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Einführung in die Grundbegriffe der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie

Einführung in die Grundbegriffe der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie. 1. Vorlesung Wintersemester 2011/2012 PD Dr. Thomas Haipeter. Themen und Termine. Wissenschaftsgeschichtliche Einführung. Arbeit Markt und Arbeitsmarkt Leistung und Arbeitszeit

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Einführung in die Grundbegriffe der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie

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  1. Einführung in die Grundbegriffe der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie 1. Vorlesung Wintersemester 2011/2012 PD Dr. Thomas Haipeter

  2. Themen und Termine • Wissenschaftsgeschichtliche Einführung. • Arbeit • Markt und Arbeitsmarkt • Leistung und Arbeitszeit • Kontrolle und Rationalisierung (Vorlesung am 23.11. entfällt) • Kapitalismus • Klassen und Schichten • Arbeitsbeziehungen • Prekarisierung der Arbeit • Flexibilisierung, Subjektivierung und Entgrenzung • Informatisierung und Dienstleistungsarbeit • Globalisierung, Finanzialiserung und Corporate Governance • Kapitalistische Landnahme • Arbeit und Geschlecht

  3. Definitionsversuche

  4. Ausgangspunkte

  5. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie 1. Phase: Vor dem zweiten Weltkrieg • Industriestudien des Vereins für Sozialpolitik zur Arbeiterschaft • Kritische Rezeption des Taylorismus und Fordismus • Entstehung einer Betriebssoziologie 2. Phase: Nachkriegszeit / 1950er Jahre • Industriesoziologie Zentrum der Soziologie (Wirtschaftswunder; Industrialisierung) • Kritische Distanz zu Entwicklung in USA (Human Relations Bewegung etc.) • Paradigmenbildende Arbeiten: • Bahrdt/Popitz/Jüres/Kesting: Technik und Industriearbeit; Das Gesellschaftsbild der Arbeiter (1957); Pirker/Braun/Lutz: Arbeiter, Management, Mitbestimmung (1955); Von Friedeburg/Becker/Techner/Weltz, Betriebsklima (1955) • Fragestellungen: Arbeitssituation und -erfahrungen; Gesellschaftliches Bewusstsein; Auswirkungen der Mitbestimmung auf Personalstrategien; Beurteilung der Mitbestimmung • Methoden: Arbeitsplatzbeobachtungen; Experten- und Beschäftigteninterviews; standardisierte Befragungen • Fokus industrieller Großbetrieb und Industriearbeit • Bleibende inhaltliche Akzente: • Folgewirkungen des technologischen Wandels (teamartige und gefügeartige Kooperation) - Technikdeterminismus • Arbeiterbewusstsein: Leistungsbewusstsein; dichotomes Gesellschaftsbild

  6. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie 3. Phase: Weiterführende Forschung der Nachkriegsphase (1960er und 70er Jahre) • Angestelltensoziologie: Auswirkungen neuer Technologien • Bahrdt: Qualifizierungsthese • Schiefer: Polarisierungsthese • Jaeggi/Wiedemann: Differenzierungsthese • Betriebssoziologie: Betrieb als soziales System: • Funktionale Ordnung - Herrschaftssystem; • Formelle – informelle Organisation (Dahrendorf etc.) • Organisationssoziologie • Betrieb als Ort der Kapitalverwertung • Primat kapitalistischer Verwertungslogik (auch Technikeinsatz) • Betriebliche Autonomie: Betrieb als Akteur; historisch spezifische Lösungen (IFS München) • Markt- und Produktionsökonomie (Sohn-Rethel; ISF Frankfurt): Primat zeitökonomischer Durchdringung; Informatisierung

