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Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung. Zum Umgang mit den Rechten psychisch beeinträchtigter Menschen. Exklusion wegen psychischer Beeinträchtigung.
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Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung Zum Umgang mit den Rechten psychisch beeinträchtigter Menschen
Exklusion wegen psychischer Beeinträchtigung • Menschen mit unberechenbar erscheinenden, als Ausdruck einer Störung des Verstandes oder der Gefühle interpretierten Verhaltensweisensind stets in besonderem Maße von Ausgrenzung/Exklusion bedroht. • Früher sperrte man sie in Ställe ein oder vertrieb sie aus der Stadt.
Exklusion durch Entmündigung • Seitdem es Anstalten für Menschen mit deviantem Verhalten gibt, wurden diese Menschen faktisch ihrer Bürgerrechte beraubt, indem man sie einsperrte und entmündigte. • Begründet wurde dies mit Fürsorge. • Doch die Betroffenen erlebten dies nicht als Fürsorge, sondern als Zwang. • Dieses alte Denken ist heute noch verbreitet.
Schutz der Freiheitsrechte • Das Grundgesetz hat hier neue Normen gesetzt. • Grundsätzlich bedürfen Eingriffe in persönliche Freiheitsrechte einschließlich des Rechts auf „körperliche Unversehrtheit“einer gesetzlichen Regelung und einer richterlichen Entscheidung. • Der Begriff „körperliche Unversehrtheit“ umfasst juristisch auch psychische Traumen.
Zwang kann dem Schutz eines wegen seiner Beeinträchtigung schutzbedürftigen Menschen dienen • Menschen, deren Realitätsbezug bzw. deren Ich-Funktionen z. B. aufgrund einer Psychose oder einer Demenz erheblich beeinträchtigt sind, bedürfen ich-stützender, ich-ergänzender oder ich-ersetzender Hilfen. Solche Hilfen können mit Eingriffen in Grundrechte einhergehen.
Freiheitsentziehung • Freiheitsentziehung ist ein Eingriff in das Grundrecht einer Person auf körperliche Bewegungsfreiheit. • Eine Freiheitsentziehung ohne eine gesetzlich geregelte Legitimation ist eine strafbare Handlung. • Eine Freiheitsentziehung zur Abwehr erheblicher Gefahren kann bei einer Person ohne Fähigkeit zu eigenverantwortlicher freien Entscheidung über das Unterbringungsrecht legitimiert werden.
Unterbringungsrecht der Länder • Psychisch-Kranken-Gesetze der meisten Bundesländer: Zwangseinweisung zur Abwendung einer erheblichen Selbstgefährdung oder einer erheblichen Gefährdung der Rechtsgüter anderer in Zusammenhang mit einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung.
Unterbringung durch den Betreuer • Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer… ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder… Behinderung… die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt…
Betreuung ist nicht Dienstleistung für die Einrichtung. Sie ist qualifizierte Unterstützung zur Vertretung der Rechte und Interessen des Menschen mit schwerer psychische Beeinträchtigung.Betreuer wenden Zwang nur an, wenn erhebliche Gefahren für den Klienten anders nicht abzuwenden.
Strafrechtliche Maßregeln • Unterbringung in einer Klinik des Massregelvollzugs durch eine Strafkammer: • Voraussetzung: Nach Begehen von Straftaten bei krankheitsbedingt verminderter oder fehlender Schuldfähigkeit und der Gefahr, dass wegen dieses „Zustands“ erneute Straftaten begangen werden.
Rechte setzen sich nicht von selbst durch • Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit gehen oft auseinander, wenn sie Personen mit geringem sozialen Durchsetzungsvermögen betreffen. • In unserer Gesellschaft und auch bei manchen Professionellen trifft man immer noch auf das alte Denken, dass Menschen mit intellektuellen oder emotionalen Beeinträchtigungen vermittels entmündigender Maßnahmen und Zwangsanwendung auszugrenzen sind.
Der einfachste Weg • Die Anwendung von Zwang stellt oft den einfachsten Weg zur Bewältigung eines sozialen Konflikts oder psychosozialen Problems dar. • Denn sie erfordert nicht selten • weniger Zeit und Arbeitskraft, • weniger Risikobereitschaft, • weniger emotionalen Einsatz und Kreativität, • weniger berufliche Problemlösekompetenz.
