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Kapitel 4 Folgen und Reihen

Kapitel 4 Folgen und Reihen. Inhalt. 4.1  Konvergenzkriterien für Folgen 4.2  Reihen 4.3  Achilles und die Schildkröte. 4.1 Konvergenzkriterien für Folgen. Wiederholung (vgl. Abschnitt 3.3):

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Kapitel 4 Folgen und Reihen

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  1. Kapitel 4Folgen und Reihen

  2. Inhalt 4.1  Konvergenzkriterien für Folgen 4.2  Reihen 4.3  Achilles und die Schildkröte

  3. 4.1 Konvergenzkriterien für Folgen Wiederholung (vgl. Abschnitt 3.3): Die Folge (an) konvergiert gegen eine reelle Zahl a (ihren Grenzwert), wenn es für jede reelle Zahl e > 0 eine Nummer N gibt, so dass für alle Folgenglieder an mit n  N die Ungleichung an–a < e gilt. Wir schreiben lim (an) = a. („Limes“). Anders gesagt: Die Folge (an) konvergiert gegen den Grenzwert a, wenn für jedes (noch so kleine) e > 0 ab einer gewissen Nummer N alle Folgenglieder höchsten den Abstand e von a haben. Beispiele: (1/n)nÎN, (n/(n+1)nÎN, (1/2n)nÎN, (50.000 /n)nÎN, (23)nÎN, ...

  4. Ziele und Beobachtungen Ziele: 1. Erkennen, ob eine Folge konvergent ist. 2. Insbesondere: Wie kann man aus einer oder zwei konvergenten Folgen weitere konvergente Folgen machen? Wir beginnen mit zwei einfachen Beobachtungen: 1. Sei (an) eine Folge. Dann gilt: (an) konvergiert gegen a  (an – a) konvergiert gegen 0. (Man nennt eine Folge, die gegen 0 konvergiert eine Nullfolge.) 2. Jede konvergente Folge ist beschränkt. (Sei e = 1. Dann sind ab einem N alle Folgenglieder durch a1 beschränkt. Aber auch die endlich vielen vorigen Folgenglieder sind beschränkt.)

  5. Multiplikation einer Folge mit einer reellen Zahl 4.1.1 Satz. Sei (an) eine Folge, die gegen den Grenzwert a konvergiert. Dann ist für jede reelle Zahl k die Folge (kan) eine Folge, die gegen ka konvergiert. Beispiele. (a) Die Folge (5/n)nÎN (= (5  1/n)nÎN) konvergiert gegen 50 = 0. (b) Die Folge (21n/(n+1))nÎN konvergiert gegen 211 = 21.(c) Insbesondere gilt: Wenn (an) eine Nullfolge ist, dann ist für jede reelle Zahl k auch (kan) eine Nullfolge.

  6. Beweistrick Beweis. Wir müssen zeigen, dass die Folge (kan) gegen den Grenzwert ka konvergiert. Nach Definition müssen wir also zeigen: Für alle e > 0 gibt es eine Nummer N, so dass für alle Folgenglieder an mit n  N die Ungleichung kan–ka < e gilt. Sei also e > 0 beliebig. Wir führen die Konvergenz der Folge (kan) auf die Konvergenz der Folge (an) zurück. Wir nehmen an, dass k positiv ist. (k negativ: ÜA.) Kleiner Trick: Wir verwenden die Definition der Konvergenz von (an) nicht mit e, sondern mit der Zahl e* = e/k. (Es wird sich gleich zeigen dass dies ein guter Trick ist!)

  7. Beweisdurchführung Da (an) konvergiert, gibt es eine Nummer N, so dassfür alle Folgenglieder an mit n  N die Ungleichung an–a < e* = e/k gilt. Nun schalten wir auf die Folge (kan) um. Von dieser wollen wir zeigen, dass sie gegen die Zahl ka konvergiert. Dazu müssen wir zeigen, dass die Folgenglieder ab einer gewissen Nummer näher als e an ka liegen. Als diese Nummer können wir das gerade gefundene N wählen! Denn für alle Folgenglieder kan mit n  N gilt kan–ka = kan–a < ke* = ke/k = e. Das bedeutet, dass die Folge (kan) gegen ka konvergiert. 

