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Fünf Themen

Fünf Themen. Welche Struktur hat das Schuldvertragsrecht? Gibt es eine Kontrolle des Austauschverhältnisses beim Schuldvertrag? Wie haftet man für außervertragliche Schädigung? Wie vollzieht sich der Eigentumserwerb? Wie vollzieht sich der Eheschluss?. Das geltende Schuldvertragsrecht ….

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  1. Fünf Themen • Welche Struktur hat das Schuldvertragsrecht? • Gibt es eine Kontrolle des Austauschverhältnisses beim Schuldvertrag? • Wie haftet man für außervertragliche Schädigung? • Wie vollzieht sich der Eigentumserwerb? • Wie vollzieht sich der Eheschluss?

  2. Das geltende Schuldvertragsrecht … … ist streng getrennt vom Sachenrecht und begründet nur zwischen den Parteien wirksame Verpflichtungen, die auf die Übertragung einer gegenüber allen wirksamen Rechtsposition (wie Eigentum) gerichtet sein können. … geht von einem einheitlichen Begriff des Vertrags aus, der … … durch bloßen Konsens der Parteien geschlossen wird (§§ 145ff. BGB). … beliebigen Inhalt haben kann (Gestaltungsfreiheit, § 311 Abs. 1 BGB). … kennt gleichwohl Vertragstypen, die Gegenstand von … … zwingenden Vorschriften, vor allem zum Verbraucherschutz (Verbrauchsgüterkauf §§ 474 ff. BGB, Verbraucherkreditrecht § 491ff. BGB), sind. … dispositivem Gesetzesrecht sind, mit dessen Hilfe man auch gemischte Verträge bewältigen kann.

  3. Das Austauschverhältnis … … wird im geltenden Recht grundsätzlich nicht überprüft, und zwar auch nicht bei der Kontrolle vorformulierter Geschäftsbedingungen, die nur bei einer Abweichung oder Ergänzung vom Gesetzesrecht unwirksam sein können (§ 307 Abs. 3 BGB). … ist eigentlich nur dann Gegenstand einer Wucherkontrolle, wenn zusätzlich zum Missverhältnis der Leistungen auf einer Seite eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit vorliegt (§ 138 Abs. 2 BGB). … wird indirekt doch dadurch kontrolliert, dass ab einem bestimmten Missverhältnis die sittenwidrige Ausbeutung eines Kontrahenten durch den anderen widerleglich (bei 100%) oder unwiderleglich (bei 200%) vermutet wird, so dass der Vertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. … ist auch Ziel der Vertragsanpassung wegen Aus- oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sowie des Einwands der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ (§ 275 Abs. 2 BGB).

  4. Die außervertragliche Haftung … … ist im geltenden deutschen Recht zweigeteilt und besteht aus … … der Deliktshaftung, die an die Verletzung eines absoluten Rechts (§ 823 Abs. 1 BGB) oder den Vorsatz des Täters (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB) anknüpft und keine fahrlässig verursachten reinen Vermögensschäden abdeckt. … der vertragsähnlichen Haftung wegen Verletzung einer Rücksichtspflicht (§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB), die schon mit einem Geschäftskontakt einsetzt (§ 311 Abs. 2 BGB) und auch fahrlässig herbeigeführte reine Vermögensschäden abdeckt. … folgt dem Verschuldensprinzip; eine verschuldensunabhängige Haftung greift nur bei einem gefährlichen Verhalten (zB Halten eines Kfz, § 7 StVG) ein, zu dem sich der Verpflichtete freiwillig entschieden hat. … hat grundsätzlich keinen Strafzweck; eine Ausnahme bildet die Entschädigung für immaterielle Nachteile (§ 253 BGB).

  5. Der Eigentumserwerb … … vollzieht sich im geltenden deutschen Recht ebenso wie der Erwerb anderer schon bestehender Rechte getrennt von dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis: ... knüpft an ein Verfügungsgeschäft: die dingliche Einigung (§§ 873, 929 BGB), an, die Pendant zu dem bei anderen Rechten erforderlichen Abtretungsvertrag (§§ 398, 413 BGB) ist (Trennungsprinzip). … geschieht unabhängig von der Wirksamkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts: das Verfügungsgeschäft ist für sich allein wirksam; bei Unwirksamkeit des Grundgeschäfts entsteht ein Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 BGB) (Abstraktionsprinzip).

  6. Die Ehe … … wird förmlich durch Erklärung vor dem Standesbeamten eingegangen (§§1310, 1312 BGB). … wird vom Richter geschieden, wenn sie gescheitert ist, weil die Ehegatten getrennt leben und eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht zu erwarten ist (§ 1565 BGB). … gilt unwiderleglich als gescheitert bei Ablauf bestimmter Trennungsfristen, nämlich wenn … … die Ehegatten ein Jahr getrennt leben und beide der Scheidung zustimmen oder … die Ehegatten drei Jahre getrennt leben und einer die Scheidung betreibt (§ 1566 BGB).

  7. Das Recht von Babylon … … ist im Gegensatz zu dem anderer antiker Völker (Ägypter, Hethiter) durch unzählige Urkunden über Verträge und Prozesse gut dokumentiert. … kennt auch einige Gesetzessammlungen, von denen die längste und bekannteste der Codex Hammurabi ist, der auf einen babylonischen König des 18. Jh. v. Chr. zurückgeht. Ob er praktisch angewandt wurde oder mehr literarisches Werk war, ist allerdings unklar. … verfügt über viele Preisvorschriften sowie zahlreiche Regeln zum Pachtvertrag, aber wenige Vorschriften über Kaufverträge. … trennt noch nicht zwischen Schuldvertrag und dinglichem Rechtswechsel: Die Urkunden dokumentieren … … entweder einen schon erfolgten Austausch und dienen dann vor allem als Nachweis des rechtmäßigen Erwerbs für den Erwerber. … einen noch zu erfolgenden Austausch, indem sich die Parteien sich gegenseitig bescheinigen, etwas geliehen zu haben. In beiden Fällen entsteht keine regelrechte Verpflichtung, im ersten sind die Leistungen bereits ausgetauscht, im zweiten kann man im Störungsfall das Geliehene als Eigentum herausverlangen.

  8. Das Recht von Babylon … … kennt schon öffentliches Strafrecht, in dem die Todesstrafe dominiert. … kennt aber auch die Sanktion durch Bußleistung, die Privatstrafe ist: § 196 CH: „Hat ein Freier das Auge des Sohnes eines Freien ausgeschlagen, werden sie sein Auge ausschlagen.“ § 197 CH: „Hat er den Knochen eines Freien zerbrochen, werden sie seinen Knochen zerbrechen.“ § 198 CH: „Hat das Auge eines muškēnum (= Halbfreien) ausgeschlagen oder den Knochen eines muškēnum zerbrochen, wird er eine Mine Silber leisten.“ § 199 CH: „Hat er das Auge eines Sklaven zerstört oder den Knochen eines Sklaven zerbrochen, wird er die Hälfte seines Preises leisten.“ § 200 CH: „Hat ein Freier den Zahn eines ihm gleichgestellten Freien ausgeschlagen, werden sie seinen Zahn ausschlagen.“ § 201 CH: „Hat er den Zahn eines muškēnum ausgeschlagen, wird er 1/3 Mine Silber leisten.“

  9. Das Recht von Babylon … … ist beim Eheschluss noch von der Vorstellung eines Frauenkaufs geprägt, der im Fall seiner Nichterfüllung indirekt sanktioniert wird, nämlich - zum Verfall des Brautpreises (bei einer Verweigerung des Eheschluss durch den Bräutigam) oder - zur Rückerstattung des Doppelten (bei seiner Verweigerung durch den Schwiegervater) verpflichtet: § 159 CH: „Hat ein Freier, der in das Haus seines Schwiegervaters die Verlöbnisgabe und den Brautpreis hat bringen lassen, nach einer anderen Frau geschielt und zu seinem Schwiegervater gesagt: ‚Deine Tochter werde ich nicht nehmen‘, wird der Vater der Braut alles, was ihm gebracht worden ist, an sich nehmen.“ § 160 CH: „Hat ein Freier in das Haus seines Schwiegervaters die Verlöbnisgabe und den Brautpreis bringen lassen, jetzt aber der Schwiegervater gesagt: ‚Meine Tochter werde ich dir nicht geben‘, wird er alles, was ihm gebracht worden ist, doppelt zurückgeben.“

