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Italienische Lexikologie und Lexikographie II. 18.10.2010. Lexikologie. Der Untersuchungsgegenstand der Lexikologie. Lexikologie. Die Lexikologie (auch: Wortlehre, Wortkunde, Wortschatzuntersuchung) ist seit den 60er Jahren des 20. Jhs. die Theorie vom Lexikon (im Sinne von Wortschatz).
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Lexikologie Der Untersuchungsgegenstand der Lexikologie
Lexikologie • Die Lexikologie (auch: Wortlehre, Wortkunde, Wortschatzuntersuchung) ist seit den 60er Jahren des 20. Jhs. die Theorie vom Lexikon (im Sinne von Wortschatz). • Lexikalische Morphologie • Lexikalische Semantik
Wörter als sprachliche Zeichen Der Untersuchungsgegenstand der Lexikologie
In Ferdinand de Saussures (1857-1913) posthum erschienenem Cours de linguistique générale (1916), der aus Vorlesungsmitschriften von Charles Bally (1865-1947) und Albert Sechehaye (1870-1946) hervorgegangen war, wurde eine allgemeine Theorie der Sprache als ein abstraktes und überindividuelles System von Zeichen dargestellt. Wörter als sprachliche Zeichen
Nach de Saussure lassen sich drei wesentliche Aspekte der Sprache unterscheiden: • die menschliche Rede (frz. langage), • deren abstraktes Regelsystem (frz. langue) • sowie das Sprechen (frz. parole). Wörter als sprachliche Zeichen
Das sprachliche Zeichen (it. segno linguistico), das prinzipiell als arbiträr (it. arbitrario) betrachtet wird, besteht aus dem Ausdruck bzw. aus der Vorstellung der Lautkette (it. immagine acustica) und dem Inhalt in Form einer Vorstellung der betreffenden Sache (it. concetto). Wörter als sprachliche Zeichen
Als Signifikant (frz. signifiant; it. significante; dt. auch Bezeichnendes) wird die Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens bezeichnet. • Das Signifikat (frz. signifié; it. significato; dt. auch Bezeichnetes) ist der „Inhalt“ des Signifikanten, auf den der Signifikant verweist. Wörter als sprachliche Zeichen
Das sprachliche Zeichen setzt sich aus Signifikant und Signifikat sowie der Verknüpfung dieser beiden Pole (= Referenz) zusammen. Wörter als sprachliche Zeichen [‛albero]
Der Signifikant ist dabei in seiner Bedeutung nicht durch sein Signifikat bestimmt, mit Ausnahme einiger weniger lautmalerischer (onomatopoetischen) Wörter (z.B. it. mucca < muh), sondern durch die Abgrenzung zu anderen Signifikanten. • Somit ist das sprachiche Zeichen, wie bereits erwähnt, prinzipiell willkürlich (arbiträr). Wörter als sprachliche Zeichen
Was ist ein Wort? Der Untersuchungsgegenstand der Lexikologie
Die Schwierigkeiten der Wortdefinition • Während jeder Sprecher eine intuitive Vorstellung davon hat, was ein Wort (it. parola) ist, haben die Linguisten in der Regel große Schwierigkeiten, sich auf eine gemeinsame Wortdefinition zu einigen. • Je weiter die sprachwissenschaftlichen Analysemethoden voranschreiten desto schwieriger wird die Definition des Wortes. Was ist ein Wort?
Phonetische, phonologische und prosodische Definition • Im Rahmen einer lautlich basierten Definition werden Wörter als Lautfolgen betrachtet, die durch Grenzsignale wie zum Beispiel Pausen voneinander abgehoben sein können. • Wörter lassen sich beispielsweise auf folgenden Ebenen definieren: • Phonologie (/amiko/) • Phonetik ([amiko]) • Prosodie [ _ __ _ _]) Was ist ein Wort?
