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Psychotherapie Affektiver Störungen Neue Erkenntnisse und Strategien

Psychotherapie Affektiver Störungen Neue Erkenntnisse und Strategien. Martin Hautzinger Eberhard Karls Universität Tübingen Psychologisches Institut hautzinger@uni-tuebingen.de. Diagnostische Gruppen.

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Psychotherapie Affektiver Störungen Neue Erkenntnisse und Strategien

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  1. Psychotherapie Affektiver StörungenNeue Erkenntnisse und Strategien Martin Hautzinger Eberhard Karls Universität TübingenPsychologisches Instituthautzinger@uni-tuebingen.de

  2. Diagnostische Gruppen • Unipolare Affektive StörungenDepressive Episoden unterschiedlichen Schweregrads, Depressive Episoden mit und ohne somatische Symptome (Melancholie), Einzelepisoden, rezidivierende Depressionen, chronische Depressionen, Dysthymien, Anpassungsstörungen (depressiv), • Bipolare Affektive Störungenverschiedene Formen und Verläufe, akut, remittiert, teilremittiert, rezidivierend, früher und später Beginn

  3. Einteilungen, Kategorien, Überlappungen Angststörung Komorbidität Unterschwellige (Minor) Depression) MittelschwereDepression Schwere Depression Leichte Depression Dysthymie Chronizität Somatisierungsstörung Schweregrad

  4. Psychotherapien bei Depressionen • Verschiede Formen und RichtungenIPT, IPSRT, STPP, GPT,KVT, MBCT, CBASP, FFT … • Verschiedene Settings Einzel- und Gruppentherapien • Rahmenbedingungenambulant, stationär, Paare, Familien, Rehabilitation • Akutbehandlung, Symptomreduktion • Optimierung und Effektsteigerung • Rückfallverhinderung • Prävention bzw. Frühintervention

  5. Kognitive Verhaltenstherapie: KVT Cognitive Therapy, Behaviour Therapy, Behavioral Activation, Behaviour Modification, Self Control Therapy, Social Skill Training, Communication Therapy, Family Focused Therapy etc. Mindfulness Based Cognitive Therapy, Cognitive Behavior Analysis System Therapy

  6. Sechs Therapiephasen der KVT • Phase 1:zentrale Probleme erkennen, benennen; Aufbau therapeutischer Beziehung, Akzeptanz • Phase 2:Vermittlung therapeutisches Modell, Struktur und Elemente der Therapie • Phase 3:Aktivitätsaufbau, Tagesstruktur • Phase 4:Bearbeiten kognitiver Muster und dysfunktionaler Informationsverarbeitungen • Phase 5:Verbesserung der sozialen, interaktiven, problemlösender Kompetenzen • Phase 6:Vorbereitung auf Krisen, Beibehaltung des Gelernten, Rückfallverhinderung

  7. KVT: Grundelemente und Rahmenbedingungen • Problemorientierung, Schlüsselprobleme • Strukturiertheit, Zielorientiert, Direktivität • Gegenwartsnähe, Alltagsnähe • Transparenz, Erklärungen, Information • Akzeptanz, Professionalität, Sicherheit • Interessierter, neugieriger, aktiver Therapeut • Kooperation, Arbeitsbündnis • Fertigkeiten orientiert, Kontrolle erwerben • Neulernen, Kompetenzen erwerben, Übungen • Rückmeldungen, Zusammenfassungen

  8. KVT Einzeltherapie Plan (16-20 Sitzungen) • Sitzungen 1-3: Anamnese, Problemanalyse, Ziele, Modell erarbeiten, Behandlungsschritte ableiten • Sitzungen 4-7: Verhaltensbezogene Maßnahmen der Tagesstrukturierung, angenehmen Tätigkeiten, Balance angenehmer und unangenehmer Aktivitäten • Sitzungen 8-13: Kognitive Interventionen, Gedankenkontrolle, Spaltenprotokolle, Schemata verändern • Sitzungen 14-18: Fertigkeiten und Kompetenzen aufbauen, Selbstsicherheit, Interaktionsfertigkeiten • Sitzungen 19-20: Erkennen von Krisen und Vorzeichen einer Depression, Rückfallverhinderung, Notfallplanung, Beibehaltung von Strategien nach Therapieende (Transfer)

  9. Depressionen im Alter (DiA)KVT - Gruppenprogramm Umgang mit Verlusten, Einschränkungen, Mangel an Positivem, Isolation, Kontrollverlust, Defiziten, Vorbehalte gegen „Psycho“, jüngere Therapeuten… Typische Struktur: 2 Gruppensitzungen Einführung, Modell, Edukation3 Gruppensitzungen Modul „Aktivierung“3 Gruppensitzungen Modul „Kognitionen“3 Gruppensitzungen Modul „Soziale Fertigkeiten1 Gruppensitzung Beibehaltung des Gelernten, Erkennen von Krisen, Notfallplanung

