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Proseminar zu Schellings „Vom Ich als Prinzip der Philosophie“ WS 2009/2010 => 11.12.2009: Fortsetzung des Exkurses zu Immanuel Kant (1724-1804). Von Kant haben wir uns bisher Aspekte seiner theoretischen Philosophie, das heißt seiner Lehre von der menschlichen Erkenntnis, kennen gelernt.
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Proseminar zu Schellings „Vom Ich als Prinzip der Philosophie“ WS 2009/2010 => 11.12.2009: Fortsetzung des Exkurses zu Immanuel Kant (1724-1804)
Von Kant haben wir uns bisher Aspekte seiner theoretischen Philosophie, das heißt seiner Lehre von der menschlichen Erkenntnis, kennen gelernt • menschliches Erkennen auf zwei Grundkomponenten/Stämme notwendigerweise angewiesen: 1. auf die Anschauung bzw. das Vermögen der Sinnlichkeit, das uns Anschauungen liefert 2. auf den Verstand: er denkt einen Gegenstand zu den gegebenen Anschauungen, und zwar insofern er die Anschauung be-greift (Begriffen unterordnet) bzw. be-urteilt (die Begriffe zu Urteilen verknüpft).
Zum Vermögen der Sinnlichkeit... • Sinnlichkeit ist nach Kant die Fähigkeit, Vorstellungen durch das Affiziert-Werden von Gegenständen zu bekommen => „Affiziert-Werden“ kann man hier vielleicht mit >ohne unser Zutun „gerührt“ werden< übersetzen • Kant sagt im § 1: „Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfähigkeit, so fern wir von demselben affiziert werden, ist Empfindung“ => also mit Blick auf die empfindungshafte Seite unserer Anschauungen sind wir passiv, im Zustand der Rezeptivität (Empfänglichkeit) und der Gesichtspunkt der Empfindung kann nicht als a priori in uns liegend verstanden werden (Empfindung ist etwas aposteriorisches).
Kant: Raum und Zeit liegen a priori quasi im Vermögen der Sinnlichkeit (des erkennenden Subjekts)bereit => unter ihnen stehen alle Vorstellungen, die uns überhaupt sinnlich gegeben sein können (auch die Empfindungen); damit sind sie die grundlegenden Bedingungen für Erkenntnis!
Kant sagt, alle sinnlichen Vorstellungen stehen unter der Anschauungsform der Zeit, weil sie Modifikationen des Gemüts oder des Bewusstseins, oder auch des „inneren Sinns“, wie Kant es bezeichnet, sind. Die Form des inneren Sinn aber und seiner Vorstellungen ist die Zeit, das heißt die Form des Nacheinander (oder des Zugleich: mit Blick auf darin vorkommende Empfindungen). Nicht alle im inneren Sinn vorkommende Vorstellungen haben aber auch eine Beziehung auf etwas äußeres, sind also auch räumlich; alle aber sind zeitlich!!
Dies – dass alle Vorstellungen, als Modifikationen des inneren Sinns oder des Bewusstseins der Zeit unterstehen – spielt eine Schlüsselrolle bei der Frage, wie synthetische Urteile a priori möglich sind, die wir ja, wie wir gesehen haben, für Kant tatsächlich haben (zum Beispiel in der Physik oder der Mathematik) und deren Merkmal strenge Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit sind.
Wie wir auch gesehen haben hängt für Kant an der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori die Lösung der Frage: „Ist Metaphysik als Wissenschaft möglich“ => denn es ist die Metaphysik, die es zu einem großen Teil mit erkenntniserweiternden (synthetischen) und dennoch nicht auf Erfahrung gegründeten Urteilen zu tun hat => Gegenstände wie Gott, die Seele (und deren Unsterblichkeit), die menschliche Freiheit oder die Welt als Ganzes übersteigen offenbar das uns in der Erfahrung je als „gegeben“ mögliche.
Also wie sind synthetische Urteile a priori möglich? Zur Erinnerung: 4 mögl. Urteile kann es geben: synthetisch analytisch a priori (erfahrungs synthetisch analytisch unabhängig) a priori a priori a posteriori (erfahrungs synthetisch analytisch abhängig) a posteriori a posteriorí
Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? • Anders formuliert: wie kann unsere Erkenntnis vermehrt/vergrößert werden, ohne dass wir auf Erfahrung rekurrieren müssen => wir müssen bedenken: Erkenntnis ist für Kant ja nur dann wahre Erkenntnis, wenn sie sich auf Sinnlichkeit bezieht: das heißt, nochmal anders formuliert: wie kann unsere Erkenntnis a priori erweitert werden und sich dennoch (a priori) auf Sinnlichkeit beziehen (als Bedingung jeder Erkenntnis)?
Genau hier wird jetzt wichtig, dass uns die Sinnlichkeit ja auch apriorische Formen darbietet, nämlich Raum und Zeit (mit einem Primat der Zeit); das heißt – das haben wir letzte Sitzung mit als letztes gesehen – die möglichen Erkenntnisobjekte sind uns ohnehin immer nur als ERSCHEINUNGEN (das heißt, in Raum und Zeit) gegeben, niemals, wie sie an sich selbst sind. • Das heißt Erkenntnis bezieht sich immer auf Erscheinungen, niemals auf Dinge an sich selbst: diese Erscheinungen sind aber APRIORI strukturiert => also könnte sich hier die Möglichkeit auftun, dass sich das Erkennen/das Urteilen a priori und vielleicht dennoch erkenntniserweiternd auf Gegenstände/die Welt bezieht. Hier steigen wir wieder in den Text ein und wenden uns dem Verstand zu...