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Einführung in die Literaturwissenschaft

Einführung in die Literaturwissenschaft. Klausurtermin. Erster Termin: 1.2.2010, 16-18h im Audimax Termin der Wiederholungsklausur: 1.3.2010, 16-18h (Ort wird noch bekanntgegeben). Themenübersicht. Literarizität : Was unterscheidet literarische Texte von anderen sprachlichen Äußerungen?

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Einführung in die Literaturwissenschaft

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Presentation Transcript


  1. Einführung in die Literaturwissenschaft

  2. Klausurtermin Erster Termin: 1.2.2010, 16-18h im Audimax Termin der Wiederholungsklausur: 1.3.2010, 16-18h (Ort wird noch bekanntgegeben)

  3. Themenübersicht • Literarizität: Was unterscheidet literarische Texte von anderen sprachlichen Äußerungen? • Zeichen und Referenz: Wie stellen literarische Texte den Bezug sprachlicher Äußerungen auf ›Wirklichkeit‹ dar? • Rhetorik: Was sind ›sprachliche Mittel‹? • Narration: Wie entstehen Geschichten? • Autorschaft und sprachliches Handeln: Wie greift Schreiben in Wirklichkeit ein? • Intertextualität und Intermedialität: Wie beziehen sich literarische Texte auf andere Texte / andere Medien?

  4. »Ego-Pluralität« Foucault: »Was ist ein Autor?«, S. 22f.: »Es ist bekannt, daß in einem Roman, der so aussieht wie der Bericht eines Erzählers, das Personalpronomen in der ersten Person, das Präsens Indikativ, die Zeichen für die Ortsbestimmung nie genau auf einen Schriftsteller verweisen, weder auf den Augenblick, in dem er schreibt, noch auf die Schreibgeste; sondern auf ein alter ego, dessen Distanz zum Schriftsteller verschieden groß sein und im selben Werk auch variieren kann. Es wäre also ebenso falsch, wollte man den Autor beim wirklichen Schriftsteller oder auch beim fiktionalen Sprecher suchen; die Funktion Autor vollzieht sich gerade in diesem Bruch – in dieser Trennung und dieser Distanz. […] Alle Diskurse mit der Funktion Autor haben diese Ego-Pluralität. […] Die Funktion Autor wird nicht durch eines dieser Egos […] gewährleistet auf Kosten der […] anderen, die dann ja nichts weiter wären als dessen fiktive Verdoppelung. Im Gegenteil muß gesagt werden, daß in solchen Diskursen die Funktion Autor die Zersplitterung dieser […] simultanen Egos bewirkt.«

  5. Die Karnevalisierung der Literatur Für den ›Unernst‹ der Literatur (Austin), der die Literatur der gewöhnlichen Handlungszusammenhänge sprachlicher Äußerungen entkleidet, hat Michail Bachtin den Begriff des Karnevalesken vorgeschlagen. Es ist ein Grundzug des Karnevals, daß er sich alltäglichen Handlungsbezügen entgegensetzt. Mit dem Eingang karnevalesker Elemente in die Literatur wird, so Bachtin, das Lachen zurückgenommen, reduziert. Aber die fröhliche Relativierung durchzieht die Literatur als ein Grundprinzip. Insbesondere die Position des Autors wird davon berührt: »Die entscheidende Ausprägung erhält das reduzierte Lachen in der Stellung des Autors. Diese Position schließt jede einseitige dogmatische Ernsthaftigkeit aus, läßt nicht zu, daß sich ein einzelner Standpunkt, ein einzelner Pol des Lebens und Denkens absolut setzt. Der einseitige Ernst (des Lebens wie des Denkens), das einseitige Pathos geht voll und ganz auf die Helden über. Der Autor jedoch, der alle Helden im ›großen Dialog‹ des Romans aufeinander stoßen läßt, läßt diesen Dialog offen, setzt keinen Schlußpunkt.«

  6. Das dialogische Prinzip »Das Wort ist kein Ding, sondern das ewig bewegte, sich ewig verändernde Medium des dialogischen Umgangs. Ein einzelnes Bewußtsein, eine einzelne Stimme ist ihm niemals genug. Das Leben des Wortes besteht im Übergang von Mund zu Mund, von Kontext zu Kontext, von Kollektiv zu Kollektiv, von Generation zu Generation. Dabei bleibt das Wort seines Weges eingedenk. Es vermag sich nicht restlos aus der Gewalt jener Kontexte zu lösen, in die es einst einging. Jedes Mitglied eines Sprechkollektivs […] empfängt das Wort von einer fremden Stimme, angefüllt mit dieser fremden Stimme. In seinen Kontext kommt das Wort aus einem anderen Kontext, durchwirkt von fremden Sinngebungen.« (Bachtin, S. 129f.)