  8. Variante Ganz ähnlich kann man folgenden Satz beweisen: 4.1.2 Satz. Sei (an) eine Nullfolge und (bn) eine beschränkte Folge. Dann ist auch (anbn) eine Nullfolge. Beweis. Da (bn) beschränkt ist, gibt es eine positive reelle Zahl k mit -k < bn < k für alle n  N. Sei e > 0 beliebig. Trick:e* = e/k. Da (an) eine Nullfolge ist, gibt es ein N mit an = an–0 < e für alle n  N. Daraus folgt an bn–0 = an bn < k an < k e* = e. Also konvergiert an bn gegen 0. 

  9. Summensatz 4.1.3 Summensatz. Sei (an) eine Folge, die gegen den Grenzwert a und sei (bn) eine Folge, die gegen den Grenzwert b konvergiert. Wir definieren eine neue Folge (cn) durch cn = an + bn. Dann konvergiert auch (cn), und zwar gegen den Grenzwert c = a+b. Beispiele:(a) Die Folge ((n2+n)/n3) konvergiert gegen 0. Denn (1/n) und (1/n2) konvergieren gegen 0, und es ist (n2+n)/n3 = 1/n + 1/n2. (b) Die Folge ((n+k)/n) konvergiert für jedes feste k gegen 1. Denn (n/n) konvergiert gegen 1, und nach 4.1.1 konvergiert die Folge (k/n) gegen 0. (c) Die Summe zweier Nullfolgen ist eine Nullfolge.

  10. Beweis Beweis. Sei e > 0 beliebig. Wir führen die Konvergenz von (cn) auf die Konvergenz von (an) und (bn) zurück. Kleiner Trick: Wir verwenden die Konvergenz von (an) und (bn) mit e* = e/2. Dann gibt es Nummern N und M, so dass für alle Folgenglieder an mit n  N die Ungleichung an–a < e* und für alle Folgenglieder bn mit n  M die Ungleichung bn–b < e*gilt.

  11. Beweisabschluss Sei N die größte der beiden Zahlen M und N. Dann gilt für alle Folgenglieder cn = an + bn mit n > N folgende Ungleichung: cn–c = an+bn – (a+b)an–a + bn–b < 2e* = 2e/2 = e. Also konvergiert nach Definition die Folge (cn) gegen c. Folgerung aus dem Summensatz: Sei (an) eine Folge, die gegen den Grenzwert a konvergiert. Dann konvergiert die Folge (an+b) gegen den Grenzwert a+b. Denn wir addieren zu (an) die konstante Folge (b, b, b, ...); da diese gegen b konvergiert, folgt die Behauptung. 

  12. Produktsatz 4.1.3 Produktsatz. Sei (an) eine Folge, die gegen den Grenzwert a und (bn) eine Folge, die gegen den Grenzwert b konvergiert. Wir definieren eine neue Folge (cn) durch cn = an bn. Dann konvergiert auch (cn), und zwar gegen den Grenzwert c = ab. Beispiel. Die Folge cn = (5n+1)(n+1)/n2 konvergiert gegen 5, denn wir können cn schreiben als cn = anbn mit an = (5n+1)/n (konvergiert gegen 5) und bn = (n+1)/n (konvergiert gegen 1).

  13. Beweis Beweis. Wir zeigen, dass die Folge (an bn–ab) eine Nullfolge ist. Dazu schreiben wir an bn–ab = (an –a)bn + (bn–b)a. Da (an –a) eine Nullfolge ist und bn beschränkt ist, ist nach 4.1.2 auch (an –a)bn eine Nullfolge. Da (bn –b) eine Nullfolge ist, ist auch (bn–b)a eine Nullfolge. Also sind beide Summanden Nullfolgen. Daher folgt mit dem Summensatz, dass auch (an bn–ab) eine Nullfolge ist. 

  14. Quotientensatz 4.1.4 Quotientensatz.Sei (an) eine Folge, die gegen den Grenzwert a und (bn) eine Folge aus von Null verschiedenen Gliedern, die gegen den Grenzwert b  0 konvergiert. Wir definieren eine neue Folge (cn) durch cn = an / bn. Dann konvergiert auch (cn), und zwar gegen den Grenzwert c = a/b. Beispiel. Wir betrachten die Folge (4n2+15n)/(n2+1)). Diese kann man schreiben als ((4 + 15/n)/(1 + 1/n2)). Zähler: Da (15/n) gegen 0 konvergiert, konvergiert (4 + 15/n) gegen 4. Nenner: Da (1/n2) gegen 0 konvergiert, konvergiert (1+1/n2) gegen 1. Also konvergiert die betrachtete Folge gegen 4.

