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Grundlagen deliktorientierter Behandlungsmethodik. SGFP-Zertifikatslehrgang Ramon Vettiger , Leitender Arzt PPD Zürich, 14.09.2012. Moderne Forensische Therapie. Ebenen der Straftäter Therapie. Unspezifische Psychotherapie Konzeption Juristische Aspekte Strukturelle Aspekte
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Grundlagen deliktorientierter Behandlungsmethodik SGFP-Zertifikatslehrgang Ramon Vettiger, Leitender Arzt PPD Zürich, 14.09.2012
Ebenen der Straftäter Therapie • Unspezifische Psychotherapie Konzeption • Juristische Aspekte • Strukturelle Aspekte • Spezifische Psychotherapie Konzeption
Massnahmerecht Art. 63 Weil geistig abnorm und Rückfallsenkung möglich Therapie
Therapie Weil Erfolgsaussicht (Senkung der Rückfallwahrscheinlichkeit) Pragmatismus
Der Fall Hauert • Ein Sexualmörder auf Hafturlaub beging 1993 ein Tötungsdelikt und ... • Öffentlichkeit und Politik wurden aufmerksam auf ... • die Strafvollzugspraxis • Kriminalprognosen • Therapiemöglichkeiten von Straftätern • intern wurden .. • Schwachstellenanalysen vorgenommen • Strukturen angepasst • eine tiefgreifende Professionalisierung ausgelöst
Amt für Justizvollzug Zürich Amt für JustizvollzugKanton Zürich Thomas Manhart Stabsdienst GefängnisseKanton Zürich Viktor Gähwiler StrafanstaltPöschwies Ueli Graf MassnahmenzentrumUitikon Michael Rubertus Bewährungs- und Vollzugsdienste Hans-Jürg Patzen Psychiatrisch-Psychologischer Dienst Frank Urbaniok
Psychiatrisch Psychologischer Dienst (PPD) Psychiatrisch-Psychologischer Dienst Frank Urbaniok Stabsdienst Catherine Graber Psychiatr. Grundversorgung & Triagierung Ramon Vettiger Evaluation &Qualitätssicherung Jérôme Endrass Forensische Abteilung MZU Michael Braunschweig DeliktpräventiveTherapien Matthias Stürm Forensisch-Psychiatrische Abteilung Bernd Borchard Finanzen, Logistik,Controlling & Personal Bettina Kuhn
Psychiatrisch Psychologischer Dienst Justizvollzug (PPD) • Psychiatrische Grundversorgung • Diagnostik und Risk-Assessment • Therapie / Rückfallprävention - ambulant und stationär • Wissenschaft • Öffentlichkeitsarbeit • Aus- und Fortbildung • Gutachten
Kontaktzeitpunkte des PPD Freiwillig Gericht Ambulante Massnahme Nach einer Tat Vor einer Tat Untersuchung Strafvollzug Nachbetreuung
Ambulante Behandlungen • Therapie im Strafvollzug (Gruppe oder Einzel) • Therapie ausserhalb des Strafvollzugs • Nachbehandlung nach Haft • Bedingte Haftstrafe • Aufgeschobene unbedingte Haftstrafe • Entlassung aus der U-Haft (ev. mit Weisung) • Freiwillig mit Straftat ohne Anzeige • Freiwillig ohne Straftat • Kooperation mit Opferberatung
Paul Gendreau, University of New Brunswick (1996) Lange Haft + 1-6% Bedingt + Auflage -1 +2% Schutzaufsicht +1% Kurze Haft +1% Wiedergutmach. +10% Boot-Camps +1% Elektr. Überwach. +3% Durchschnitt +3-5%
Paul Gendreau, University of New Brunswick (1996,1998) Durchschnitt +3-5% +Therapie -11% Therapie -13% Intensivther. -29% Intensiv-HR -47%
Lösel & Schmucker, Universität Erlangen (2005) • 69 Studien berücksichtigt • N= 22‘181 • Mehrheit bestätigt Wirksamkeit von Therapie (inkl. allgemeine Rückfälligkeit) • Therapie senkt Rückfallrisiko um 37% (OR=1.67) • Robuste Effekte für Kognitive Verhaltenstherapie
Vergleichbarkeit • Was ist ein Rückfall ? • Wie wird dieser definiert ? • Wie wird er erfasst ? • Strafregisterauszüge: unzuverlässig • Unzureichende Spezifizierung der Population • Unzureichende Zieldeliktspezifität
Was ist Erfolg? • Verringerung der Rückfallgefahr • Kein Rückfall lebenslang • Weniger Rückfälle • Weniger schwere Rückfälle • Weniger Einzelhandlungen pro Rückfall • Schnellere Aufdeckung einer Rückfallserie • Geringere gesellschaftliche Folgekosten • 10 Jahre Haft = 1.5 Millionen Franken • Folgekosten bei Opfern und Angehörigen
„At-Risk“ Population 2009 Behandlungsgruppe N=221 Kontrollgruppe N=450 • N=141 der deliktpräventiv behandelten Straftäter hatten Gelegenheit zu delinquieren. • N=317 der nicht deliktpräventiv behandelten Straftäter hatten Gelegenheit zu delinquieren. • Zeitweise in Freiheit • Nicht als verstorben registriert • Das 80. Lebensjahr nicht vollendet
Behandlungsgruppe:Rückfallraten mit Gewalt- / Sexualdelikten
Rückfallraten (schweres Delikt): „Erfolgreiche Therapie“ vs. „Abbruch“
Unbehandelbarkeit und nachträgliche Verwahrung:Bruch der Rechtsstaatlichkeit?