Wortgrenzen auf lautlicher Ebene • Elision • Wortgrenzen sind nicht mehr eindeutig hörbar: [lamiko] (l‘amico). • Sonderfälle • Im Laufe der Sprachgeschichte kann es zu spontanen Umdeutungen der Wortgrenzen kommen, wie z.B. bei dem Substantiv lavello(< lat. labellum‘kleines Opferbecken’), das in der Toskana von der Sprachgemeinschaft fälschlicherweise in die Bestandteile bestimter Artikel lo (mit Elision) + avello (l‘avello) zerlegt wurde. Was ist ein Wort? LABELLUM
Wortgrenzen • Außerhalb der Toskana ist die lautliche Entwicklung hingegen regelmäßig verlaufen. • Interessant ist ferner die unterschiedliche semantische Entwicklung der beiden italienischen Ausdrücke lavello ‘Spülbecken’ und avello ‘Grab’. Was ist ein Wort? lavello
Exkurs zur Geschichte von it. l‘avello it. avello l│avello Lat. LABELLUM it. lavello
Graphematische Definition • Auf graphematischer Ebene kann ein Wort als Buchstabengruppe zwischen zwei Trenn- bzw. Leerzeichen definiert werden (la festa). • In mittelalterlichen Texten fehlt dieses markante Merkmal sehr häufig, z.B. im Indovinello veronese : Was ist ein Wort?
Was ist ein Wort? Wo liegen die Wortgrenzen? separebabouesalbaprataliaarabaetalboversoriotenebaetnegrosemenseminaba
Was ist ein Wort? se│pareba │ boues │ alba │ pratalia │ araba │ et │ albo │ versorio │ teneba │ et │ negro │ semen │ seminaba separeba │ boues │ alba │ pratalia │ araba │ et │ albo │ versorio │ teneba │ et │ negro │ semen │ seminaba
Semantische Definition • Ein Wort ist auf semantischer Ebene der formale Ausdruck einer bestimmten Inhalts- bzw. Sinneinheit. • Die Bedeutung von Wörtern wird allerdings von ihrem jeweiligen Äußerungskontext determiniert. • So hat das Substantiv uomo in dem Satz l’uomo distrugge la terra eine andere Bedeutung als in dem Satz l’uomo cerca una donna. Was ist ein Wort? animaleuomo
Auch Syntagmen können als semantisch determinierte Wörter fungieren, so z.B. der philosophische Ausdruck essere-nel-mondo (< dt. In-der-Welt-sein, Martin Heidegger, Sein und Zeit). • Einigen Funktionswörtern (Artikel, Pronomina, Präpositionen) lässt sich keine eigene lexikalische Bedeutung zuordnen, sondern allenfalls eine grammatische. Was ist ein Wort?
Morphologisch • Im morphologischen Bereich wird das Wort als freies Morphem betrachtet. • Es ist daher eine sprachliche Einheit, die einerseits eine eigene Bedeutung hat und in ungebundener Form vorkommen kann. Was ist ein Wort?
Wort – Lexem – lexikalisches Wort • In der Linguistik gebraucht den Begriffsterminus Lexem (it. lessema) oder auch lexikalisches Wort (it. parola lessicale). • Hiermit wird eine Gruppe sogenannter syntaktischer Wörter bezeichnet, die sich einige wesentliche Merkmale wie z.B. Grundbedeutung und Wortart teilen. • So konstituieren cantare, canto, canti, canta, cantiamo, cantate und cantano zusammen ein Lexem. • Gleiches gilt für il cantante und i cantanti, während cantare und il cantante zwei verschiedene Lexeme darstellen. Was ist ein Wort? Was ist ein Wort? cantare cantante
Wort - Lexem Lexem I Lexem II cantare iocanto tu canti (…) ilcantante icantanti
Wortbildung Der Untersuchungsgegenstand der Lexikologie
Wortbildung • Bei der Wortbildung handelt es sich um Verfahren und Gesetzmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Bildung neuer komplexer Wörter auf der Grundlage bereits vorhandener lexikalischer Einheiten durch Derivation, Komposition und einige weitere Verfahren durch Wortkürzung. Wortbildung
