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Psychologische Grundlagen von Erziehung, Bildung und Unterricht. 2. Menschen verändern sich während ihres Lebens Entwicklung als Veränderung im Lebenslauf. 2. Entwicklungspsychologie:. Inhaltliche Schwerpunkte 2.1 Gegenstand und Aufgaben der EntwPsych 2.2 Methoden der EntwPsych
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Psychologische Grundlagen von Erziehung, Bildung und Unterricht 2. Menschen verändern sich während ihres Lebens Entwicklung als Veränderung im Lebenslauf
2. Entwicklungspsychologie: Inhaltliche Schwerpunkte 2.1 Gegenstand und Aufgaben der EntwPsych 2.2 Methoden der EntwPsych 2.3 Ordnung von Entwicklungsprozessen und –aufgaben (Beschreibende Modelle) 2.4 Erklärende Modelle 2.5 Vertiefung: Die Entwicklungstheorie von Jean Piaget Methodische Schwerpunkte Beobachtung und Befragung als grundlegende Methoden der Psychologie
Entwicklung: Was ist altersangemessen? Belehren und Unterrichten als Fördern von Entwicklungsprozessen muss den Entwicklungsstand der Lernenden berücksichtigen.
Prozentuale Verteilung von Erinnerungen an Ereignisse vor dem 8ten Lebensjahr Denkanstoß Was ist das früheste Kindheitserlebnis, an das Sie sich erinnern? Was für ein Ereignis war es? Wie alt waren Sie damals?
Entwicklung: Veränderung und Konstanz • Identitätserleben und Erinnerung: • frühkindliche Amnesie • Subjektive Konstruktion • was erlebte ich selbst, was erfuhr ich von anderen? • Personkonstanz: • bin ich die/der selbe wie vor Jahren geblieben? • werde ich die/der selbe bleiben?
2.1.1 Gegenstand der Entwicklungspsychologie • längerfristige, nachhaltige Veränderungen, die • auf das Lebensalter bezogen werden können • Abzugrenzen von Veränderungen wie • Lernen u. Vergessen, periodische Aktivierungsänderungen (Wachen-Schlafen) • Kontinuität (Erfahrungszusammenhang) • Art der Veränderung • schnell-langsam, glatt-abrupt etc. • Wachstum, Stabilität, Stagnation, Verluste Reader, S. 11
2.1.1 Gegenstand der Entwicklungspsychologie Zeitliche Gliederung des Lebenslaufs
Beobachten und Beschreiben Erklären und Vorhersagen Fördern und Evaluieren 2.1.2 Aufgaben der Entwicklungspsychologie • Was verändert sich? (Entw.bereiche) Wie verändert es sich? (Modelle der Veränderung) 2) Warum verändert es sich? Was sind die Kräfte,die Veränderungen bewirken? (Erklärungsmodelle) • Wie ist Entwicklung gezielt beeinflussbar? Wie können erwünschte Entwicklungen unterstützt und wie unerwünschte verhindert werden? Wie wird der Erfolg von Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen überprüft?
2.1.3 Entwicklung als Voraussetzung & Ergebnis pädagogischer Prozesse Lernen setzt oft bestimmten Entwicklungsstand voraus -> kognitiv, -> motivational, -> physisch Bsp.: Reinlichkeitserziehung • Probleme der Schulreifefeststellung • Lernvoraussetzungen „aus dem Kind heraus“ • Lernvoraussetzungen durch die Förderung im Kindergarten
2.1.3 Entwicklung als Voraussetzung & Ergebnis pädagogischer Prozesse Potenzielle Einflüsse von Unterricht und Erziehung auf die Entwicklung Entwicklungspsychologische Fragen im pädagogischen Kontext 1 • Lässt sich die geistige Entwicklung durch bestimmte Lernformen stimulieren? • Auswirkungen von Erziehungsstilen auf die Selbstständigkeit des Kindes? • Können Persönlichkeitsmerkmale erzieherisch „gebildet“ werden (z.B. Verantwortungsbereitschaft)?
