160 likes | 198 Views
Europäische Aktiengesellschaft und die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland. Prof. Dr. Thomas Blanke Institut für Rechtswissenschaften Fakultät II. Regelfall: Beteiligungsvereinbarung.
E N D
Europäische Aktiengesellschaft und die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland Prof. Dr. Thomas Blanke Institut für Rechtswissenschaften Fakultät II Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Regelfall: Beteiligungsvereinbarung • Vereinbarung von transnationaler Unterrichtung und Anhörung (SE-BR) + (evtl) Unternehmensmitbestimmung • Vergleichbar EBR-Bildung (BVG), SE-BR verdrängt EBR (Ausnahme: BVG-Negativbeschluss: doppelte 2/3 Mehrheit, nicht zulässig bei Umwandlung) • Nationale betriebl. Beteiligung bleibt erhalten, Mitbestimmung in der SE wird ersetzt • Wahlfreiheit von monist. + dualist. System Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
SE-Verhandlungen - Einleitung durch Gründerunternehmen - Dauer 6 Monate, ggf. 1 Jahr - Scheitern der Verhandlungen: Auffangregelungen – immer SE-BR, ggf. Unternehmensmitbest. gemäß „Vorher-Nachher-Prinzip“ (Sicherung des Höchstniveaus, § 35 II SEBG) - Beratung durch Sachverständige und ggf. EU-Gewerkschaftsvertreter - Art. 12 SE-VO: Keine Eintragung ohne Beteiligungsregelung (Vereinbarung, Auffangregelung, Negativbeschluss) - Gewerkschaftsbeauftragte als Mitglied des BVG (jeder 3. inländische Sitz) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Verhältnis SE-BR zum BetrVG I • Regelfall: Errichtung durch Vereinbarung, nicht Gesetz (nur subsidiär) – weite Vereinbarungsbefugnis („Parteiautonomie“) • Regelfall: Information und Konsultation, keine Mitbestimmung (str., ob vereinbart werden kann) • Gegenstände: „Entwicklung der Geschäftslage und Perspektiven der SE “ • Außergewöhnliche Umstände • Mischung aus Gegenständen des Informationsrechts des Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) und der Tatbestände von Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Jährl. Unterrichtung und Anhörung • 1. die Struktur des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe sowie die wirtschaftliche und finanzielle Lage, • 2. die voraussichtliche Entwicklung der Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage, • 3. die Beschäftigungslage und ihre voraussichtliche Entwicklung, • 4. Investitionen (Investitionsprogramme), • 5. grundlegende Änderungen der Organisation, • 6. die Einführung neuer Arbeits- und Fertigungsverfahren, • 7. die Verlegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen sowie Verlagerungen der Produktion, • 8. Zusammenschlüsse oder Spaltungen von Unternehmen oder Betrieben, • 9. die Einschränkung oder Stillegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, • 10. Massenentlassungen. Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Unterrichtung und Anhörung in außergewöhnlichen Fällen • Verlegung oder Verlagerung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, • Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, • Massenentlassungen. Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Verhältnis SE-BR zum BetrVG II • Bei außergewöhnl. Umständen: Aufschiebendes Vetorecht des SE-BR und Verhandlungsanspruch mit SE-Leitung • Nur grenzübergreifende Angelegenheiten • Fazit: Geringere Rechte des SE-BR als BR/GBR/KBR (aber: Kein 100-AN Quorum wie nach § 106 BetrVG) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Erweiterung der Rechte des SE-BR durch Vereinbarung? • „Echte“ Mitbestimmungsrechte: str. (aber: Vereinbarungsautonomie) • Nationale betriebliche Rechte nicht erweiterbar (zwingendes Organisationsrecht, Art. 34 EGBGB, „Subsidiaritätsprinzip“) • Keine Delegation nationaler Rechte auf SE-BR Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Tendenzen der AN-Beteiligung in der EU • Verhandlungslösung statt Gesetz – Vorgaben: • Internationale Zusammensetzung des BVG (SE: 10% -Quorum) • „Vorher-Nachher-Prinzip“ bei Mitbestimmung • Auffangvorschriften • Kooperation statt Konflikt • Erweiterung der Beteiligungsrechte Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Grundlagen des Europ. Beteiligungsmodells • Primat der Ökonomie: Marktintegration • Institutionen: Rechtliche Garantien (Art.14 II EG) • Freier Verkehr von Waren (Zollunion 23ff., aber: Landwirtschaft, Art.32ff., 36) • Personen, • Dienstleistungen und • Kapital • Ausnahmen: Dienste von allg. wirtsch. Interesse Art.16 EG) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Politische Reaktion (Nationalstaatliche Ebene) • Ausbildung von Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaaten: Begrenzung der Entgrenzung • Elemente • Soziale Sicherungssysteme • Arbeitsschutz • Arbeitsbeziehungen • Staatliche Beschäftigungspolitik Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Europäische Ebene • Vorlauf der Marktintegration: Steigerung der Exit-Optionen der Unternehmen • Sinkende nationale Steuerungsmöglichkeiten der Sozialpolitik • Vorrang der Negativintegration vor Positivintegration: Deregulierung auf EU- und nationaler Ebene • Unterschiedliche Modelle von Sozialstaat und Arbeitsbeziehungen in der EU Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Kapitalismusmodelle in der EU I • „Soziale Systeme“ der Produktion: Nichtökonomische Voraussetzungen ökonomischen Handelns • Einbettung in soziale Institutionen (Schaffung von Erwartungssicherheit) • Alternativen ökonom Handelns • Grundtypen: Liberaler und korporatistischer Typus Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Kapitalismusmodelle in der EU II • Liberaler Typus (GB): • Kurzfristig einzelwirtschaftlich orientiert (corporate governance: Dominanz betriebswirtschaftlicher Zielsetzungen) • Refinanzierung an der Börse (shareholder value: Kurzfristige Renditeerwartung) • Marktgeleitete Koordinierungsmechanismen • Rückgang des industriellen Sektors (20%), Spaltung in standardisierte Masssenproduktion („screwdriver manufacturing“, „low skill- low wage“) und per Risikokapital finanzierte high-tech Produktion Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Kapitalismusmodelle in der EU III • Korporatistischer Typus („Rheinischer Kapitalismus“,D) • Langfristige Bankanleihen oder strategische Börseninvestoren (Stakeholder) • Kooperative corporate governance (Aufsichtsrat – Vorstand, Mitbestimmung im AR) • Unternehmensziele: Marktsicherung, Beschäftigungsstabilität (flexible interne Arbeitsmärkte, nach außen abgeschottet) • Kooperative Organisation der Ausbildung (duales System) und der betrieblichen Weiterbildung • Folge: „inkrementalistisches Innovationssystem“, preisunelastische Qualitätsprodukte im medium tech Bereich („high qualification – high wage – high quality“) – Exportweltmeister Deutschland Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg
Konsequenzen für nationale und EU-Beteiligungsrechte • Konvergenz der Kapitalismusmodelle und der Beteiligungsmuster • Entstehung neuer Zwischenformen („Hybridbildung“) • Zunahme von Verhandlungslösungen (§ 3, 28a BetrVG) • Dezentralisierung, Verbetrieblichung: Bündnisse für Arbeit • Vom Klassen- zum Wettbewerbsmodell der Beteiligung? Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg