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Handlungsmotivation der NS- Euthanasieärzte. Yasmina Dötschel KS 12 Ethik 12/2. Handlungsmotivation der NS- Euthanasieärzte. Einführung Der konkrete Tatablauf Eugenik – Rassenhygiene – Ökonomie – Biopolitik Heilung der Heilbaren und Tötung der Unheilbaren Verantwortung und Gewissen
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Handlungsmotivation der NS- Euthanasieärzte Yasmina Dötschel KS 12 Ethik 12/2
Handlungsmotivation der NS- Euthanasieärzte • Einführung • Der konkrete Tatablauf • Eugenik – Rassenhygiene – Ökonomie – Biopolitik • Heilung der Heilbaren und Tötung der Unheilbaren • Verantwortung und Gewissen • Kumpanei • Fazit • Quellenangaben
Einführung 1 • Insgesamt wurden zwischen 1939 und 1945 ca. 180.000 Menschen von Ärzten im damaligen deutschen Reichsgebiet getötet • Heute wissen wir viel über die Tötungsmaschinerie, Täter und Opfer sowie die administrativen Abläufe • Die Aufarbeitung dieser Ereignisse war mühsam und schwierig, nicht nur wegen der Grausamkeit sondern auch durch Verdrängung und Verleugnung • Durch die Dokumentation der Alliierten (besonders der Amerikaner) wurden die Beweisgrundlagen für die Nürnberger Ärzteprozesse geschaffen (hier wurden die Hauptverantwortlichen verurteilt)
Einführung 2 • Durch den beginnenden kalten Krieg und aufgrund des zweigeteilten Deutschlands wurde die Motivation der Alliierten getrübt und sie legten keinen Wert mehr darauf, die Geschehnisse weiterhin zu verfolgen • Die Verbreitung der Nürnberger Ärzteprozesse durch Mitscherlich und Mielke wurde aktiv behindert • Bis Mitte der 70er Jahre war die Veröffentlichung über die damaligen Ereignisse äußert spärlich und oft gab es eine verharmlosende Darstellung • 1983 wurde von Ernst Klee „Euthanasie im NS-Staat“ veröffentlicht, wodurch nun auch ein wachsendes Interesse zur Aufarbeitung der Geschehnisse in der Bevölkerung aufflammte
Einführung 3 • Hierdurch wurden auch Psychiatriereformen durchgeführt, welche viele junge Psychiater aus den Unis in die Anstalten brachten, um diese umzugestalten • Auch von Seiten der Justiz wurde immer weniger Einsatz gezeigt, die Täter zu verfolgen • Diese erkannten, dass die vorhandenen Strukturen das Grauen erst zugelassen haben und deshalb eine Reformierung dringend von Nöten sei • Erst so kam es zu den unzähligen Dokumentationen, die es heute gibt. Diese sollen auf der einen Seite sichtbar machen, was damals geschah, auf der anderen Seite aber auch die Opfer würdigen
Einführung 4 • Zu etwa der gleichen Zeit begannen auch Historiker und Medizinhistoriker mit der wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas • Heute wissen wir ziemlich genau über die administrativen Abläufe und Anordnungen Bescheid (dank der oben genannten Analysen und Dokumentationen) • Am schwierigsten wird wohl immer die folgende Frage zu beantworten bleiben: Wie hätte ich in der damaligen Situation gehandelt? (ein wichtiger Aspekt bei dieser Frage ist die „theory of mind“, denn bei den Ärzten muss diese gestört gewesen sein, denn nur so konnten sie ohne jedes Interesse am Anderen und ohne Mitgefühl für diese handeln) • Aus den Biographien der Täter wissen wir, dass diese keinesfalls Sonderlinge oder Menschen mit einer abnormen Persönlichkeit waren • Im Gegenteil: Sie waren klug und gebildet, hatten Kinder und Familie • Im Folgenden soll geklärt werden, wie es möglich war, dass Menschen auf diese Weise handeln konnten
