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Einführung in die Angewandte Ethik. Tier-Ethik Prof. Dr. Peter Kunzmann. Tierethik. Eher Stiefkind der europäischen Ethik auf biblischer und griechischer Grundlage Klassische Begründungsfigur war das Verrohungsargument: ein roher Umgang mit dem Tier „färbt“ auf den mit Menschen ab.
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Einführung in die Angewandte Ethik Tier-Ethik Prof. Dr. Peter Kunzmann
Tierethik Eher Stiefkind der europäischen Ethik auf biblischer und griechischer Grundlage Klassische Begründungsfigur war das Verrohungsargument: ein roher Umgang mit dem Tier „färbt“ auf den mit Menschen ab. „Ausnahmen“: A. Schopenhauers Lehre von universalen Mitleid A. Schweitzers Ethik einer Ehrfurcht vor dem Leben
Neue Tierethik Neue Tierethik: neue Sicht vom Tier (zB Darwinismus; Genetik; Kognitionsforschung ) neue ethische Theorien (Singer etc.) neue reale Mensch-Tier-Verhältnisse („Kuscheltierperspektive“) Aber: Unterschiedliche Durchdringung der Gesellschaft mit versch. „modernen“ Bildern Pluralismus einer freien Gesellschaft
Das Leiden der Tiere Mitleid Ursula Wolf: „Das Tier in der Moral“ (1990) – „Mitleid“ als fundamentaler Zug aller Moral und das moralischen Selbstverständnisses des Menschen Pathozentrisch gedacht: „Wo immer wir … Handeln nach moralischen Normen haben, muss die Zufügung von Leiden eigens gerechtfertigt werden.“
Klassiker der modernen Tierethik „Interessen“ Peter Singer: „Animal Liberation“ (1975) Utilitarismus: „Höchstes Glück in der größten Zahl“, wobei jede Stimme nur gleich zählt. Gerechtigkeitsprinzip: „Gleiches gleich, Ungleiches ungleich behandeln.“ Präferenzutilitarismus: „Glück“ bedeutet, dass individuellen Präferenzen entsprochen wird.
Gleichheit Interessen und Gleichheit Peter Singer: „Wenn der Forscher nicht bereit ist, einen verwaisten menschlichen Säugling zu verwenden, ist seine Bereitschaft, nichtmenschliche Wesen zu verwenden, reine Diskriminierung. .. Denn erwachsene Affen, Katzen, Mäuse und andere Säugetiere haben ein höheres Bewußtsein dessen, was ihnen zustößt, sowie ein höheres Selbstbewußtsein und sind, soviel wir wissen, mindestens so schmerzempfindlich wie Jeder menschliche Säugling. Es scheint keine relevante Eigenschaft menschlicher Säuglinge zu geben, die Säugetiere nicht in // einem gleichen oder höheren Maß besitzen. (K 23f.)
Regans Zustimmung „Es gibt Menschen, die sich der Idee, daß Tiere einen inhärenten Wert besitzen, widersetzen. »Nur Menschen haben einen solchen Wert«, beteuern sie. Wie könnte diese enge Ansicht verteidigt werden? Sollen wir sagen, nur Menschen hätten die erforderliche Intelligenz oder Autonomie oder Vernunft?“ (K 43)
Regans Kritik Lebewesen als „expiriencing subjects of a life“ Tom Regan: „The Case for Animal Rights“ (1986): „Jeder von uns ist das subjektive Subjekt eines Lebens, eine bewusste Kreatur mit einem individuellen Wohl, das für uns von Bedeutung ist, unabhängig davon, wie nützlich wir für andere sein mögen.“ (K. 42)
Subjekte „Inhärenter Wert kommt somit all denen, die empfindende Subjekte eines Lebens sind, gleichermaßen zu. …. Wir wissen, daß viele, buchstäblich Millionen und Abermillionen dieser Tiere Subjekte eines Lebens im erklärten Sinne sind und somit inhärenten Wert haben, wenn denn wir einen haben. Und da wir, um zur besten Theorie unserer Pflichten untereinander zu gelangen, unseren gleichen inhärenten Wert als Individuen anerkennen müssen, zwingt uns die Vernunft - nicht die Empfindung oder Gefühlsregung - dazu, den gleichen inhärenten Wert auch dieser Tiere anzuerkennen und damit ihr gleiches Recht, mit Respekt behandelt zu werden.“
Aktuelle Debatte Gegenwärtige Zuspitzung im Widerspruch zwischen Verfechtern von Tierrechten inkl. Abolitionismus (Abschaffung aller Nutzungsformen von Tieren) Betonung einer Rechts- oder Gerechtigkeitsgemeinschaft (Beat Sitter-Liver) Tierschutzanliegen: Betonung der besonderen Verantwortung des Menschen für Tiere in der als legitim betrachteten Nutzung von Tieren
Das Thema Widersprüche in der Mensch-Tier-Beziehung
Brüche Unterschiedliche Wirkungskreise: Wenn sich am Tier nichts, und alles beim Menschen sich ändert: Dasselbe Tier in versch. Wirkungskreisen (Kaninchen essen) Tiere derselben Art (z.B. Ratte als Heim-, Labor-, Wildtier) Tiere derselben Ordnung (Rinder – Schweine – Ratten)
Beispiele Dammhirsch im und vorm Gehege Wisente vor und nach der Auswilderung Taubenfüttern? / Meisenfüttern? Tiger als Wildtiere, Zootiere, Zirkustiere Ratten im Labor und im Keller
