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Lebensqualität im Alter unter besonderer Berücksichtigung psychischer Erkrankungen. Vorlesungsreihe U3L „Soziale Gerontologie“ Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt WS 2005/2006 Lebensqualität aus gerontopsychologischer Sicht Dr. Adelheid Schulz-Hausgenoss. Lebensqualität im Alter.
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Lebensqualität im Alter unter besonderer Berücksichtigung psychischer Erkrankungen Vorlesungsreihe U3L „Soziale Gerontologie“ Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt WS 2005/2006 Lebensqualität aus gerontopsychologischer Sicht Dr. Adelheid Schulz-Hausgenoss
Lebensqualität im Alter • Biologische Grundlagen des Alterns und dessen Relevanz für die Lebensqualität • Lebensqualität und Schmerz im Alter • Demenz und Lebensqualität • Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität älterer Menschen • Lebensqualität durch Früherkennung und Vorsorge gynäkologischer Tumore einschließlich des Mammakarzinoms • Lebensqualität bei betagten, krebskranken Menschen • Umweltbedingte Gefährdungen der Lebensqualität im Alter • Gesundheitsökonomie im höheren Lebensalter. Beispiel: Hüftgelenkersatz bei Coxarthrose • Große Popularität des Lebensqualitätskonzeptes: • Online-Datenbank Medline unter Verwendung des Suchbegriffes „quality of life“: 1966 – 2004: über 44.000 wissenschaftliche Arbeiten publiziert
Was bedeutet „Lebensqualität“? • Welche der folgenden Aussagen trifft Ihre persönliche Vorstellung von • Lebensqualität am ehesten? • Gute Lebensqualität bedeutet... • dass man glücklich ist und keine Sorgen hat. • dass alle persönlichen Bedürfnisse in Erfüllung gegangen sind. • einen guten Lebensstandard zu haben. • sich selbst verwirklichen zu können. • dass man mit dem eigenen Leben im Großen und Ganzen zufrieden ist. • vor allen Dingen gute Gesundheit. • dass man dem eigenen Leben einen Sinn geben kann. • dass Freiheit und Chancengleichheit herrschen. • dass man über Kompetenzen verfügt, die einem verhelfen, auch vor dem Hintergrund ungünstiger Umstände, eigene Ziele erreichen zu können. • wenn man von der Zukunft Positives erwarten kann.
Gliederung der Vorlesung • Definition von Lebensqualität • Lebensqualität: objektive und subjektive Komponenten • Subjektive Lebensqualität: • Kognitive und emotionale Faktoren • Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Emotionen • Wohlfahrtssurvey/SOEP: Ergebnisse • Integrative Ansätze von Lebensqualität • Gesundheit und Lebensqualität im Alter
Was ist Lebensqualität? • Definitionsbeispiel: • „Lebensqualität ist ein multidimensionales Konzept, das sowohl materielle wie auch immaterielle, objektive und subjektive, individuelle und kollektive Wohlfahrtskomponenten gleichzeitig umfasst und das „Besser“ gegenüber dem „Mehr“ betont.“ Gletzer, W. & Zapf, W. (Hrsg.) (1984). Lebensqualität in der Bundesrepublik: Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden. Frankfurt a. M.: Campus
Vier Dimensionen der Lebensqualität Subjektives Wohlbefinden Verhaltenskompetenz Erlebte Lebensqualität Lawton et al. 1996 Objektive Umwelt
Bestandteile der Lebensqualität (LQ) nach Lawton (1996) • Verhaltenskompetenz: • Sozial-normative Beurteilung der Person im Hinblick auf eine hierarchische Struktur ihrer Funktionstüchtigkeit (Gesundheit, Kognition, Zeitverwendung, Sozialverhalten) • Objektive Umwelt: • Strukturen der Umwelt, die der eigenen Verhaltenskompetenz Opportunitäten bieten bzw. Restriktionen auferlegen (z.B. Aufforderungscharakter für Selbstpflege, Sozialverhalten, Mobilität, etc.)
