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Institut für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments Sommersemester 2009 Basismodul-Unterseminar: Wege ins Neue Testament. Einführung in die Exegese neutestamentlicher Texte. Die Pragmatische Analyse. Pragmatische Analyse.
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Institut für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen TestamentsSommersemester 2009 Basismodul-Unterseminar: Wege ins Neue Testament. Einführung in die Exegese neutestamentlicher Texte Die Pragmatische Analyse
Pragmatische Analyse • Untersuchen des Textes als Medium eines Kommunikationsprozesses und damit in seiner Verwendungssituation • Frage nach der Kommunikationsabsicht des Textes und Untersuchen der Wirkabsicht des Autors • Beantwortung der Frage warum und wozu ein Text verfasst wurde bzw. warum eine Geschichte erzählt wird • Autor: Ziel der Beeinflussung des Lesers -> Überzeugen von bestimmten Auffassungen, Bestärkung in der Meinung oder Führen zu einer Meinungsänderung oder zu bestimmten Verhaltensweisen, Hervorrufen bestimmter Gefühle • Beschäftigung der Textpragmatik mit der dynamischen Funktion von Texten: den Handlungsanweisungen in Texten und der Leserlenkung durch Texte • Auseinanderfallen des Verfassens des Textes durch den Autor und der Rezeption des Textes durch den Leser -> Ersetzen der pragmatischen Hinweise innerhalb einer Kommunikationssituation durch explizite oder implizite Hinweise an den Leser
Pragmatische Analyse • Untersuchen der Formen expliziter Leserlenkung • Ansatz bei der Kommunikation zwischen explizitem Autor und explizitem Leser • Ansatz bei der Kommunikation zwischen implizitem Autor und implizitem Leser • Untersuchen der impliziten Verstehensvoraussetzungen als Hinweis auf das historische Entstehungsmilieu des Textes • Unbestimmtheiten: als bekannt vorausgesetztes kulturelles Wissen oder zwischen den Zeilen zu Lesendes
Formen expliziter Leserlenkung • Frage nach der Leserlenkung im Text • Textinterne Indizien für die Erfassung der Relation zwischen Autor und Leser: • Wie wird die Kommunikation zwischen Autor und Leser im Text selbst thematisiert • Explizites in Erscheinung treten von Autor und Leser im Text vgl. Briefe: Absender und Adressat; Erzählungen: Auftreten eines Erzählers, der die erzählten Ereignisse kommentiert oder sich an den Erzähladressaten wendet
Der Erzähler • Analyse des Aktes des Erzählens, der Person des Erzählers, des Verhältnisses zwischen Erzähler und Erzähltem sowie Erzähler und Leser • Extradiegetischer Erzähler: Erzähler steht über der Geschichte, der Erzählvorgang liegt der Erzählung voraus • Intradiegetischer Erzähler: Figur innerhalb einer Erzählung präsentiert eine Geschichte bzw. eine neue Erzählung
Stellung des Erzählers • Frage nach der Beteiligung des Erzählers am Geschehen: • homodiegetisch: Erzähler ist an der von ihm erzählten Geschichte als Figur beteiligt (Augenzeuge oder ist selbst in die Geschichte verwickelt) -> Ich-Erzähler im Sinne eines erzählenden und erlebenden Ichs • heterodiegetisch: Erzähler stellt keine Figur innerhalb seiner erzählten Geschichte dar -> Dominieren der dritten Person
Die vier Erzähltypen • 1) Extradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler: Erzähler erster Stufe, der eine Geschichte erzählt, in der er nicht vorkommt • 2) Extradiegetisch-homodiegetischer Erzähler: Bezeichnung für einen Erzähler erster Stufe (Rahmenerzählung), der eine Geschichte erzählt, in der er selbst als Haupt- oder Nebenfigur auftritt • 3) Intradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler: Erzähler zweiter Stufe (Binnenerzählung), der eine Geschichte erzählt, in der er selbst nicht vorkommt • 4) Intradiegetisch-homodiegetischer Erzähler: Erzähler zweiter Stufe, der am Geschehen selbst beteiligt ist und seine eigene Geschichte erzählt