Gefahren des Missbrauchs von Zwang Die Möglichkeit der therapeutischen Verschleierung von Zwang lässt ihn als etwas Alltägliches und Selbstverständliches erscheinen. Die Gefahr des ausufernden Gebrauchs ergibt sich besonders auch • bei Unterausstattung der Einrichtungen, • bei Helfern mit zu wenig fachlichen Erfahrungen, Verfahrensalternativen zu finden, • aus einer paternalistischen Einstellung der Helfer, sie wüssten am besten, was für ihre Patienten / Klienten gut sei.
Wenn Zwang als zulässig gilt • Die Gefahr ungerechtfertigter Zwangsanwendung besteht insbesondere • wenn die betroffenen Personen sich in einer Situation besonderer Abhängigkeit und Wehrlosigkeit befinden, • wenn Gewalt therapeutisch verschleiert werden kann.
Therapeutische Verschleierung von Macht • Psychiatrische und heilpädagogische Tätigkeit beinhaltet besondere Möglichkeiten therapeutisch/pflegerisch verschleierter Machtwahrnehmung. • Sie bedarf deshalb regelhaft besonderer Selbstreflexion und qualifizierter Supervision. • Darüber hinaus ist politische, rechtliche und persönlich Anteil nehmende Kontrolle von außen unabdingbar.
Wie kommt es zu einer Unterbringung? • Psychopathologische Befunde haben dabei meist nur eine geringe Bedeutung • Eine Unterbringung ist als dasErgebnis eines komplexen sozialen Prozesses zu verstehen. • Dieser wird von zahlreichen, bisher wenig untersuchten Einflussfaktoren ausgelöst und in seinem Ablauf beeinflusst. • Am Anfang kann ein Konflikt oder eine scheinbar nicht zu bewältigende Überlastungssituation stehen. Manchmal ist die Unterbringung eine eher zufällig eintretende Wende in einer endlosen Geschichte. • Nicht selten stellt die Unterbringung eine Routinemaßnahme dar, wenn der Situation Merkmale einer Ordnungsstörung zugeschrieben werden.
Der zu einer Unterbringung führende soziale Prozess hängt ab von • der betroffenen Personen, • deren sozialem Umfeld, • der örtlichen Infrastruktur medizinischer und sozialer Dienste, • der Justiz und der Ordnungsbehörde, • den für die Unterbringung zuständigen Kliniken.
Faktoren auf Seiten der betroffenen Person: • Schlechte Erfahrungen mit der psychiatrischen Klinik, • Mangelnde soziale Kompetenz, um zur Bewältigung von Krisen und Konflikten beizutragen. • Ich-Funktionsdefizite, Selbstpflegedefizite infolge gestörten Realitätsbezugs, • Träger des Stigmas „Psychisch Kranker“ oder „Geistig Behinderter, • Es fehlt ihr ein unterstützendes soziales Netzwerk.
Faktoren im sozialen Umfeld • Überlastung der Angehörigen und Partner, • Geringe Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit eines sozialen Netzwerks, • Einstellung des gesellschaftlichen Kontextes gegenüber störenden oder stigmatisierten Personen, • Einstellung von Ärzten und Sozialarbeitern und den Zwang legitimierenden Behördenmitarbeiter.
Faktoren auf Seiten der ambulanten Dienste • Verfügbarkeit zur Krisenhilfe befähigter ambulanter Dienste, • Präsenz eines qualifizierten Krisendienst auch außerhalb gängiger Arbeitszeiten, • Aufgabengerechte Ausstattung, Organisation und Arbeitsweise der ambulanten Dienste, • Fachliche Qualifikation und aufgabenspezifische Erfahrungen der Mitarbeiter zur Bewältigung von Krisen und sozialen Konflikten, um nicht die Probleme in Richtung Klinik verlagern zu müssen.
Im ambulanten Bereich fehlen kompetente Krisendienste, die wirksam helfen und nicht nur die Probleme mittels Unterbringungsattesten in Kliniken verlagern.
Psychiatrische Kassenärzte tragen wenig zur Hilfe bei akutem Krisen bei
Faktoren seitens der Justiz und der Ordnungsbehörden • Örtliche Verfahrensorganisation zur Realisierung einer Unterbringung, • Felderfahrung der Richter und Verwaltungsbeamten bei der Anwendung des Unterbringungsrechts, • Verfügbarkeit einer qualifizierten psychosozialen Beratung für die mitwirkenden Behörden, • persönliche Einstellung gegenüber Aufgaben der Rechtsfürsorge • Unterschiedliche Interpretation der im Unterbringungs-recht vorherrschenden unbestimmten Rechtsbegriffe.