Bestandteile der Lebensqualität (LQ) nach Lawton (1991) • Wahrgenommene oder erlebte LQ: • Subjektive Bewertungen der eigenen Verhaltenskompetenz mit Blick auf wichtige Bereiche der LQ (z.B. Schmerzempfinden, Selbstwirksamkeit, Angehörige) • Psychologisches oder subjektives Wohlbefinden: • Ergebnis der LQ (Ausmaß der Lebenszufriedenheit in allen Bereichen des gegenwärtigen Lebens)
Objektive Merkmale und subjektive Bewertung der Lebenssituation Lebensqualität Subjektive Lebensqualität Objektive Lebensqualität Objektive Lebensbedingungen, z.B., Zufriedenheit Kognitives Wohlbefinden Glück Emotionales Wohlbefinden • Sozioökonomischer Status, Einkommen, • Vermögen, Bildung • Funktionaler Status und Gesundheit • Wohnen und Wohnumgebung und Technik • Soziale Beziehungen und Unterstützung • Arbeit und Freizeit, soziales Engagement • und Partizipation Negative Emotionen Positive Emotionen
Objektive Faktoren von Lebensqualität I • Historisch zwei Traditionen, Lebensqualität konzeptionell zu • erfassen und zu messen: • 1. Ansatz (Skandinavien): „Level of living-approach“ – Konzept der Ressourcen • Lebensqualität als Ausmaß, in dem mobilisierbare Ressourcen zur Verfügung stehen, mit denen Lebensbedingungen in bewusster Weise und zielgerichtet beeinflusst werden können (Erikson, 1974) • Individuen als aktive und schöpferische Lebewesen, die bei der Zielverfolgung nach Autonomie streben • Ressourcen als Mittel der Zielerreichung und Erweiterung individueller Handlungsspielräume
Objektive Faktoren von Lebensqualität II • Beispiele für Ressourcen: • Einkommen • soziale Beziehungen • psychische und physische Energie • Umwelt • Gesundheit • Infrastruktur personenbezogene Ressourcen unterliegen nicht der Kontrolle der Individuen Berücksichtigung objektiver Lebensbedingungen – in der Fremdsicht und durch externe Beobachtung „von außen“ feststellbar als Vorhandensein oder Fehlen handlungsrelevanter Ressourcen F9
Aber: Fremd- und Selbstbeurteilung unterscheiden sich nicht selten bei der Beurteilung einer scheinbar identischen objektiven Situation (Filipp, 2001) • Notwendigkeit der Definition von Lebensqualität durch das Individuum selbst (Diener, 2000) • „Kein Mensch kann glücklich sein, der sich nicht selbst dafür hält.“ (Seneca, römischer Philosoph) • Konzept der Lebensqualität setzt immer Werturteil voraus: „Was ist es, was dem Leben Qualität gibt?“ • Urteile Experten > Urteile der betroffenen Personen
Objektive Merkmale und subjektive Bewertung der Lebenssituation Lebensqualität Subjektive Lebensqualität Objektive Lebensqualität Objektive Lebensbedingungen, z.B., Zufriedenheit Kognitives Wohlbefinden Glück Emotionales Wohlbefinden • Sozioökonomischer Status, Einkommen, • Vermögen, Bildung • Funktionaler Status und Gesundheit • Wohnen und Wohnumgebung und Technik • Soziale Beziehungen und Unterstützung • Arbeit und Freizeit, soziales Engagement • und Partizipation Negative Emotionen Positive Emotionen
Subjektive Faktoren von Lebensqualität I • 2. Ansatz (Amerika): „Lebensqualitätsforschung“ • Betonung der Notwendigkeit, subjektive Bewertung objektiver Lebensbedingungen ins Zentrum zu stellen • Aber: zu einfach, subjektive Lebensqualität als allgemeine Zufriedenheit zu betrachten • Subjektive Lebensqualität: kognitive und emotionale Aspekte • Subjektive Lebensqualität mehr als Lebenszufriedenheit
Subjektive Lebensqualität – ausgewählte Konzeptionen • Subjektive Lebensqualität als „psychologisches Wohlbefinden“ (Ansatz nach Carol Ryff) • Subjektive Lebensqualität als „subjektives Wohlbefinden“ (Ansatz nach Ed Diener)
Psychologisches Wohlbefinden nach Ryff Psychologisches Wohlbefinden (nach Ryff)