  10. Das griechische Recht … … ist nicht das Werk wissenschaftlich ausgebildeter und tätiger Juristen. Die Entscheidungsfindung lag im Streitfall bei Laiengerichten, an denen bis zu 501 Geschworene beteiligt waren und die durch Gerichtsreden überzeugt werden mussten. … ist daher im Privatrecht kaum als eigenständige Rechtsmasse fassbar. … kennt ebenfalls noch keine Verpflichtungaufgrund bloßen Leistungsversprechens, sondern sanktioniert Vereinbarungen über einen Leistungsaustausch durch die Unterstellung von Eigentum oder mit Hilfe eines Angelds (Draufgabe, arrha): Der Vertragspartner, der Opfer einer Leistungsstörung wird, erhält keinen Anspruch auf die vom anderen zugesagte Leistung, sondern hat einen deliktischen Anspruch auf Herausgabe der Sache oder eines Betrags, weil diese als ihm schon gehörig angesehen werden, sei es, dass dies rein fiktiv ist, sei es, dass das Angeld wirklich aus seinem Vermögen stammt.

  11. Das griechische Recht … … bereitet, da es keinen Anspruch auf Leistung, sondern nur den Schutz schon bestehender Rechte kennt, den Boden für die aristotelische Theorie der Austauschgerechtigkeit (iustitia correctiva oder commutativa), die für die Privatrechtsentwicklung in der Neuzeit bedeutsam wird: Arist., Nikomachische Ethik 1130b-1132b: „Die Gerechtigkeit … und das entsprechende Gerechte weisen zwei Grundformen auf: die eine ist wirksam bei der Verteilung von öffentlichen Anerkennungen, von Geld und sonstigen Werten, die den Bürgern eines geordneten Gemeinwesens zustehen. … Eine zweite Grundform ist die korrigierende in Austauschbeziehungen. Sie hat zwei Unterteile; die Austauschbeziehungen von Mensch zu Mensch zerfallen nämlich in freiwillige und unfreiwillige. Freiwillige sind z. B. Verkauf und Kauf, Zinsdarlehen … Die unfreiwilligen Beziehungen sind teils heimlich wie Diebstahl …. Zu einem anderen Teil sind sie gewaltsamer Art, z. B. Misshandlung … . Daher versucht der Richter, diese Form des Ungerechten … auszugleichen … und so versucht der Richter die Gewinnseite an die Verlustseite anzugleichen. … Diese Begriffe – sowohl ‚Gewinn‘ als auch ‚Verlust‘ – stammen aus dem freiwilligen Güteraustausch. Denn einen Zuwachs über das ursprüngliche Vermögen nennt man ‚Gewinn‘ und die Verminderung des ursprünglichen Vermögens heißt ‚Verlust erleiden‘. Das kommt zum Beispiel vor bei Kauf und Verkauf und überall dort, wo das Gesetz freie Hand lässt. Ist aber weder Zuwachs noch Einbuße herausgekommen, sondern genau das, was durch die Partner eingebracht worden war, so sagt man: ‚sie haben das Ihre – ohne Verlust und ohne Gewinn.‘“

  12. Das römische Recht … … ist das Recht der Stadt Rom, das mehr oder weniger auch auf die Rechtspraxis im übrigen römischen Reich wirkte. … baut auf dem Zwölftafelgesetz von 450 v. Chr. auf, das für 1000 Jahre die einzige Kodifikation des römischen Rechts blieb. … ist später nur punktuell durch Gesetzgebung, viel stärker durch den Gerichtsmagistrat, den Prätor, fortgebildet worden, der das überkommene Recht, das ‚Zivilrecht‘ (ius civilie) der römischen Bürger, anwenden, aber auch ergänzen und abändern kann und so ein zweites Recht, das ‚Honorarrecht‘ (ius honorarium), schafft. … wird ab dem 2. Jh. n. Chr. durch die Rechtsprechung der kaiserlichen Kanzlei geprägt, die als Revisionsinstanz fungiert. … ist im wesentlichen Juristenrecht, also entwickelt von Rechtswissenschaftlern, die als Gutachter, im Rat des Prätors und schließlich auch in der kaiserlichen Kanzlei tätig waren.

  13. Die römische Jurisprudenz … … löst als weltliche Wissenschaft im 3./2. Jh. v. Chr. den Priesterstand ab, der vorher für die Entscheidung von Rechtsfragen zuständig war. … erlebt eine erste Blüte noch in republikanischer Zeit, als im 1. Jh. v. Chr. die ersten systematischen Darstellungen des Zivilrechts entstehen. … tritt mit dem Beginn des Kaiserreichs (Prinzipat) in die ‚klassische Zeit‘ ein: - In der Frühklassik (bis zum Ende des 1. Jh. n. Chr.) fallen wichtige Grundentscheidungen für die Fortbildung des Rechts. - In der Hochklassik (bis 180 n. Chr.) bildet sich ein umfassendes Geflecht von verallgemeinerbaren Rechtssätzen heraus. - In der Spätklassik (bis 235 n. Chr.) wird das geschaffene Rechtswissen in riesigen Kommentarwerken gesammelt. … tritt in der Nachklassik, die mit der politischen Krise des Prinzipats einsetzt, nicht mehr durch einzelne Juristenpersönlichkeiten, sondern nur noch durch die Tätigkeit der kaiserlichen Kanzlei in Erscheinung.

  14. Bedeutende römische Juristen • Servius (Konsul 51, gestorben 43 v.Chr.), bedeutendster Jurist der republikanischen Periode • Labeo (gestorben 9/22 n.Chr.), Vorläufer der prokulianischen Rechtsschule • Sabinus (gestorben um 60 n.Chr.), Begründer der sabinianischen Rechtsschude, Verfasser eines später kommentierten Lehrbuchs zum ius civile • Celsus (129 Konsul zum zweiten Mal), letztes und bedeutendstes Oberhaupt der prokulianischen Rechtsschule • Julian (148 Konsul): letztes und wichtigstes Oberhaupt der sabinianischen Rechtsschule, nach heutiger Sicht bedeutendster römischer Jurist überhaupt • Gaius (um 160): Autor des Anfängerlehrbuchs institutiones, der einzigen Originalquelle des klassischen römischen Rechts (entdeckt 1816 in Verona in Form einer Handschrift aus dem 5. Jh., die später überschrieben wird) • Papinian (212 hingerichtet): Leiter der kaiserlichen Kanzlei, Prätorianerpräfekt • Ulpian (223 ermordet): Leiter der kaiserlichen Kanzlei, Prätorianerpräfekt, Verfasser großer Kommentare zum prätorischen Edikt und zum Lehrbuch Sabinus‘

  15. Das klassische römische Vertragsrecht Gai 3.88 ff. (88) Nunc transeamus ad obligationes, quarum summa divisio in duas species diducitur: omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex delicto. et prius videamus de his, quae ex contractu nascuntur. harum autem quattuor genera sunt: aut enim re contrahitur obligatio aut verbis aut litteris aut consensu. … Nun kommen wir zu den Obligationen, deren oberste Einteilung zwei Kategorien ergibt. Jede Obligation entsteht nämlich entweder aus Vertrag oder aus Delikt. Wir betrachten zunächst die Obligationen, die aus Vertrag entstehen. Von diesen gibt es vier Arten: eine Obligation wird nämlich entweder durch Sachhingabe, durch mündliche Formel, durch schriftlichen Akt oder durch bloßen Konsens vereinbart. … (90) Re contrahitur obligatio velut mutui datione … Eine Verpflichtung durch Sachhingabe kommt zum Beispiel durch Darlehensgewährung zustande ...