  15. Vergleichssatz 4.1.5 Satz. Sei (an) eine Folge, die gegen den Grenzwert a konvergiert, und sei (bn) eine Folge, die gegen den Grenzwert b konvergiert. Wenn an bn ist (für alle n), dann gilt auch a  b. Bemerkung. Aus an < bn für alle n folgt nicht a < b. Dazu betrachten wir die Folge (an) = (0)nN und (bn) = 1/n. Dann ist an < bn für alle n, aber es gilt a = b (= 0). Beweis. Angenommen, es wäre a > b. Setze e = (a–b)/2. Dann gibt es eine Zahl N, so dass für alle n  N gilt: bn–b < e, an–a < e. Dann wäre aber an > bn für alle n  N: Widerspruch! 

  16. Beschränkte Folgen Definition.Eine Folge (an) heißt beschränkt, wenn es eine positive reelle Zahl k gibt, so dass für alle Folgenglieder an gilt: an k. Beispiele: Die Folgen (1/n) und (1, –1, 1, –1, 1, ...) sind beschränkt. In beiden Fällen kann man k = 1 wählen. 4.1.6 Satz. Jede konvergente Folge ist beschränkt. Mit anderen Worten: Jede unbeschränkte Folge ist nicht konvergent. Beweis. Wir wählen ein beliebiges e > 0. Dann haben ab einem N alle Folgenglieder höchstens den Abstand e zum Grenzwert a. Also ist die Folge durch a0 + a1 + ... + aN–1 + a + e beschränkt. 

  17. Monotone Folgen Definition.Eine Folge (an) heißt monoton steigend, falls a1 a2 a3 ... gilt; sie heißt monoton fallend, falls a1 a2 a3 ... gilt. Sie heißt monoton, falls sie monoton steigend oder fallend ist. Beispiele. (a) Die Folge (n) ist monoton steigend, die Folge (1/n) monoton fallend.(b) Die Folge ((–1)n/n) ist keine monotone Folge.

  18. Satz über monotone Folgen 4.1.7 Satz. Jede monotone beschränkte Folge hat einen Grenzwert. Bemerkung. Man kann die Konvergenz einer Folge feststellen, ohne den Grenzwert kennen zu müssen. Im Gegenteil: Diesen Satz kann man dazu verwenden, reelle Zahlen zu definieren! Beweis. Wir zeigen, dass jede beschränkte, monoton steigende Folge einen Grenzwert besitzt. Methode: Supremumsprinzip. Wir betrachten dazu die Menge der Folgenglieder: M = {an n = 1, 2, 3, ...}. Da (an) nach oben beschränkt ist, ist auch M nach oben beschränkt. Also gibt es ein Supremum a = sup(M).

  19. Beweis Behauptung: a ist der Grenzwert der Folge (an). Sei dazu e > 0 beliebig. Da a das Supremum von M ist, ist a–e keine obere Schranke von M. Daher gibt es ein aN mit aN > a–e. Da (an) monoton steigend ist, gilt dann an > a–e für alle n  N. Da a das Supremum von M ist, gilt natürlich an a. Also liegen ab der Nummer N alle Folgenglieder zwischen a–e und a. Daher konvergiert (an) gegen a. 

  20. Quadratwurzeln 4.1.8 Satz (Existenz der Quadratwurzel).Sei a eine beliebige positive reelle Zahl. Dann gibt es eine positive reelle Zahl b mit b2 = a. Wir schreiben b = a.Kurz: Jede positive reelle Zahl hat eine Quadratwurzel! Beweis. Wir definieren eine Folge (an), die gegen b konvergiert: a0 ist eine beliebige positive reelle Zahl. Die weiteren Folgenglieder werden rekursiv definiert durch an+1 = (an + a/an)/2.

  21. Beweis Beispiel: Sei a = 0. Wenn wir a0 = 10 wählen, ergeben sich als Folgenglieder 10; 5; 2,5; 1,25; ... Die Folge (an) hat die folgenden Eigenschaften: 1.Alle Folgenglieder sind positiv. 2. a  an2 für n  1. Denn es gilt an2 – a = (an–1 + a/an–1)2/4 – a = (an–12 + 2a + a2/an–12)/4 – a = = (an–12 – 2a + a2/an–12)/4 = (an–1 – a/an–1)2/4  0.