Im Ländervergleich schwankt die Quote der Unterbringungen erheblich
Ebenso differiert im kommunalen Vergleich die Unterbringungsquote erheblich
Das Unterbringungsverfahren als Instrument der Justiz ist für sich allein kein hinreichend wirksamer Schutz höchstpersönlicher Rechte. Die Statistik zeigt: Zwangseinweisungen als ein Feld unbestimmter Rechtsbegriffe unterliegen einer sehr unterschiedlichen Anwendungspraxis. Deshalb:
Faktoren auf Seiten der psychiatrischen Klinik • Engagement und Kompetenz der Klinikleitung, • Absicherungsbedürfnisse der Klinikärzte, • Befähigung der Mitarbeiter, schwierige Beziehungen zu gestalten und Konflikte zu bewältigen, • Integration der Klinikarbeit in ihr örtliches Umfeld mit dessen Vielfalt an Ressourcen, • Praktizierte Maßnahmen zur Selbst- und Fremdkontrolle zum Schutz der Patientenrechte.
Manche psychiatrische Klinik muss hinsichtlich der Qualität ihrer Arbeit auf ihre Patienten überzeugender wirken
Was kann schützen? • Betroffenen- und Angehörigenorganisationen • Engagierte und kompetente Leitungspersonen in den Einrichtungen • Vorsorgeverfügungen, Behandlungsvereinbarungen • Unabhängige Beschwerdestellen • Betroffenen- und Angehörigenbeiräte • Advokatorische Unterstützung • Kontrolle der Einrichtungen durch Besuchskommissionen
Betroffenen- und Angehörigenorganisationen • Den Interessen der Bewohner / Patienten Geltung verschaffen. • Darstellung der Subjektseite des Geschehens sensibilisiert für die Interessen und Rechte der einzelnen Bewohner / Patienten.
Benutzer- und zielorientierte Leitungen • Kompetentes Leitungsmanagement • Fachaufsicht, Fortbildung und Supervision der Mitarbeiter • Kritik für weitere Qualifizierung nutzen • Dokumentationspflicht • Bewohner / Patienten über Rechte informieren.
Behandlungsvereinbarungen und Vorsorgeverfügungen In der Behandlungsvereinbarung werden im Gespräch zwischen allen an einer zukünftigen Behandlung Beteiligten Modalitäten einer künftigen Aufnahme und Behandlung in der Klinik ausgehandelt, schriftlich festgehalten und von den Beteiligten unterschrieben.
Unabhängige Beschwerdestellen • Beschwerden und Problemen nachgehen, • Gesetzgeber und Verwaltungen beraten, • Präsentsein in der Institution und deren Schwachstellen kennen.
Advokatorische Unterstützung über Vertretungsberechtigte • Rechtliche Betreuer • Verfahrenspfleger • Patientenanwaltschaft in Österreich
Kontrolle der Einrichtungen durch Besuchskommissionen • Ihre Basis sind insbesondere das Heimgesetz und die Psychisch-Kranken-Gesetze mancher Länder.
Engagement lohnt sich:Was kompetentes Engagement erreichen kann
Bürgerschaftliches Engagement für die Rechte psychisch Behinderter • Menschen mit intellektuellen oder emotionalen Beeinträchtigungen werden stets ganz besonders der Gefahr unrechtmäßiger Eingriffe in ihre höchstpersönlichen Rechte ausgesetzt sein. • Deshalb ist es eine ständige Aufgabe sozialpolitischen und bürgerschaftlichen Engagements, deren Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu stärken.
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse • Diese und weitere Daten zur Anwendungspraxis des Unterbringungsrechts sind nachlesbar in einer Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums NRW und herunterladbar von der Website des Betreuungsgerichtstags: http://www.bgt-ev.de/fileadmin/Mediendatenbank/Themen/Unterbringung/Crefeld_Anwendungspraxis_Unterbringungsrecht_FESA05.pdf • Diese Datenerhebung wird seither fortgesetzt vom Landeszentrum Gesundheit NRW in Bielefeld:http://www.lzg.gc.nrw.de