Wortbildung – Grundbegriffe • MORPH • Ein Morph (it. morfo) ist eine minimale bedeutungstragende sprachliche Form, die durch Segmentierung (it. segmentazione) ermittelt wird und nicht vollständig in kleinere sprachliche Formen zerlegt werden kann. • Ein Wort kann aus einem oder aber aus mehreren Morphen bestehen. • Semantisch nicht weiter segmentierbar sind z.B. Präpositionen wie a, con, da, di oder invariable Substantive wie bar, città, camion, computer, pus, peluche, tram, virtù Wortbildung
Wortbildung – Grundbegriffe • MORPHEM • Unter einem Morphem (it. morfema) ist eine Menge von Morphen zu verstehen, die einerseits bedeutungsähnlich sind andererseits die gleiche Rolle im grammatischen System einer Sprache spielen. • Man kann zwischen lexikalischen und grammatischen (bzw. funktionalen) Morphemen unterscheiden. • Ein lexikalisches Morphem (it. morfemalessicale) ist beispielsweise libr-, während die Flexionsendungen -o (libro) und -i (libri) als grammatische Morpheme (it. morfemigrammaticali) fungieren, die den Singular oder Plural anzeigen. Wortbildung
Wortbildung – Grundbegriffe • MORPHEM • Morpheme können frei (it. morfemi liberi) oder gebunden (it. morfemi legati) sein. Wortbildung
Wortbildung – Grundbegriffe • MORPHEM • Freie grammatische Morpheme sind u.a. die Artikel (il, la, lo, le, gli, i), da sie vom zugehörigen lexikalischen Morphem (Substantiv) durch ein vorangestelltes Adjektiv getrennt werden können (una giornata una bella giornata). Wortbildung
Wortbildung – Grundbegriffe • MORPHEM • Gebundene grammatische Morpheme sind z.B. verbale Flexionsendungen wie -iamo (amiamo, vediamo, finiamo) oder adjektivische Suffixe wie -ibile (possibile, orribile). • Freie lexikalische Morpheme sind z.B. bar, città oder tram, während teng- (z.B. in der 1. Pers. Sing. Ind. tengo von tenere) oder vad- (z.B. in der 1. Pers. Sing. Ind. vado von andare) gebunden sind. Wortbildung
Wortbildung – Grundbegriffe • ALLOMORPH • Bei einem Allomorph (it. allomorfo) handelt es sich um eine Variante eines Morphems. • Bei den Formen vengo, vieni und verrá handelt es sich um Konjugationsformen desselben unregelmäßigen Verbs venire. • Es liegt somit Bedeutungsgleichheit vor. • Die Morphe ven-, veng-, vien- und verr- gehören zum gleichen Morphem ven. • Sie sind somit Allomorphe (it. allomorfi) des gleichen Morphems. Wortbildung
Wortbildung - Grundbegriffe • Nullmorphem und Nullallomorph • Die Begriffe Nullmorphem (it. morfemazero) und Nullallomorf (it. allomorfozero) sind in der Forschung nicht ganz unumstritten, denn es handelt sich um gedachte Hilfskonstruktionen. • Ein Nullmorphem ist ein in der Flexion zwar phonologisch (und graphemisch) nicht ausgedrücktes, inhaltlich aber vorhandenes Morphem. • So haben beispielsweise die maskulinen Fremdwörter bus(Pl. bus), camion (Pl. camion) keine besondere Pluralmarkierung, im Gegensatz zu aereo (Pl. aerei), treno (Pl. treni) mit dem Pluralmorphem -i. Wortbildung
Einfache, abgeleitete und zusammengesetzte Wörter • Einfache Wörter (Simplicia) • Ein Simplex (it. parola semplice) ist ein einfaches, d.h. nicht zusammengesetztes oder abgeleitetes grammatisches Wort, dessen Stamm aus genau aus einer Wurzel besteht. • Simplicia können ein Flexionssuffix zur Genus- und Numerusmarkierung enthalten, das allerdings nicht immer eindeutig ist. • Im Falle des Substantivs amico steht das Flexionssuffix -o für „maskulin“ und „Singular“. • Das invariable feminine Substantiv crisi hingegen hat kein Flexionssuffix. Wortbildung
Einfache, abgeleitete und zusammengesetzte Wörter • Einfache Wörter (Simplicia) • Ein Simplex (z.B. capo) kann als Ausgangspunkt (Basis, Derivationsbasis) zur Bildung komplexer Wörter im Rahmen von Derivationen (z.B. caporale) und Kompositionen (z.B. capostazione) dienen. Wortbildung