  16. Das klassische römische Vertragsrecht (92)Verbis obligatio fit ex interrogatione et responsione, velut DARI SPONDES? SPONDEO, DABIS? DABO, PROMITTIS? PROMITTO, FIDEIPROMITTIS? FIDEIPROMITTO, FIDEIIUBES? FIDEIIUBEO, FACIES? FACIAM. Durch Wortformel kommt eine Verpflichtung im Wege von Frage und Antwort zustande, wie zum Beispiel: „Versprichst du, dass gegeben wird?“ – „Ich verspreche.“, „Wirst du geben?“ – „Ich werde geben.“, „Versprichst du?“ – „Ich verspreche.“, „Verbürgst du dich?“ – „Ich verbürge mich.“, „Wirst du tun?“ – „Ich werde tun.“ (135)Consensu fiunt obligationes in emptionibus et venditionibus, locationibus conductionibus, societatibus, mandatis. (136) ideo autem istis modis consensu dicimus obligationis contrahi, quia neque verborum neque scripturae ulla proprietas desideratur, sed sufficit eos, qui negotium gerunt, consensisse. unde inter absentes quoque talia negotia contrahuntur ... (137) Item in his contractibus alter alteri obligatur de eo, quod alterum alteri ex bono et aequo praestare oportet, cum alioquin in verborum obligationibus alius stipuletur alius promittat ... . Durch Konsens entstehen die Verpflichtungen beim Kauf, bei der Verdingung, bei der Gesellschaft und beim Auftrag. (136) Wir sagen, dass diese Verpflichtung durch Konsens begründet werden, weil sie weder einer wörtlichen noch einer schriftlichen Formalität bedürfen und es genügt, wenn die Geschäftspartner einig sind ... (137) Ferner werden bei diesen Verträgen beide Vertragspartner einander dazu verpflichtet, was jeder dem anderen nach Treu und Glauben zu leisten schuldig ist, während bei den Verbalverpflichtungen der eine sich versprechen lässt, der andere verspricht ...

  17. Das klassische römische Vertragsrecht Gai 3.139 ff. (139) Emptio et venditio contrahitur, cum de pretio convenerit quamvis nondum pretium numeratum sit ac ne arra quidem data fuerit: nam quod arrae nomine datur, argumentum est emptionis et venditionis contractae. … (142) Locatio autem et conductio similibus regulis constituitur; nisi enim merces certa statuta sit, non videtur locatio et conductio contrahi. … (148) Societatem coire solemus aut totorum bonorum aut unius alicuius negotii, veluti mancipiorum emendorum aut vendendorum. … (155) Mandatum consistit, sive nostra gratia mandemus sive aliena; itaque sive ut mea negotia geras sive ut alterius mandaverim, contrahitur mandati obligatio … (139) Ein Kaufvertrag ist geschlossen, sobald man sich über den Preis einig ist, auch wenn weder der Preis gezahlt noch ein Angeld geleistet worden ist; denn dass ein Angeld geleistet wurde, ist bloß ein Indiz für einen Vertragsschluss. … (142) Eine Verdingung wird nach ähnlichen Regeln begründet; nur wenn ein Entgelt festgesetzt ist, ist eine Verdingung zustande gekommen. … (148) Eine Gesellschaft gehen wir gewöhnlich entweder zum ganzen Vermögen oder zum Betrieb eines Handelsgeschäfts wie zum Kauf und Verkauf von Sklaven ein. … (155) Ein Auftrag kommt zustande, wenn wir jemanden entweder in unserem eigenen oder im fremden Interesse mit einem Geschäft betrauen; daher wird eine Verpflichtung aus Auftrag begründet, wenn ich dir aufgebe, meine oder die Geschäfte eines anderen zu führen ...

  18. Das klassische römische Vertragsrecht … … schließt auch den Vertrag griechischen Musters ein: Mit den erst nach Sachhingabe zuständigen Klagen aus Realvertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung) wird die unberechtigte Vorenthaltung einer Sache oder einer Mehrheit von Sachen sanktioniert. … baut aber doch auf der Idee einer Verpflichtung aus Versprechen auf: Der Verbalvertrag (Stipulation) begründet eine Verpflichtung aufgrund des in Frage-Antwort-Form erklärten Konsenses. Er ist älter als die anderen Vertragsarten und bedeutet einen erheblichen Fortschritt in der Entwicklung des Vertragsrechts. … kennt schließlich auch Konsensualverträge, die ebenfalls eine Verpflichtung aus Versprechen begründen und nicht auf ein Angeld angewiesen sind. 1) Im Gegensatz zu den Verbalverträgen muss bei ihnen der Verpflichtungsinhaltnicht ausformuliert, statt dessen nur der Geschäftsgegenstand ausgesucht sein, während das Weitere der Beurteilung nach der „guten Treue“ (bona fides) überlassen ist. 2) Anders als beim Verbalvertrag gibt es für die Konsensualverträge jedoch kein einheitliches Vertragsmuster, sondern nur inhaltlich bestimmte Typen: - Kauf (emptio venditio) und Verdingung (locatio conductio: Miet-, Pacht-, Werk-, Dienstvertrag) für den Leistungsaustausch - Auftrag (mandatum) und Gesellschaft (societas) als Geschäftsführungsverhältnisse

  19. Das römische Vertragsrecht … … kennt zunächst noch keine Kontrolle des Austauschverhältnisses. Den klassischen Juristen gilt es als selbstverständlich, dass Vertragsparteien sich einander übervorteilen wollen: D 19.2.22.3/23 Paul 34 ed, Herm 2 iur epit Quemadmodum in emendo et vendendo naturaliter concessum est quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit pluris vendere et ita invicem se circumscribere, ita in locationibus quoque et conductionibus iuris est: Et ideo praetextu minoris pensionis, locatione facta, si nullus dolus adversarii probari possit, rescindi locatio non potest. Wie es beim Kauf selbstverständlich erlaubt ist, billiger zu kaufen und teurer zu verkaufen und sich gegenseitig zu übervorteilen, so gilt dies auch beim Mietvertrag. Und daher kann wegen einer zu geringen Miete, solange keine Arglist bewiesen wird, der Mietvertrag nicht angefochten werden.

  20. Das römische Vertragsrecht … … erfährt eine einschneidende Wandlung durch eine Entscheidung des Kaisers Diokletian von 285, mit der einem über die Hälfte verkürzten Grundstücksverkäufer das Recht zur Anfechtung des Kaufvertrags, die später sogenannte ‚Verkürzungsanfechtung‘, gegeben wird. CJ 4.44.2 Diocletianus et Maximianus AA. Aurelio Lupo. Rem maioris pretii si tu vel pater tuus minoris pretii, distraxit, humanum est, ut vel pretium te restituente emptoribus fundum venditum recipias auctoritate intercedente iudicis, vel, si emptor elegerit, quod deest iusto pretio recipies. minus autem pretium esse videtur, si nec dimidia pars veri pretii soluta sit. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Lupus. Hast du eine Sache höheren Wertes zu einem zu geringen Preis verkauft, ist es billig, dass du entweder unter Rückerstattung des Kaufpreises auf Anordnung des Richters das verkaufte Grundstück oder, wenn der Käufer dies vorzieht, die Differenz zum richtigen Preis erhältst. Als zu gering gilt ein Preis, wenn nicht einmal die Hälfte des wahren Preises gezahlt worden ist.