  7. Julia Kristeva: Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman (1967) Die Philosophin und Psychoanalytikerin Julia Kristeva hat Bachtins Prinzip des Dialogischen bzw. der Dialogizität umformuliert als ein Prinzip des Schreiben-Lesens: »[D]as ›literarische Wort‹ [ist] nicht ein Punkt (ein feststehender Sinn) [...], sondern eine Überlagerung von Text-Ebenen, ein Dialog verschiedener Schreibweisen: der des Schriftstellers, der des Adressaten [...], der des gegenwärtigen oder vorangegangenen Kontextes. [...] Bachtin [stellt] den Text in die Geschichte und die Gesellschaft, welche wiederum als Texte angesehen werden, die der Schriftsteller liest, in die er sich einfügt, wenn er schreibt […] [:] durch ein Schreiben-Lesen (une écriture-lecture)«.

  8. »Schreiben-Lesen« Kristevas Begriff des Schreiben-Lesens ist doppeldeutig. • Einerseits wird damit hervorgehoben, daß literarische Texte als ein Prozeß des Schreibens aufgefaßt werden können, durch den vorangegangene Texte gelesen werden. Schreiben und Lesen bilden hier eine Einheit: Gemeint ist nicht, daß ein Text sich einen früheren Text zum Gegenstand macht (dies wäre nur das, was Bachtin unter einem ›objekthaften Wort‹ versteht). Vielmehr geht es darum, daß eine sprachliche Äußerung aus einem früheren Kontext in die eigene Äußerung einwandert und dort einen veränderten Sinn erhält. • Andererseits meint die Einheit von Schreiben und Lesen, daß Texte als Prozeß des Schreibens keine geschlossene Struktur bilden, sondern daß das Lesen an den Texten mitarbeitet. Wenn wir zum Beispiel den Versuch unternehmen, Panizzas Text als den eines Dichters zu lesen, dann arbeitet unsere Lektüre gewissermaßen an diesem Text mit.

  9. Intertextualität In diesem Schreiben-Lesen geht es, so argumentiert Kristeva, nicht einfach nur um eine Beziehung zwischen verschiedenen Subjektinstanzen (Intersubjektivität). Es handelt sich vielmehr um ein Verhältnis zwischen Texten. Dafür schlägt sie den Begriff der »Intertextualität«vor: »[J]eder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf,jeder Text ist Absorption und Transformation eines anderen Textes. An die Stelle des Begriffs der Intersubjektivität tritt der Begriff der Intertextualität, und die poetische Sprache läßt sich zumindest als eine doppelte lesen.«

  10. Wie beziehen sich literarische Texte auf andere Texte? Die Beziehung literarischer Texte auf andere Texte ist nicht rein äußerlich. Das heißt sie stellt sich nicht in erster Linie als eine Text/Kontext-Beziehung dar, denn literarische Texte erweisen sich ja gerade als dekontextualisiert. Im Vergleich zu anderen sprachlichen Äußerungen erscheinen sie als herausgerissen aus Handlungszusammenhängen. ›Intertextualität‹ ist paradoxerweise ein Phänomen, das literarischen Texten innewohnt. Bachtin beobachtet dies als eine Karnevalisierung der Literatur. Dies bedeutet: Eine Vielfalt von Instanzen kommt in einem Text zu Wort – man denke an das Stimmengewirr in Raskolnikows Traum. Diese Vielfalt läßt sich nicht auf einen Nenner bringen, etwa den einer ›Autorintention‹. Es geht darum, diese verschiedenen Instanzen und Texte in dem Verhältnis zu bestimmen, das sie in einem literarischen Text zueinander einnehmen.

  11. Wie beziehen sich literarische Texte auf andere Medien? Analog zum Begriff der ›Intertextualität‹, der aus den sechziger Jahren des 20. Jh. stammt, hat man in den Literatur- und Kulturwissenschaften seit den Neunzigern den Begriff der ›Intermedialität‹ diskutiert. Mit dem Begriff ›Intermedialität‹ sind zunächst all jene Beziehungen gemeint, die zwischen verschiedenen Medien bestehen oder hergestellt werden. Dabei ist zu bedenken, daß Literatur nicht einfach in dem Sinne ein Medium ist, wie etwa Buch, Zeitung, Film etc. als Medium verstanden werden. Literarische Texte können vielmehr eine Serie verschiedener Medien durchlaufen. Ein Roman kann z. B. als Buch veröffentlicht werden, als Fortsetzungsroman in einer Zeitung erscheinen, er kann verfilmt, als Hörbuch realisiert, auf die Bühne gebracht werden usw. Jede dieser verschiedenen medialen Rahmungen verändert den Text. Wie sich Intertextualität als eine dem Text innewohnende Vielstimmigkeit begreifen läßt, so kann man ›Intermedialität‹ als eine Vielfalt medialer Rahmungen begreifen, die den Text durchzieht.