Der Erzähladressat • Adressat des Erzählers bzw. der Erzählung; Verfügen über die grammatikalische, semantische und narratologisch-rhetorische Kompetenz um der Erzählung folgen zu können • 1) unerwähnter Erzähladressat • 2) direkt oder implizit angesprochener Erzähladressat • 3) Erzähladressat als Handlungsträger
Erschließung der Wirkung eines Textes • Argumentative Texte: Unmittelbares Erschließen der Leserlenkung und der Wirkabsicht des Autors durch • 1) Direkte Hinwendung des Autors zu den Lesern • 2) in Form von Imperativen im Sinne direkter Handlungsanweisungen vgl. paulinische Briefe: „Ich ermahne euch…“
Erschließung der Wirkung eines Textes • Erzählende Texte: Erkennen der Leserlenkung • 1) durch die (seltene) direkte Hinwendung des Erzählers an den Adressaten in Erzählerkommentaren vgl. Mk 13,14: „Der Leser begreife!“ • Erzählerkommentare: Kommentieren, Bewerten oder Erläutern der erzählten Ereignisse mit zusätzlichen Informationen • 2) durch Rollenangebote in Form von Erzählfiguren mit denen sich der Leser identifizieren kann oder das Angebot von für den Leser nachvollziehbaren Problemlösungen
Textpragmatik • Unterscheidung von Aussageinhalt (Proposition), Verwendungszweck (Funktion) und Wirkung eines Textes • Pragmatische Analyse: Bestimmung des Sprechakts, also welche Absicht der Autor verfolgt, in welcher Weise er die sprachlichen Mittel einsetzt, um den Leser zur Reaktion zu bewegen • Die pragmatische Texttheorie betrachtet die Abfassung eines Textes als ein Handeln durch Schreiben, insofern der Text auf das Verhältnis zwischen Verfasser und Leser und auf den Situationskontext verändernd einwirken soll und dies u.U. auch kann Handlungscharakter des Sprechens-> Einführung des Ausdrucks Sprechhandlung, Sprechakt bzw. Schreibhandlung für geschriebene Äußerungen
Textpragmatik • 1.lokutionärer Akt: die Äußerung eines Satzes mit einem bestimmten Sinn bzw. einer bestimmten Bedeutung • 2. illokutionärer Akt: illokutionärer Zweck der Äußerung und Ausdruck einer psychischen Einstellung des Sprechers mit dem Sprechakt -> Lob, Tadel, Wunsch, Versprechen • 3. perlokutionärer Akt: das Erzeugen von Wirkungen auf die Hörer durch das Äußern des Satzes, wobei die Wirkungen von den Äußerungsumständen abhängen
Textpragmatik • Systematisierung nach der Taxonomie der Sprechakte nach Habermas • 1) Kommunikativa: sagen, fragen, antworten, zugeben, zitieren • 2) Konstativa: beschreiben, erklären, voraussagen, deuten, versichern • 3) Repräsentativa: offenbaren, gestehen, preisgeben, vorspiegeln, verleugnen • 4) Regulativa: befehlen, bitten, ermahnen, sich weigern, versprechen, vereinbaren
Kunst der Rede • Symbouleutische Rede -> politische Rede bzw. Beratungsrede in der Volks- oder Ratsversammlung bzw. im Senat oder auf dem Forum • Wirkabsicht: DOCERE • Dikanische Rede -> Anklage oder Verteidigung vor der Öffentlichkeit der Gerichtsversammlung • Wirkabsicht: MOVERE • Epideiktische (lobende/tadelnde) Rede -> Lob oder Tadel vor dem Auditorium einer Festversammlung; vgl. Leichenrede • Wirkabsicht: DELECTARE