  21. Die lex Aquilia D 9.2.2 pr. Gai 7 ad ed prov Lege Aquilia capite primo cavetur: ‚ut qui servum servamve alienum alienamve quadrupedem vel pecudem iniuria occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes dare domino damnas esto’. Im ersten Kapitel der lex Aquilia wird bestimmt: ‚Tötet jemand einen fremden Sklaven oder eine fremde Sklavin oder ein (fremdes) vierfüßiges Herdentier widerrechtlich, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Geld zu zahlen, wie die Sache in diesem Jahr maximal wert gewesen ist’. D 9.2.27.5 Ulp 18 ad ed Tertio autem capite ait eadem lex Aquilia: ‚ceterarum rerum praeter hominem et pecudem occisos si quis alteri damnum faxit, quod usserit fregerit ruperit iniuria, quanti ea res [erit] <fuit> in diebus triginta proximis, tantum aes domino dare damnas esto’. Im dritten Kapitel der lex Aquilia heißt es: „Fügt jemand, ohne Sklaven oder Herdentiere zu töten, einem anderen Schaden zu, indem er etwas widerrechtlich verbrennt, zerbricht oder zerreißt, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Geld zu zahlen, wie die Sache in den nächsten 30 Tagen wert gewesen ist.“

  22. Die lex Aquilia … … ist ein Volksgesetz von 286 v. Chr., das bis in das 19. Jh. die Grundlage für den außervertraglichen Schadensersatz bildet. … sieht eine am Wert der beschädigten Sache oder des verletzten Sklaven ausgerichtete Buße vor, die gleichermaßen Schadensersatz- und Straffunktion hat. … bindet die Haftung bei der Sachbeschädigung oder Sklavenverletzung eigentlich an bestimmte Tathandlungen. Diese Beschränkung wird jedoch durch eine großzügige Interpretation des Begriffs ‚rumpere‘ (zerreißen) im Sinne des ähnlichen ‚corrumpere‘ (beschädigen) überwunden.

  23. Die Interpretation der lex Aquilia Gai 3.217 Capite tertio de omni cetero damno cauetur. itaque si quis seruum uel eam quadrupedem, quae pecudum numero est, vulnerauerit siue eam quadrupedem, quae pecudum numero non est, uelut canem, aut feram bestiam, uelut ursum, leonem, vulnerauerit uel occiderit, hoc capite actio constituitur. in ceteris quoque animalibus, item in omnibus rebus, quae anima carent, damnum iniuria datum hac parte uindicatur. si quid enim ustum aut ruptum aut fractum fuerit, actio hoc capite constituitur, quamquam potuerit sola rupti appellatio in omnes istas causas sufficere; ruptum enim intellegitur, quod quoquo modo corruptum est; unde non solum usta aut rupta aut fracta, sed etiam scissa et collisa et effusa et quoquo modo uitiata aut perempta atque deteriora facta hoc verbo continentur. Im dritten Kapitel [der lex Aquilia] werden alle anderen Schäden behandelt. Daher ist eine Klage aus diesem Kapitel gegeben, wenn jemand einen Sklaven oder ein vierfüßiges Tier, das zu den Herdentieren zählt, verletzt hat oder wenn er ein vierfüßiges Tier, das nicht zu den Herdentieren zählt, wie einen Hund oder ein wildes Tier, wie einen Bär oder einen Löwen, verletzt oder getötet hat. Auch bei allen anderen Tieren sowie bei unbelebten Sachen wird der Ersatz des widerrechtlich zugefügten Schadens nach diesem Abschnitt der verlangt. Die Klage ist aus diesem Kapitel nämlich gegeben, wenn etwas verbrannt, zerrissen oder zerbrochen worden ist, obwohl der Ausdruck: „zerrissen“, in allen diesen Fällen genügt hätte. Als zerrissen gilt nämlich, was auf irgendeine Weise beschädigt worden ist. Daher wird von der gesetzlichen Formulierung nicht nur erfasst, was verbrannt, zerrissen oder zerbrochen worden ist, sondern auch, was geschnitten, zerschlagen, ausgeschüttet oder auf irgendeine andere Art verdorben, untergegangen oder verschlechtert worden ist.

  24. Reine Vermögensschäden … … werden nicht von der Haftung aus der lex Aquilia abgedeckt. … sind, wenn dem Täter Vorsatz vorgeworfen werden kann, Gegenstand der Arglistklage (actio de dolo), die nicht durch Volksgesetz, sondern durch den Prätor eingeführt worden und Teil des Honorarrechts ist: D 4.3.1.1 Ulp11 ed Verba autem edicti talia sunt: ‚quae dolo malo facta esse dicentur, si de his rebus alia actio non erit et iusta causa esse videbitur, iudicium dabo.’ Der Wortlaut des Edikts aber ist folgender: ‚Wird vorgetragen, dass etwas arglistig geschehen ist, werde ich, wenn in dieser Sache keine andere Klage gegeben ist und ein berechtigter Grund vorliegt, eine Klage erteilen’. D 4.3.1.2 Ulp 11 ad ed Dolum malum Servius quidem ita definiit machinationem quandam alterius decipiendi causa, cum aliud simulatur et aliud agitur. Labeo autem posse et sine simulatione id agi, ut quis circumveniatur: posse et sine dolo malo aliud agi, aliud simulari, sicuti faciunt, qui per eiusmodi dissimulationem deserviant et tuentur vel sua vel aliena: itaque ipse sic definiit dolum malum esse omnem calliditatem fallaciam machinationem ad circumveniendum fallendum decipiendum alterum adhibitam. Labeonis definitio vera est. Servius hat Arglist zwar definiert als eine Art Machenschaft, um andere zu betrügen, indem das eine vorgetäuscht, das andere getan wird. Aber Labeo sagt, es könne einerseits auch ohne Täuschung bewirkt werden, dass jemand übervorteilt wird; man könne andererseits auch ohne Arglist das eine tun, das andere vortäuschen, wie die, die sich verstellen und dadurch eigenes oder fremdes Gut schützen. Er selbst definierte daher Arglist als jede Hinterlist, Betrügerei oder Machenschaft zu dem Zweck, einen anderen zu übervorteilen oder zu täuschen. Die Definition Labeos ist richtig.

  25. Der Eigentumserwerb … … unterliegt im klassischen römischen Recht zwei verschiedenen Mechanismen: … vollzieht sich bei gewöhnlichen Sachen (res nec mancipi) nach dem Traditionsprinzip: Der Erwerber erlangt das Eigentum, wenn ihm die Sache aufgrund eines wirksamen Grundgeschäfts (zB Kaufvertrag, Verdingung, Schenkung) übergeben wird. Diese Übereignung ist kausal. … geschieht bei res mancipi (Grundstücke in Italien, Sklaven, vierfüßige Herdentiere) durch ein Ritual, die mancipatio. Sie war ursprünglich nicht nur Übereignungsgeschäft, sondern zugleich ein Kaufvertrag. Daher bedarf sie keines Rechtsgrundes außerhalb ihrer selbst, wirkt also abstrakt.

  26. Die Übereignung durch mancipatio Gai 1.119 Est autem mancipatio, ut supra quoque diximus, imaginaria quaedam venditio: quod et ipsum ius proprium civium Romanorum est; eaque res ita agitur: adhibitis non minus quam quinque testibus civibus Romanis puberibus et praeterea alio eiusdem condicionis, qui libram aeneam teneat, qui appellatur libripens, is, qui mancipio accipit, rem tenens ita dicit: HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO ISQUE MIHI EMPTUS ESTO HOC AERE AENEAQUE LIBRA; deinde aere percutit libram idque aes dat ei, a quo mancipio accipit, quasi pretii loco. Die mancipatio ist aber, wie wir schon oben gesagt haben, eine Art imaginären Kaufs; auch sie ist eine Einrichtung des den römischen Bürgern eigentümlichen Rechts. Das Geschäft wird folgendermaßen vollzogen: Unter Beiziehung von nicht weniger als fünf erwachsenen römischen Bürgern als Zeugen und einer weiteren Person desselben Status, die eine eherne Waage hält und Waagenhaltergenannt wird, spricht derjenige, der durch die mancipatio erwirbt, indem er die Sache ergreift: „Ich sage und behaupte, dass dieser Sklave nach Zivilrecht mir gehört, und er sei von mir gekauft mit diesem Erz und dieser Waage“. Darauf schlägt er mit dem Erz gegen die Waage und gibt dieses Erz, gleichsam anstelle des Kaufpreises, dem, von dem er durch die mancipatio erwirbt.