  10. DiA Programm Varianten • 12 Wochen Programm in geschlossenen Gruppen zu 6-8 Teilnehmern (über 60 J.) ambulant, stationär • 15 Wochen Programm in offenen Gruppen zu 5-7 Teilnehmern (zwischen 65 und 85 J.) 1 Einzelgespräch zur Einführung 5 Gruppensitzungen Modul „Aktivierung“ 4 Gruppensitzungen Modul „Kognitionen“ 4 Gruppensitzungen Modul „Soziale Fertigkeiten 1 Einzelgespräch zum Abschluss, Notfallplanung und Beibehaltung des Gelernten

  11. KVT Gruppenprogramm ambulantfür Frauen mit Depressionen im Klimakterium/Post Menopause • 12 Gruppensitzungen (KVT) mit Frauen (MDD) zwischen 45 und 55 Jahren • Ähnlich aufgebaut wie DiA-Gruppenprogramm • Inhalte werden ergänzt um spezifische Informationen zu den körperlichen Vorgängen in den Wechseljahren

  12. KVT: offene ambulante und stationäre Gruppen • Strukturiert, manualisiert, Materialien bezogen • 10-15 Therapiesitzungen: 1-2 Einzel- (60 Min) und 9-15 Gruppensitzungen (je 90-100 Minuten) • Modul 1 (3-5 Sitzungen): Aktivitätsaufbau, Tagesstruktur, Steigerung angenehmer Aktivitäten, Tages- und Wochenplan • Modul 2 (3-5 Sitzungen): Negatives Denken korrigieren, kognitives Umstrukturieren, Gedankenkontrolle, ABC-Methode • Modul 3 (3-5 Sitzungen): Kompetenztraining, Erlernen neuer Fertigkeiten, Rollenspiele, Übungen

  13. DiA 3 Studie (Hautzinger,Welz & Utzeri 2005) • Randomisiertes Design: Gruppen- und Einzeltherapieund KVT (spez.) und UPT (unspez.): • Leichte Kognitive Beeinträchtigungen werden mit eingeschlossen (MMS >21) • Nachuntersuchungen bis zu 1 Jahr • Gegenwärtig alle Pat. eingeschlossen, großer Bedarf und Nachfrage, keine Rekrutierungsprobleme KVT UPT Gruppenth. 25 25Einzelth. 25 25

  14. DiA 3: Stichprobe Anmeldungen 216 Unpassend 99 Randomisiert 117 UPT 56 KVT 61 Gruppe 34 prä Einzel 27 Gruppe 30 Einzel 26 Drop out 7% Drop out 20% Drop out 19% Drop out 15% post Einzel 25 Gruppe 24 Einzel 21 Gruppe 29

  15. Ergebnisse zu Monat 6 (N=89): IDS p<.05 p<.05

  16. Ergebnisse zu Monat 6 (N=89): IDS p<.05 p<.05

  17. „Haben Sie von Therapie profitiert?“ KVT G KVT E UPT G UPT E 73,5% 88,5% 67% 76% 58,5% 80% 40% 54% Ja zu t2 Ja zu t3

  18. Prognose des Behandlungserfolgs

  19. Günstige Prognose des Behandlungserfolgs • Längere Behandlungen, mehr Th-Sitzungen • Symptomreduktion (Besserung) in ersten vier Wochen • Depressionsschwere zu Beginn • Positiver innerer Monolog • Erhöhte Anzahl unterstützender Personen

  20. Psychotherapie und Medikation im Vergleich (Hollon et al. 2002, 2005) % Response

  21. Anteil reduzierter DALY durch Behandlung (Vos et al. 2004) 1 Jahr 5 Jahre

  22. Rückfallverhinderung nach Remission CBT (3 booster), ADM (continuation), Placebo (continuation)(Hollon et al. 2005) % ohne Rückfall Monate

  23. Rückfallverhinderung durch KVT (Jarett et al. 2001) Responder % 104 Wochen

  24. KVT zur Rückfallverhinderung bei Recurrent Depression (Fava et al. 2004) Monate

  25. MBCT • Manualisierte Gruppentherapie (8 Sitzungen) • Integriert KVT, Achtsamkeit, Stressbewältigung • Bewusstmachen von Stress, Gefühlen, Gedanken, Körperempfindungen („awareness, staying present, allowing, letting be“) • Diese Sensationen als vorübergehende, passagere Empfindungen vermitteln (Gelassenheit vermitteln, „thoughts are not facts“) • Aufgeben und Abbau (Automatismen, Grübeln, Risikoverhalten, Verhaltensgewohnheiten) • Lernen von neuem Verhalten (Skill training, „how can I best take care of myself“)