  22. Beweisabschluss 3. an+1 an fürn  1. Denn aus der definierenden Gleichung folgt mit der Eigenschaft 2: an+1 = (an + a/an)/2  (an + an2/an)/2 = an. Also ist (an) eine monoton fallende, nach unten (wg. 1.) durch 0 beschränkte Folge. Daher hat sie einen nichtnegativen Grenzwert b. Behauptung: b2 = a. Das folgt so: b = lim an+1 = lim (an + a/an)/2 = (lim an + a/(lim an))/2 = (b + a/b)/2. Zusammen: b = (b + a/b)/2, und daraus ergibt sich a = b2.

  23. 3.2 Reihen Frage:Sei (ak) eine Folge. Was ist a1+a2+a3+... ?. Ist dies eine endliche Zahl oder ...? Wir stellen uns vor, dass man bei a1+a2+a3+... alle (unendlich vielen!) Glieder der Folge aufsummiert. Das kann natürlich kein Mensch machen, denn fertig wird man damit nie. Definition.Diese unendliche Summe nennt man eine Reihe und schreibt dafür a1+a2+a3+... = . Achtung! Das ist zunächst nur ein Symbol, nur eine Schreibweise für a1+a2+a3+... ; dieses Symbol „bedeutet“ (zunächst!) nichts anderes.

  24. Beispiele Geometrische Reihe: 1+1/2+1/4+1/8+1/16+... = oder allgemeiner 1 + q + q2 + q3 + ... = Harmonische Reihe: 1+1/2+1/3+1/4+... =

  25. Partialsummen Sei (ak) eine Folge. Wir beobachten den Summationsprozess in jedem Schritt. Dazu betrachten wir die Partialsummen (Teilsummen) sn betrachten:s1 = a1,s2 = a1 + a2, s3 = a1 + a2 + a3,...sn = a1 + a2 + a3 + ... + an,... Vorstellung: Die Partialsummen nähern sich dem „Wert“ von immer mehr. Genauer:

  26. Konvergenz einer Reihe Definition. Die Reihe konvergiert, falls die Folge (sn) der Partialsummen konvergiert. Wenn eine Reihe nicht konvergiert, sagt man, dass sie divergiert. Wenn die Reihe konvergiert, schreibt man auch für den Grenzwert der Folge der Partialsummen und nennt den Wert der Reihe. Achtung: In diesem Fall hat das Symbol zwei Bedeutungen!

  27. Die geometrische Reihe Eine der wichtigsten konvergenten Reihen ist die geometrische Reihe. 4.2.1 Satz. Sei q eine reelle Zahl mit –1 < q < 1. Dann konvergiert die Reihe (geometrische Reihe) gegen den Grenzwert 1/(1– q). Zum Beispiel konvergiert die Reihe  1/1 + 1/2 + 1/4 + 1/8 + ... gegen die Zahl 2 (q = 1/2).

  28. Beweis Beweis. Wir betrachten die Partialsumme sn = 1 + q + q2 + q3 + ... + qn und erinnern uns (Übungsaufgabe), dass gilt sn = 1 + q + q2 + q3 + ... + qn = (1–qn+1)/(1–q). Wir müssen also die Folge (sn) = ((1–qn+1)/(1–q)) untersuchen. Behauptung: Für jede reelle Zahl q mit –1 < q < 1 konvergiert diese Folge gegen 1/(1–q) . Dies folgt so: Wir betrachten nur den Fall q > 0. Sei e > 0 beliebig. Wegen q < 1 existiert eine Nummer N mit qN+1 < e.

  29. Beweisabschluss Daraus folgt 1/(1–q) – (1– qn+1)/(1–q) = (1 – (1– qn+1)) / (1–q) = qn+1 / (1–q)  qN+1 / (1–q) < qN+1 < e für alle n  N. Also ist tatsächlich 1/(1–q) der Grenzwert der Folge der Partialsummen. Nach Definition konvergiert also die geometrische Reihe gegen den Grenzwert 1/(1–q). 

  30. Alternativer Beweis Die Folge(sn) = ((1–qn+1)/(1–q)) der Partialsummen konvergiert gegen 1 / (1 – q). Denn: Für – 1 < q < 1 ist (qn+1) eine Nullfolge. Also konvergiert (1–qn+1) gegen 1, und somit ((1–qn+1)/(1–q)) gegen 1 / (1 – q).

  31. Beispiel Behauptung: Die Reihe konvergiert. Beweis. Wir berechnen die Partialsummen sn. Es gilt sn = 1/12 + 1/23 + 1/34 + ... + 1/n(n+1) = n/(n+1) (Induktion!). Da die Folge der Partialsummen gegen 1 konvergiert, konvergiert nach Definition auch die Reihe gegen 1.