  27. Der Erwerb von res mancipi … … erfolgt wegen der Aufwändigkeit des Rituals in der Praxis immer seltener durch mancipatio. … erfolgt regelmäßig durch einfache Übergabe, aufgrund derer der Erwerber das zivilrechtliche Eigentum an der Sache in kurzer Frist ersitzt, bei Immobilien in zwei Jahren, bei beweglichen Sachen in einem Jahr. (Diese Ersitzung erfüllt auch die Funktion eines gutgläubigen Erwerbs, der in Rom unbekannt war.) … wird schon vor dem Ablauf der Ersitzungszeit dadurch geschützt, dass der Prätor dem Erwerber Rechtsbehelfe gewährt, und zwar - gegen die Herausgabeklage des Veräußerers die „Einrede wegen Kauf und Übergabe einer Sache“ (excecptio rei venditae et traditae) - gegen alle Besitzer die actio Publiciana, eine Herausgabeklage, bei der der Ablauf der Ersitzungszeit vorweggenommen wird. (Sie versagt beim Erwerb vom Nichtberechtigten gegenüber dem wahren Eigentümer.) … vollzieht sich so über die Zwischenstufe eines „prätorischen Eigentums“, das als zweite Eigentumsform neben das zivilrechtliche Eigentum tritt.

  28. Die römische Ehe … … besteht ursprünglich in einem Gewaltverhältnis des rechtsfähigen Ehemannes oder seines Gewalthabers (Vaters oder Großvaters) über die nicht rechtsfähige Ehefrau, das durch eine besondere Art der mancipatio begründet wird: Gai 1.113 Coemptione vero in manum conveniunt per mancipationem, id est per quandam imaginariam venditionem: nam adhibitis non minus quam V testibus civibus romanis puberibus, item libripende, emit is mulierem, cuius in manum convenit. Bei der coemptio gelangen sie [die Frauen] in die Gewalt durch eine mancipatio, also gewissermaßen durch einen scheinbaren Kauf. Denn unter Anwesenheit von nicht weniger als fünf erwachsenen Zeugen mit römischem Bürgerrecht und einem Waagenhalter kauft sich mit einem As der die Frau, in dessen Gewalt sie gelangt. … ist in der klassischen Zeit, in der die meisten Frauen gewaltfrei und rechtsfähig sind, eine reine Konsensehe, die durch den Dissens einer Seite jederzeit wieder aufgelöst werden kann: D 23.1.11 Iul 16 dig Sponsalia sicut nuptiae consensu contrahentium fiunt: … Das Verlöbnis geschieht ebenso wie die Heirat durch Konsens: … CJ 8.38.2 (a. 223) Alex. A. Menophilo. Libera matrimonia esse antiquitus placuit. ideoque pacta, ne liceret divertere, non valere et stipulationes, quibus poenae inrogarentur ei qui divortium fecisset, ratas non haberi constat. Kaiser Alexander an Menophilus. Seit alters gilt, dass die Ehe frei sei. Daher steht fest, dass Vereinbarungen, man werde sich nicht scheiden lassen, ebenso ungültig sind wie Stipulationsversprechen, mit deren Hilfe eine Strafzahlung verspricht, wer sich scheiden lässt.

  29. Das byzantinische Recht … … ist für die spätere Rechtsentwicklung vor allem durch die Kodifikation des römischen Rechts bedeutend geworden, die später Corpus Iuris Civilis genannt wird. Sie erfolgt unter Kaiser Justinian (527-565), der auch Teile Italiens erobert, in den Jahren 528 bis 534 und umfasst drei Teile: - eine Einleitung, Institutionen genannt, die eine modernisierte Fassung des gleichnamigen Lehrbuchs von Gaius ist, - den Hauptteil, die Digesten (oder Pandekten: „umfassendes Werk“), eine leicht überarbeitete Sammlung von Auszügen aus den Schriften der klassischen römischen Juristen (zu 1/3 aus Ulpian), - als dritten Teil den Codex, eine Sammlung kaiserlicher Entscheidungen bis zur Zeit Justinians.

  30. Das Vertragsrecht … … erfährt in byzantinischer Zeit eine entscheidende Veränderung durch die Abschaffung der Frage-Antwort-Form für die Stipulation: CJ 8.37.10 (a. 472) Leo A. Erythrio pp. Omnes stipulationes, etiamsi non sollemnibus vel directis, sed quibuscumque verbis pro consensu contrahentium compositae sint, legibus cognitae suam habeant firmitatem. Kaiser Leo an den Prätorianerpräfekten Erythrius. Auch wenn sie nicht förmlich oder mit bestimmten, sondern mit irgendwelchen Worten und unter Konsens der Parteien abgeschlossen worden sind, sollen alle Stipulationen, gesetzlich anerkannt, Gültigkeit haben. … verfügt damit praktisch über ein einheitliches Vertragsmuster, das … … wie die klassischen Konsensualverträge auf der bloßen Einigung der Parteien über den Geschäftsgegenstand aufbaut und … wie der klassische Verbalvertrag inhaltlich neutral ist.

  31. Das Deliktsrecht … … wird durch die Gewährung einer analogen ‚Tatsachenklage‘ nach dem Vorbild der lex Aquilia verändert: IJ 4.3.16 Ceterum placuit, ita demum ex hac lege actionem esse, si quis praecipue corpore suo damnum dederit. ideoque in eum qui alio modo damnum dederit, utiles actiones dari solent: veluti si quis hominem alienum aut pecus ita incluserit ut fame necaretur, aut iumentum tam vehementer egerit ut rumperetur, aut pecus in tantum exagitaverit ut praecipitaretur, aut si quis alieno servo persuaserit ut in arborem ascenderet vel in puteum descenderet, et is ascendendo vel descendendo aut mortuus fuerit aut aliqua parte corporis laesus erit, utilis in eum actio datur. sed si quis alienum servum de ponte aut ripa in flumen deiecerit et is suffocatus fuerit, eo quod proiecerit corpore suo damnum dedisse non difficiliter intellegi poterit ideoque ipsa lege Aquilia tenetur. sed si non corpore damnum fuerit datum neque corpus laesum fuerit, sed alio modo damnum alicui contigit, cum non sufficit neque directa neque utilis Aquilia, placuit eum qui obnoxius fuerit in factum actione teneri: veluti si quis, misericordia ductus, alienum servum compeditum solverit, ut fugeret. Im Übrigen hat sich die Meinung durchgesetzt, dass nach diesem Gesetz eine Klage nur gegeben ist, wenn jemand den Schaden vornehmlich durch körperliche Einwirkung zugefügt hat. Deshalb pflegt man gegen den, der den Schaden auf andere Weise zugefügt hat, analoge Klagen zu gewähren. Eine solche wird zum Beispiel gegen den gewährt, der einen fremden Sklaven oder fremdes Vieh einsperrt, so dass sie verhungern, oder ein Zugtier so heftig antreibt, dass es Schaden nimmt, oder Herdenvieh so antreibt, dass es zugrunde geht, oder einen fremden Sklaven überredet, auf einen Baum oder in einen Brunnen zu steigen, wenn der Sklave beim Hinaufklettern oder Hinabsteigen entweder zu Tode kommt oder sich an irgendeinem Körperteil verletzt. Stößt aber jemand einen fremden Sklaven von einer Brücke oder vom Ufer in den Fluss und ertrinkt dieser, kann man unschwer erkennen, dass er, indem er stößt, den Schaden durch körperliche Einwirkung verursacht und deshalb aus der lex Aquilia selbst haftet. Wird der Schaden jedoch nicht durch körperliche Einwirkung zugefügt und auch kein Körper verletzt, sondern entsteht jemandem auf andere Weise ein Schaden, haftet der Schuldige, weil weder die unmittelbare noch eine analoge aquilische Klage in Betracht kommt, nach allgemeiner Meinung mit einer auf den Sachverhalt zugeschnittenen Klage: wie zum Beispiel, wenn jemand aus Mitleid einem fremden Sklaven die Fesseln löst, damit er fliehen kann. … ist nicht mehr an die körperliche Einwirkung gebunden und damit im Grundsatz auch bei reinen Vermögensschäden zuständig.