  7. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie • Die Polarisierungsthese (Kern/Schumann: Industriearbeit und Arbeiterbewusstsein) • Typisierung Arbeitsplätze von der Prä-Mechanisierung (Handwerk) bis zur Automation; Herstellung – Gewährleistung • Polarisierung: Qualifikationsaufwertung und repetitive Teilarbeiten innerhalb der Mechanisierungsstufen – keine lineare Beziehung zum technologischen Wandel • Spielräume der Arbeitsorganisation (Mickler…) • Bewusstseinsstudien • Auflösungen des dichotomischen Gesellschaftbildes; Erosion des Arbeiterbewusstseins (Verlust Körperlichkeit); instrumentalistische Einstellungen; aber: Verwundbarkeit als Lohnarbeiter (Kern/Schumann) • Widersprüchlichkeit der Interessen (Lohn – Arbeitszeit - Gesundheit – Betrieb) (Kudera Et al.) • Differenzierung der Arbeiterperspektive (Schumann Et al.): • Arbeitskraftperspektive – Subjektperspektive • objektive Stellung und subjektive Aneignungsprozesse (Erfahrungen; Deutungen): doppelter Bezug auf Arbeit • Arbeits-, nicht Arbeiterbewusstsein (Keine Verknüpfung zum Gesellschaftsbild) • Deutungsmuster; subjektive Konstitution von Bewusstsein (Hack Et al…) • Bedeutung der außerberuflichen Lebenswelt für Arbeitsbewusstsein

  8. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie 4. Phase: Die 1980er Jahre • Das Ende der Arbeitsteilung (Kern/Schumann) • Neue Produktionskonzepte: arbeitskraftzentrierte Rationalisierung • Re-Qualifizierung der Produktionsarbeit (Systemführer) - Rationalisierungsverlierer • Starke Entwicklungshypothese - Kritik: Schmale Basis; weitreichende Hypothese • Re-Qualifizierung der Angestelltenarbeit (Sachbearbeitung – Dienstleistungsarbeit; Baethge/Oberbeck) • Qualitätsstrategien der Unternehmen • Funktionsaufwertungen in integrierte Sachbearbeitung • Differenzierung Marktnähe / spezialisierte Sachberabeitung / standardisierte Abwicklung • Gefahren: Verlierer; Refeudalisierung; wachsender Leistungsdruck • Neuer Rationalisierungstyp: Systemische Rationalisierung (Altmann Et al.) • Nutzung der EDV für Rationalisierungsprozesse; Technik zentrales Rationalisierungspotenzial, nicht Arbeit • Gesamter betrieblicher Ablauf • Betriebsübergreifend: Zwischenbetriebliche Arbeitsteilung

  9. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie • Arbeitspolitik (Naschold/Jürgens): Offenheit von Entscheidungen • Anschluss an angelsächsische Debatte um den Arbeitsprozess (Kontrollstrategien – Strategische Wahl – betriebliche Konflikte) • Betrieb als Ort der Politik: Offenheit Gestaltung Technik und Arbeit • Politics of und in Production: Drei Ebenen • Mikropolitik und Spiele (der einzelnen Akteure; Ortmann und andere) • Betrieb als soziales System: Begrenzungen der Entscheidungsrationalität • Betriebliche Handlungskonstellation (Weltz/Lullies): betriebliche Filter von Rationalisierungszielen; Interessen und Kontingenzen • Betriebliche Sozialverfassung (Hildebrandt Et al.): Konsens über anerkannte Normen und Regeln des Arbeitshandelns • Betriebliche Sozialordnung (Kotthoff Et al.): Sinngebung, Gemeinschaftlichkeit, emotionale Bindungen.

  10. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie 5. Phase: Entwicklungslinien ab den 1990er Jahren: • Dienstleistungsarbeit: • Widersprüchliche Anforderungen (Kunde – Wirtschaftlichkeit) • Interaktionsarbeit • Informatisierung und IT-Industrie: • Abstrakte Arbeit • Neue Arbeitsformen und –regulierungen: Projektarbeit und individualisierte Aushandlungen • Arbeitsorganisation/Gruppenarbeit: • MIT-Studie Automobilindustrie • konservative und innovative Ansätze der Gruppenarbeit (SOFI) • Innovative Arbeitspolitik • Neue Unternehmensstrategien: Globalisierung und Finanzialisierung • Überformung der Arbeitspolitik • Aus- und Verlagerungen und die Ökonomie der kurzen Frist • Rückschwung des arbeitspolitischen Pendels

