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Fakultät Erziehungswissenschaften Promotionskolleg Lebenslanges Lernen der Hans-Böckler-Stiftung.
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Fakultät Erziehungswissenschaften Promotionskolleg Lebenslanges Lernen der Hans-Böckler-Stiftung Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte – ein Hebel für mehr Durchlässigkeit? Ulf BanscherusFachveranstaltung ver.diFachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschungund Bereich Bildungspolitik„Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hoch-schulischer Bildung – Vision oder Wirklichkeit?“Berlin, 17. Januar 2011
Gliederung • Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte • Wichtige Kontextbedingungen • Reformbedarfe • Perspektiven für mehr Durchlässigkeit
Hochschulzugang in Deutschland Quelle: Bildungsbericht 2010 Quelle: Isserstedt u.a. 2010
Historische Entwicklung der nicht-traditionellen Hochschulzugangswege • Deutsches Reich: Zugangsprüfung auf Empfehlung einer „Persönlichkeit des öffentlichen Lebens“ in Preußen • Weimarer Republik: Abiturientenkurse für Kriegsheimkehrer in Stuttgart, Neukölln (Berlin), Altona (Hamburg), München; in Berlin auch „Arbeiterabiturientenkurse“ (bis 1933) • NS-Diktatur: „Langemarck-Studium“ für Nationalsozialisten • DDR: „Arbeiter- und Bauernfakultäten“ (bis 1960er Jahre) • BRD: Aufbau des „Zweiten“ (Abendgymnasien, Kollegs) und „Dritten Bildungsweges“ („Begabtenprüfung“) • 60er/70er Jahre: Starker Ausbau des „Zweiten Bildungsweges“ • 1990er Jahre: Erweiterung des „Dritten Bildungsweges“ • Nicht-traditionelle Zugangswege wurden vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels gefördert (Elisabeth Schwabe-Ruck: „Lückenfüller-Funktion“ statt Beitrag zur Chancengleichheit)
Bestehende Zulassungsregelungen 2007 • Zugangsmöglichkeiten für beruflich Qualifizierte bestanden in allen Bundesländern, allerdings in sehr unterschiedlichen Ausprägungen • Zulassungsvoraussetzungen • Abgeschlossene Berufsausbildung (teilweise nur für „fachaffine“ Bereiche; teilweise Meisterprüfung o.ä. als Mindestanforderung) • Mehrjährige Berufserfahrung • Weitere Vorschriften zu Mindestalter, Notendurchschnitt, Wohnsitz etc. je nach Bundesland • Grundformen des Erwerbs der Studienberechtigung • Zuerkennung der (i.d.R. fachgebundenen) Studienberechtigung für Meister/innen und Inhaber/innen vergleichbarer Abschlüsse (2007 in 10 Ländern möglich) • Erwerbs der fach- (sowie teilweise hochschul-)gebundenen Studienberechtigung durch eine Zugangsprüfung (stark unter-schiedliche Inhalte in den einzelnen Ländern)(2007 in 14 Ländern möglich) • Erwerbs der fach- und hochschulgebundenen Studien-berechtigung im Rahmen eines (2-4semestrigen) Probestudiums (2007 in 5 Ländern möglich)
Ziel der weitergehenden Öffnung • Erklärung der Regierungschefs von Bund und Ländern (Dresden, Oktober 2008):„ Die Länder werden bis zum Jahr 2010 länderübergreifend die Voraussetzungen zu formulieren, unter denen der allgemeine Hochschulzugang für Meister […] und Inhaber gleich gestellter Abschlüsse ermöglicht wird und der fachgebundene Zugang zur Hochschule für beruflich Qualifizierte nach erfolgreichem Berufsabschluss und dreijähriger Berufstätigkeit eröffnet wird.“ • Beschluss der Kultusministerkonferenz (März 2009): • Allgemeine Studienberechtigung für Absolvent/inn/en einer beruflichen Aufstiegsfortbildung (Meisterprüfung etc.) • Reduzierung der Zulassungsvoraussetzungen zur Z-Prüfung • Möglichkeit der Zugangsprüfung für beruflich Qualifizierte in „affinen“ Bereichen (Interpretationsspielraum: NI, NW, RP: Zuerkennung; Fächerbeschränkung nur in BW, BY, BE, HE, MV) • Länderübergreifende Anerkennung nach dem ersten Studienjahr
Nicht-traditionelle Studierende in Deutschland Quelle: Nickel/Leusing 2009
