Lehrbuch der psychologischen Psychotherapie. Daraus Abschnitt C7.1 • Margraf, J. (2000). Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Bd.1 : Grundlagen, Diagnostik,Verfahren, Rahmenbedingungen (2. Aufl.). Berlin: Springer. Daraus: Kap. 7. • Möller, H.-J.,Laux, G., Deister, A. (2005) Psychiatrie und Psychotherapie (3. überarb. Aufl.) Stuttgart: Thieme • OPD: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (2004). Bern: Huber. • OPD: Einführung: Schauenburg: Was ist die "Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik"? http://www.iim.uni-giessen.de/user/~schneider/diag/opd.htm

  31. Danke für eure Aufmerksamkeit !

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