Der konkrete Tatablauf - 1 Beschrieben werden soll nun an einem Beispiel, wie eine so- genannte T4-Aktion ablief: • 26.08.1940: 75 Patienten der Heil-und Pflegeanstalt Kaufbeuren werden abtransportiert und in Grafeneck getötet (siehe Bild 1) • Weder die Mehrheit der Mitarbeiter noch der Großteil der Patienten wissen, was mit diesen geschehen wird • Einer der sicherlich Bescheid wusste, war der Direktor der Anstalt, Dr. Faltlhauser. In seiner Vernehmung sagte er aus: • Es sei möglich, dass er bei den letzten Transporten wusste, dass die Patienten zur Vergasung gebracht würden. Jedoch sei er der Meinung gewesen, dass diese Handlung rechtens sei, da es ja schließlich von höherer Stelle angeordnet war
Der konkrete Tatablauf - 2 • Aus dem Bericht einer Ordensschwester: • Sie hatten Listen mit Namen und Nummern. Jeder Patient, der auf dieser Liste stand, bekam einen Leukoplaststreifen mit seiner Nummer und seinem Namen auf den Rücken. Den Mitarbeitern wurde erzählt, die Leute kämen in Wohltätigkeitsanstalten, damit es billiger werde • Im November 1942 wurde die Hungerkost in Kaufbeuren eingeführt: • Bei der Hungerkost (auch E-Kost genannt) bekamen die Patienten wochenlang gar nichts zu essen und dann auf einmal wieder so viel, dass ihr Magen überfüllt wurde. Auch bekamen sie monatelang kein Fleisch, aber ausgerechnet am Aschermittwoch. Ebenso wurde mit Fisch verfahren (Karfreitag) • Ab Januar 1944 wurden in Kaufbeuren Patienten gezielt getötet. Hierzu wurde eigens erfahrenes Personal angefordert. Man einigte sich darauf, nur solche zu töten, bei denen keine Besserung mehr möglich sei, wie zum Beispiel Schizophrene und schwere Fälle von Idiotie (siehe Bild 2)
Der konkrete Tatablauf - 3 • Ab Dezember 1941 wurden in eigens eingerichteten Fachabteilungen 209 Kinder getötet (siehe Bild 3) • Bald werden auch in Kaufbeuren Menschenversuche durchgeführt. An Kindern wird beispielsweise eine neue TBC-Impfung erprobt, aufgrund derer viele Abszesse entwickeln oder sogar sterben
Der konkrete Tatablauf - 4 • Am 17.04.1945 besetzen amerikanische Truppen Kaufbeuren. Doch erst zweieinhalb Monate später, nachdem sie erfahren haben, dass es im Krankenhaus nicht mit rechten Dingen zugeht, besuchen zwei Offiziere die Heilanstalt • Aus deren Bericht: • In einem nicht gekühlten Leichenraum fanden wir stinkende Körper von Männern und Frauen. Sie wogen zwischen 26 und 33 Kilogramm. Die Stationsschwester der Kinderabteilung gab zu, mindestens 211 Jugendliche vergiftet oder getötet zu haben, wofür sie einen Zuschlag von 35 Reichsmark monatlich erhielt.
Der konkrete Tatablauf - 5 • Es fällt schwer Schutzbehauptungen von Wahrheit zu unterscheiden. Helfen können hierbei die Krankenakten der Patienten. In der Regel ist zu erkennen, wann die innere Entscheidung gefallen ist, die Personen zu töten und nicht mehr zu behandeln. Bis zu diesem Zeitpunkt kann man in den Akten therapeutische Maßnahmen erkennen und ab und zu sogar mitfühlende Eintragungen feststellen. Doch plötzlich ändert sich die Sprache und der Patient wird entwertet, manchmal sogar hasserfüllt beschrieben. Auch wird er nicht mehr als Patient gesehen, sondern als „beseitigungswürdige, feindliche Hülse“. • Es scheint so, als mussten Ärzte ihre Patienten entwerten und hassen, um sie töten zu können! Wie konnten Menschen nur so handeln?!
