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Vortrag am 27.02.2008 bei der Schader-Stiftung in Frankfurt

Erziehung zwischen zwei Welten - Spannungen und Ressourcen PD Dr. Haci-Halil Uslucan Universität Potsdam; Institut für Psychologie Kontakt: uslucan@uni-potsdam.de. Vortrag am 27.02.2008 bei der Schader-Stiftung in Frankfurt. Vortragsprogramm.

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Vortrag am 27.02.2008 bei der Schader-Stiftung in Frankfurt

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Presentation Transcript


  1. Erziehung zwischen zwei Welten -Spannungen und RessourcenPD Dr. Haci-Halil UslucanUniversität Potsdam; Institut für PsychologieKontakt: uslucan@uni-potsdam.de Vortrag am 27.02.2008 bei der Schader-Stiftung in Frankfurt

  2. Vortragsprogramm • Einführung: Zusammenleben mit Migranten – Ein Kulturkonflikt? • Religiöse Erziehung = Integrationshemmnis? • Ergebnisse eigener empirischen Studien zu Erziehung im interkulturellen Kontext • Fördermöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund

  3. Unsere Wahrnehmung des Fremden/der Fremden Bitte lesen Sie den folgenden Text zeilenweise von links nach rechts. Lesen Sie so schnell wie möglich und ohne Notizen zu machen. Gmeäss eienr Stduie von eienr elgnihscen Unveirtsiät mahct es nihcts aus, in weclher Rihenefgole die Bhcusbaten in eniem Wrot agnoerdent snid, das enizig wigitche ist, dass der estre und lztete Bhcusbate am rchitiegn Paltz snid. Der Rset knan ein vllöiegs Druhecniadenr sein, man knan es imemr ncoh perlolmobs leesn. Deis pasesirt, weil wir nchit jeedn Bchutsaben ezinlenn, sndoren das gnzae Wort lseen. Nciht sheclhct, oedr?

  4. Kulturkonflikte • Entgegengesetzte Einflüsse von Familie einerseits und Einflüsse des Aufnahmelandes • Identitätsprobleme bei Jugendlichen • Psychosomatische Beschwerden bei Erwachsenen

  5. Probleme des Kulturkonflikt-Ansatzes • Ursachenzuschreibung einseitig auf den Kulturwechsel • Kulturwechsel reduktionistisch als Entwicklungseinschränkung • Fokussierung auf einseitige Bereicherung der Einheimischen bzw. einseitiger Verlust der Migranten • Unterstellte Homogenität der Mehrheits- wie der Minderheitskultur • Kultur als unausweichlich präskriptiv: Unterschlagung der Widerstands- und Eigenmächtigkeitspotenziale der Subjekte

  6. Funktion der Religion Handlungen einen Sinn verleihen; sinnlose Zusammenhänge deuten. Schutz- und Orientierungsfunktion Integration in die Gesellschaft Kompensation erfahrener Rückweisung

  7. Sackmann: Türkische Muslime in Deutschland – Zur Bedeutung der Religion 1/3 der befragten Muslime: Keine Religionsbindung; Religion kein Integrationshindernis. Für einen großen Teil: Religion selbstverständlicher Teil des Lebens, ohne aber Hauptbezugspunkt des Lebens zu sein Für etwa 10%: Religion ein starkes Abgrenzungskriterium; eher integrationshemmend Integrationshemmend insbesondere dann, wenn Religiosität eher traditionale (keine individualisierende) Züge trägt und religiös orientierte Lebensführung zentral ist.

  8. Erziehung in islamischen Familien II. Religiöse Erziehung = Integrationshemmnis? Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: religiöse Sozialisation in den islamischen Ländern: vom Kontext unterstützt und z. T. unreflektiert als eine Alltagsgewissheit übernommen Koedukation durch das soziale Umfeld In der Migrationssituation fehlt der bestätigende und unterstützende Kontext: gezielte islamische Erziehung erforderlich Schiffauer (1991): „Islamisierung des Selbst“, Reflexivierung des Islam

  9. Erziehung in islamischen Familien Inhalte islamischer Erziehung: einfache Frömmigkeit: Ziel: Nachkommen in die elementaren Inhalte islamischen Lebens unterweisen (z.B. die fünf Säulen des Islam) und Rituale wie Gebetsuren, Waschungen lehren, aber auch die Unterscheidungen zwischen dem, was „rein“ und „unrein“ ist, zu kennen.

  10. Erziehung in islamischen Familien Inhalte islamischer Erziehung: Das andere Extrem: fundamentalistische Positionen: in den koranischen Inhalten sämtliches Wissen vorgeformt und kryptisch vorformuliert; deshalb gegen eine (natur-) wissenschaftliche kognitive Bildung.

  11. Erziehung in islamischen Familien Orientierung ausschließlich an koranischer Offenbarung: in erster Linie an der Tradition fixiert; keine Anweisung für die Lösung moderner Alltagsprobleme, überlässt den Einzelnen hilflos der Gegenwart, die er dann nicht bewältigen kann. rigide Fixierung auf klare erzieherische Leitsätze, die aus dem Koran abgeleitet werden: Ausdruck massiver Verunsicherung muslimischer Eltern; Ziel: Klarheit und Orientierung, jedoch vielfach nicht zeitgemäß (bspw. Orientierung an Gehorsam).

