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Björn Wiemer. Einführung in die Linguistik. Teil III: Semantik – Pragmatik. 1. Grundlegende Begriffe und Abgrenzungen. sprachliche Ausdrücke (Morpheme, Wörter, Wortgruppen, Sätze). konventionelle Bedeutungen. Inferenzen. vom Sprecher intendierte Bedeutungen (Sinn).
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Björn Wiemer Einführung in die Linguistik Teil III: Semantik – Pragmatik
1. Grundlegende Begriffe und Abgrenzungen • sprachliche Ausdrücke (Morpheme, Wörter, Wortgruppen, Sätze) konventionelle Bedeutungen Inferenzen vom Sprecher intendierte Bedeutungen (Sinn)
Morris’ semiotisches Dreieck Syntax (Beziehung von Zeichen untereinander) Semantik (Beziehung von Zeichen zu Ob-jekten, die sie bezeichnen) Pragmatik (Beziehung von Zeichen zu den Kommunikations-teilnehmern)
Sapir (1921: 88f., 101f.) (I) Basic (Concrete) Concepts (II) Derivational Concepts • dt. {er}, russ. {tel’}: Lehr-er, russ. uči-tel’ ‘ds.’ • Steck-er, russ. vključa-tel’ ,Schalter’ (III) Concrete Relational Concepts • Iterativ- und Frequentativsuffix zur Ableitung imperfektiver Verben (z.B. slav. {iva / yva}) (IV) Pure Relational Concepts
Wortsemantik, Satzsemantik, satzübergreifende Semantik Beschreibungsebene Definition Ausdrucksbedeutung Bedeutung eines einfachen oder zusammengesetzten Ausdrucks (Lexems) in Isolation Äußerungsbedeutung Bedeutung eines Ausdrucks im gegebenen Kontext der Äußerung, mit durch diesen Kontext etablierter Referenz und Wahrheitswerten kommunikativer Sinn Bedeutung einer Äußerung als kommunikativer Handlung in dieser oder jener sozialen Situation Löbner (2002:11)
Denotation vs. Referenz Intension vs. Extension (1a) Abendstern (1b) Morgenstern. (a) Autosemantische Ausdrücke, die auf konkrete Gegenstände referieren (Appellativa): • sowohl extensional • als auch intensional bestimmbar Wahrheitswerte Merkmallisten, Explikationen
(b) Autosemantische Abstrakta (bezogen auf Zustände, Beziehungen, Ereignisse) : Leben, gelb, klein, blühen • eigentlich nur intensional beschreibbar. (c) Typisch deiktische Ausdrücke: hier, jetzt, ich — du • ohne Intension;extensional bestimmt durch die Sprecher-Origo (Default) (d) Ausdrücke der syntaktischen oder semantischen Variablenbindung: Quantoren, Pronomina: • ohne Intension; Referenzleistung (= Extension) bestimm-bar nicht durch die Sprecher-Origo, sondern durch den kon-textuellen Bezug auf NPs (und die durch diese etablierten Referenten)
Denotation als Eigenschaft von Systemeinheiten (äußerungsunabhängig) (2) Haus, Katze, Stadt; Ausdauer, Mut, Entmutigung; Zeit,Land (3) grün, schön, dauerhaft, mutig, städtisch, mürrisch,wollig (4) regnen, laufen, aussehen, lesen, fühlen, verstehen,senden (5) dennoch, immerhin, schließlich, doch, schon
Referenz als Eigenschaft von Ausdrücken in einer Äußerung (6a) Die schöne, wollige Katze läuft immerhin, sieht aber mürrisch aus. (6b) Städtische Häuser sind schließlich nicht so dauerhaft wie Häuser auf dem Land. (6c) Man fühlt Entmutigung, wenn es die ganze Zeit nur regnet. (6d) Das ganze Land hat schon das mutige Buch meines Bekannten, des Journalisten XY, gelesen. deskriptive Bedeutung eines Satzes = Proposition
(6d) Das ganze Land hat schon das mutige Buch meines Bekannten, des Journalisten XY, gelesen. referierende Ausdrücke: • autosemantische Wörter (Lexeme) bzw. NPs/DPs: • das ganze Land, das mutige Buch, meines Bekannten • Funktionswörter: • z.B. Possessivpronomina (meines), Adverbien (schon) • grammatische Formative: • z.B. Tempusmorpheme (hat ... ge-STAMM-FLEX = Part. II)
die wichtigsten Referenzfunktionen 1. spezifische Referenz: (7a) Das Haus (an der Ecke / von Hans-Friedrich / welches wir gestern während des Spaziergangs bestaunt haben) ist leider diese Nacht abgebrannt. (7b) Ein gewisses / bestimmtes Haus ist diese Nacht leider abgebrannt. sc. ‘eines von vielen möglichen, aber ich meine ein bereits von mir, dem Sprecher, identifiziertes, jedoch Dir, dem Hörer, noch nicht bekanntes und noch zu identifizierendes’
2. unspezifische Referenz: (8a) Es ist heiß. Wollen wir uns (irgend)einen schattigen Platz suchen? (8b) Ich hätte Lust auf ein (Glas) Bier.
