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Gestaltung der Aufsichtspflicht bei Jugendreisen. Reisenetz Fachtagung 15.11.2013. Rechtsanwältin: Anja Smettan -Öztürk Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht Augsburger Straße 29 10789 Berlin www.rechtsanwalt-smettan.de info@rechtsanwalt-smettan.de.
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Gestaltung der Aufsichtspflicht bei Jugendreisen Reisenetz Fachtagung 15.11.2013 Rechtsanwältin: Anja Smettan-Öztürk Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht Augsburger Straße 29 10789 Berlin www.rechtsanwalt-smettan.de info@rechtsanwalt-smettan.de
Was ist überhaupt Aufsichtspflicht? BGB § 1626 Elterliche Sorge § 832 Haftung des Aufsichtspflichtigen StGB § 223 Körperverletzung § 220 Fahrlässige Tötung Vorschriften zum Sexualstrafrecht JuSchG
Was ist überhaupt Aufsichtspflicht? § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze (1) 1Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). 2Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) 1Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. 2Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an. (3) 1Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. 2Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
Was ist überhaupt Aufsichtspflicht? § 832 BGB (1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. (2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.
Was ist überhaupt Aufsichtspflicht? § 223 StGB (1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
Was ist überhaupt Aufsichtspflicht?Jugendschutzgesetz: Alkohol Tabak Aufenthalt in Gaststätten Tanzveranstaltungen Filmvorführungen
Jugendschutz in anderen Ländern Alkoholvorgaben oft strenger Tabakkonsum oft strenger Sexualstrafrecht oft strenger Maßgeblich ist immer das strengere Recht, an dem sich der Reiseveranstalter orientieren muss!!!
Rechtsprechung zur AufsichtspflichtBGH (Urteil vom 20.03.2012 - VI ZR 3/11) • "Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist.“
Rechtsprechung zur Aufsichtspflicht • Wer eine objektive Gefahrenlage schafft oder sie in dem von ihm beherrschten Gefahrenbereich andauern lässt, muss entsprechende Sicherungsmaßnahmen treffen. • Das Maß der zu fordernden Sorgfalt bestimmt sich dabei nach den typischerweise während einer Reise vorkommenden Situationen.
Rechtsprechung zur Aufsichtspflicht • keine Haftung bei: -Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos - überwiegendem Eigenverschulden des Minderjährigen - überwiegendem, nicht vermeidbaren Fremdverschulden (Schädigung durch Dritte)
Rechtsprechung Alkoholkonsum • Fall: • 15-jährige Teilnehmerin einer Jugendreise, welche anlässlich eines Schachturniers durchgeführt wurde, hatte sich erhebliche Verletzungen durch einen alkoholbedingten Fenstersturz zugezogen (kletterte aus dem Fenster und stürzte auf ein Vordach, 5,80 m tief) • Übernachtung erfolgte im Internat eines Gymnasiums • Die jugendlichen Teilnehmer, darunter auch die Klägerin konsumierten in einer Nacht in deren Zimmern in erheblichem Umfang Alkohol, u.a. Bacardi und Tequila, gemischt mit Cola
Rechtsprechung Alkoholkonsum „Es stellt eine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, wenn bei Übernachtungen einer Jugendgruppe keine Betreuungsperson zur gelegentlichen Kontrolle abgestellt wird. Eine ordnungsgemäße Betreuung hätte es (im vorliegenden Fall) erfordert, daß ein Betreuer die Nacht hindurch in der Unterkunft geblieben wäre, um durch Kontrollen alkoholischen Exzessen vorzubeugen. Das Alkoholverbot, das anfangs den Teilnehmern mündlich erteilt worden ist, reicht hierfür nicht aus. Dazu wären auch im weiteren Verlauf der Nacht noch gelegentliche Kontrollen auf den Zimmern erforderlich gewesen, jedenfalls solange, wie noch nicht allgemeine Ruhe eingekehrt war.“ (OLG Hamm, Urteil vom 21.12.95 / 6 U 78/95)
Rechtsprechung Alkoholkonsum • Fall: Die Klägerin buchte eine Pauschalreise (All inclusive) für sich und ihren minderjährigen Sohn. Der Reiseveranstalter hat in seinem Prospekt darauf hingewiesen, dass kein Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt werde. Dennoch war es dem 16-Jährigen möglich im Hotel Alkohol zu erhalten und diesen in unkontrollierten Mengen zu sich zu nehmen.