  12. Erziehung in islamischen Familien Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Pädagogisch bedenklich: autoritärer Unterrichtsstil und die Fixierung auf Disziplin in diesen Einrichtungen (Vgl. Aslan, 1996), keine „Pädagogik vom Kinde“ aus; Personal verfügt kaum über pädagogische und didaktische Fähigkeiten (Vgl. auch Marschke, 2003).

  13. Erziehung in islamischen Familien • Religion als Integrationshemmnis: • Antiintegrative Folgen dann: • strukturelle Barrieren und eine geringe Akzeptanz von muslimische Migranten seitens der Mehrheitsbevölkerung, • andererseits: • Moscheen bzw. muslimische Vereine und Verbände - als Reaktion darauf oder auch proaktiv-, islamzentrierte Überlegenheitsgefühle produzieren, Differenzen verstärken oder bewusst zur Kontaktmeidung mit „Heiden“ oder Christen aufrufen und eine Selbstgenügsamkeit der Muslime suggerieren.

  14. Erziehung in islamischen Familien Religion als Integrationshemmnis: Wirkung religiöser Sozialisation: Angstbesetzte religiöse Sozialisation (Gott als strafende Instanz): bei sensiblen Personen Bruch mit der Religion; keine Festigung der religiösen Identität, sondern eher kontraproduktive Effekte Belegt: ein autoritär-strenges Erzieherverhalten: an Strafe orientiertes Erzieherverhalten führt nicht zur Bildung von disziplinierten Persönlichkeiten, sondern kann Kinder zur Disziplinlosigkeit, Widerstand, Aggression und Gewalt sowie zu passiver Unterwerfung führen (Vgl. Hurrelmann, 1994).

  15. Erziehung in islamischen Familien Religion als Integrationshemmnis: Wirkung religiöser Sozialisation: Dagegen: Vermittlung eines Gottesbildes, bei dem Gott als eine schützende, bergende und bedingungslos liebende Macht wahrgenommen wird, selbstwertstabilisierend für Kinder sein (Grom, 1982).

  16. Erziehung im interkulturellen Kontext Kinder brauchen Liebe

  17. Veränderte Rahmenbedingungen familiärer Erziehung • 1. Struktureller Wandel der Haushaltsformen • 2. Prekäre Bedingungen innerfamilialer Beziehungs- gestaltung • 3. Veränderte Wert- und Erziehungsmuster

  18. 3. Veränderte Wert- und Erziehungsmuster 1950er -1970er Jahre • Gehorsam • Ehrlichkeit • Ordnung • Hilfsbereitschaft • Verträglichkeit • gute Manieren • Fehlen von Opposition ab den 1980er Jahren • Selbständigkeit • Selbstbewusstsein • Selbstverantwortlichkeit • Kritikfähigkeit • Zuverlässigkeit • Hilfsbereitschaft

  19. Erziehung im interkulturellen Kontext Rangreihe der Erziehungsziele türkischer Eltern (Scherberger, 1999)

  20. Rangreihe der Erziehungsziele deutscher Eltern (Scherberger, 1999) Erziehung im interkulturellen Kontext

  21. Erziehung und Sozialisation türkischer Kinder Value of Children (VOC) • Psychologische Wertigkeit von Kindern • Ökonomische Wertigkeit von Kindern

  22. Elterliche Erziehungsmuster Autoritativer Erziehungsstil • Autoritärer Erziehungsstil Nachgiebiger Erziehungsstil „Laisser-faire“ Ablehnend-vernachlässigender Erziehungsstil Emotionale Unterstützung/Wärme _ + + Anforderung/Kontrolle _ (Typologie vom Maccoby & Martin, 1983; in Anlehnung an Baumrind, 1983)

  23. Entwicklungsfolgen für Kinder Kinder ... zeigen Kognitive Selbstwirk- Prosoziales Problem- Kompetenz samkeit verhalten verhalten vernachlässigender Eltern nachgiebiger Eltern autoritärer Eltern autoritativer Eltern höchstes dritthöchste zweithöchste niedrigstes niedrigste mittlere mittlere höchste niedrigste mittlere mittlere höchste niedrigstes mittleres mittleres höchstes Quelle: Baumrind, D. (1989). Rearing competent children. In W. Damon (Ed.), Child development today and tommorrow (pp. 349-378). San Francisco: Jossey-Bass.

  24. Erziehungs- und Entwicklungskontexte in Familien mit MigrationshintergrundEigene empirische Studie: • Elterlicher Erziehungsstil bedeutsamer Prädiktor für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. • Kultureller Kontext wesentliche Determinante erzieherischer Erwartungen und Haltungen (Darling & Steinberg, 1993). • Hohe Anomieerfahrungen türkischer Migranten: Deutsche Gesellschaft vielfach als ungeordnet, und das soziale Leben als diffus und undurchsichtig erlebt (Uslucan, 2005.) • Diese Verunsicherungen haben Auswirkungen auf die Erziehung und Sozialisation von Migrantenkinder und -jugendliche.