3. generische Referenz: (9a) Der Hund ist das bekannte deutsche Haustier. (9b) Ein Ball ist definiert dadurch, dass er rund ist. (9c) Bellende Hunde beißen nicht. (9d) Den letzten beißen die Hunde.
4. prädikative Verwendung: (10a) Hans ist (ein) Lehrer. (10b) Hunde sind gute Helfer beim Aufspüren von Straftätern. 5. autonyme Verwendung: (11a) „Linguistik“ und „Sprachwissenschaft“ bedeuten im Grunde dasselbe. (11b) Das Mädchen dort drüben heißt Laura. (11c) „Meilė“ bedeutet im Litauischen so viel wie „Liebe“ im Deutschen.
(12a) Sage nie zu einem anderen Menschen „Idiot“. (12b) Vielleicht bist du selbst einer(= ein Idiot). autonym prädikativ
ACHTUNG !! höchst relevant für Klausuren sowie Seminar- und Abschlußarbeiten !!! —und auch sonst im Leben zu beherzigen: Oberster Grundsatz für schriftliche Arbeiten: Gebe niemals einen objektsprachlichen für einen ‘metasprachlichen’ Ausdruck aus – und umgekehrt.
Ausdrücke, Wörter, Lexeme, Lexikon (13) der Student- die Student-en des Student-s der Student-en dem Student-en den Student-en den Student-en die Student-en (14a) ich geb-e wir geb-en du gib-st ihr geb-t sie gib-t sie geb-en (14b) ich gab- wir gab-en du gab-st ihr gab-t er gab- sie gab-en
(13) der Student- die Student-en des Student-s der Student-en dem Student-en den Student-en den Student-en die Student-en (14a) ich geb-e wir geb-en du gib-st ihr geb-t sie gib-t sie geb-en (14b) ich gab-wir gab-en du gab-st ihr gab-t er gab- sie gab-en
(13) der Student- die Student-en des Student-s der Student-en dem Student-en den Student-en den Student-en die Student-en (14a) ich geb-e wir geb-en du gib-st ihr geb-t sie gib-t sie geb-en (14b) ich gab-wir gab-en du gab-st ihr gab-t er gab- sie gab-en
Assertion, Präsupposition, Implikation Inferenzen können sein: • annullierbar (a) Mein Onkel hat drei Pferde– (b) wenn nicht mehr. vs. (c) Kissinger legte sein Amt als US-amerikanischer Außen- minister nieder, bevor der Dritte Weltkrieg ausbrach. (d) Der Dritte Weltkrieg brach aus.
ablösbar (engl. ‘detachable’) (e) Sie sind nett. (f) Du bist nett. (g) Ich habe dir das Buch geschickt, aber du hast es offenbar nicht bekommen. (g’) Ich habe dir das Buch übermittelt, ?aber du hast es offenbar nicht bekommen.
Assertion • notwendige und hinreichende Komponenten der Bedeutung des betreffenden Ausdrucks, welche nicht negiert werden können • Wahrheitswerte sind in jedem Fall anwendbar Entailment • Implikation, bei welcher aus Aussage P notwendig Q folgt (und aus Q notwendig P) (i) Der Regen ergoß sich auf die Straßen. (ii) Die Straßen wurden ganz naß.