Subjektives Wohlbefinden Subjektives Wohlbefinden Globale Lebenszufrie- denheit Zufriedenheit mit wichtigen Lebensbereichen Positive Emotionen Negative Emotionen z.B. die Häufigkeit, die Dauer und die Intensität des Erlebens von Freude, Genuss, Glück etc. z.B. die Häufigkeit, die Dauer und die Intensität des Erlebens von Angst, Ärger, Trauer, Schuld, etc. Die an einem oder mehreren Kriterien bewertete Zufriedenheit mit der Gesamtheit des Lebens z.B. die Zufriedenheit mit dem Einkommen, der Partnerschaft, der Familie, der Arbeit, der Gesundheit, der Wohnsituation, etc. Quelle: Diener et al. 2003
Gibt es Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden in Abhängigkeit vom Alter? • In welchem Zusammenhang stehen Lebenszufriedenheit im Alter und die Häufigkeit des Erlebens positiver und negativer Emotionen?Ergebnisse der Studie „Materielles Wohlbefinden im späten Erwachsenenalter und Alter“ Fragebogen M-WM.doc Quelle: Manuela Weidekamp-Maicher, 2005
Emotionales Erleben im Alter a) Positive Emotionen Lebensfreude Glück Genuss b)Negative Emotionen Trauer Wut oder Ärger Furcht oder Angst
Korrelationen der Häufigkeit des Erlebens positiver und negativer Emotionen in Abhängigkeit vom Alter Quelle: Weidekamp-Maicher, 2005
Häufigkeit des Erlebens positiver und negativer Emotionen im Alter – ausgesuchte Forschungsergebnisse
SWLS (= Satisfaction with Life Scale) • Nachfolgend finden Sie fünf Aussagen, denen Sie zustimmen oder nicht zustimmen können. Nutzen Sie die Antwortskala von 1 bis 7 um das Ausmaß Ihrer Zustimmung anzugeben. Tragen Sie bei jeder Aussage die von Ihnen gewählte Zahl in das Kästchen ein. Bitte antworten Sie offen und ehrlich. • 7 - stimme genau zu • 6 - stimme zu • 5 - stimme eher zu • 4 - weder/noch • 3 - stimme eher nicht zu • 2 - stimme nicht zu • 1 - stimme überhaupt nicht zu • In den meisten Bereichen entspricht mein Leben meinen Idealvorstellungen. • Meine Lebensbedingungen sind ausgezeichnet. • Ich bin mit meinem Leben zufrieden. • Bisher habe ich die wesentlichen Dinge erreicht, die ich mir für mein Leben wünsche. • Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich kaum etwas ändern.
Die Häufigkeit des Erlebens positiver und negativer Emotionen nimmt im Alter leicht ab • Lebenszufriedenheit wird unabhängiger vom emotionalen Erleben im Alter • Ein Zeichen für bessere Emotionsregulation?
Neue Studie an Universität in Irvineaus (2005): • Ältere Menschen neigen dazu, negative Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis zu streichen emotionales Wohlbefinden zunehmende Wichtigkeit • Merkfähigkeit bzgl. Eindrücken oder Ereignissen von ihrer Bedeutung abhängig • Jüngere zwischen 18 und 29 Jahren gleich gute Erinnerung an positive und negative Gefühle • Verhältnis bei über 65-Jährigen gravierend verändert • Ältere Menschen seien deshalb auch besser gelaunt und weniger besorgt
Das Wohlfahrtssurvey (WS) • Instrument zur Messung individueller als auch gesellschaftlicher LQ • Gemeinschaftsprojekt der Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und der Abteilung Soziale Indikatoren im Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA) • In früherer BRD viermal durchgeführt: 1978, 1980, 1984, 1988; 1990 nur ehemalige DDR; 1993 erstmals Gesamt-BRD; letzte Befragung 1998 • Grundgesamtheit: alle Personen der deutschen Bevölkerung in Privathaushalten; älter als 18 Jahre, 1998: 3042 Interviews • Dimensionen des WS:Wohnen, Haushalt, Ehe und Familie, Soziale Netzwerke, Gesundheit, Bildung, Einkommen, gesellschaftliche Beteiligung, Einstellungen und Werte, subjektives Wohlbefinden etc.
