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Erziehung zur Unmündigkeit – Verantwortung von Staat und Jugendhilfe für zunehmenden Kompetenzverlust von Familien –. Fachtag Jugendhilfe des CJD Region West 2013 M.A. Georg Becker. Alltagsweltliche Erfahrungen im Jugendamt. Beispielfall Jaqueline ...
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Erziehung zur Unmündigkeit – Verantwortung von Staat und Jugendhilfe für zunehmenden Kompetenzverlust von Familien – Fachtag Jugendhilfe des CJD Region West 2013 M.A. Georg Becker
Alltagsweltliche Erfahrungen im Jugendamt • Beispielfall Jaqueline ... • Auf viele andere Fälle übertragbare Erkenntnisse: • 1. Überforderte, hilflose Eltern, bei denen Fähigkeit zur Veränderung ihrer Situation fehlt (mangelndes Verständnis, fehlende Anstrengungsbereitschaft, etc.) • 2. Mit Zeitpunkt der Unterbringung Elternarbeit nachrangig (ohne fachliche Wertung) • 3. Weder Konzept ambulant noch Konzept stationär hat Perspektive maßgeblich verändert • Doch worauf sind diese häufigen Erfahrungen zurückzuführen?
Hypothesen • Je intensiver Staat und Jugendhilfe Verantwortung übernehmen, desto weniger sind Familien gefordert, eigene Lösungsansätze zu entwickeln. • Wird u. A. deutlich an der Vielfalt erzieherischer Hilfen mit dem Fokus Kind • Interventionszeitpunkt der Jugendhilfe beginnt zunehmend früher – Hervorzuheben sind hierbei die Entwicklungen der letzten Jahre im Kontext interventiv ausgerichteter Strategien der Jugendämter – Erfahrungsräume schrumpfen • Prognose: Erziehungskompetenz nimmt weiter ab, wenn diese Entwicklung nicht grundsätzlich aufgefangen wird
Zur Begrifflichkeit Erziehungskompetenz • „Erziehungskompetenz umfasst die Fähigkeit und Fertigkeit, die kognitive, emotionale, soziale und körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern und zu unterstützen. Erziehende begegnen Heranwachsenden mit Wertschätzung, fördern ihre Eigenständigkeit und soziale Verantwortung. Sie können ihre Haltungen, das eigene Handeln und die Wechselwirkung von eigenem Verhalten und demjenigen der Heranwachsenden reflektieren. Sie sind in der Lage, neues Verhalten, angepasst an die Entwicklungsphase des Kindes, zu erlernen und im Alltag anzuwenden. Sie pflegen Netzwerke, die sie in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützen.“ (Quelle: Schweizerischer Bund für Elternbildung, Juni 2009)
Zusammengefasst: Kompetent ist, wer … • Körperliche, kognitive, emotionale und soziale Entwicklung seiner Kinder fördert • Ihnen mit Wertschätzung gegenübertritt • Eigenständigkeit und soziale Verantwortung sowie Reflexionsfähigkeit fördert • Sein Verhalten den Bedürfnissen der Kinder in ihren Entwicklungsphasen anpasst • Netzwerke pflegt, die bei erzieherischen Aufgaben unterstützen
Betrachtung des Verlustes von Erziehungskompetenz auf 4 Ebenen • 1. Ebene der Demographie – Entwicklung familiärer Strukturen, Strukturen im Wandel • 2. Ebene rechtlicher und struktureller Entwicklungen – Konsequente Verantwortungsübernahme von Staat und Jugendhilfe • 3. Ebene der Rolle – Bildung von Erziehungskompetenz vs. Vereinbarkeit von Familie und Beruf • 4. Ebene der Werte – Werteverfall und die Konsequenzen