Präsupposition • derjenige Teil sprachlicher Ausdrücke, welcher nicht der Negation unterliegt (15a) Peter wusste, dass am 19.12. die Weihnachtsfeier stattgefunden hatte. (15b) Peter wusste nicht, dass am 19.12. die Weihnachtsfeier stattgefunden hatte. (15c) Am 19.12. fand die Weihnachtsfeier statt. (16a) Der König von Frankreich hat eine Glatze. (16b) Es gibt einen König von Frankreich. (für den relevanten Zeitraum)
Entailment vs. Präsupposition (17a) Lieselotte und ihre Kinder sind mit dem Auto in Oberwiesel eingetroffen. (17b) Lieselotte hat Kinder. (17c) Lieselotte fährt zum Zeitpunkt der Äußerung dasAuto nicht. Entailment Präsupposition S1S2 S1S2 11 00 01 0* 11 (1 0)**0 01
Kontexte, die für Präsuppositionen „durchlässig“ sind 1. einfache Satznegation 2. faktitive Prädikate (18a) Hannelore bedauert, dass Peter nicht mit zum Essen kommen kann. (18b) Hannelore bedauert nicht, dass Peter nicht mit zum Essen kommen kann. 3. modale Kontexte (19a) Dozent XY hält heute seine erste Vorlesung. (19b) Dozent XY dürfte heute seine erste Vorlesung halten. (19c) Dozent XY soll heute seine erste Vorlesung halten. (19c) Es gibt einen Dozenten XY.
Implikaturen • annullierbar (i) Am Himmel zogen dunkle Wolken auf. (ii) Aber geregnet hat es trotzdem nicht. vs. (iii) Am Himmel zogen dunkle Wolken auf. (iv) Und es verfinsterte sich ringsherum.
Proposition = deskriptive Bedeutung eines Satzes (6d) Das ganze Land hat das mutige Buch meines Bekannten, des Journalisten XY, gelesen.
Sätze (natürlicher Sprachen) haben eine Bedeutung (oder eben auch keine). Referenz und Wahrheitswerte sind dagegen Eigenschaften von Urteilen, zu deren Äußerung Sätze dienen. (20) Der König von Frankreich hat eine Glatze(= ist glatzköpfig) (geäußert in Zeiten, wo Frankreich eine Republik war) (21a) x (König von Frankreich (x)) (21b) [x (König von Frankreich (x) & glatzköpfig (x))]
(20) Der König von Frankreich hat eine Glatze(= ist glatzköpfig) (geäußert in Zeiten, wo Frankreich eine Republik war) (21a) x (König von Frankreich (x)) (21b) [x (König von Frankreich (x) & glatzköpfig (x))]
Kompositionalitäts-Prinzip (Frege 1848-1925) Die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks bestimmt sich durch die lexikalische Bedeutung seiner Komponenten, deren grammatische Bedeutung und die syntaktische Struktur als Ganzes.
Analytische vs. synthetische Aussagen (Urteile) (22) Der / ein Ball ist rund. (23) Der Hund ist ein Säugetier. (24) 2 + 2 ist / gleicht / gibt 4. • logisch immer wahr oder immer falsch (25) Das Bier im Kühlschrank ist immer noch warm. (26) Martin ist wieder gesund. • synthetische Aussagen sind kontingent
Wahrheitsbedingungen und logische Form (27a) Gustav grinst. (27b) grinst (Gustav) (27c) Prädikation: Prädikat Argument f(x) = y grinst (Gustav) = 1 (sofern extensional diese Aussage wahr ist)
(28) Gustav grinst. grinst (Gustav) ist wahr genau dann, wenn Gustav || grinst || . || Gustav || = Gustav Extension des Ausdrucks Gustav
Analog für Prädikate: || grinst || = {Gustav, Daniel, Otto} d.i. die Menge, welche aus Gustav, Daniel und Otto besteht. auch Substantive und Adjektive können als Prädikate fungieren: Daniel ist Ingenieur. Ingenieur (Daniel) || Ingenieur || = {Daniel} Daniel ist hochgewachsen. hochgewachsen (Daniel) || hochgewachsen || = {Daniel}
|| grinst (Gustav) || = 1 genau dann, wenn || Gustav || || grinst || d.i. genau dann, wenn Gustav || grinst || d.i. genau dann, wenn Gustav {Gustav, Daniel} • Aus logischer Perspektive kann man also Prädikate als Funktionen in Aussagen über Beziehungen zwischen Elementen und Mengen übersetzen. • Die Extension eines Satzes ist sein Wahrheitswert. • Der Wahrheitswert ist die relevante semantische Eigenschaft eines Satzes, die für die logische Weiterverarbeitung gebraucht wird.
intensionalevs.extensionaleLesart (29a) Er hoffte, die erste Premierministerin Großbritanniens treffen zu können. (29b) Er hoffte, Margaret Thatcher treffen zu können. (30) Sie hoffte, einen gut aussehenden Scheich heiraten zu können. x (Scheich (x) & gut_aussehend (x))