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Epileptisches Anfallsgeschehen und Demenz. Christoph Baumgartner Karl Landsteiner Institut für Klinische Epilepsieforschung und Kognitive Neurologie, Wien 2. Neurologische Abteilung, Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel, Wien. Agenda.
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Epileptisches Anfallsgeschehen und Demenz Christoph Baumgartner Karl Landsteiner Institut für Klinische Epilepsieforschung und Kognitive Neurologie, Wien 2. Neurologische Abteilung, Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel, Wien
Agenda Definitionen, Epidemiologie und Ursachen Diagnostik und klinische Symptomatik Behandlung
Epileptische Anfälle - Definition epileptische Anfälle - Definition klinische Manifestation von exzessiven, hypersynchronen Entladungen von Nervenzellen des zerebralen Kortex klinische Symptomatik Funktionsstörung der jeweils betroffenen Nervenzellverbände unterschiedliche klinische Erscheinungsformen abnorme sensorische oder psychische Empfindungen motorische Entäußerungen Störungen höherer Hirnfunktionen, Bewusstseinseinschränkungen generalisierte Krämpfe
Prävalenz: 0.8% Österreich: ca. 65.000 Epilepsiepatienten • Inzidenz: zweigipfeliger Verlauf mit Maximum im frühen Kindesalter und höheren Lebensalter Epidemiologie Ein Drittel der Epilepsien beginnt nach dem 60. Lebensjahr! Tendenz steigend!
Altersepilepsie - Ursachen • Schlaganfälle: 30-50% • Demenz: 10-15% • Hirntumore: 4-6% • Schädel-Hirn-Trauma: 1-3% • kryptogen: 25-50% Loiseau et al. Ann Neurol 1990;27:232-7 Hauser et al. Epilepsia 1993;34:453-68
Demenz und Epilepsie • Alzheimer Erkrankung: 10-fach erhöhtes Risiko Epilepsie zu entwickeln • Risiko für Epilepsie nimmt mit Fortschreiten der Erkrankung zu • Epilepsie kann aber auch in frühen Erkrankungsstadien auftreten • Anfallskontrolle bleibt mit Fortschreiten der Erkrankung gleich • Diagnostik wird mit Fortschreiten der Erkrankung schwieriger • Effekt der Anfälle auf den Krankheitsverlauf der Demenz ist unklar McAreavey et al. Epilepsia 1992 33: 657-60 Hesdorffer et al. Neurology 1996; 46: 727-30 Hommet et al. Dement Geriatr Cogn Disord 2008;25: 293-300 Scarmeas et al. Arch Neurol 2009; 66: 992-97 Rao et al. Epilepsy Behav 2009; 14: 118-20
Agenda Definitionen, Epidemiologie und Ursachen Diagnostik und klinische Symptomatik Behandlung
Epileptische Anfälle: Differenzialdiagnosen • Stürze • Verwirrtheitszustände • fokal komplexe Anfälle, nicht-konvulsiver Status epilepticus, Delir (Asterixis, Myoklonien) • amnestische Episoden • fokal komplexe Anfälle, transiente globale Amnesie (TGA) • Halluzinationen • fokale Anfälle, psychotische Episoden • fokale neurologische Symptome • TIA • Parasomnien • REM-Schlaf Verhaltensstörung (RBD) • nächtliche Panikattacken • obstruktive Schlafapnoe, Restless-Legs Syndrom • psychogene nicht-epileptische Anfälle
Evaluation von Stürzen Brodie et al. Lancet Neurol 2009
Probleme bei der Diagnose • Klinik oft unklar: Stürze, Verwirrtheitszustände, amnestische Episoden, unklare Bewusstseinsstörungen • EEG • epilepsietypische Potenziale: bis zu 17% • Anfälle in nur 2% (Carrera et al. Neurology 2006;67:99-104) • hohe Rate von • falsch positiven Diagnosen und • falsch negativen Diagnose • daran denken
Psychogene Anfälle - Definitionen • Syn.: dissoziative Anfälle, hysterische Anfälle, funktionelle Anfälle, Pseudoanfälle • paroxysmale Verhaltensschemata, die epileptischen Anfällen in ihrer Symptomatik ähnlich sind, die aber kein entsprechendes elektrophysiologisches Substrat aufweisen • somatoforme bzw. dissoziative Störung • Konversionsstörung (DSM IV: 300.11) • Dissoziative Krampfanfälle (ICD 10: F45.2) • Cave: Symptomatik wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht (wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation)