1. Demographische Entwicklung- Familienstrukturen im Wandel - • Individualisierungsthese (Strohmeier/Peukert 1993): Zunehmende Unabhängigkeit des individuellen Lebenslaufes von Instanzen, wie z.B. Geburt des ersten Kindes, Eheschließung, etc.; Folgen: • Rollenselbstverständnis lässt nach Traditionelle Pflicht und Akzeptanzwerte gehen in der Erziehung verloren (z.B. Ordnung, Leistung, Pflichterfüllung) – Folge ist Kompetenzverlust • Es fehlen Vorbilder! • Verlust von Sicherheit bietenden Normen • Probleme bei Entscheidungs- und Identitätsfindung • „Familien sind heutzutage brüchiger und unsicherer geworden“ (Prof. Beatrice Hungerland, HS Magdeburg, 2008)
2. Konsequente Übernahme von (Erziehungs-)Verantwortungdurch Staat und Jugendhilfe • Rigoroser Ausbau von Betreuungsangeboten – gibt es noch eine Entscheidungsfreiheit? Entwicklungspsychologische Erkenntnisse vs. Vereinbarkeit von Familie und Beruf • Ausbau von Geldleistungen auf allen Ebenen • Öffentliche Jugendhilfe als „Verantwortungsgarant“ (Wenn kein anderer dann auf jeden fall wir!) • Entwicklungen im Kinderschutz seit 2005 – „Mogelpackung“ Bundeskinderschutzgesetz ? (Frühere Eingriffszeitpunkte) • Wie war das gleich mit der UTdatVo? • Wachsende Allzuständigkeit der Jugendhilfe – Wir finden für jedes Problem eine Lösung! Auch für die Inklusion … • Kompetentes Handeln der Eltern wird durch staatliches Handeln ersetzt; Folge: Kompetenzverlust-Fähigkeiten werden erst gar nicht gelernt
3. Bildung von Erziehungskompetenz vs. Vereinbarkeit von Familie und Beruf • Grundlegende Frage: Existiert überhaupt noch eine Wahl, sich gegen den aktuellen Trend zu entscheiden? • Stress und Konflikte durch Rollenkonfusion schädlich für Erziehungskompetenz – Familie +Beruf = Stress (Hartung, D. 2011) • Ambivalente politische Signale (z.B. Betreuungsgeld vs. KITA-Ausbau) • Schell Jugendstudie 2010 • Nur noch 20 % der jungen Frauen orientieren sich an traditionellen Rollenbildern • Bei den Männern bauen jedoch immer noch 60 % auf ihre Rolle als „Versorger“ • Frage: Wer stellt sich dann der Herausforderung, erziehungskompetent zu werden? Wer fühlt sich verantwortlich? • Was können außerfamiliäre Betreuungsstrukturen ggf. auch nicht ersetzen?
4. Werteverfall und die Konsequenzen für die Erziehungshilfe • Kein Werteverfall aber wohl ein Wertewandel! • „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.(Sokrates)“ • Ingelhart 1977, „Silence Revolution“ – Wertewandel in der Erziehung als Abwendung von materiellen zu postmaterialen Werten „… Mentalitätswandel von einem norm-orientierten zu einem ich-orientierten Weltverständnis“ (vgl. Gudjons, 1999)
Was kann getan werden, um Entwicklung entgegen zu wirken ? • Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der Jugendhilfe • Familien wieder deutlich mehr in die Verantwortung für ihr Handeln nehmen – erhoffte Folge Kompetenzzuwachs • Veränderung im fachlichen Selbstverständnis • Neue Konzepte auf Grundlage humanwissenschaftlicher, neurobiologische und Verhaltenstherapeutischer Grundlagen Zwei entscheidende Ebenen: • 1. Weg vom Helfer hin zum Trainer • 2. Weg von der Hilfe hin zum Training • Trainingsansätze für Familien müssen stärker in den Fokus der Jugendhilfe (z.B. Workspace Triple P – „Begleittraining“ zu Vereinbarkeit Familie/Beruf, Kluge´s Familientraining, usw.) • Mehr Prävention als Hoffnungsschimmer für eine frühzeitigere Förderung
Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen. (Chinesisches Sprichwort)