Eugenik – Rassenhygiene – Ökonomie – Biopolitik - 1 • Sozialdarwinismus und eugenische Bewegung werden als Hauptwurzeln der Nazi-Euthanasie angesehen • So war es damals ein weit verbreitetes Denken, dass die Evolution der Menschen durch die Pflege von Erbkranken gestört wurde und es so nicht mehr möglich war, nach immer Höherem und Gesünderem zu streben (siehe Bild 4) • Tatsache war, bleibt und ist jedoch, dass in keinem anderen Land der Welt Vergleichbares geschah. Es sind große Unterschiede in der weltweit verbreiteten Eugenik und der in Deutschland praktizierten „erbbiologisch begründeten Rassenhygiene“ zu machen • Internationale Eugenik: Fragen der Sterilisation und Fortpflanzungskontrolle erbkranker Menschen, Beschäftigung von Ungleichheit der Menschen sowie Meinungen zur Euthanasie als Mittel zur Gesundung des Volkskörpers
Bild 4 - Pfleger Dieser Pfleger, ein gesunder kraftvoller Mensch, ist nur dazu da, um diesen einen gemeingefährlichen Irren zu betreuen. Müssen wir uns dieses Bildes nicht schämen?! (Originalbildunterschrift)
Eugenik – Rassenhygiene – Ökonomie – Biopolitik - 2 • Ein weiterer Unterschied ist die Sprache zwischen der weltweiten Eugenikbewegung und der deutschen Rassenhygiene • International: „Entwurzelung“ von Krankheiten als zentrales Ziel • Deutschland: „Ausmerzung“, beinhaltet bereits das Töten von Schwachen. Psychisch Kranke werden als „Menschenhülsen“ und „Ballastexistenzen“ bezeichnet und ihnen somit der Personenstatus aberkannt Tötung steht rechtlich und menschlich nichts mehr im Wege. Als Argumente für die Tötung wird nicht die eugenische Krankheitsprävention in den Vordergrund gestellt, sondern ökonomische Aspekte
Eugenik – Rassenhygiene – Ökonomie – Biopolitik - 3 Bild 5 - Ausfallkosten • „Der Einzelne ist für die Gemeinschaft das wert, was er für sie leistet und zwar über seinen eigenen unmittelbaren Unterhalt hinaus. Gleichgültig sind die, die gerade noch für sich selbst sorgen können. Ballastexistenzen sind die Minderwertigen, welche die Lasten ihres eigenen Daseins der Gemeinschaft überlassen, an Rechten der Gemeinschaft aber teilnehmen“ ( 1931 Hermann Simon, Direktor der Heil-und Pflegeanstalt Gütersloh)
Eugenik – Rassenhygiene – Ökonomie – Biopolitik - 4 • Eugenik war Vorstufe in der Handlungsmotivation der Täter, da aus Sicht der Eugenik die Tötung so vieler Menschen sinnlos gewesen wäre (sie waren sterilisiert oder wären es geworden, lebten in Anstalten keine Möglichkeit zur Fortpflanzung) • Auch die große Brutalität der Vorgehensweise kann so nicht erklärt werden, die Täter mussten ihre Patienten zu Feinden machen und sie entwerten • Biopolitik betreiben heißt, über Wert und Unwert des Lebens zu entscheiden. Biopolitik bedeutet die absoluteste, souveränste Machtausübung und endet zwangsläufig mit der Ermordung der Unwerten
Heilung der Heilbaren und Tötung der Unheilbaren - 1 • 1932 trat Faltlhauser noch für eine neue und humane Psychiatrie ein • Doch schon 1945 hatte sich seine Einstellung soweit verändert, dass er zu einem der führenden Aktivisten der Euthanasie geworden war • Erklärungen hierfür kann man nur vermuten. Vielleicht wurden ihm durch die schwerkranken Menschen seine Grenzen als Arzt aufgezeigt und ihm blieb nichts anderes übrig, als diese zu töten • Bewiesen werden könnte diese Theorie durch die Aufzeichnungen in den Patientenakten, hier sind keine Spuren mehr von Mitleid oder Barmherzigkeit zu finden