Quellen der Ungleichheit Die traditionellen Bewertungen z.B. die „Harmlosigkeit“ der Heimtierhaltung z.B. von Notwendigkeiten z.B. der „Vivisektion“ und deren politische Nachwirkung z.B. die Regulierung des Tierversuchs
Verschiedenheit des Ortes: Spaltung der Verhältnisse: Leben mit und von Tieren Fragmentierung der realen Verhältnisse Unterschiedliche Lebenswelten mit Tieren Spaltung des traditionellen Verhältnisses zum „Haustier“ „Kuscheltierperspektive“ (Cl. Dirscherl) Idyllisierung des Lebens von Tieren in der Natur und in der Landwirtschaft der Vergangenheit
Gerechtigkeit u. Gleichheit I. Kant:„Aus dem Gefühle der Gleichheit entspringt die Idee der Gerechtigkeit … Niemals empört etwas mehr als Ungerechtigkeit; alle andere Übel, die wir ausstehen sind nichts dagegen.“ Hier: Das Absurde besteht in der Gegenüberstellung des Tieres, das sich gleichbleibt, und des Menschen, der wechselnde Perspektiven von außen an das Tier heranträgt. Grenzen des Gleichheitsprinzips wie in der Behandlung anderer Menschen auch Frage nach dem Gleichheitsideal
Der „Skandal“ Warum kann derselbe / der gleiche Gegenstand unterschiedliche Wertung erfahren? Hier: Folge einer an sich höchst erfreulichen Wende der moralischen, rechtlichen und ethischen Bewertung des Tieres nämlich vom Tier aus! Was fehlt: anthroporelationale Tierethik
Der Pfahl im Fleisch Grenzen der Rechtfertigung These: Nicht die Ungleichbehandlung von Tieren ist der eigentliche Stachel, sondern das „Unangemessene“.
Die Würde des Tieres Das Tier als Tier behandeln, seinen Eigenwert und seine Eigenart bewahren.
G. Heuschmann: „Das Pferd selbst mit seinen Anlagen und natürlichen Voraussetzungen setzt den Maßstab für das Tempo und die Art seiner Ausbildung, nicht der Mensch.“ Z.B.: Reitsport Dr. Gerd Heuschmann
Die Würde des Tieres Das Tier als Tier behandeln, seinen Eigenwert und seine Eigenart bewahren. Verletzungen des Prinzips: Instrumentalisierung des Tieres Mechanisierung des Tieres Vermenschlichung des Tieres
Problem Heimtier Unterschätzt weil sie als „Teil der Familie“ („pets“) scheinbar besonderen, individuellen Schutz genießen. Aber: Zuchten und Qualzuchten Beschaffung (und Haltung) von Exoten Adäquate Haltung möglich? Vermenschlichung der Tiere als Sozialpartner Probleme mit überzähligen Tieren (inkl. Kastration und Aussetzung von Tieren) Töten und Euthanasie
Labortier Klassiker der Tierethik Fundamentalfrage: Dürfen wir Tiere an unserer statt leiden lassen? Wichtig: bei weitem nicht alle Versuchstiere „leiden“! RRR-Formel: Replace – Tiere ersetzen (ZEBET: Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch) Reduce – Zahl der Tiere verringern, z.B. Experimente so präzisieren, dass Tiere überflüssig werden; Datenbanken, um Doppelexperimente zu vermeiden Refine – möglichst wenig Leiden verursachen Pathozentrische Praxis: wenn möglich: keine Tiere, keine „höheren“ Tiere, keine schmerzempfindenden (Tierart, Betäubung).
Wandel beim Nutztier Pathozentrik: Five freedoms TSchG: Freiheit von Schmerzen, Leiden, Schäden Konzept: Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung Sentientismus: animal welfare Etwa in Anlehnung an den capacities approach von M. Nussbaum: Entfaltung aller Anlagen Schulden wir den Nutztieren „permanent holiday“?
Erste Analyse Tierschutz über die Pathozentrik hinaus? umfassender am Prinzip welfare orientiert eher in Übereinstimmung mit unseren Intuitionen in Grenzbereichen Tierethik über den Konsequentialismus hinaus? Frage nach der Haltung, der Einstellung Tieren gegenüber Anerkennung von etwas wie dem „Eigenwert“ von Tieren
G. Heuschmann: „Das Pferd selbst mit seinen Anlagen und natürlichen Voraussetzungen setzt den Maßstab für das Tempo und die Art seiner Ausbildung, nicht der Mensch.“ Z.B.: Reitsport Dr. Gerd Heuschmann
Kategoriale Ordnung Eigenwert UND Eigenart des Tieres Handlung ODER Haltung des Menschen Eigenwert: formales Prinzip Eigenart: materiales Prinzip
Wirklich „Würde“? UNESCO Declaration of Animal Rights (1978):Article 10b: “Animal exhibitions and shows that use animals are incompatible with any animal's dignity.“ … godność zwierzęcia. (Uwaga: tu prawodawcy się zagalopowali - godność jest atrybutem człowieka.) “Hier gingen die Gesetzgeber zu weit. Würde ist ein Attribut des Menschen.” http://www.nencki.gov.pl/ptetol/prawa_zwierz.pdf
Würde ins Recht setzen Art. 1 Zweck Zweck dieses Gesetzes ist es, die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen. Schweizer TSchG
Würde ins Recht setzen Art. 3 Begriffe In diesem Gesetz bedeuten: a. Würde: Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss. Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tief greifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen, oder es übermässig instrumentalisiert wird;