  32. Die harmonische Reihe 4.2.2 Satz. Die Reihe divergiert. Bemerkung: Die harmonische Reihe wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) untersucht. Beweis. Wir zeigen, dass die Folge der Partialsummen unbeschränkt ist. Dann kann diese Folge nach 4.1.6 nicht konvergieren. Also muss sie divergieren Dazu fassen wir jeweils genügend viele Glieder zusammen, so dass deren Summe mindestens ½ ist. Damit ergibt sich dann, dass die Partialsummen nicht beschränkt sein können.

  33. Beweis Die erste Summe ist das erste Folgenglied, also 1/2. Die zweite Summe besteht aus den zwei nächsten Folgengliedern, also 1/3 +1/4. Wir schätzen diese Summe ab: 1/3 +1/4 > 1/4+1/4 = 1/2. Also ist dieser Teil größer als 1/2. Die dritte Summe besteht aus den vier nächsten Folgengliedern, also 1/5+1/6+1/7+1/8. Es gilt: 1/5+1/6+1/7+1/8 > 1/8+1/8+1/8+1/8 = 1/2. Also ist auch dieser Teil größer als 1/2. Allgemein gehen wir bei der i-ten Summe bis 1/2i. Wir erhalten 2i–1 Summanden, die alle größer oder gleich 1/2i sind. Also können wir diesen Teil durch 2i–1 1/2i = 1/2  abschätzen.

  34. Beweisabschluss Damit erhalten wir eine Abschätzung der harmonischen Reihe nach unten durch > 1/2 + 1/2 + 1/2 + .... Da die Summe rechts alle Schranken überschreitet, divergiert die harmonische Reihe.

  35. Welche Folgen führen zu konvergenten Reihen? 4.2.3 Satz. Wenn die Reihe konvergiert, dann konvergiert die Folge (ai) gegen 0, sie ist also eine Nullfolge. Bemerkung:Auch von diesem Satz ist die Umkehrung wichtig: Wenn die Folge (ai) nicht gegen 0 konvergiert (d.h. entweder überhaupt nicht konvergiert oder, wenn sie konvergiert, dann nicht gegen 0 konvergiert), danndivergiert die Reihe. Beweis. Wir wenden die Verdichtungseigenschaft (3.3.1) auf die Folge der Partialsummen an. Sei e > 0 beliebig. Wir müssen zeigen, dass von einer gewissen Stelle N an alle an betragsmäßig keiner als e sind.

  36. Beweis Nach 3.3.1 gibt es eine Nummer N, so dass für alle m, n  N die Ungleichung sm–sn < e gilt. Insbesondere gilt für alle n  N die Ungleichung sn+1–sn < e. Da sn+1–sn = a1+a2+...+an+an+1 – (a1+a2+...+an) = an+1 ist, bedeutet obige Ungleichung nichts anderes als an+1 < e für alle n  N. Das bedeutet, dass die Folge (an) eine Nullfolge ist.

  37. Konvergenzkriterien Idee: Man möchte die Konvergenz der Reihe nicht nur an der Folge der Partialsummen ablesen können, sondern an den Folgengliedern ak selbst. Dafür gibt es zahlreiche Konvergenzkriterien, die Bedingungen angeben, unter denen Folgen konvergieren. Majorantenkriterium, Quotientenkriterium, Wurzelkriterium usw. Achtung! Das sind „wenn-dann“-Aussagen, keine „genau-dann-wenn-Aussagen“!

  38. Majorantenkriterium 4.2.4 Satz. Sei eine Reihe, und sei eine konvergente Reihe mit positiven Gliedern ci. Wenn ai ci für alle i gilt, dann konvergiert auch die Reihe . Bemerkung:Die Bedeutung dieser wichtigen Kriteriums liegt darin, dass man die Konvergenz einer Reihe auf die Konvergenz einer anderen Reihe zurückführt. Außerdem hat man eine große Freiheit, die Reihe zu wählen: Man braucht nur irgendeine konvergente Reihe aus positiven Gliedern zu finden, die majorisiert. Beweis. Übungsaufgabe. 

  39. Beispiel Behauptung: Die Reihe konvergiert. Beweis. Wir wissen, dass die Reihe konvergiert. Also konvergiert auch . Da 1/k2 < 2/k(k+1) ist, ergibt sich mit dem Majorantenkriterium die Behauptung. Bemerkung: Das Majorantenkriterium sagt nicht, was der Grenzwert ist!