Begriffsklärung „nicht-traditionelle Studierende“ Unterschiedliche Definitionen in der Literatur • Studierende aus unterrepräsentierten Gruppen (z.B. sozial oder ethnisch diskriminierte Personen, Behinderte) • Studierende, die nicht dem Leitbild des „Normalstudenten“ entsprechen (z.B. jobbende Studierende, Studierende mit Kindern) • Studierende, die bei Studienbeginn älter sind als typische Anfänger/innen (z.B. „MatureStudents“ in England oder Schweden) • Studierende, die ihre Bildungsbiografie zwischenzeitlich unterbrochen haben (unabhängig von der Art der Studien-berechtigung) • Studierende, die nicht über eine schulische Form der Studienberechtigung verfügen (z.B. „Dritter Bildungs-weg“ in Deutschland)
Nicht-traditionelle Studierende in Europa Quelle: EUROSTUDENT III, Synopsis ofIndicators; eigene Auswertungen
Masterzugang ohne ersten Hochschulabschluss Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i.d.F. vom 04.02.2010) „Zugangsvoraussetzung für einen Masterstudiengang ist in der Regel ein berufsqualifizierender Hochschulabschluss. Die Landeshochschul-gesetze könnenvorsehen, dass in definierten Ausnahmefällen für weiterbildende und künstlerische Masterstudiengänge an die Stelle des berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses eine Eingangsprüfungtreten kann.“ Der realisierbare Beitrag zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung wird in hohem Maße von der Ausgestaltung der Eingangsprüfungen abhängig sein.
Umsetzung in den Landesgesetzen Abfrage beim HRK- Hochschulkompass (Januar 2011): Anzahl weiterbildender Masterstudiengänge in Deutschland: 578 (9,5% aller Master-programme) ABER: Nur 250 (4,1%) an Hochschulen in Bundesländern mit besonderen Zugangs-regeln
Anrechnung von Kompetenzen Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 28.06.2002 und vom 18.09.2008) • Außerhalb des Hochschulwesens erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten können auf ein Hochschulstudium angerechnet werden, wenn sie nach Inhalt und Niveau dem Teil des Studiums gleichwertig sind, der ersetzt werden soll, • Der maximal zu ersetzende Anteil der Studieninhalte liegt bei 50%, • Die Anrechnung außerhalb des Hochschulwesens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten ist unabhängig von der Frage der Hochschulzugangsberechtigung.
Umsetzung in den Landesgesetzen Keine gesetzlichen Möglichkeiten: 3 (2) BL Hochschulen haben Möglichkeit zur Regelung Anrechnung in den PO: 5 (6) BL Hochschulen haben Möglichkeit in akkreditier-ten Studiengängen: 3 BL Hochschulen sind zur Anrechnung verpflichtet: 4 (5) BL
Exkurs: Anrechnung in der beruflichen Bildung Nicht-repräsentative Umfrage unter 15 Industrie- und Handelskammern: • Keine Möglichkeit zur Anrechnung von hochschulischen Prüfungen (Modulprüfungen) auf die Anforderungen des Ausbildungsberufes • Formaler Verweis auf BBiG und Ausbildungsordnungen • Eine Beraterin verwies auf angebliche Notwendigkeit der vorherigen Implementation von ECVET • Vorherrschendes Motto: „Geht nicht, gibt‘s nicht.“ • Beispielhafte Begründung eines Beraters:„Hintergrund (der Nichtanrechenbarkeit) ist nicht zuletzt, dass die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich verändernden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln soll. Es geht also um die sogenannte berufliche Handlungsfähigkeit. Diese setzt entsprechende berufspraktische Erfahrungen während der Ausbildung zwingend voraus und lässt sich nicht durch theoretische Kenntnisse ersetzen.“
Angebot berufsbegleitender Studiengänge • Berufsbegleitende Studiengänge gelten als besonders gut geeignet für beruflich qualifizierte Studieninteressierte. • Unklare Begriffsverwendungen bzw. Abgrenzungsprobleme: • Duale Studiengänge:Kein berufsbegleitendes Angebot wegen Unternehmen als zweitem Ausbildungsort und Ausrichtung auf Abiturient/inn/en • Fern- bzw. eLearning-Studiengänge:Hohe Abbruchqoute v.a. wegen Kollision mit familiären oder beruflichen Anforderungen; teilw. „Anonymität“ als Problem; hoher Anteil privater Angebote mit i.d.R. hohen Kosten • Teilzeitstudiengänge:In erster Linie rein formaler Status ohne flankierende studien-organisatorische oder curriculare Maßnahmen • Berufs- bzw. tätigkeitsbegleitende Studiengänge:Besondere didaktische und curriculare sowie studien-organisatorische Maßnahmen zwingend erforderlich (Position des Akkreditierungsrates, Beschluss vom 09.12.2010); Weitgehendes Fehlen zuverlässiger Informationen; Abgrenzung zu Fern- und Teilzeitstudiengängen nicht immer einfach