Rechtsprechung Alkoholkonsum • „[…]Die Tatsache, dass die Klägerin ihren Sohn beaufsichtigen musste, damit dieser keinen Alkohol zu sich nimmt, ist kein Reisemangel im Sinne des § 651 c Abs. 1 BGB. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass an Minderjährige keine hochprozentigen Alkoholika ausgeschenkt werden dürfen. Die Aufsichtspflicht der Klägerin für ihren minderjährigen Sohn ergibt sich jedoch aus dem Gesetz (§ 1626 BGB). Die Beklagte hat durch den Reisevertrag keine Aufsichtspflicht für den Sohn übernommen, so dass hier kein Fehler der Reise zu erkennen ist. Es ist die gesetzliche und natürliche Pflicht der Klägerin, ihren Sohn dahingehend zu erziehen, dass er nicht bis zur Besinnungslosigkeit Alkohol zu sich nimmt. Diese Pflicht hat die Beklagte auch durch den Hinweis im Prospekt, dass kein Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt werde, nicht übernommen. Der Hinweis soll lediglich das All- Inklusive- Angebot begrenzen, jedoch keine Aufsichtspflicht übernehmen.“ (AG Duisburg, Urteil vom 01.10.2008, Az 27 C 1039/08)
Rechtsprechung Ausflüge • Fall: Eine 14- jährige Schülerin ertrinkt anlässlich eines Badeausflugs mit 26 Kindern an einen Baggersee, nachdem sie in der Mitte des Sees von der Luftmatratze fiel. Das Mädchen konnte nicht gut schwimmen. Der Baggersee war für das plötzliche Abfallen des Seeuntergrundes und wechselnde Strömungen bekannt, aber dennoch ein beliebtes Ausflugsziel auch von Familien mit Kindern, sowie Jugendlichen.Die Schülerin hatte im Übrigen eine Schwimmerlaubnis der Eltern vorgelegt, die jedoch gefälscht war.
Rechtsprechung Ausflüge Das OLG Köln hat insofern klargestellt, dass ein Lehrer bei einem Schulausflug ein Beschützergarant gegenüber den Schülern ist (OLG Köln NJW 1986, 1947). Die Lehrerin wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, § 222 StGB. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Auswahl des Baggersees für einen Ausflug mit 26 Kindern pflichtwidrig war. „Die bloße Erklärung, ein Kind könne schwimmen, ist nicht eindeutig, da dies auch bedeuten kann, dass ein Kind einige Züge schwimmen kann“
Rechtsprechung Ausflüge Fall: Verletzung eines Teilnehmers durch einen anderen Teilnehmer mit der Axt • Jugendreise nach Finnland, an der auch der 16 jährige Kläger teilnahm (Reisegruppe bestand insgesamt aus 38 TN und sieben Mitarbeitern) • Vier holzbegabte TN wurden ausgewählt und zu "Saunameistern" erklärt und mit der Aufgabe betraut, Holz für die Sauna zu hacken. • Der Kläger stützte mit einem Holzscheit ein anderes, dass nicht selbständig stand. Als Letzteres umfiel, führte der Kläger seine Hand zu dem umgestürzten Holzscheit, um es wieder aufzurichten. In diesem Moment schlug ein anderen „Saunameister“ mit der Axt zu und traf den linken Zeigefinger des Klägers, der abgetrennt wurde.
Rechtsprechung Ausflüge • „Von einem Jugendlichen in diesem Alter ist zu erwarten, dass er die Gefahren, die beim Holzhacken bestehen - unabhängig von der Frage, wie lang der Axtstiel ist - kennt und sich dementsprechend verhält. Das Holzhacken ist zwar durchaus eine gefährliche Tätigkeit. Die dabei einzuhaltenden Verhaltensmaßregeln sind jedoch sehr einfach und jedermann unmittelbar einleuchtend. Bei einem Jugendlichen im Alter des Klägers muss nicht mehr befürchtet werden, dass er diese Verhaltensmaßregeln in so grober Weise missachtet, wie er dies vorliegend getan hat, so dass eine ständige Beaufsichtigung beim Holzhacken nicht verlangt werden kann.“ LG Bielefeld, Urteil vom 16. Oktober 2007, Az. 2 O 228/07
16 plus „Die Leine wird länger“ • Aufsichtspflicht endet erst mit der Volljährigkeit, ist jedoch bei Jugendlichen über 16 Jahren nur noch stark eingeschränkt notwendig
Gebote der Aufsichtspflicht Jugendreiseveranstalter müssen vorhersehbare Gefahren vorausschauend erkennen und zumutbare Anstrengungen unternehmen, um die ihnen anvertrauten Minderjährigen vor Schäden zu bewahren.
Gebote der Aufsichtspflicht - Risikoanalyse je Reiseart und Zielgruppe - Erstellung Maßnahmenkatalog und hierauf abgestimmte Betreuerschulung • allgemeine Belehrung zu Beginn der Reise nicht ausreichend, konkrete Weisungen, Nachfragen oder Kontrollen sind erforderlich • Klare Orientierungen im Vorfeld, Hinweise bereits in Katalog und Reiseausschreibungen erteilen, da diese die Grundlage des Vertrages sind • Konkret gefasste Einwilligungen der Eltern vorher einholen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Rechtsanwältin: Anja Smettan-Öztürk Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht Augsburger Straße 29 10789 Berlin www.rechtsanwalt-smettan.de info@rechtsanwalt-smettan.de