  32. Das Regime der Übereignung … … erfährt in byzantinischer Zeit eine entscheidende Veränderung durch die von Justinian selbst verfügte Abschaffung der obsolet gewordenen mancipatio: IJ 2.1.40 Per traditionem quoque iure naturali res nobisadquiruntur:  nihil enim tam conveniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini, volentis rem suam in alium transferre, ratam haberi.  et ideo cuiuscumque generis sit corporalis res, tradi potest et a domino tradita alienatur.  Auch durch Übergabe erwerben wir nach natürlichem Recht Eigentum. Der natürlichen Gerechtigkeit entspricht es nämlich überaus, wenn dem Willen des Eigentümers, freiwillig seine Sache auf einen anderen zu übertragen, Geltung verschafft wird. Und daher kann eine Sache jeder Art übergeben und so vom Eigentümer veräußert werden. … wird so vereinheitlicht und von der Zweiteilung in zivilrechtliches und prätorisches Eigentum befreit. … folgt nun ausnahmslos dem Traditionsprinzip, so dass der Eigentumserwerb nicht mehr abstrakt, sondern kausal erfolgt.

  33. Das Eherecht … … erfährt eine entscheidende Veränderung durch die Einführung eines Scheidungsverbots durch Konstantin d. Gr. (306-337), das auf dem christlichen Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe beruht: CTh 3.16.1 Imp. Constantinus A. ad Ablavium pf. p. Placet, mulieri non licere propter suas pravas cupiditates marito repudium mittere exquisita causa, velut ebrioso aut aleatori aut mulierculario, nec vero maritis per quascumque occasiones uxores suas dimittere, sed in repudio mittendo a femina haec sola crimina inquiri, si homicidam vel medicamentarium vel sepulcrorum dissolutorem maritum suum esse probaverit, ut ita demum laudata omnem suam dotem recipiat. nam si praeter haec tria crimina repudium marito miserit, oportet eam usque ad acuculam capitis in domo mariti deponere, et pro tam magna sui confidentia in insulam deportari. in masculis etiam, si repudium mittant, haec tria crimina inquiri conveniet, si moecham vel medicamentariam vel conciliatricem repudiare voluerit. nam si ab his criminibus liberam eiecerit, omnem dotem restituere debet et aliam non ducere. quod si fecerit, priori coniugi facultas dabitur, domum eius invadere et omnem dotem posterioris uxoris ad semet ipsam transferre pro iniuria sibi illata. Kaiser Konstantin an den Prätorianerpräfekten Ablavius. Eine Frau soll ihrem Mann nicht aus verwerflicher Begierde einen Scheidungsbrief wegen vorgeschobener Gründe wie zum Beispiel seiner Trunk- oder Spielsucht oder, weil er ein Schürzenjäger ist, schicken können; und auch den Männern soll es nicht erlaubt sein, sich aus beliebigem Anlass von ihren Frauen zu trennen; bei der Scheidung durch eine Frau werden nur bestimmte Verbrechen berücksichtigt, nämlich ob ihr Mann, von dem sie sich trennen will, nachweislich ein Mörder, Giftmischer oder Grabschänder ist, und nur in diesem Fall wird sie ihre Mitgift zurückerhalten. Denn wenn sie ohne den Vorwurf einer dieser drei Taten den Scheidungsbrief schickt, soll sie die Mitgift bis auf die Haarnadel im Haus ihres Mannes zurücklassen und wegen ihrer Überheblichkeit auf eine Insel deportiert werden. Bei Männern werden, wenn sie einen Scheidungsbrief schicken, drei bestimmte Verbrechen berücksichtigt, nämlich ob sie sich von einer Ehebrecherin, Giftmischerin oder Kupplerin trennen wollen. Denn wenn der Mann den Scheidungsbrief ohne diese Verbrechen schickt, muss er die gesamte Mitgift zurückerstatten und darf nicht wieder heiraten. Tut er es doch, hat die erste Frau das Recht, sein Haus zu betreten und wegen des ihr geschehenen Unrechts die gesamte Mitgift der späteren Frau an sich zu nehmen. … bleibt auch in byzantinischer Zeit durch dieses Scheidungsverbot geprägt, das nach Konstantin zunächst wieder aufgehoben, später aber verallgemeinert wird.

  34. Die Rezeption des römischen Rechts im Mittelalter … … nimmt ihren Ausgang von der Wiederentdeckung einer Handschrift der Digesten, die anders als die Institutionen und der Codex nach der Verdrängung der Byzantiner durch die Langobarden in Italien in Vergessenheit geraten sind. Die Handschrift, seit 1406 in Florenz und deshalb Florentina genannt, soll bei der Eroberung Amalfis durch Pisa erbeutet worden sein. … erfolgt zunächst durch wissenschaftliche Bearbeitung des CIC an der Universität von Bologna, wo Irnerius (gestorben 1130) wirkt, später auch in Montpellier, wo Placentinus (gestorben 1170) tätig ist. Der bedeutendste Schüler von Irnerius ist Martinus, auf den viele Neuerungen bei der Interpretation der Digesten zurückgehen. … vollzieht sich … … inhaltlich durch die Interpretation der römischen Quellen, die, da sie aus Einzelfallentscheidungen der Kaiser und Auszügen aus den Schriften der klassischen Juristen bestehen, häufig einander widersprechen und daher harmonisiert werden müssen. … äußerlich vor allem durch die Anfertigung von Bemerkungen (Glossen) zum antiken Text, nach denen die hochmittelalterlichen Juristen Glossatoren genannt werden. … bringt vor allem zwei große Werke hervor: - die Summa Codicis von Azo (gestorben 1220), - die Glossa ordinaria seines Schülers Accursius (gestorben 1260), in der die wichtigsten der von den Glossatoren verfassten Glossen aufgeführt sind.

  35. Die Rezeption des römischen Rechts im Mittelalter … … wird zwar als Teil der Wiederbelebung des römischen Reichs durch die deutschen Kaiser begriffen. … ist aber in erster Linie ein intellektueller Vorgang und schlägt in den meisten Ländern Westeuropas zunächst kaum auf die Rechtspraxis durch. … verändert das praktisch angewandte Recht vor allem in Spanien, wo unter Alfons X. ( 1252-1284) aus den römischen Quellen das kastilianische Gesetzbuch Siete Partidas geschaffen wird, und in Südfrankreich, wo das römische Recht seit der westgotischen Herrschaft als droit écrit ohnehin weitergegolten hat. … geht mit der Ausbildung des kanonischen Rechts einher, dessen Sammlung mit dem am Beginn des 12. Jh. in Bologna geschaffenen Decretum Gratiani beginnt. Aus ihm und späteren Sammlungen entsteht das schließlich im 16. Jh. zusammengestellte Corpus Iuris Canonici. … vollzieht sich insbesondere durch das Doppelstudium beider Rechte, das gerade bei Kirchenjuristen für die Kenntnis des römischen Rechts sorgt.

  36. Das römische Recht des Mittelalters … … wird trotz seiner akademischen Natur als Gemeines Recht (Ius Commune) bezeichnet. ... wird an der Wende vom 13. zum 14. Jh. von der Rechtschule von Orléans geprägt, wo Jacobus de Ravannis und Petrus de Bellapertica lehren. … erlangt seine endgültige Gestalt im Werk der Kommentatoren (Postglossatoren), die statt Bemerkungen längere Berichte (Kommentare) zu den römischen Quellen verfassen und deren bedeutendste sind: - Cinus de Pistorio (1270-1336), - Bartolus de Saxoferratis (1314-1357), Schüler von Cinus, - Baldus de Ubaldis (1327-1400), Schüler von Bartolus. … wird dadurch vereinheitlicht, dass das Hauptwerk der Kommentatorenschule, der Kommentar des Bartolus, anders als die Glossa ordinaria zu einzelnen Auslegungsfragen häufig eindeutig Stellung bezieht. Bartolus‘ Kommentar ist fortan die maßgebliche Quelle für das Ius Commune.