Mögliche Reformansätze Mehr Durchlässigkeit zwischen den traditionell strikt getrennten Systemen der allgemeinen und der beruflichen Bildung in Deutschland (Martin Baethge: „Bildungsschisma“) könnten folgende Reformelemente schaffen: • Weitere Verbesserung der Regelungen • Ausweitung der Möglichkeiten zur Zuerkennung einer fachgebundenen Studienberechtigung ohne Zugangsprüfung für berufserfahrene Absolvent/inn/en einer Berufsausbildung (z.B. entsprechend der Neuregelungen in NI, NW und RP) • Verzicht auf die Forderung der „fachlichen Affinität“ beim Erwerb einer fachgebundenen Studienberechtigung durch eine Zugangsprüfung und stärkere Berücksichtigung beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen • Schaffung der Zugangsmöglichkeit zu weiterbildenden Masterstudien-gängen ohne ersten Hochschulabschluss in allen Bundesländern • Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen • Sicherstellung des realen Bedarfs zum Lebensunterhalt unter Berück-sichtigung der spezifischen Situation von beruflich Qualifizierten • Schaffung von Unterstützungsmaßnahmen zur Finanzierung der Studien-gebühren für weiterbildende Studiengänge unter angemessener Beteiligung der Studieninteressierten, der Unternehmen und des Staates (z.B. Weiterbildungsfonds usw.)
Mögliche Reformansätze • Information und Beratung • Bündelung der Kompetenzen von Berufs- und Studienberatungen zur Entwicklung von zielgruppenspezifischem Informationsmaterial • Evtl. Aufbau einer integrierten Weiterbildungsberatung in den Städten bzw. Landkreisen • Deutliche Intensivierung der Informationsaktivitäten • Betreuung vor und nach der Zulassung • Schaffung von strukturierten Vorbereitungskursen auf ein Studium für beruflich Qualifizierte und Maßnahmen zur intensiven Beratung und Betreuung vor der Studienaufnahme und zur Prüfungsvorbereitung • Angebot einer spezifischen Betreuung in der Studieneingangsphase • Didaktische, curriculare und studienorganisatorische Maßnahmen seitens der Hochschulen • Nutzung bestehender Möglichkeiten • Verzahnung der bestehenden Zugangs-, Anrechnungs- und Finanzierungsregeln Auch bei weitergehenden Reformen sind die Möglichkeiten zur Verbesserung der Durchlässigkeit in relevantem Umfang über den „dritten Bildungsweg“ recht begrenzt. Auch ein „dritter Bildungsweg plus“ wäre aus einer bildungs-biografischen Perspektive immer mit dem Makel behaftet, eine „nachträgliche Korrektur“ einer falschen Entscheidung zu sein.
Strukturen des Bildungssystems Aufbau des Bildungswesens in Deutschland Aufbau des Bildungswesens in Schweden Quelle: Eurydice-Datenbank
Perspektiven für mehr Durchlässigkeit • Einen relevanten Beitrag für mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung können „Sonderregelungen“ für beruflich Qualifizierte kaum leisten, auch wenn diese in vielen Einzelfällen neue Handlungsspielräume eröffnet haben bzw. eröffnen können. Vielmehr sollte die traditionell bestehende strukturelle Trennung zwischen allgemeinbildenden und berufs-bildenden Schulen in der Sekundarstufe II nachhaltig aufgebrochen werden. • Zwischen die faktisch bestehenden weitgehend unverbundenen Stränge der Berufsausbildung und des gymnasialen Abiturs sollte eine integrierte Form der Ausbildung treten, die studien- und berufsvorbereitende Elemente verbindet und so den Schüler/inn/en zusätzliche Chancen einräumt. Mögliche Orientierungsbeispiele könnten unter anderem die Berufsbildenden höheren Schulen (BHS) in Österreich oder die höheren Wirtschafts- (HHX) bzw. Techniker-lehrgänge (HTX) in Dänemark sein.
Fakultät Erziehungswissenschaften Promotionskolleg Lebenslanges Lernen der Hans-Böckler-Stiftung Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte – ein Hebel für mehr Durchlässigkeit? Ulf Banscherusulf.banscherus@mailbox.tu-dresden.deBerlin, 17. Januar 2011