  12. E. L. Masters’ »Spoon River Anthology« als Beispiel für Intermedialität Photograph Penniwit Ich verlor meine Kundschaft in Spoon River, Weil ich der Kamera meinen Geist aufzwingen wollte, Um die Seele meiner Modelle einzufangen. Das beste Bild, das ich jemals gemacht habe, War das des Rechtsanwalts Somers. Er saß sehr aufrecht da und bat mich zu warten, Bis er aufgehört habe zu schielen. Und als er soweit war, sagte er: »Jetzt!« Und ich rief: »Die Klage wird abgewiesen!« Darauf verdrehte er wieder die Augen, Und ich kriegte ihn so, wie er immer aussah, Wenn er sagte: »Ich erhebe Einspruch!«

  13. Gedicht und Schnappschuß Das Gedicht »Photograph Penniwit« handelt vom Jetzt! der Auslösung der Kamera. Die exemplarische Erzählung von der besten Photographie faßt das ganze Leben Penniwits gleichsam in einer Momentaufnahme zusammen. Dabei werden zugleich konkurrierende Meinungen darüber kenntlich, wie das Medium Photographie zu nutzen und was als das ›beste Bild‹ zu betrachten ist. Der Rechtsanwalt will das Medium zur Selbstinszenierung nutzen. Für ihn ist der geeignetste Moment der Auslösung derjenige, in dem es ihm am besten gelingt, vorteilhaft zu posieren. Für Penniwit dagegen ist der geeignetste Moment der Auslösung dann gegeben, wenn sich gewissermaßen unwillkürlich die Wirklichkeit zeigt. Beiden Stimmen ist gemeinsam, daß sie sich den Gesetzen des Mediums ›Photographie‹ unterwerfen: der dauerhaften Fixierung einer augenblicklichen Ansicht im Bruchteil einer Sekunde.

  14. Friedrich Nietzsche: Malling-Hansen-Gedicht (1882)

  15. Nietzsches Schreibkugel »Malling-Hansen«

  16. Rainald Goetz: »Abfall für Alle« (Online-Tagebuch 1998/99) »Zum ersten Mal also war ich unter meiner Adresse auf meiner Abfall Seite. Eine Korrektur, die gleich wieder mißlang. Korrektur der Korrektur. Zitternd sitze ich vor dem Gerät und warte, wie DAS NETZ reagiert auf das, was ich tue. Laden, annehmen, zurückweisen, mißverstehen, wieder ausspucken, ewig warten lassen und dann plötzlich doch auch mal ausführen, was ich eingebe, worum ich bitte. Geheimnisvolle Instanz. Wie der liebe Gott eben.«

  17. Vier Beziehungen zwischen Literatur und Medien • Entstehungsbedingungen: Medien prägen die ›Schreibszenen‹, in denen literarische Texte entsteht (Beispiel: Nietzsche) • Thematisierungen: Literarische Texte handeln von Medien (Beispiel: Nietzsche, Masters) • Schreibweisen: Literarische Texte handeln wie Medien oder setzen sich in der Art und Weise ihrer sprachlichen Äußerung mit Medien auseinander (Beispiel: Masters) • Verbreitungswege: Durch Medien werden literarische Texte ›transportiert‹ (Beispiel: Goetz)

  18. Marshall McLuhan: »The Medium is the message« In seinem Buch »Understanding Media« (1964) hat Marshall McLuhan die folgende These aufgestellt: Die Bedeutung von Medien wird nicht durch ›Inhalte‹ bestimmt, die durch sie übermittelt werden. Vielmehr sind es die Strukturen der Medien selbst – die neuen Möglichkeiten, die sie innerhalb einer Kultur eröffnen –, die ihre eigentliche ›Botschaft‹ ausmachen. »[D]ie Botschaft jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt. Die Eisenbahn hat der menschlichen Gesellschaft nicht Bewegung, Transport oder das Rad oder die Straße gebracht, sondern das Ausmaß früherer menschlicher Funktionen vergrößert und beschleunigt und damit vollkommen neue Arten von Städten und neue Arten der Arbeit und Freizeit geschaffen. Und das traf zu, ob nun die Eisenbahn in einer tropischen oder nördlichen Umgebung fuhr, und ist völlig unabhängig von der Fracht oder dem Inhalt des Mediums Eisenbahn.« (S. 14)