2.1.3 Entwicklung als Voraussetzung & Ergebnis pädagogischer Prozesse Bedeutung der Entwicklung für pädagogische Maßnahmen Entwicklungspsychologische Fragen im pädagogischen Kontext 2 • Ab welchem Alter sind Kinder in der Lage, im Klassenverband Lesen und Rechnen zu lernen? • Altersgemischte oder –homogene Kindergartengruppen: Wo werden Kinder mehr gefördert? • Wie verändern sich Lerninteressen und die Lernmotivation im Lebenslauf? • „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – Wissenschaftliche Evidenzen für „Großmutters Weisheiten“?
2.2 Methoden der Entwicklungspsychologie • Wie kommt man zu Aussagen über Veränderungen? • Beispiele ??? • Tagebücher einer Mutter • regelmäßige Beobachtungen • zeitlicher Abstand? Häufigkeit? • Art der Registrierung?
2.2.1 Untersuchungspläne • Querschnittuntersuchungen - Verschiedene Gruppen zu einem Zeitpunkt • Längsschnittuntersuchungen - Eine Gruppe zu verschiedenen Zeitpunkten Reader, S. 12
2.2.1 Untersuchungspläne • Querschnittuntersuchungen • zu einem Zeitpunkt • verschiedene Menschen • unterschiedlichen Alters Beispiel: Intensität freundschaftlicher Kontakte in den Jahrgängen einer Schule
2.2.1 Untersuchungspläne • Querschnittuntersuchungen • Vorteile: • einfach durchzuführen • schnelle Information über Alterstrends • Nachteile: • Alterstrend wird über die Mittelwerte unterschiedlicher Geburtsjahrgänge (Kohorten) geschätzt • unterschiedliche historische Entwicklungsbedingungen • Vergleichbarkeit der Kohorten?
2.2.1 Untersuchungspläne • Längsschnittuntersuchung • Beispiel: • Entwicklung der Intelligenz eines Geburtsjahrganges
2.2.1 Untersuchungspläne • Längsschnittuntersuchung • Vorteile: • unverzerrtere Schätzung des Alterstrends (Alterseffekte) • Nachteile: • hoher Aufwand, teuer • Testwiederholungseffekte • selektiver Ausfall von Personen
Abb. 2.1: Schematische Darstellung von Quer- und Längsschnittstudien (Quelle: Reader)
2.2.1 Untersuchungspläne Kohorten – Sequenz - Untersuchungsplan Entwicklung nach Schaie (1965): V = f( A, K, T) A = Alter; K = Kohorte; T = Testzeit
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode Beobachtung (Übung) Es werden einige kleinere Sequenzen einer Mutter-Säuglings-Interaktion präsentiert. Notieren Sie bitte stichwortartig, was Sie beobachten. Achten Sie auf das Sprachverhalten der Mutter.
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode • Problembereiche: • Unvollständigkeit (Informationsmenge) • Selektivität (interessengeleitete Beachtung unterschiedlicher Informationen) • Vermengung von Beschreibung, Interpretation und Bewertung Reader, S. 13
Systematische Beobachtung • Absichtlichkeit, hypothesengeleitet • geplante Selektivität • Aufzeichnung und Auswertung • Qualitätssicherung • Gütekriterien • Objektivität, Zuverlässigkeit (Reliabilität) 2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode Arten der Beobachtung: • Gelegenheitsbeobachtung vs. systematische Beobachtung • Selbstbeobachtung vs. Fremdbeobachtung
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode Systematische Beobachtung • Beispiel: Die kooperativen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern mehrerer Klassen sollen erfasst werden: • Validität(Welches Verhalten gilt als Indikator kooperativer Fähigkeiten?) • Objektivität(vergleichbare Beob.bedingungen, klare Kriterien) • Reliabilität(lassen sich die Befunde auch bei wiederholten Untersuchungen wieder finden?) Reader, S. 54
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode Beobachtungsmethoden in der Entwicklungspsychologie • Systematische Fremdbeobachtung • Tagebuchmethode • Systematische Retrospektion • Interview (geleitete Selbstbeobachtung) • Fragebogen (standardisierte geleitete Selbstbeobachtung)
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode • Was wird beobachtet? • Sichtbare Verhaltensweisen • Hypothetische Konstrukte Schlussfolgerung von beobachtetem Verhalten auf zugrundeliegende Merkmale Beispiel: Fixierung eines Gegenstands durch den Säugling als Indikator für Aufmerksamkeit
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode • Beobachtung bei Säuglingen: • Unterscheiden Säuglinge Objekte aus unterschiedlichen Kategorien? • Wie kann man „vorsprachliche“ Denkprozesse erforschen? Das Habituationsparadigma
2. Entwicklung als Veränderung im Lebenslauf • Wichtige Begriffe • Längsschnittuntersuchungen • Querschnittsuntersuchungen • Selbst- und Fremdbeobachtung • Systematische Beobachtung • Hypothesen • Umgang mit der Fehleranfälligkeit von Beobachtungen
2.3 Beschreibende Modelle der Entwicklung Die Ordnung von Entwicklungsprozessen und -aufgaben • Zeitachse • Entwicklung nach Lebensabschnitten • Entwicklung der Funktions- und Inhaltsbereiche • Motorik, Wahrnehmung, Sprache etc.