  26. Rückfallprävention durch MBCT(Teasdale et al 2000) • 145 Patienten mit einer Recurrent Depression wurden zufällig zugewiesen, entweder „TAU“ oder „MBCT“ • Behandlungszeit: 8 Wochen in Gruppen bis zu 12 remittierte Pat. • Medikation war erlaubt, doch ergaben sich keine Unterschiede und keine Auswirkungen auf das Ergebnis.

  27. Survival Kurven (Teasdale et al. 2000)

  28. Therapieresistente Depressionen Biol. VulnerabilitätGenetische, Physische, Physiologische, Anato-misch und andere Risikofaktoren Psychologische VulnerabilitätLerndefizite, dysfunktionale Kognitionen, Selbstwert-probleme, Mangel an Res-ourcen, negative Ereignisse Umweltbezogene Vulnerabilitätenaversive soziale Bedin- gungen, Mangel an Verstärkung, Traumata, Kontrollverlust Coping Defizite, Mangel an Fertig-keiten in Problem- lösen, an Unter-stützung, an Be-hinderungstoleranz Defizite in Neurotransmission, neuronalen Strukturen, in biolog. Robustheit Akute Depression Chronische, therapie- resistent Depression

  29. CBASPMcCullough J.P. (2000) Treatment for Chronic Depression. Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy. Guilford NY • Blockierte Reifung und Entwicklung (fixiert auf prä-operationalem Entwicklungsstadium) durch „Missbrauch und Fehlsozialisation“ • Dynamische Interaktion von Person und Umwelt ist gestört („entkoppelt“) • Maladaptives Coping, ungeschicktes bzw. defizitäres soziales Problemlösen • Grundüberlegungen von CBASP:(1) chronic depressive disorder is best understood when it is viewed as the result of a person‘s long-term failure to cope adequately with life stressors(2) teaching patients to view their problems-in-living from a personxenvironment perspective results in behavior change, personal empowerment, and in the amelioration of emotional dysregulation

  30. CBASP… • Kognitive Strategien („fostering the ability to engage in formal operations“), Problemlösen, sozial kompetentes Interaktionsverhalten („empathic responsivity“). • Therapeuten engagieren sich diszipliniert doch persönlich (auch konfrontativ) in Beziehung („become personally involved with patients“), um so Übertragungsprozesse zu fördern („transference technique … to target interpersonal hot spots…“), Veränderungen ermöglichen, Modellwirkung zu entfalten. • Situations- und Bedingungsanalysen erstellen, automatische persönliche kognitive, affektive Muster erkennen, deren aktuellen Konsequenzen („AO“) analysieren und erwünschte Alternativen („DO“) generieren, Verhalten trainieren und erproben. • Verwendung von operanten Prinzipien (Verstärkung).

  31. Chronische Depressionen: Nefazodon und CBASP (Keller et al. 2000) HAMD sign. sign.

  32. Kognitive Verhaltenstherapie bei affektiven Störungen Martin Hautzinger Eberhard Karls Universität TübingenPsychologisches Instituthautzinger@uni-tuebingen.de

  33. Chronische Depression ohne frühes Trauma Chronische Depression ohne frühes Trauma Chronische Depression mit frühem Trauma Chronische Depression mit frühem Trauma

  34. „Brain Neurogenesis and Psychiatry“(Jacobs, van Praag, Gage, 2000) • Neurogenese findet lebenslang bzw. bis weit ins Erwachsenenalter statt • Stress (erhöhte Glucocorticoide, Serotoninmangel) ist der „Feind“ dieses Wachstums bzw. Erneuerung (Traumatisierung, chronischer Stress) • Besonders hippocampale Strukturen betroffen (Neokortex – entorhinaler Kortex – Gyrus cinguli – Hippocampus – Amygdala) • Serotoninzufuhr (SSRI, TCA, EKT) fördert z.B. Neurogenese hippocampaler Strukturen • Psychotherapie bessert affektive Störungen durch Vermittlung stressregulierender Methoden. Dies wirkt sich förderlich auf die Neurogenese aus.

