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Jugendverschuldung: Von der Forschung zur Praxis. Masterstudiengang Universität Fribourg 26.11.2007 Elisa Streuli. Überblick. Vorstellen des Projekts Was ist „Verschuldung“ und wie kann sie untersucht werden? Welche Ergebnisse zeigt die Untersuchung?
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Jugendverschuldung: Von der Forschung zur Praxis Masterstudiengang Universität Fribourg 26.11.2007 Elisa Streuli
Überblick • Vorstellen des Projekts • Was ist „Verschuldung“ und wie kann sie untersucht werden? • Welche Ergebnisse zeigt die Untersuchung? • Was kann daraus für die Praxis abgeleitet werden? • Diskussion • Wie beurteilen Sie die Praxisempfehlungen? • Wie stellen Sie sich zu aktuellen politischen Vorstössen? Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Untersuchung zu Geld und Verschuldung • Titel: Das Geld im Leben junger Frauen und Männer – Möglichkeiten der Verschuldungsprävention • Fragestellung/Zielsetzung: • Welche Bedeutung hat Geld für die Handlungsmöglichkeiten und die soziale Zugehörigkeit bei Jugendlichen? • In welcher sozialen Lage befinden sich Verschuldete? • Wie gelingt die Überwindung einer Schuldensituation? • Welche Empfehlungen ergeben sich für die Praxis? • Abrufbar unter: http://www.schulden-kompass.de/downloads/sk06_gesamt.pdf (S. 182-189) • Im Erscheinen:E. Streuli, O. Steiner, C. Mattes, F. Shenton: Eigenes Geld und fremdes Geld – Jugendliche zwischen finanzieller Abhängigkeit und Mündigkeit. Verlag Gesowip. Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Einführende Überlegungen: Verschuldung im Kontext der Präventionsarbeit • Ausgangslage und Handlungsbedarf • Verschuldung zwischen Glücksverheissung und Dämonisierung • Verschuldung im Vergleich mit anderen Formen des Konsums (z.B. Tabak) Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Theoretische Zugänge • Geld als Träger der individuellen Freiheit (G. Simmel) • Verschuldung als Überwindung der Ziel-Mittel-Diskrepanz (nach R.K. Merton) • Jugend als Lebensphase des Moratoriums und der Transition zugleich; im Spannungsfeld zwischen Bindung und Autonomie (K. Hurrelmann) Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Empirische Ergebnisse • Deutschland: 15-24-jährige (Lange 2004): • Verschuldet: 18%; überschuldet (Monatslohn > Gesamtschulden): 7% Konsumverhalten: 67% rational; 20% demonstrativ; 14% kompensatorisch Aber: „irrationales Konsumverhalten führt zu Verschuldung“ nicht bestätigt! • Deutschschweiz: 18-24-jährige (Streuli 2007, im Auftrag des BA für Justiz): • Verschuldet: 38%; überschuldet (Monatslohn > Gesamtschulden): 14% Verschuldungshöhe (nur Verschuldete): ¼: 5.- bis 100.-; ¼: >100.- bis <1000.-; ¼: 1000.- bis 2400.-; ¼: 2500.- und mehr Die Gläubiger sind in erster Linie die Eltern (www.bj.admin.ch/etc/medialib/data/pressemitteilung/2007/pm_2007_06_18.Par.0001.File.tmp/20070618_ber-verschuldung-d.pdf) Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Begriffsdefinition • Wann sind Jugendliche „verschuldet“ bzw. „überschuldet“? • -> „weiter“ Verschuldungsbegriff: aufgenommenes oder informell geliehenes Geld, offene und fällige Rechnungen , laufende Betreibungen • Aber: nach Höhe des Verschuldungsbetrages genau differenzieren! Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Methodisches Vorgehen (1): Quantitative Erhebung Fragebogenerhebung bei 500 Schüler/innen (16-20+ Jahre) Kanton BS • Inhalte des Fragebogens • finanzielle Situation der Jugendlichen • Identität, soziale Zugehörigkeit • Bedeutung von Geld und Umgang mit Knappheit • Werte, Normen, Einstellung zu Schulden • Soziale Herkunft und Bildung der Eltern Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Reproduktion der sozialen Lage: Bildung der Eltern und eigene Ausbildung Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Ausgabenplanung nach Schultyp Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Verschuldungshäufigkeit nach Schultyp und Geschlecht Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Verschuldungshöhe nach Schultyp: Maximum, Durchschnitt, Median Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Zusammenfassende Ergebnisse der quantitativen Erhebung • Die finanzielle Situation der Jugendlichen ist sehr unterschiedlich. Lehrlinge haben ein höheres Einkommen als Gymnasiast/innen, müssen aber auch weit mehr Ausgaben selbst bestreiten. • Die Jugendlichen gehen im Allgemeinen verantwortungsbewusst und kontrolliert mit Geld um. Insbesondere sozial weniger privilegierte Jugendliche zeigen hohe Anpassungsleistungen, um mit wenig Geld über die Runden zu kommen. • Jugendverschuldung als informelles Geld ausleihen ist verbreitet. Meistens handelt es sich jedoch um eine gelegentliche oder geringe Verschuldung. Für eine kleine Gruppe ist Verschuldung ein grosses Problem. • -> eine differenzierte Betrachtung ist wichtig: Weder pauschale Verurteilung noch Verharmlosung Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Methodisches Vorgehen (2) : Qualitative Erhebung 20 biografische, leitfadengestützte Interviews Rekrutierung: aus quantitativem Sample und aus sozialen Institutionen: Nicht-Verschuldete / aktuell Verschuldete / ehemals Verschuldete Erhebung: Ähnlichkeit von Interviewer/in und interviewter Person (falls möglich bzgl. Geschlecht, Alter, Nationalität, nach P. Bourdieu) Auswertung: Inhaltsanalytisch Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Bsp. „Princess“ (Pharmaassistentin in Ausbildung, 20-j.) • Wenn ich meine Lehre mache – ich will dieses Geld ausgeben, ich will es einfach geniessen, diese Zeit; Lehre, Schule. (...) Mit 20 heisst es: Hey, du bist jetzt schon erwachsen. Ich will wie – noch nicht. Es hat mich noch nicht gepackt, das Erwachsensein. • Im M(...) ging eine neue Boutique auf. Die behandeln dich unglaublich, wenn du hineinkommst, wie ein Star, (...) dann sagen sie, ah, du bist wieder da, ja, ich habe grad was für dich. Dann fühlt man sich – also das Ego wird ziemlich gesteigert. Man fühlt sich dann blöd, wenn man nichts kauft. • Ich meine, da kann man sagen, was man will, Geld macht glücklich. Es ist nicht alles, aber es macht glücklich. Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Bsp. „Max“ (Temporärarbeiter, 21-j.) • Ich hätte Hilfe bekommen, aber ich wollte sie nicht annehmen. Ich war wie in einem Käfig, in welchen ich einfach niemanden hineinlassen wollte. • Dann, irgendeines Tages, bin ich auf die Schuldenberatungsstelle aufmerksam geworden. Habe dort wirklich Termine wahrgenommen. Zwei, drei Mal habe ich verschoben. Aber ich ging dann wirklich. Und ich habe vieles gemacht und sehr viel gelernt. • Geld? Ich muss einfach leben können. Essen haben. Meine Rechnungen bezahlen können, vor allem auf meinen eigenen Beinen stehen können. Nicht von andern abhängig sein. Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Zusammenfassende Ergebnisse (1) • Der Umgang mit Finanzen ist für Jugendliche eine Entwicklungs-aufgabe im Übergang von der elterlichen Abhängigkeit zur allmählichen finanziellen Selbständigkeit. • Paradoxerweise muss gerade jene Gruppe diese Aufgabe biographisch am frühesten bewältigen, welche die geringsten finanziellen und sozialen Ressourcen hat. Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Zusammenfassende Ergebnisse (2) • Verschuldung ist kein problematisches Massenphänomen der Jugendphase. • Eine anteilsmässig geringe, jedoch besonders gefährdete Gruppe zeigt einen problematischen Umgang mit Geld und eine hohe Verschuldung. Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli
Ursachen und Überwindung problematischer Verschuldungssituationen Institut Kinder und Jugendhilfe Elisa Streuli