REM-Schlaf-Verhaltensstörung • Störung der physiologische Muskelregulation im Schlaf • veränderte Trauminhalte mit aggressiven, oft gewalttätigen Inhalten • fehlende Muskelatonie des REM-Schlafs Patienten agieren Träume aus • komplexe, nicht-stereotype und im Kontext des Traumes sinnvolle und zielgerichtete Bewegungen • typisch: schlagende, tretende Bewegungen und laute Vokalisationen • Patienten können auch aufstehen und herumlaufen • Verletzungsgefahr gravierend; Selbst- (32%) oder Fremdverletzungen (64%) nicht selten Anlass der medizinischen Abklärung, in ca. 7% Frakturen, Einzelfälle mit subduralem Hämatom und Strangulationsversuche sind beschrieben • Symptomatik streng an den REM-Schlaf gebunden manifestiert sich vor allem in der zweiten Nachthälfte • Patienten erinnern sich nach dem Aufwachen an „Alpträume“, haben aber kein Bewusstsein für die assoziierten Bewegungen
REM-Schlaf-Verhaltensstörung • akutes, transiente RBD • im Rahmen von Intoxikationen oder Entzugssymptomen, vor allem jüngere Patienten • chronisches „idiopathisches“ RBD des älteren Patienten • beginnt ca. im 60. LJ • überwiegend Männer (80-90%) • Prävalenz: 0,5% • Erstsymptom einer Synukleopathie (MSA, Lewy-Body-Demenz, idiopathisches Parkinsonsyndrom) • Beobachtungszeit von 8-13 Jahren 30-65% der Patienten mit initial diagnostizierter idiopathischer RBD Symptome eines M. Parkinson • 40% der M. Parkinson Patienten RBD innerhalb von drei Jahren
Wo im Gehirn entstehen epileptische Anfälle am häufigsten? Stirnlappen (Frontallappen): 30% Motorik, Planung, … Schläfenlappen (Temporallappen): 60% Gedächtnis, Bewusstsein, Emotion, …
limbisches System Fokal komplexe Anfälle vom Temporallappentyp • epigastrische oder affektive Auren, seltener dysmnestische Auren (ca. 30%) • Bewusstseinstörung mir regungslosem Vorsichhinstarren • oroalimentäre Automatismen • Handautomatismen • andere motorische Entäußerungen (Halteschablonen, Kopfdrehung, Version etc.) • prolongierte postiktale Verwirrung
Agenda Definitionen, Epidemiologie und Ursachen Diagnostik und klinische Symptomatik Behandlung
Antiepileptika im AlterPharmakoepidemiologie • ambulanter Bereich 1997-1999 (Berlowitz et al. 2006) • 1,130,155 Veteranen • 20,558 Epilepsie (1,8%), davon 9.2% Erstdiagnose 1999 • Epilepsie erhöhte Komorbidität mit zerebrovaskulären Erkrankungen und Demenz • Pflegeheim (Garrard et al. 2000 und 2003) • Querschnittsstudie • 21,551 Pflegeheimbewohner • 10,5% zumindest ein Antiepileptikum (Epilepsie: 65%) • Antiepileptika zum Aufnahmezeitpunkt und Neueinstellungen • Aufnahme: 7.7% (Epilepsie 58%) • Neueinstellung: 3% (Epilepsie 21%)
Ziele der Epilepsiebehandlung Wirksamkeit Anfallsfreiheit bzw. Anfallskontrolle gute Verträglichkeit = keine oder geringe Nebenwirkungen günstige Pharmakokinetik und Pharmakodynamik Berücksichtigung von Komorbiditäten
Verlauf von Epilepsien • 2/3 der Patienten: langfristige Anfallsfreiheit • 1/3 der Patienten: Therapieresistenz
Kontrollierte Studien bei Altersepilepsie • Lamotrigin und Gabapentin signifikant besser als Carbamazepin • vergleichbare Wirksamkeit • bessere Verträglichkeit Rowan et al. Neurology 2005;64:1868-1873
Kontrollierte Studien bei Altersepilepsie • Lamotrigin und Levetiracetam signifikant besser als Carbamazepin • vergleichbare Wirksamkeit • bessere Verträglichkeit Werhan et al. ECE 2012
Epilepsie im Alter - Nebenwirkungen • unerwünschte Nebenwirkungen bei Pflegeheimbewohnern • 1.89/100 Monate 50% vermeidbar • Medikamente: Neuroleptika, Antibiotika, Antidepressiva, Sedativa, Antikoagulantien, Antiepileptika (AEDs) • unerwünschte Nebenwirkungen im ambulanten Bereich • 50.1/1000 Personen/Jahr 28% vermeidbar • Medikamente: Herzmittel, Diuretika, Analgetika, Antidiabetika, Opioide, AEDs • Stürze • Risiko für Stürze bei Einnahme von AEDs: Odds Ratio = 2.56 (Ensrud et al. 2002) • Risiko für Frakturen bei Einnahme von AEDs: Odds Ratio = 3.06 (Bohannen et al. 1999)
Enzyminduzierende Antiepileptika:Carbamazepin, Phenytoin, Primidon, Phenobarbital Perruca. Br J Clin Pharmacol 2005;61:246-255 Werhan. Dtsch Arztebl Int 2009;106:135-42
Therapieempfehlung • Lamotrigin • Levetiracetam • Gabapentin
Schlussfolgerungen • Epilepsie im Alter und bei Demenz ist häufig • Differenzialdiagnose • Behandelbarkeit • 2/3 gut behandelbar • 1/3 schwer behandelbar • Therapieziele • Wirksamkeit Anfallsfreiheit bzw. Anfallskontrolle • gute Verträglichkeit = keine oder geringe Nebenwirkungen • günstige Pharmakokinetik und Pharmakodynamik • Berücksichtigung von Komorbiditäten