  19. Medien als Extensionen des Menschen McLuhan setzt einen sehr weitgefaßten Begriff von ›Medium‹ voraus. ›Medien‹ nennt er alle Techniken, die mit den Organen des menschlichen Körpers und insbesondere mit der menschlichen Sinneswahrnehmung in einen dauerhaften Funktionszusammenhang treten. Medien verhalten sich demnach wie Prothesen des menschlichen Leibes und der menschlichen Sinne. Sie verändern auf diese Weise die gesamte Umwelt des Menschen, das heißt die räumlich-zeitlichen Verhältnisse, unter denen Menschen leben. Beispiele für Medien, die McLuhan nennt: • Glühbirne - Eisenbahn • Fernsehen - Buchdruck • Fließband - Schußwaffen • Geld - Möbel • etc.

  20. Die hypnotische Kraft der Medien Immer wieder betont McLuhan, daß von den Medien eine besondere Kraft ausgeht, die ihre eigenen Wirkungen verkennen lässt. Die Medien machen ›blind‹, ›betäuben‹, ›hypnotisieren‹ die Zeitgenossen, so daß man ihr veränderndes Potential nicht wahrnimmt. Man fixiert sich auf ›Inhalte‹ statt auf die Medien selbst und ihre eigentliche, strukturelle Botschaft. Regelmäßig werden Medien erst dann, wenn sie von anderen Medien abgelöst werden, wahrgenommen. Beispiel: Erst im Zeitalter der neuen elektronischen Medien beginnt man zu ermessen, welche enorme Bedeutung das Medium ›Buch‹ in der Vergangenheit gehabt hat. Das Buch wird gewissermaßen zum ›Inhalt‹ der neuen Medien; deshalb nimmt man es jetzt war. Die Bedeutung der neuen Medien aber erkennt man nicht oder kaum. McLuhan bringt dieses Täuschungspotential von Medien auf die Formel: Der ›Inhalt‹ eines Mediums ist immer ein anderes (älteres) Medium.

  21. Medialität als Kompetenz der Kunst Für McLuhan erbringen sowohl die Kunst als auch die Literatur, die er immer wieder zitiert, besondere Erkenntnisleistungen bezüglich der Veränderungswirkungen von Medien. »Die Auswirkungen der Technik zeigen sich nicht in Meinungen und Vorstellungen, sondern sie verlagern das Schwergewicht in unserer Sinnesorganisation oder die Gesetzmäßigkeiten unserer Wahrnehmung ständig und widerstandslos. Der ernsthafte Künstler ist der einzige Mensch, der der Technik ungestraft begegnen kann, und zwar nur deswegen, weil er als Fachmann die Veränderungen in der Sinneswahrnehmung erkennt.« (S. 25)

  22. Kunst als (mediales) Verfahren McLuhans Parole »Das Medium ist die Botschaft« hängt eng mit Šklovskijs Theorie von der »Kunst als Verfahren« zusammen (ohne daß es einen direkten Einfluß dieser Theorie auf McLuhan gegeben hätte). McLuhan und Šklovskij ist gemeinsam, daß sie die formale Beschaffenheit von (literarischen oder medialen) Verfahren für ausschlaggebend halten. ›Inhalte‹ oder ›Absichten‹ dagegen sind zweitrangig. Beide betonen zudem die Veränderung von Wahrnehmungsstrukturen (als Effekte von Verfremdung bzw. von Medienwandel) und wollen die Bewußtwerdung dieser Strukturen ermöglichen. Wenn man beide Positionen engführt, könnte man folgende These formulieren: Literarische Texte können mit ihren Verfahren erhebliche Einblicke in die ›Botschaften‹ von Medien ermöglichen, die heute unsere Kultur in hohem Maße bestimmen.

  23. Fazit: weitere Grundbegriffe Autorschaft und sprachliches Handeln Sprechakttheorie konstative/performative Äußerungen verunglückte Äußerungen: Fehlberufung/Fehlausführung/Mißbrauch Literatur als ›dekontextualisierte‹ Äußerung Autorfunktion ›Tod des Autors‹ Intertextualität und Intermedialität Karnevalisierung der Literatur Polyphonie das Prinzip des Dialogischen (Dialogizität) Schreiben-Lesen (écriture-lecture) »Das Medium ist die Botschaft« (»The medium is the message«) »Der Inhalt eines Mediums ist immer ein anderes Medium«

  24. Texte und Folien im Netz unter: www.uni-erfurt.de/literaturwissenschaft/ Paßwort für die Texte:

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