  25. Theoretischer Hintergrund • Familien türkischer Herkunft in der Aufnahmegesellschaft: häufig stärker behütender und kontrollierender Erziehungsstil als deutsche Familien und auch Familien in der Türkei (Nauck, 1990). • Mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine eher an Deutschen orientierte Autonomiebestrebung Jugendlicher • Konflikte gegenüber den stärker kollektivistischen Orientierungen der Familie.

  26. Theoretischer Hintergrund • Intensivere Akkulturation der Kinder • Wahrgenommene Entfernung von den Werten der Herkunftskultur • Spannungen im erzieherischen Kontext. • Verstärkte Disziplinierung der Kinder und der Erinnerung an eigenkulturelle Verhaltensweisen.

  27. Fragestellungen • Welche Unterschiede lassen sich im konkreten Erziehungsverhalten türkischer und deutscher Eltern identifizieren? • Welche Unterschiede zeigen sich bei türkischen und deutschen Jugendlichen in der Erfahrung des elterlichen Erziehungsverhaltens?

  28. Stichprobenkennzeichnung: Schüler

  29. Stichprobenkennzeichnung: Eltern

  30. Aufenthaltsdauer türkischer Eltern in Deutschland (Angaben in Jahren bis zum Zeitpunkt der Befragung im Sommer 2003)

  31. Stichprobenkennzeichnung: Bildungshintergrund der Eltern

  32. Ergebnisse

  33. Ergebnisse

  34. Akkulturationsorientierungen: Mittelwerte

  35. Ergebnisse

  36. Ergebnisse

  37. IV. Ressourcen und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund • Sichere Mutter-Kind Bindung eine bedeutsame Entwicklungsressource. • In Schulkontexten (Migranten-)Jugendliche noch stärker in verantwortungsvolle Positionen – ungeachtet möglicherweise geringerer sprachlicher Kompetenzen – einbinden • Schulprojekte wie „Großer Bruder“, „Große Schwester“, (Buddy-Projekte) • positives Schulklima; gute Beziehung zum Lehrer, den die Schüler als an ihnen interessiert und sie herausfordernd wahrnehmen

  38. Resilienzförderung bei Kindern und -Jugendlichen • Individuelle Bezugsnorm statt soziale Bezugsnorm zur Lernmotivation einsetzen • Erfahrungen mit Tutorensystemen in der Lehr-Lern-Forschung einsetzen • stärker handlungsorientierte Formen des Unterrichts (nicht nur Frontalunterricht) praktizieren, in denen Jugendliche partizipieren können;Schule nicht nur als Ort des Versagens und Ohnmachtserfahrungen

  39. Resilienzförderung bei Kindern und -Jugendlichen • symbolische Kapital von Kindern mit Migrationshintergrund nutzen • Religiöse Überzeugungen im Leben von Risikokindern (in diesem speziellen Fall von Migrantenkindern) als ein Schutzfaktor zu betrachten

  40. Generelles Problem: Dilemma: Vermeidung von Stereotypisierungen führt zu Differenzblindheit, wenn etwa Lehrer aus einem trivialen Universalismus heraus meinen: „Ich nehme jeden so, wie er ist. Ich mache keinen Unterschied. Kinder sind Kinder.“ Denn nicht alle Kinder starten mit gleichen Ausgangschancen ihre Schullaufbahn.

  41. Folgende problematische Charakteristika (Auernheimer, 2006): • Fixierung auf fremde „Mentalitäten“ oder „Sitten“: kulturdeterministisches Weltbild • generalisierte Erklärungen für fremdartiges Verhalten • pauschaler Fundamentalismusverdacht (bei Schülerinnen mit Kopftuch Verdacht auf patriarchale und von Zwang geprägte Familienstrukturen) • Infantilisierung von Migranteneltern; Paternalismus, Mitleid (Einschätzung nichtdeutscher Eltern als defizitär, rückständig und unmündig)

  42. Folgende problematische Charakteristika (Auernheimer, 2006) : • Barsche Forderung nach Assimilation („Es ist durchaus notwendig, dass man diesen Eltern mal ganz rabiat bewusst macht, rabiat in Anführungszeichen, was ich von ihnen erwarte, was sie gefälligst zu tun haben und was ihre Pflicht ist“ (Marburger, 1997) • folgenlose bzw. ausgrenzende „Toleranz“; Anerkennen, dass Migranteneltern andere Erwartungen und Wünsche haben, aber keine Bereitschaft, in irgendeiner Weise diese Wünsche in Erfüllung zu bringen. • Tendenz zu zivilisatorischer Mission • keine Infragestellung eigener Wahrnehmungs- oder Bewertungsmuster • kein Eingeständnis eigenen Befremdens

  43. Andere Wahrnehmungen…

  44. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!Und nun Schluss, sonst... Kontakt: uslucan@uni-potsdam.de

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