  37. Die Gemeinrechtswissenschaft der Neuzeit … … hat ein erstes Zentrum an der Universität vonBourges, wo die bedeutenden Vertreter der Renaissance- oder humanistischen (oder ‚eleganten‘) Jurisprudenz lehren, insbesondere der Begründer dieser Richtung, Andreas Alciat (1492-1550), der sich gegen die Autorität von Bartolus‘ Kommentar wendet. … gewinnt durch die humanistische Jurisprudenz zwei neue Aspekte: - die Textkritik der im CIC überlieferten Quellen und das Bemühen um die Rekonstruktion der Originaltexte der klassischen römischen Juristen, für die vor allem Cuiacius (Jacques Cujas, 1552-1590) und Antonius Faber (Antoine Favre, 1557-1624) stehen. - die Systematisierung des überlieferten Rechtsstoffs unter freiem Umgang mit den Quellen, für die vor allem Donellus (Hugo Doneau, 1527-1591) und sein Hauptwerk, die Commentarii de Jure Civili, stehen.

  38. Das Gemeinrechtswissenschaft der Neuzeit … … wird in Deutschland zum sogenannten usus modernus pandectarum, der das römische Recht nicht mehr als Gesetz, sondern nur noch als Gewohnheitsrecht akzeptiert und seine Geltung von seiner Anwendung in der Praxis abhängig machen will. … hat als bedeutende deutsche Vertreter dieser Zeit: - Samuel Stryk (1640-1710), dessen Hauptwerk dem usus modernus seinen Namen gegeben hat. - Wolfgang Adam Lauterbach (1618-1678), der ein Collegium theorico-practicum verfasst. - Georg Adam Struve (1619-1692), dessen Jurisprudentia Romano-Germanica forensis als „kleiner Struv“ ein wichtiges Praxishandbuch war. - Augustin Leyser (1683-1752), der die Meditationes ad Pandectas schreibt. … wird in den Niederlanden zur holländischen ‚eleganten‘ Jurisprudenz, die zwischen französischen Humanismus und deutschem usus modernus steht und deren Hauptwerk der Pandektenkommentar von Johannes Voet (1647-1713) ist.

  39. Die Herausbildung eines einheitlichen Vertragsbegriffs … … knüpft im Mittelalter nicht an die Stipulation an, die im byzantinischen Recht zum Grundmuster des Vertrags geworden war. … nimmt seinen Ausgang vom Begriff des pactum, das in Rom noch Gegenbegriff zum contractus war und die nicht klagbaren Vereinbarungen bezeichnete, aus denen allenfalls eine Einrede erwuchs. … erfolgt in der weltlichen Rechtswissenschaft durch die Lehre von den ‚bekleideten‘ pacta (pacta vestita), zu denen man alle Vereinbarungen zusammenfasst, aus denen doch eine Klage entsteht. Deren Liste wird stets länger: Placentinus, Summa Codicis 2.3: Pacta induta modis quinque vestiuntur: rebus ut mutuum, verbis ut stipulatio, literis, ut chirographum, consensu formatio in nomen speciale transeunte, ut venditio locatio, sed et lege dicta in re sua tradenda vestiuntur pacta. … Angenommene pacta werden auf fünffache Weise bekleidet: durch Sachhingabe wie das Darlehen, durch Wortformel wie die stipulatio, durch Schriftakt wie das chirographum, durch Konsens, sofern er einen bestimmten Vertragstyp trifft, wie Verkauf oder Miete; aber auch durch die Abrede bei der Übereignung (Vorleistung) werden pacta bekleidet.

  40. Die Herausbildung eines einheitlichen Vertragsbegriffs … Azo, Summa Codicis, zu CJ 2.3: Vestitur autem pactum sex modis: re, verbis, consensu, litteris, contractus cohaerentia, rei interventu. Bekleidet ist ein pactum aber auf sechsfache Weise: durch Sachhingabe, Wortformel, Konsens, den Zusammenhang mit einem contractus und durch Vorleistung. … kommt zum Durchbruch in der kirchlichen Rechtswissenschaft, die alle Vereinbarungen als verbindlich ansieht (pacta sunt servanda), weil der Bruch des gegebenen Worts eine Sünde bedeute. So schreibt Hugguccio (gestorben 1190): … licet stipulatio non intervenerit obligatur enim nuda promissione saltem et si non civiliter unde tenetur ad promissum persolvendum. … peccaret enim quis nisi nudum pactum observaret honestum tamen, licet nulla sollempnitas intervenerit. Nota quoad observantiam Deus nullam differentiam vult esse inter simplicem promissionem et iuramentum vel aliter firmitam promissionem … … obwohl keine Stipulation abgeschlossen, verpflichtet, wenn auch nicht nach Zivilrecht, das einfache Versprechen, weshalb auf die Erfüllung des Versprochenen gehaftet wird. … Jemand versündigt sich nämlich, wenn er das einfache und doch anständige Versprechen, obwohl keine Form eingehalten ist, nicht befolgt. Beachte, dass Gott, was die Befolgung anbelangt, keinen Unterschied gemacht wissen will zwischen einem einfachen Versprechen und einem Eid oder einem anderen förmlichen Versprechen …

  41. Vertragsfreiheit in der weltlichen Rechtswissenschaft Stryk, Usus modernus pandectarum § 1 zu D 2.14: Hodie pactorum vis non imminuta, sed aucta potius, dum moribus pracipue facultas producendi actionem pactis quaesita, adeo ut quamvis Jure Romono notorium sit, ex pacto nudo non dari actionem, hodie unonime Dd. sit conclusum: Ex omni pacto serio et deliberato inito … hodie validam nasci actionem. Heute ist die Kraft der pacta nicht nur ungeschmälert, sondern sogar vergrößert, wenn man danach fragt, wie es nach dem Brauch um die Möglichkeit steht, dass sie eine Klage hervorbringen; obwohl nach römischem Recht bekanntlich gilt, dass aufgrund eines schlichten pactum keine Klage gewährt wird, wird heute von den Gelehrten ausnahmslos vertreten, dass aus jedem pactum, das ernsthaft und überlegt eingegangen ist, heute eine wirksame Klage entsteht.

  42. Die Verkürzungsanfechtung … … wird von den mittelalterlichen Juristen auf alle Verträge ausgedehnt und allen Parteien zugestanden, indem man die Ausnutzung einer Verkürzung über die Hälfte als Arglist (dolus) deutet, gegen die man sich bei den Klagen nach „guter Treue“ (bona fides) ohne Weiteres, ansonsten mit Hilfe der Arglisteinrede (exceptio doli) wehren kann: Placentinus, Summa Codicis, zu CJ 4.44 Iudicis officio venditio rescinditur, puta si venditor ultra dimidiam iusti pretii deceptus fuerit. … deceptus inquam, non per emptoris dolositatem, sed re ipsa, rescinditur autem iniquitas ista … Kraft des richterlichen Amtes wird der Kauf aufgehoben, wenn zum Beispiel der Käufer über die Hälfe des gerechten Preises verkürzt ist … getäuscht nicht wegen eines Betrugs des Verkäufers, sondern durch die Sache selbst, wird diese Ungerechtigkeit aufgehoben … Gl. humanun est zu CJ 4.44.2: In stricti iuris autem iudiciis obstaret exceptio doli: … Illud autem constat, in aliis bonae fidei contractibus habere locum leges istam. Bei strengrechtlichen Verbindlichkeiten greift die Arglisteinrede ein … Jenes aber steht fest, dass dieses Gesetz bei anderen Verträgen nach guter Treue (außer dem Kauf) Anwendung findet.

  43. Die Verkürzungsanfechtung … … erhält eine Parallelerscheinung in der sogenannten clausula rebus sic stantibus, die … ein Vorbild in einer Entscheidung des Hochklassikers Julian in einem speziellen Fall hatte. D 46.3.38pr. Afr 7 quaest Cum quis sibi aut Titio dari stipulatus sit, magis esse ait, ut ita demum recte Titio solvi dicendum sit, si in eodem statu maneat, quo fuit, cum stipulatio interponeretur: ceterum sive in adoptionem sive in exilium ierit vel aqua et igni ei interdictum vel servus factus sit, non recte ei solvi dicendum: tacite enim inesse haec conventio stipulationi videtur ‚si in eadem causa maneat’. Hat sich jemand versprechen lassen, dass die Leistung entweder ihm selbst oder dem Titius erbracht wird, spricht nach Julians Ansicht mehr dafür, dass dem Titius nur dann wirksam geleistet wird, wenn er in der gleichen Lage verbleibt, in der er sich befand, als die Stipulation abgeschlossen wurde. Daher wird ihm nicht wirksam geleistet, wenn er adoptiert worden ist, ins Exil gegangen, verbannt oder versklavt worden ist. Stillschweigend sei der Stipulation nämlich die Vereinbarung inhärent: „wenn er in derselben Lage verbleibt“. … nun generell als stets stillschweigend gemachter Vorbehalt gleichbleibender Umstände unterstellt wird.