Einfache, abgeleitete und zusammengesetzte Wörter • Einfache Wörter (Simplicia) • Eine kleinere Gruppe von italienischen Simplicia ist invariabel. • Aus einer Konstituentenanalyse geht hervor, dass die Wörter mit der Wortwurzel identisch sind und somit nicht weiter segmentiert werden können. Wortbildung
Einfache, abgeleitete und zusammengesetzte Wörter • Einfache Wörter (Simplicia) • Italienische Substantive, die auf betontem Vokal enden, sind entweder durch Apokope entstanden (lat. civitatem > alttosk. cittade > it. città; lat. felicitatem > alttosk. felicitade > it. felicità) oder aber Fremdwörter exotischer Herkunft (bambù, caucciù, tabù). Wortbildung
Derivation • Bei der Derivation werden mit Hilfe von Affigierung (it. affissazione), d.h. Suffigierung (it. suffissazione: cena + -one → cenone), Präfigierung (it. prefissazione: sotto + valutare → sottovalutare) • und Parasynthese (it. parasintesi: in + grande + -ire → ingrandire) neue lexikalische Einheiten gebildet. Wortbildung
Derivate • Ein Derivat (Ableitung) ist ein Wort, das so segmentiert werden kann, dass mindestens eine der Konstituenten des Stammes ein Derivationsaffix ist. • Das Substantiv globalizzazione geht z.B. auf das von dem Adjektiv globale abgeleitete Verb globalizzare zurück und weist daher zwei Derivationsaffixe (in diesem Fall Derivationssuffixe) auf: Wortbildung
Derivate global│izz │ a │ zion │ e
Derivation • Substantiv → Substantiv • Die desubstantivische Substantivierung (S S) erfolgt durch Präfigierung, Suffigierung und Motion / Movierung (it. mozione). • Letztere ist ein Sonderfall der Suffigierung und bezieht sich auf die Ableitung weiblicher Bezeichnungen von männlichen (z.B. medico → medichessa; poeta → poetessa; elefante → elefantessa; leone → leonessa).
Schwarze (1995, 495-499) unterscheidet in Abhängigkeit von inhaltlichen Aspekten folgende Nominalpräfixe: • Lokalisierung und Richtung • anteguerra, preallarme, dopoguerra, retroterra etc. • Grad, Zahl und Größe • supermercato, minigonna etc. • Negativität • insuccesso, senzatetto, maltempo etc. Derivation
Schwarze (1995, 499-500) unterteilt die desubstantivische Substantivierung ferner in eine umkategorisierende und in eine spezifizierende Derivation. • Bei ersterer gehört das Derivat systematisch einer anderen semantischen Kategorie an als die Basis (z.B. giornale ‘Zeitung’giornalaio ‛Zeitungsverkäufer’). • Bei letzterer gehört das Derivat systematisch derselben semantischen Kategorie an wie die Basis (z.B. fiore ‘Blume’ fiorellino ‘Blümchen’). Derivation
In Bezug auf die Veränderung der semantischen Kategorie wird zwischen einem Tätigkeitsmodell und einem Modell der Gegenstandskonstitution differenziert. Derivation
Kategorien des Tätigkeitsmodells • Gegenstand der Tätigkeit Person, welche die Tätigkeit ausübt (z.B. benzinabenzinaio; giornalegiornalista) • Gegenstand der Tätigkeit Ort der Tätigkeit (z.B. bigliettobiglietteria; librolibreria) • Instrument der Tätigkeit Art der Handlung (z.B. bastonebastonata; occhioocchiata) • Person, welche die Tätigkeit ausübt Ort der Tätigkeit (z.B. rettorerettorato) • Bewertetes Lebewesen Bewertung der Handlung (z.B. porcoporcheria; fessofesseria) Derivation
Derivation • TÄTIGKEITSMODELL • Gegenstand der Tätigkeit Person, welche die Tätigkeit ausübt giornale giornalaio
Derivation • TÄTIGKEITSMODELL • Gegenstand der Tätigkeit Ort der Tätigkeit biglietto biglietteria
Derivation • Tätigkeitsmodell • Instrument der Tätigkeit Art der Handlung bastone bastonata
Derivation • TÄTIGKEITSMODELL • Person, welche die Tätigkeit ausübt Ort der Tätigkeit rettore rettorato