  35. CBASP bei chronischen Depressionen(Nemeroff et al. (2003) • Unter 681 chronisch depressiven Patienten erlebten 34% Verlust eines Elternteils vor 15.Lbj.; 42% körperlichen Missbrauch; 16% sexuellen Missbrauch; nur bei etwa 1/3 findet sich kein Kindheitstrauma • Effekte traumatisierten Pat.:Medikament HAMD -8 Pkt bzw. 31% ResponseCBASP HAMD -11,5 Pkt bzw. 48% ResponseKombination HAMD -14 Pkt bzw. 53% Response

  36. Neuroanatomie der Depression nach Mayberg et al. 1997

  37. Modulation kortical-limbischer Strukturen durch KVT (Goldapple et al. 2004) • PET-Studie an 14 MDD-Pat. vor und nach KVT • Vergleich mit 13 MDD-Pat. vor und nach SSRI • Erfolgreiche KVT: zunehmender Stoffwechsel im Hippocampus und dorsalen Cingulum (BA 24), abnehmender Stoffwechsel im dorsalen (BA 9, 46), medialen (BA 9, 10, 11) und ventralen (BA 47, 11) frontalen Kortex • Erfolgreiche SSRI: zunehmender Stoffwechsel in präfrontalen Strukturen, abnehmender Stoffwechsel im Hippocampus, Thalamus, ventralem Cingulum, in BA 25, und in ventral, lateral Strukturen des Kortex

  38. Psychotherapie bei Bipolaren Affektiven Störungen Verschiedene Interventionsformen wurden in den letzten Jahren entwickelt und evaluiert bzw. werden z.Zt. noch evaluiert: • Familienorientierte Interventionen • Interpersonale Soziale Rhythmus Therapie • Kognitiv-behaviorale Interventionen • Psychoedukation

  39. Kognitive Verhaltenstherapie bei Bipolarer Affektiver Störung: 1. Phase: Motivation und Information Was kann mir diese Therapie zusätzlich bringen?  Was bedeutet manisch-depressiv für mich, für andere, für meine Kinder...?  Was bringen mir Medikamente?

  40. Kognitive Verhaltenstherapie bei Bipolarer Affektiver Störung: 2. Phase: Verhaltensanalyse + Aufbau eines „Frühwarnsystem“  Was sind Warnhinweise für erneute depressive und/oder manische Episoden?  Symptom-Monitoring: Differenzierung zwischen normalen und auffällige Stimmungsschwankungen  Was kann ich tun?

  41. Kognitive Verhaltenstherapie bei Bipolarer Affektiver Störung: 3. Phase: Verhalten + Kognition in der Depression und Manie  Was und wie mache ich es? - Planung von Aktivitäten: Aufbau + Abbau  Wie beeinflußt mein Denken mein Fühlen und Handeln? - Erkennen + Verändern von dysfunktionalen Gedanken

  42. Kognitive Verhaltenstherapie bei Bipolarer Affektiver Störung: 4. Phase: Problemlöseverhalten und Soziale Fertigkeiten Wie gehe ich meine Probleme an? Gibt es Alternativen?  Wie verhalte ich mich in sozialen Situationen z.B. bei Streitigkeiten? Gibt es andere Möglichkeiten? Wie erkläre ich es anderen?

  43. Meta Analyse publizierter Studien Studien N Effekte (OR) 8 Studien kombiniert 528 .39 ** Zeit seit Letzter Episode .71 **

  44. Generell lässt sich gegenwärtig sagen: Psychotherapie bei Bipolaren Störungen… • erzielt mittlere, doch deutliche Effekte • reduziert die Hospitalisierungrate • reduziert die Rückfallraten • führt zu besserer sozialen Anpassung • verbessert die Medikamenten Compliance

  45. Schlußfolgerung Psychotherapie • wirksame Methode zur Behandlung unipolarer Depressionen • erbringt (kurzfristig) ähnliche Effekte wie Pharmakotherapie (doch auch wie unspezifisches klinisches Management) • Kann im Einzel- wie im Gruppenrahmen sowie verschiedensten Altersgruppen erfolgreich eingesetzt werden • Akutbehandlung und zur Effektsteigerung in Kombination mit Medikamenten einsetzbar

  46. Schlußfolgerung Psychotherapie • längerfristig klare Vorteile gegenüber unspezifischen und medikamentösen Therapien • Zur Rückfallverhinderung im Anschluß an eine erfolgreiche Pharmakotherapie (nach Teil- bzw. Vollremission) indiziert • wirkungsvolle Ergänzung zur Phasenprophylaxe Medikation bei Bipolaren Affektiven Störungen • Hilfreiche Präventionsmethode

  47. Zusammenfassung des aktuellen Wissenstands zu Psychotherapie bei Depressionen (1)

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