2.3.1 Entwicklungsbereiche • Körper • Motorik • Sensorik • Sensumotorik • Kognitive Entwicklung • Sprachliche Entwicklung • Sozial-emotionale Entwicklung • Motivationale Entwicklung • Moralische Entwicklung • Spezif. Entwicklungsbereiche Welche Entwicklungs-bereiche können unterschieden werden?
2.3.1 Entwicklungsbereiche: Beispiele • Kognitive Entwicklung • Gedächtnis • Denken • Sprache • Lautäußerungen • Verständnis und Verwendung von Worten • Grammatik • Soziale Entwicklung • Entwicklung von Bindungen an andere • Verstehen von Gefühlen, Gedanken, Absichten anderer • „theory of mind“: Entwicklung einer „naiven“ psychologischen Theorie
2.3.1 Theory of mind Die Maxi-Geschichte [Puppe Maxi ist in der Küche und wartet auf seine Mutter.] „Mama kehrt vom Einkaufen zurück. Sie hat Schokolade für einen Kuchen gekauft. Maxi möchte ihr helfen, die Sachen wegzuräumen. Er fragt sie: ‚Wo soll ich die Schokolade hin tun?‘ ‚In den blauen Schrank‘, sagt seine Mutter. ‚Warte, ich hebe Dich hoch, du bist noch zu klein.‘ Seine Mutter hebt ihn hoch und Maxi legt die Schokolade in den blauen Schrank. Wimmer & Perner, 1983
2.3.1 Entwicklungsbereiche z.B. Perspektivenübernahme
Können Dreijährige andere täuschen? Hala, S., Chandler, M. & Fritz, A.S. (1991). Fledgling theories of mind: Deception as a marker of three-year-old‘s understanding of false belief. Child Development, 62, 83-97. „Toni“ versteckt einen Schatz in einer Truhe, hinterlässt dabei Fußspuren. Kinder werden aufgefordert, das Finden des Schatzes schwer zu machen. Mögliche Täuschungsstrategien: Legen falscher Spuren oder Wegwischen existierender Spuren. (Machen 3-jährige das schon?) Frage an die Kinder: Wohin schaut jemand, der hinzu kommt und den Schatz sucht? • Praktisch alle 3-, 31/2- und 4-jährigen nutzen wenigstens eine der beiden Täuschungsstrategien • 70% der 3-jährigen verweisen auf die Truhe, zu der die (falschen) Spuren führen
Fazit: Perspektivenübernahme • Kinder entwickeln schon früh (3-4 Jahre) Kompetenzen, die Gedankenwelt anderer in Betracht zu ziehen • Perspektivenkoordination gelingt hingegen erst deutlich später • Zu beachten: Die Vielfalt möglicher Operationalisierungen des Konstrukts „Perspektivenübernahme“
2.3.2 Lebensabschnitte: Stufen, Phasen oder Stadien • Stufen • abrupte, qualitative Veränderung in sehr kurzer Zeit • wenig Änderungen davor und danach • Kleinkind -> Schulkind; 2-Wort-Sätze -> Mehr-Wort-Sätze • Phasen • periodische Veränderungen • Entwicklung als Abfolge von „Krisen“ und deren Bewältigung • z.B. erstes und zweites Trotzalter; Wechsel von Aktivität und Ruhe • Stadien • eher kontinuierliche, nicht-abrupte Veränderungen • Entwicklungsabschnitte klar unterscheidbar • Entwicklung von Rechenfertigkeiten
2.3.2 Lebensabschnitte Lebenstreppe als Sinnbild des Lebenslaufes
2.3.3 Entwicklungsaufgaben • In jedem Lebensabschnitt gibt es besondere Herausforderungen • Diese machen besondere Bewältigungsanstrengungen nötig • Beispiele (vgl. Reader S. 17)