  44. Das Deliktsrecht … … wird von der Gemeinrechtslehre entpönalisiert, insbesondere indem die Kumulation der Buße bei mehreren Tätern abgeschafft und die passive Vererblichkeit des Anspruchs eingeführt wird: Stryk UMP zu D 9.2, Nr. 5, 21 Verum, adhuc remanet dubium, an remota actione Legis Aquiliae ex numero poenalium, illa hodie in foro in heredes transeat? … Cum ergo hodie nunquam ultra damnum lis aestimetur, per argumentum a contrario sensu, transire videtur actio in heredem. Wahrlich, auch jetzt besteht Zweifel, ob die Klage aus dem aquilischen Gesetz, da sie aus der Gruppe der Strafklagen herausgenommen ist, nach heutigem Gerichtsgebrauch auf den Erben des Täters übergeht. … Da heute der Streitwert niemals über den angerichteten Schaden hinausgeht, kann man den Gegenschluss daraus ziehen, dass die Klage auf den Erben übergeht.

  45. Das Regime der Übereignung … … bekommt dadurch einen neuen Akzent, dass der Wille zur Eigentumsübertragung als entscheidendes Element hervortritt: … ist schon für Donellus durch die Absicht zur Eigentumsverschaffung geprägt. … wird auch von Lauterbach so verstanden, dass die Übergabe der Sache nur Zeichen für den Übereignungswillen ist.

  46. Das Eherecht … … ist im Mittelalter Teil des Kirchenrechts, das das römische Modell der Konsensehe übernimmt. … stellt die Rechtspraxis deshalb vor enorme Schwierigkeiten, weil der Eheschluss durch schlichten Konsens wegen des Dogmas der Unauflöslichkeit der Ehe … … nun dringend vom Verlöbnisunterschieden werden muss, was aber allenfalls anhand des Wortlauts (präsentisch – futurisch) und damit gerade entgegen dem Konsensschema nur durch Formalia gelingt. … häufig zu Bigamie führt, die in Rom deshalb noch nicht auftreten konnte, weil die mit einer Neuheirat einhergehende offene Abwendung vom bisherigen Ehepartner automatisch zur Auflösung der bestehenden Ehe führte. … wird schließlich dadurch verändert, dass auf dem Konzil von Trient 1563 das Decretum tametsi ergeht, das den feierlichen Eheschluss vor dem Pfarrer sowie ein Aufgebotsverfahren vorsieht.

  47. Das Decretum tametsi (1563) Tametsi dubitandum non est, clandestina matrimonia, libero contrahentium consensu facta, rata et vera esse matrimonia, … Verum, cum sancta Synodus animadvertat, et gravia peccata perpendat, quae ex eisdem clandestinis coniugiis ortum habent, praesertim vero eorum, qui in statu damnationis permanent, dum priore uxore, cum qua clam contraxerant, relicta, cum alia palam contrahunt, … idcirco sacri Lateranensis Concilii praecipit, ut in posterum, antequam matrimonium contrahatur, ter a proprio contrahentium parocho tribus continuis diebus festivis in ecclesia inter Missarum solemnia publice denuntietur, inter quos matrimonium sit contrahendum; quibus denuntiationibus factis, si nullum legitimum opponatur impedimentum, ad celebrationem matrimonii in facie Ecclesiae procedatur, ubi parochus, viro et muliere interrogatis, et eorum mutuo consensu intellecto, vel dicat: 'Ego vos in matrimonium coniungo, in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti' … Qui aliter quam praesente parocho … et duobus vel tribus testibus matrimonium contrahere attentabunt: eos sancta Synodus ad sic contrahendum omnino inhabiles reddit, et huiusmodi contractus irritos et nullos esse decernit ... Auch wenn außer Zweifel steht, dass heimliche Ehen, wenn sie auf der freien Einigung der Parteien beruhen, gültige und wirkliche Ehen sind … Aber, wie das heilige Konzil erkennt, … ist die Begehung schwerer Sünden in Rechnung zu stellen, die aus diesen heimlichen Ehen erwachsen, insbesondere derer, die verdammt sind, weil sie eine frühere Frau verlassen haben, mit der sie heimlich verheiratet sind, indem sie eine neue offen heiraten. … Daher bestimmt das heilige Konzil, dass in Zukunft, bevor eine Ehe geschlossen wird, der für die Eheleute zuständige Pfarrer dreimal an drei aufeinander folgenden Festtagen in der Kirche während der Messe förmlich öffentlich ankündigen soll, zwischen wem die Ehe geschlossen werden soll, und dass, wenn nach den Ankündigungen kein Hinderungsgrund für die Ehe vorgebracht worden ist, zur feierlichen Hochzeit vor der Kirche geschritten werden soll, wobei der Pfarrer, nachdem er Mann und Frau gefragt und deren Zustimmung erhalten hat, sagen soll: „Ich verbinde Euch in der Ehe, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ … Wer versuchen sollte, anders als vor dem Pfarrer … und zwei oder drei Zeugen die Ehe zu schließen, dem versagt das Konzil die Möglichkeit zum Eheschluss, und es beschließt, dass diese Ehen unwirksam und nichtig sind …

  48. Die Naturrechtslehre … … geht statt vom römischen Recht von der Vorstellung eines stets richtigen naturgegebenen Rechts aus, das der Vernunft zugänglich ist. … gelangt im Bereich des Privatrechts manchmal zu anderen, in der Regel aber zu denselben Lösungen wie die Gemeinrechtslehre, die jedoch mit anderen Begründungsmustern unterlegt werden. … geht aus der kirchlichen Lehre, insbesondere der spanischen Spätscholastik hervor, deren bedeutendste Vertreter Diego de Covarruvias y Leava (1512-1577) und Luis de Molina (1535-1600) sind. … hat in ihrer profanen Variante als ersten Vertreter den niederländischen Gelehrten Hugo Grotius (Huigh de Groot, 1583-1645), der die Lehre der spanischen Spätscholastik in vielen Einzelfragen übernimmt, aber von der Gottesvorstellung trennt. Sein Hauptwerk sind die Bücher über das „Recht von Krieg und Frieden“ (De jure belli ac pacis).

  49. Die Naturrechtslehre … … hat als ersten bedeutenden deutschen Vertreter Samuel Pufendorf (1632-1694), der sich in seinem Werk über das „Natur- und Völkerrecht“ eng an Grotius anschließt. … findet ihre Vertiefung in unzähligen Einzelfragen vor allem im umfassenden Werk von Christian Wolff (1679-1754), der in seinem monumentalen „wissenschaftlich behandelten Naturrecht“ (Jus naturae methodo scientifica pertractatum) das gesamte Zivilrecht erschöpfend behandelt. … bekommt eine neue Wendung durch Christian Thomasius (1655-1728), der anders als die anderen Naturrechtslehrer zwischen Recht und Moral trennt und zu vielen Einzelfragen neue Positionen einnimmt.

  50. Preußisches ALR und österreichisches ABGB …… haben eine ähnliche Gesetzgebungsgeschichte: 1746 Gesetzesauftrag durch Friedrich d. Gr. Entwurf des Corpus Juris Fridericianum folgt dem römischen Recht 1780 neuer Auftrag Entwurf von 1783 des Naturrechtlers Svarez (1746-1798) nach Revision zunächst Suspendierung; Publikation im Februar 1794 1753 Gesetzesauftrag Maria Theresias Entwurf des Codex Theresianus folgt dem römischen Recht 1792 neuer Auftrag Entwürfe der Naturrechtler Martini (1726-1800), Zeiller (1753-1828) nach Revision und Superrevision Publikation im Juni 1811

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