Heilung der Heilbaren und Tötung der Unheilbaren - 2 • Eine andere Erklärung wäre, dass für Faltlhauser selbst kein Widerspruch zwischen seinen beiden doch sehr gegensätzlichen Aussagen von 1932 und 1945 lag. Lifton brachte 1986 den Begriff des „doubling‘“ in seiner Studie über Nazi-Ärzte • Dies bedeutet, dass sie ein zweites Selbst entwickelten, das zur Überwindung der extremen Widersprüchlichkeit in Denken und Handeln diente • Somit war es den Ärzten möglich, auf der einen Seite ein liebevoller Ehepartner, Vater und Mitmensch zu sein, auf der anderen Seite konnten sie durch ihr Handeln zum inneren Kreis der Theoretiker und Vollstrecker gehören und dadurch bei ihren Kollegen Eindruck machen • Sie konnten ihre Gewissens- und Schuldproblematik bekämpfen, indem sie die Verantwortung auf ihr anderes Selbst abwälzten
Verantwortung und Gewissen • Durch die starre Hierarchie, die schon in der Vorhitlerzeit herrschte wurde der Handlungsspielraum der Menschen massiv eingeengt. Verschärft wurde dies noch durch das von Hitler eingeführte Führungsprinzip • So ist es nicht verwunderlich, dass ein Staatsbeamter sagte, er sei dazu erzogen worden, den Anordnungen und Gesetzen Folge zu leisten und habe immer nur im guten Glauben nach den Geboten und der Menschlichkeit gehandelt • An dieser Aussage kann man gut erkennen, dass die Verantwortung der einzelnen Menschen reduziert wurde und jene mit den Handlungen und deren Folgen einem Oberen, letztendlich dem Führer, übertragen wurde • Durch diese Denkweise wird das Gewissen ausgeschaltet und die Allgegenwärtigkeit und Banalität des Bösen tritt zu Tage
Kumpanei • Der „Innere Kreis“ der Euthanasie-Ärzte traf sich regelmäßig. Dieser hatte Zugang zu Annehmlichkeiten, die zu Kriegszeiten Normalbürgern nicht zugänglich waren • So ist es nicht verwunderlich, dass es das Bestreben vieler war, zu diesem „Inneren Kreis“ zu gehören • Durch diese Zusammenkünfte wurde eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt, dass jedem einzelnen Arzt zeigte: Er ist nicht alleine mit seinem Handeln und tut nur Gutes, wie alle anderen die zu dieser Gemeinschaft gehören • Auch war die Zugehörigkeit mit finanziellen Reizen verknüpft, so bekamen sie beispielsweise monatliche Zuwendungen
Fazit - 1 • Abschließend kann man sagen, das Handeln der Ärzte zu dieser Zeit entzieht sich jedem Verständnis aus heutiger Sicht • Auslöser war nicht die Eugenik, sondern die in Deutschland ausgeprägten Formen des Ungleichheitsgefühls der Menschen, die Unterscheidung zwischen wertvollem und unwertvollen Leben, sowie der Lösungsansatz Hitlers zur sozialen Frage • Durch die hierarchischen Strukturen, fiel es den Ärzten leicht, die Verantwortung für ihr Handeln abzuwälzen
Fazit - 2 • Sie wussten zwar, dass sie Unrecht taten, aber entwickelten psychologische Mechanismen, um mit diesem Widerspruch leben zu können • Reizvoll waren auch der Gedanke an einem „Menschheit verändernden“ Projekt teilzunehmen, sowie die Annehmlichkeiten, die der „Innere Kreis“ mit sich brachte • Durch das Zusammenspiel all dieser Faktoren war es den Ärzten, die gebildete und engagierte Menschen waren, möglich, die Grundvoraussetzung ärztlichen Handelns aufzugeben und die Patienten aus der Distanz heraus zu töten ( nur durch die Störung der „theory of mind“ konnte dies geschehen)
Quellenangaben • Bilder • Bild 1http://de.wikipedia.org/wiki/Euthanasie_im_Nationalsozialismus • Bilder 2 – 5http://bismarckgymmi.bi.funpic.de/projekte/geschichte/projekt2/arbeit2gruppe4.php