Globale Maße subjektiver Lebensqualität- Beispiele aus dem Wohlfahrtssurvey -
Globale Maße subjektiver Lebensqualität- Beispiele aus dem Wohlfahrtssurvey - ws1998.pdf
Bestandteile eines „guten Lebens“ aus der Perspektive älterer Menschen Was gibt dem Leben mehr Qualität und was entzieht dem Leben Qualität? Antworten auf offene Fragen Quelle: Vergleichende Untersuchung von Bowling et al. (2004)
Integrative Ansätze • Wie bedeutsam ist es, Ansätze zur objektiven und subjektiven Lebens-qualität miteinander zu integrieren?
Integrative Ansätze: LQ als „Input“ und „Output“ • Lebensqualität als Input • Jene Bedingungen und Ressourcen, die (vermeintlich) das Wohlbefinden einer Person steigern. • Beispiel: Einrichtung und Ausstattung einer stationären Pflegeeinrichtung • Lebensqualität als Output • Wohlbefinden einer Person, das (möglicherweise) von bestimmten Bedingungen und Ressourcen abhängig ist. • Beispiel: Zufriedenheit eines Bewohners /einer Bewohnerin mit der Einrichtung • Quelle: DZA
Integration subjektiver und objektiver Aspekte von Lebensqualität • Integration subjektiver und objektiver Aspekte der LQ durch Wohlfahrts-positionen Kombination guter Lebensbedingungen mit gutem subjektivem Wohlbefinden = „Wohlbefinden“
Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden Gruppe wird oft von Sozialpolitik übersehen
Gesundheit und Lebensqualität im Alter WHO-Motto bei Gründung: „Add years to life“ WHO-Motto seit ca. 20 Jahren: „Add life to years“
Bedeutung subjektiver Indikatoren gesundheitlicher Lebensqualität im Alter • Zunahme chronischer Erkrankungen • Verlängerung der Lebenszeit bei chronischen Erkrankungen • Ergebnis: • stärkere Berücksichtigung der allgemeinen Lebenssituation bei medizinischen Behandlungen • Erweiterung des Gesundheitsbegriffes um personelle, soziale und materielle Ressourcen • Auswirkungen von Erkrankungen auf andere Lebensbereiche, z.B. soziale Beziehungen oder die materielle Lebenslage • „Gesundheit ist ein Zustand völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ (WHO 1948)
Bedeutung subjektiver Indikatoren gesundheitlicher Lebensqualität • Erweiterung des klinisch erfassten Gesundheitszustandes um subjektive Wahrnehmung, Bewertung des Gesundheitszustandes und des Wohlbefindens • Erfassung der relevanten Sichtweise der Betroffenen (z.B. für Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder die Compliance) • Berücksichtigung selbstberichteter gesundheitsbezogener Lebensqualität (HRQoL) ist ein Schritt hin zu einer stärkeren Partizipation des Betroffenen bei Behandlungsentscheidung und –bewertung.
Gesundheit und Lebensqualität im Alter - Ergebnisse • Höherer Stellenwert der Gesundheit im Alter – Gesundheit wird zur Prädisposition für ein gutes Leben • Relativität der Gesundheit – Gesundheit ist im Alter mehr als das physische Wohl einer Person. Eine gute Gesundheit beinhaltet neben der physischen Gesundheit auch den adäquaten Umgang mit Einschränkungen und Behinderungen sowie die Fähigkeit, trotz körperlicher Einbußen ein zufrieden stellendes Leben führen zu können. Große Bedeutung subjektiver Gesundheit im Alter – subjektive Gesundheit gewinnt im Alter an Bedeutung für die Einschätzungen subjektiver Lebensqualität.