  11. Entwicklungslinien der deutschen Arbeits- und Industriesoziologie • Marktorientierung, indirekte Steuerung und Entgrenzung • Dezentralisierung, interne Konkurrenz und Ergebniskontrolle - Konfrontation mit Zielen, Kunden, Kennziffern • Vorgabe der Rahmenbedingungen und Personalpolitik der unteren Linie • Entgrenzung Arbeitszeit- und Leistungsanforderungen • Prekarisierung von Arbeit • Leiharbeit und Niedriglohn • Auslagerungsstrategien und Tarifkonkurrenz • Unsicherheit auch für Stammbelegschaften • Führungskräfte und Hochqualifizierte • Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen • Beitragsorientierung und Arbeitskraftunternehmer • Beteiligung und Interessenvertretung

  12. Entwicklungslinien der Wirtschaftssoziologie • Phase: Weber, Durkheim (und Simmel): • Wirtschaftssoziologie und Kapitalismus • Arbeitsteilung, Differenzierung und Solidarität • Geld: Individualisierung und Verbreitung sozialer Beziehungen • Phase: Zwischen- und Nachkriegszeit • Schumpeter (Theorie wirtschaftlicher Entwicklung): Unternehmer, Innovationen und kreative Zerstörung • Parsons (Economy and Society): • Funktionale Differenzierung (AGIL) - Wirtschaft als gesellschaftliches Subsystem • In kritischer Anknüpfung Luhmann: Kommunikation und Selbstreferentialität, Codes, generalisierte Kommunikationsmedien • Polanyi (The Great Transformation) • Englische Sozialgesetzgebung des frühen 19. Jahrhunderts und Auswirkungen des Industriekapitalismus • Fiktive Waren Boden, Arbeit und Geld: Teufelsmühle des Marktes • Die Rückkehr der Gesellschaft (Einbettung des Marktes)

  13. Entwicklungslinien der Wirtschaftssoziologie 3. Phase: Neue Wirtschaftssoziologie der 1980er bis heute • Reaktion auf Scheitern des Strukturfunktionalismus • Reaktion auf Imperialismus der ökonomischen Theorie: ökonomische Institutionentheorie: • Theorie der Firma (Coase) • Transaktionskostentheorie der Institutionen und ihres Wandels (Williamson, North) • Neubestimmung der Embeddedness (Granovetter): • Zwischen Über- und Untersozialisierung: Determinismen • Bedeutung sozialer Interaktionen in Netzwerken (Einbettung) • Stärke schwacher Bindungen – Brückenfunktionen (Bsp. Arbeitsmarkt) • Strukturelle Löcher… (Burt) • Sozialer Charakter der Märkte (Fligstein): • Machtkämpfe: Ziel Eliminierung der Konkurrenz • Dominanz großer Firmen: Kontrollstrategien • Intervention des Staates zur Stabilisierung der Märkte (und der großen Formen) • Bedeutung soziale Infrastruktur (Recht/Qualifikationssysteme – Ansprüche der Gesellschaft an Unterne)

  14. Entwicklungslinien der Wirtschaftssoziologie • (Historische) Formen der Corporate Control (Fligstein) • Direct Control • Manufacturing Concept of Control • Sales und Marketing Concept of Control • FinanceConcept of Control • Wechselwirkung Kontrollkonzepte – Organisationsfelder und Politik • Sozialer Charakter des Geldes (Zelitzer) • Keine Zerstörung sozialer Bande • Vielfalt kulturell beeinflusster Formen (Bsp.: Kennzeichnung für Sozialhilfe durch Präsenzpflicht oder Gutscheine…) • Kulturelle Reproduktion von sozialer Beziehungen und sozialer Ungleichheit • Varieties of Capitalism (Hall/Soskice) • Verschiedene institutionelle Varianten des Kapitalismus • Qualifikationssysteme / Innovationssysteme / Corporate Governance und Finanzsysteme / Industrielle Beziehungen • Liberal und Coordinated Market Economies • Auswirkungen auf Innovation (inkrementell-sprunghaft), Marktdynamik • Jeweils Komparative institutionelle Vorteile • Hohe Pfadabhängigkeit – keine Konvergenz durch Globalisierung

  15. Zusammenfassung • Zwei Disziplinen: • Unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte • Unterschiedliche Dynamiken und Entwicklungsphasen • Überschneidungen: • Kapitalismusanalyse • Kontrollkonzepte • Wechselseitige Ergänzungen: • Arbeit und Arbeitsregulierung – Märkte und wirtschaftlichen Institutionen • Empirische Analysen - Theoretische Fundierung

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