  40. Quotientenkriterium 4.2.5 Satz. Sei eine Reihe, deren Glieder alle verschieden von Null sind. Wenn es eine Zahl q mit 0 < q < 1 gibt, so dass ai+1/ai q für alle i gilt, dann konvergiert die Reihe. Beweis.Zunächst zeigt man durch Induktion: Für alle k  1 giltak+1a1qk. Also ist die Reihe = a1 eine Majorante von . Da q < 1 ist, konvergiert die Reihe a1 nach 4.2.1. Nach dem Majorantenkriterium ergibt sich die Behauptung. 

  41. Beispiel Behauptung: Die Reihe konvergiert. Beweis. Sei ak = k2/2k. Dann gilt für k  3: ak+1 / ak = (k+1)22k/ 2k+1k2 = 1/2 ((k+1)/k)2 = = 1/2 (1 + 1/k)2 1/2 (1 + 1/3)2 = 1/2 16/9 = 8/9 . Wir setzen q = 8/9 (< 1) und wenden das Quotientenkriterium an. Dieses sagt, dass die Reihe gegen einen Grenzwert s konvergiert. Dann konvergiert aber die Reihe gegen den Grenzwert s + a0 + a1+ a2.

  42. Das Wurzelkriterium 4.2.6 Satz. Sei eine Reihe, deren Glieder alle größer als Null sind. Wenn es eine Zahl q mit 0 < q < 1 gibt, so dass für alle k gilt, dann konvergiert die Reihe.

  43. 4.3 Achilles und die Schildkröte Die Geschichte stammt von Zenon von Elea (ca. 495 - 430 v. Chr.). Zenon stellte alles in Frage. Gerade hatten die griechischen Mathematiker entdeckt, wie man durch reines Nachdenken Erkenntnisse erzielen kann, da machte Zenon unwiderleglich klar, dass man durch Nachdenken Ergebnisse erhalten kann, die ganz offenbar nicht stimmen. Zum Beispiel: Bei einem der sportlichen Wettkämpfe der Griechen geht auch Achilles, der schnellste aller Läufer, an den Start. Aber ausgerechnet eine Schildkröte will den Kampf mit Achilles aufzunehmen. Zenon schildert, wie Achilles und die Schildkröte schon vorab das Rennen gedanklich durchspielen – mit einem überraschenden Ergebnis:

  44. Achilles und die Schildkröte II Zunächst bittet die Schildkröte darum, ihr einen kleinen Vorsprung zu gewähren, vielleicht 100 Fuß. Achilles meint natürlich, dass er diesen Vorsprung in Nullkommanichts aufgeholt hat. Darauf wendet die Schildkröte ein, „dein Problem besteht darin, dass du diese Strecke eben nicht in Nullkommanichts schaffst, sondern auch dafür eine gewisse Zeit brauchst. Und in dieser Zeit bin ich ein Stück vorangekommen. 10 Fuß.“ Achilles ist der Meinung, dass er auch diese Strecke sofort gelaufen sei. „Nicht sofort“, entgegnete die Schildkröte, „sondern auch dafür brauchst du Zeit; und in dieser Zeit bin ich wieder ein Stückchen vorangekommen: 1 Fuß.“

  45. Achilles und die Schildkröte III Achilles findet, das sei aber nun eine lächerliche Strecke, nicht der Rede wert. Die Schildkröte widerspricht abermals: „Auch dafür brauchst du eine gewisse Zeit. Und in dieser Zeit bin ich wieder ein kleines Stückchen weiter. Zwar nur ein zehntel Fuß, aber immerhin.“ So könnten die beiden weiterreden. Sie überlegen jeweils bis zum vorigen Standort der Schildkröte; wenn Achill dort angelangt ist, ist diese ein Zehntel der Strecke weiter. Also kann Achill die Schildkröte nie einholen! Absurd!

  46. Achilles und die Schildkröte: Was ist los? Die Paradoxie löst sich auf, wenn man beachtet, dass die einzelnen Strecken immer kleiner werden, also Achilles dafür auch immer weniger Zeit braucht. In Wirklichkeit konstruiert die Schildkröte genau den Punkt, an dem sie überholt wird: 111,111... Fuß. Wenn Achilles diese Marke überschritten hat, hat er sie überholt. Ein wunderschönes Beispiel dafür, wie scharfes Denken uns verunsichert und uns damit zwingt, den Dingen noch mehr auf den Grund zu gehen.

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