2.3.3 Entwicklungsaufgaben Entwicklungsaufgaben nach Havighurst, 1980 (Auszüge aus Oerter, 1998, S. 124):
2.3.4 Universelle Grundprinzipien der Entwicklung • Anpassung und Adaptation • Vorstellungen und Handlungsmuster den Erfordernissen der Realität anpassen • Kognitive Ordnung und Organisation • Erkennen und Herstellen von Ordnung in der Umwelt • Differenzierung und Integration • Motorik, Gefühle, Kognitionen
2.4.1 Anlage oder Umwelt Warum ist kein Mensch wie der andere? • Welche Faktoren wirken auf die Entwicklung und Ausbildung individueller Unterschiede ein? • Anlage (Erbgut, genetische Merkmale) • Umwelt (physikalische, soziale Umgebung) • In welchem Ausmaß werden individuelle Unterschiede durch Erbanlagen bestimmt?
2.4.1 Anlage oder Umwelt • Stammbaumanalysen und Verwandtschaftsähnlichkeit • a) Dokumentation physischer, psychischer Erkrankungen • b) besondere Begabungen über eine weitverzweigte Verwandtschaft. • Zwillingsuntersuchungen • a) Eineiige Zwillinge: Adoptionsstudien nach der Geburt getrennter EZ • Einfluss unterschiedlicher Umwelten auf die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen b) Kinder eineiiger Zwillingspaare 50% gemeinsames Erbgut, aber Aufwachsen in verschiedenen Familien • Adoptionen • keine genetischen Gemeinsamkeiten der Adoptivkinder mit A.eltern und –geschwistern • b) Übereinstimmungen mit der Adoptivfamilie -> Umweltwirkungen • Übereinstimmungen mit den leiblichen Eltern -> genetische Einflüsse
2.4.1 Anlage oder Umwelt Verwandtschaftsgrad genetische Ähnlichkeit Eltern-Kind 50% Geschwister unterschiedlichen Alters 50% Zweieiige Zwillinge 50 % Eineiige Zwillinge 100 % Adoptiveltern-Kind 0 % Adoptivgeschwister 0 %
2.4.2 Entwicklungskräfte, Ressourcen und Risikofaktoren Beispiele für Einflüsse der Lernumwelt • Spielzeug, elektronische Medien -> Spielverhalten • Erziehungs-, Unterrichtsstil -> Selbständigkeit, Kreativität • häusliche Lernumwelt -> intellektuelle Leistungen • Kritische Lebensereignisse (Mutterverlust, Arbeitsplatzverlust, Heirat, Geburt eines Kindes) -> Lebensführung, Einstellungen
2.4.1 Anlage oder Umwelt? Der Heritabilitätskoeffizient:Maß für den Anteil der genetisch bedingten Varianz an der gesamten MerkmalsvarianzKann Werte zwischen 0 und 1 annehmen: - Wert von 0 bedeutet: Varianz des Merkmals kann nicht auf die genetisch bedingten Unterschiede zurück geführt werden - Wert von 1 bedeutet: die gesamte Merkmalsvarianz ist ausschließlich mit den genetisch bedingten Populationsunterschieden zu erklären.
2.4.1 Anlage oder Umwelt? Heritabilitätskoeffizienten: 1. Persönlichkeit („Big Five“): • Extraversion .54 • Verträglichkeit .42 • Gewissenhaftigkeit .49 • Neurotizismus .48 • Offenheit .57 3. Psychische Krankheiten • Schizophrenie .80 • Alkoholismus .50 • Panikstörung .30 4. Einstellungen Konservatismus • < 20 Jahren .00 • > 20 Jahren .45 - .65 2. Intelligenz • im Alter von 5 .22 • im Alter von 12 .85 • im Alter von 50 .85