Grundstruktur der Rede • Anfang (Proömium): Hauptfunktion im Publikumskontakt -> Herstellung des Kontakts • Mittelteil (argumentativ): Modell des Darlegens und Beweisens • 1. propositio: Schilderung des Sachverhaltes bzw. Angabe des Themas der Rede • 2. argumentatio: Beweisgang • Schluss (Epilog): Hauptfunktion im Publikumskontakt -> Sicherstellung der Wirkung der Rede im Publikum
Pragmatische Analyse • Unterscheidung zwischen kommunikativem Handlungsspiel zwischen Erzähler und Erzähladressat im Text und außertextlicher Kommunikationssituation -> Rollen im kommunikativen Handlungsspiel des realen Autors statt historischer Personen • Pragmatische Analyse> Hineinstellen des Textes als Ganzes in den Kontext einer Kommunikationssituation und damit in historisches Bezugssystem • Neutestamentliche Texte: kein Wissen um die Kommunikationssituationen, in denen sie entstanden sind -> hypothetische Rekonstruktion des pragmatischen Kontextes aus seinen Spuren im Text selbst; Lesen des Textes als Dokument seiner eigenen Kommunikationssituation mit dem Ziel des besseren Verständnisses seiner Botschaft • Ntl. Texte: Vermittlung der erzählten Ereignisse mit den Problemkonstellationen der Erzählgemeinschaft bzw. der Adressatengemeinschaft
Kommunikation anhand von Texten der Vergangenheit • Realer Autor→ • Situationbzw. • Erzählkontext→ • Realer Leser→
Impliziter Autor und impliziter Leser • Impliziter Leser -> eine im Akt des Lesens zu realisierende Leserrolle und die in Form des intendierten Lesers historisch zu verortende Leseridee des Autors • Impliziter Autor -> Vorstellung des Lesers vom Autor des Textes • Impliziter Autor steht als Instanz zwischen historischem Autor und Erzähler und bildet das Autorbewusstsein im Text ab
Der implizite Autor und der historische Verfasser • Sprachlicher Kontext des impliziten Autors • Kultureller Kontext des impliziten Autors • Hinweise auf die zeitliche Einordnung des Autors bzw. die Bestimmung der Entstehungszeit des Textes • Frage nach der geographischen, sozialen und historischen Einordnung des persönlichen Stils des impliziten Autors, seiner Kompetenzen und seines Anliegens • 1) Beachtung von „Barbarismen“, d.h. Einflüssen aus anderen Sprachen wie dem Aramäischen und Lateinischen im Griechisch des Autors • 2) Indizien für den kulturellen Kontext sind z.B. die Zitate aus dem AT + Fehler in der Darstellung historischer, geographischer oder kultureller Sachverhalte, die auf fehlende Kenntnisse des Autors schließen lassen
Der implizite Leser und die historischen Adressaten • Sprachliche Kompetenz des impliziten Lesers • Kulturelle Kompetenz des impliziten Lesers • Hinweise auf die zeitliche Einordnung der Leserschaft • Frage: Welche historisch noch greifbare Gruppe entspricht am ehesten dem impliziten Leser des Textes • 1) Welche Kompetenzen werden zum Verständnis des Textes vorausgesetzt? • 2) Was wird vom Autor besonders erklärt (z.B. Übersetzungen im Text, Erläuterungen zu religiösen oder sozialen Sitten und Gebräuchen) • 3) Welche Themen und Konflikte liegen den Texten des Neuen Testaments zugrunde? Lassen sich diese Themen und Konflikte historisch genauer zuordnen?
Historische Einordnung des Textes • Bestimmung der Entstehungszeit des Textes über Indizien zum terminus ab quo (der frühest möglich Zeitpunkt ab dem der Text entstanden sein kann) und dem terminus ad quem ( Zeitpunkt zu dem der Text spätestens fertig gestellt worden sein muss) • Bestimmung des terminus ad quem aus Kriterien außerhalb des Textes wie den Handschriftenfunden • Bestimmung des terminus ab quo aus Kriterien innerhalb des Textes wie Anspielungen auf historische Problemsituationen, die zeitlich nach den im Text dargestellten Ereignissen liegen