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Trauma und die Folgen. Was ist ein Trauma/alte Definition. Freud (1923)
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Trauma und die Folgen Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Was ist ein Trauma/alte Definition • Freud (1923) • „Wir nennen so ein Erlebnis (ein Trauma), welches dem Seelenleben innerhalb kurzer Zeit einen so starken Reizzuwachs bringt, dass die Erledigung oder Aufarbeitung desselben in normal-gewohnter Weise missglückt, woraus dauerhafte Störungen im Energiebetrieb resultieren müssen.“ Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Trauma/aktuelle Definition • Z.B. Besser (2006): • Traumata sind plötzliche • einmalige (Monotraumata) oder sich wiederholende (Multitraumata) oder • über Wochen, Monate und Jahre anhaltende bedrohlich ängstigende (sequentielle Traumata) und ausweglose Ereignisse, bei denen Menschen in die sog. Traumatische Zange geraten. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Trauma/Posttraumatische Belastungsstörung • Zur Abgrenzung: Ich habe traumatische Situatione(n)/ein Trauma erlebt. Aber: Ich habe (k)eine PTBS. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Was ist die Traumatische Zange • Diese Zangensituation besteht aus einem hohen Maß an: • 1. Bedrohung durch: Angst, Schmerz, Ekel u.a. mit blitzartiger • 2. Aktivierung der körperlichen Stressreaktion zur Bereitstellung von Energie, die dem Überleben dient; • 3. Fehlen einer schützenden Bindungsperson • 4. Fehlender Fluchtmöglichkeit - "no flight" • 5. Fehlender Kampfmöglichkeit - "no fight" • 6. Erstarren / Einfrieren - "freeze", • D.h. körperliches Erstarren und Einfrieren der psychischen Funktionen. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Was passiert in der traumatischen Situation • In diesem traumatischen Zustand bleiben nur noch die archaischen Überlebensmuster der Dissoziation übrig. • Es handelt sich dabei um psychische Abspaltungsphänomene, die zuerst in der körperlichen Übererregung (Sympathikus) ablaufen und dann in der Position der Unterwerfung mit Untererregung (Parasympathikus) enden. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Der Spiegel geht in tausend Splitter • Das Gehirn registriert, verarbeitet und speichert dabei völlig anders als bei normalen Alltagssituationen und Erlebnissen. • Es kommt zu Trennung/Abspaltung von • körperlichen, • kognitiven, emotionalen • und Verhaltens-Aspekten im Erleben, • die unter normalen Bedingungen im Bewusstsein zusammen geführt werden, • sonst einer realistischen Wahrnehmung, Bewertung und Steuerung unterliegen • und als ganzheitliche Erfahrung gespeichert werden und als strukturierte Erinnerung wieder abgerufen werden können. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
… Erfahrungen machen uns • Menschen stehen für die Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen in unterschiedlichem Ausmaß gewisse Selbstheilungskräfte (Resilienz/Ressourcen) zur Verfügung. • Trotzdem hinterlassen Traumata unbehandelt oft lebenslang Spuren in Form von zahlreichen psychischen u./o. körperlichen Symptomen, Verhaltens- und Beziehungsproblemen, posttraumatischen Störungsbildern oder Persönlichkeitsveränderungen mit Beeinträchtigung von Lebensqualität und Lebensgestaltung. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Was sind traumatische Ereignisse • Verkehrsunfälle, Unfälle im häuslichen Bereich, Situationen von Beschämung und Bloßstellung, plötzliche Verluste naher Menschen, häufige Umzüge, bedrohliche Erkrankungen, medizinische Eingriffe, familiäre Konflikte die mit den 3 „F“ einhergehen, „nur" als Augenzeuge bei Gewaltsituationen. • Besonders aber häusliche Gewalt in Form von: • Vernachlässigung, emotionaler Gewalt, physischen und • sexuellen Misshandlungen in Kindheit, Jugend, aber auch im Erwachsenenalter Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Differentialdiagnostische Abgrenzung • Von akut bis chronisch: • ABR, Anpassungsstörung und PTBS. • Was ist was? Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Die akute Belastungsreaktion • Unmittelbarer klarer u. zeitl. Zusammenhang zu einer ungewöhnlichen Belastung. • Reaktion beginnt innerhalb weniger Minuten, wenn nicht sofort. • Wechselndes Bild von: (anfänglich) Betäubung, Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität, Rückzug. • Symptome sind rasch rückläufig (wenige Stunden - 3 Tage max.) Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Die Anpassungsstörung I • Kann während des Anpassungsprozesses nach einem belastenden Lebensereignis oder nach schwerer körperlicher Krankheit auftreten. • Es handelt sich um Zustände subjektiven Leidens und emotionaler Beeinträchtigung, die soziale Funktionen und Leistungen behindern. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Die Anpassungsstörung II • Unterschiedliche Anzeichen: depressive Stimmung, Angst, Besorgnis. • Ein Gefühl, unmöglich zurecht zu kommen, vorauszuplanen oder in der gegenwärtigen Situation fortfahren zu können. • Einschränkungen bei der Bewältigung der alltäglichen Routine. • Das Gefühl, kurz vor einem dramatischen Verhalten oder Gewaltausbrüchen zu stehen. • Beginn: I.a. innerhalb 1 Monats danach. Symptome halten meist nicht länger als 6 Monate an. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Einfache PTBS (Mono-Trauma) • 1. Unerwünschtes Wiedererleben (Intrusion) • A) Alpträume • B) lebendige Nachhallerinnerungen (Flashbacks) • C) Grübeln (z.B. subjektiv empfundene Schuld) • 2. Vermeidungsverhalten (Konstriktion) • A) vermeiden, daran zu denken od. daran erinnert zu werden • B) Vermeiden von Erinnerungsauslösern • C) soziale Isolation • D) emotionale Empfindungslosigkeit • E) Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten o.a. (illegalen) Drogen Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Einfache PTBS (Mono-Trauma) II • 3. gesteigerte vegetative Erregbarkeit (Hyperarousal) • A) Ein- u./od. Durchschlafstörungen • B) körperliche (motorische) Unruhe • C) Somatische bzw. somatopsychische Störungen Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS I • klassische Hauptmerkmale einer PTBS • quälendes Wiedererleben traumatischer Sequenzen, Übererregung und Vermeidung • Und zusätzlich: • 1. Störungen von Affekten und Impulsen • Stimmungsschwankungen, Unfähigkeit, sich selbst zu beruhigen, verminderte Steuerungsfähigkeit von aggressiven Impulsen, autodestruktive Handlungen und selbstverletzendes Verhalten, Suizidalität, Störungen der Sexualität, exzessives Risikoverhalten Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS II • 2. Störung der Wahrnehmung und des Bewusstseins • Amnesien, Dissoziation, Depersonalisation, Derealisation • 3. Störung der Selbstwahrnehmung • Unzureichende Selbstfürsorge, Gefühl, dauerhaft zerstört zu sein, Schuldgefühle, Scham, Gefühl, isoliert und abgeschnitten von der Umwelt zu sein, Bagatellisieren von gefährlichen Situationen Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS III • 4. Störungen in den Beziehungen zu anderen Menschen • Unfähigkeit zu vertrauen, Reviktimisierungen, Viktimisierung anderer Menschen • 5. Somatisierung • Somatoforme Symptome, hypochondrische Ängste • 6. Veränderung von Lebenseinstellungen • Fehlende Zukunftsperspektive, Verlust von persönlichen Grundüberzeugungen und Werten Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Traumatypologien: Schweregrade, Diagnostische Einordnung, Soziale Unterstützung und Therapiedauer
Komplexe PTBS bei Kindern I • Entwicklungsbezogene Traumafolgestörung bei komplex traumatisierten Kindern - Diagnostische Leitlinien nach van der Kolk et al. (2009) • 1. Ereigniskriterium: Traumatische Erfahrungen und Vernachlässigung • A) Multiple oder chronische interpersonelle Traumatisierung (direkt oder indirekt) • B) Verlust protektiver Bezugspersonen als Folge von Veränderungen, wiederholte Trennungen von den Bezugspersonen, oder schwerer und überdauernder emotionaler Missbrauch Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS bei Kindern II • 2. Affektive und physiologische Dysregulation (mindestens zwei Kriterien) • A) Unfähigkeit, extreme Gefühlszustände zu verändern, auszuhalten und sich selbstständig wieder zu beruhigen (Furcht, Wut, Scham) • B) Schwierigkeiten bei der Regulierung von Körperfunktionen und Sinneswahrnehmungen (Schlafen, Essen, Überempfindlichkeit für Berührung, Lärm etc.) • C) Verringerte Bewusstheit/ Dissoziation von Wahrnehmung, Emotionen und körperlichen Zuständen • D) Eingeschränkte Fähigkeit, eigene Emotionen und körperliche Zustände zu beschreiben Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS bei Kindern III • 3. Dysregulation von Aufmerksamkeit und Verhalten (mindestens drei Kriterien) • A) Übermäßige Beschäftigung mit Bedrohungen oder eine mangelnde Wahrnehmung einer solchen (fehlerhafte Einschätzung von Sicherheit und Gefahr) • B) Eingeschränkte Fähigkeit zum Selbstschutz (risikosuchendes Verhalten) • C)Unangemessene Methoden der Selbstberuhigung • D) Habituelles oder reaktives selbstverletzendes Verhalten • E) Unfähigkeit, zielbezogenes Verhalten zu entwickeln oder aufrechtzuerhalten Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS bei Kindern IV • 4. Schwierigkeiten der Selbstregulation und Beziehungsgestaltung (mindestens drei Kriterien) • A) Intensive Beschäftigung hinsichtlich der Sicherheit von Bezugsperson oder anderen geliebten Personen; Schwierigkeiten, Trennungen auszuhalten • B) Negatives Selbstbild, insbesondere Hilflosigkeit, Wertlosigkeit, ein Gefühl von Beschädigung, mangelnde Selbstwirksamkeitserwartungen Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS bei Kindern V • C) Misstrauen, kein angemessenes reziprokes Verhalten gegenüber anderen • D) Reaktive physische oder verbale Aggression • E) Unangemessene Versuche, intime Beziehungen herzustellen; übermäßiges Zutrauen zu weitestgehend unbekannten Erwachsenen oder Gleichaltrigen • F) Unfähigkeit zu angemessener Empathie Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Komplexe PTBS bei Kindern VI • 5. Symptome aus dem posttraumatischen Spektrum • Mind. 1Symptom v. 2 der PTBS-Symptom-Cluster • 6. Dauer von mindestens 6 Monaten • 7. Funktionelle Beeinträchtigungen in mindestens einem wichtigen Lebensbereich Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013
Trauma und die Folgen • Ok, soweit erstmal. Lutz Bohnstengel: Stabilisierung in der Inobhutnahme. Bundestagung Inobhutnahme in Berlin. 25.-26.09.2013