Bilanz der Zürcher Studie 8 Täter 24 Opfer schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten
Behandelbarkeit • Unbehandelbar • In ambulanten Intensivprogrammen behandelbar • „Normal“ ambulant behandelbar Standardsetting (1-2 Std./Woche)
Abklärung/Diagnostik PPD Anmeldung Woche 0 Woche 4 Aktenstudium/ Prognostik Woche 6 Eintrittsgespräch Woche 8 Therapieabklärung Einstiegsgruppe Therapiesetting Woche 20
Therapeutische Angebote Strafanstalt Pöschwies Eingangsdiagnostik Therapieabklärung Einzel- therapie Einstiegsgruppe Gruppentherapie intensiv (GTI-1) Sozialtraining (K&K) Gruppentherapie normal (GTN) Gruppentherapie intensiv (GTI-2) Training soz. Kompetenzen (TsK) Suchtbehandlungs- gruppe (SBG) Übertrittgruppe (UeG) ambulante Nachbetreuung PPD amb. Suchthilfe
Behandlungsansatz I • Integrative therapeutische Ansätze mit intensiver Deliktbearbeitung • deliktorientierter therapeutischer Fokus • Arbeit an interaktionellen Stilen, Kontakt- und Beziehungsverhalten • Transparenz und Eigenverantwortung als zentrale therapeutische Werte
Behandlungsansatz II • Interdisziplinäre Zusammenarbeit • Rezept gegen "Betriebsblindheit" • Wissenstransfer und Integration verschiedener Betrachtungsweisen • Vermeidung von "Exklusivität“ • Flexibilität • prozessuale Diagnostik - Theragnostik • "Timing" der inhaltlichen (Delikt-)arbeit orientiert sich nach Prozessvariablen
Wie laufen Delikte ab? Vordelikt-Phase Nachdelikt-Phase Delikt -Entscheid -Durchführung -unmittelbarer „emot. Gewinn“ -Angst, Schuldgefühle -Ambivalenz -Bagatellisierungen -Externalisierungen -Grundstimmung -Fantasien -Planung -Kontroll-, Macht- verlust -negatives Selbstbild
Ein Erklärungsversuch für menschliches Verhalten LEWIN, Kurt (1890-1947) Universelle Verhaltensgleichung Verhalten (V) ist eine Funktion (f) der Person und ihrer Umwelt. V = f (P,U)
Ein einfaches Modell Bei vielen Straftätern besteht ein Missverhältnis zwischen deliktrelevanter Handlungsmotivation und der dagegen gerichteten Steuerungsfähigkeit und -bereitschaft.
Zwei Thesen deliktorientierter Arbeit:1. Steuerungsfähigkeit • Bewusstseinsnähe erhöht Steuerungsfähigkeit • Training erhöht Steuerungsfähigkeit • Wissen und Kompetenz erhöht Steuerungsfähigkeit • Früherkennung erhöht Steuerungsfähigkeit
Zwei Thesen deliktorientierter Arbeit:2. Deliktmotivation • Emotional korrigierende Erfahrungen verändern die Deliktmotivation • Kognitive und affektive Komplettierung verändert die Deliktmotivation • Beseitigung von persönlichen Defiziten verändert die Deliktmotivation • Erfolgreiche Deliktprävention verändert die Deliktmotivation
Personale Veränderung Soll (nicht Raucher) So nicht! Ist (Raucher)
Personale Veränderung - Phänomene • Fortschritte • Rückschritte • „Quantensprünge“ • Vorfälle • deliktnahes Verhalten • Stagnationen • Krisen • etc. aus: Petzold, 2001
Anhaltspunkte für deliktpräventive Veränderungen • Kompensationsfähigkeiten • Vor allem durch deliktorientierte Therapieinterventionen werden kompensatorische Fähigkeiten etabliert, ohne dass es zu einer Veränderung der Grundproblematik kommt. • Persönlichkeitsveränderung • Risikorelevante Persönlichkeitsmerkmale werden in ihrer Ausprägung vermindert, ohne dass gleichzeitig kompensatorische deliktpräventive Fähigkeiten aufgebaut werden. • Kompensationsfähigkeiten und Persönlichkeitsveränderung • Es kommt zu risikorelevanten Persönlichkeitsveränderungen und gleichzeitig werden deliktpräventiv wirksame Kompensationsfähigkeiten etabliert.
Behandlungskonzeption PPD Fokus 1 Abklärung/ Diagnostik Fokus 2 Kohäsion Fokus 3 Deliktorientierung - Deliktrekonstruktion - Deliktprävention Fokus 5 Nachbetreuung / Risk-Assessment Fokus 4 Kontr. Erprobung
Fokus 1: Abklärung/Diagnostik „Es steigert den Behandlungserfolg, wenn ein Klient gezielt auf das vorbereitet wird, was in der Therapie von ihm erwartet wird“. (Orlinsky & Howard, 1986)
Fokus 2: Kohäsion/Beziehung • Beziehungs- und Gruppenbildungsprozess im „Hier und Jetzt“ • direkte Kommunikation fördern • „Konfliktprogramme“ erarbeiten • Informationsvermittlung milieutherapeutische Ansätze
Fokus 3: Deliktorientierung Verhalten situative Umstände Delikt Gedanken/ Phantasien Körper- wahrnehmungen Gefühle
Fokus 4: Kontrollierte Erprobung „Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden, es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun“. J.W. von Goethe