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Karl Lesehr, Referat Suchthilfen DW Württemberg Tagung der Landesstelle für Suchtfragen BW

Einladung zum Architektenwettbewerb das baden-württembergische Entwicklungs-konzept der kommunalen Suchthilfenetz-werke aus Sicht der Suchthilfeverbände. Karl Lesehr, Referat Suchthilfen DW Württemberg Tagung der Landesstelle für Suchtfragen BW am 04.06.2008. Von der Idee zur Richtlinie.

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Karl Lesehr, Referat Suchthilfen DW Württemberg Tagung der Landesstelle für Suchtfragen BW

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Presentation Transcript


  1. Einladung zum Architektenwettbewerbdas baden-württembergische Entwicklungs-konzept der kommunalen Suchthilfenetz-werke aus Sicht der Suchthilfeverbände Karl Lesehr, Referat Suchthilfen DW Württemberg Tagung der Landesstelle für Suchtfragen BW am 04.06.2008

  2. Von der Idee zur Richtlinie • Die Idee: Frühjahr 2004 – erste Überlegungen im SM, basierend auf dem Konstanzer Modell • Das Grundkonzept: Sommer 2005 – das SM empfiehlt das Ergebnis einer Arbeitsgruppe allen Stadt- und Land-kreisen zur Umsetzung • Die Resonanz: zunächst sehr verhaltene Reaktion der Adressaten, teilweise Unverständnis; vereinzelt aber auch intensive Nutzung des Konzepts • Sanfter Druck: ab 2009 Landesförderung für PSB/KL nur noch bei Mitwirkung an einem anerkannten KSHN

  3. Kommunale Suchthilfenetzwerke (KSHN) • Nur politischer Aktionismus? • Nur modisches Wortgeklingel? • Nur Beschäftigungstherapie durch neue Gremien und Satzungsentwürfe? • Um was geht es eigentlich bei diesem Steuerungskonzept? • An wen ist dieses Konzept adressiert? • Was ist daran wirklich neu und lohnend? • Welche Probleme versucht es aufzulösen?

  4. 1. nochmal ein Blick zurück • 70er Jahre: die psychosoziale Suchtberatung wird angesichts ordnungspolitischer Interessen und einer oft wenig interessierten und sachkompetenten Medizin zum politischen Rettungsanker bei Suchtproblemen: • traditionelle Rehakette ist sehr erfolgreich; Suchthilfe ist gekenn-zeichnet durch wirkungsvolle Kooperation und hohe Leistungs-transparenz • es geht um die Behebung sozialer Auffälligkeiten, weniger um eine definierte Behandlungsbedürftigkeit • Beziehungsarbeit als Stärke der psychosozialen Suchthilfe • Suchthilfe mischt sich auch in andere / fremde Handlungsfelder ein, im Interesse abhängiger Menschen (z.B. Reha, Krankenhaus)

  5. 90er Jahre: das Interesse und die Kompetenz der Medizin für abhängige Menschen wachsen, auch aufgrund neuer und nicht nur rehaorientierter Interven-tionskonzepte • Früherkennung und Früherreichung werden neue allgemeine Hand-lungsziele, verstärken aber auch eine Behandlungsorientierung zu Lasten einer verstärkten Förderung sozialer / beruflicher Teilhabe • Individualisierung von Leistungen bedeutet eine verstärkte Differen-zierung der Hilfen mit einem gesteigerten Vernetzungsbedarf • Mehrere Ansätze zur Schaffung von Brücken innerhalb des geglie-derten Leistungsrechts (SGB IX, integrierte Versorgung, persön-liches Budget) zeigen im Suchtbereich wenig Ergebnis

  6. Aktuell: Kooperation oder Konkurrenz der Handlungskon-zepte und Institutionen: wer definiert nach wel-chen Kriterien den gesellschaftlichen Gesamtver-sorgungsauftrag für abhängige Menschen? - eine verbindliche Klärung des Handlungsauftrags und der Ressour-cen der psychosozialen Suchtberatung (Daseinsvorsorge) erweist sich als mühsam (vgl. ARS-Papier der Drogenbeauftragten der Länder) - ein integriertes Leistungsrecht für die Behandlung von Abhängigkeits-störungen ist derzeit vom Gesetzgeber nicht zu erwarten - kostenorientierte einzelleistungsrechtliche Abgrenzungen verstärken die Notwendigkeit zu Vernetzungen - wer definiert wie und für wen die Perspektive eines umfassenden Casemanagements (vgl. Kooperation mit SGB II)?

  7. Der gordische Knoten einer leistungsrechtlich zergliederten Gesamtversorgung abhängiger Menschen Angesichts massiv konkurrierender Partialinteressen in der Gesundheitspolitik sind vom Gesetzgeber keine durchgreifenden Systemänderungen zu erwarten Keiner will und kann angesichts der leistungsrechtlichen Einzelverantwortungen eine Gesamtverantwortung für die Versorgungsstruktur übernehmen Keiner will und kann die anderen Beteiligten zur Verständigung und Kooperation verpflichten oder zwingen Land und Kommunen können materiell gemeinsam nur im Bereich politischer Freiwilligkeitsleistungen (Daseinsvorsorge) handeln Kommunen haben wie andere Sozialleistungsträger Sorge vor einer Kostenex-plosion durch Leistungsverbesserungen (SGB XII) Freie Wohlfahrtspflege will ihre Eigenständigkeit und konzeptionelle Identität in der Suchthilfe bewahren

  8. Abstimmung und Vernetzung von Leistungen bei Einspardruck – was bleibt da an Möglichkeiten? Interessengemeinschaft / Verbund der Leistungserbringer (Leistungsoptimierung, Nutzung von Synergien) Konzernbildung: Hilfen aus einer Hand durch Trägerzusammenschlüsse, Steuerung durch hierarchische Weisungen Insellösungen in der Regelversorgung: integrierte Versorgungskonzepte (begrenzt auf SGB V, Problematik fachlicher Abgrenzungen bei Suchtbehand-lungen) Kartellbildung: Schaffung / Sicherung regionaler Einflußsphären gegen Inter-essenten von außen Geheime Bruderschaften: politisch dominierte Verständigung auf ortsspezifische Versorgungsbedarfe oder Mindeststandards unabhängig vom politischen Auf-trag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und von leistungsrecht-lichen Versorgungsaufträgen („das ist bei uns doch nicht nötig“)

  9. 2. Das Entwicklungskonzept der Kommunalen Suchthilfenetzwerke • Das Gandhi-Prinzip: nutze deine Schwäche zum Wohl des Ganzen! - jeder behält seine Identität und Eigenständigkeit - jeder behält seine materiellen Ressourcen und Pflichten - Kooperation auf Augenhöhe ohne irgendwelche Vorrechte - es sollen möglichst alle in der regionalen Versorgung Beteiligten im KSHN zusammenarbeiten - Vernetzung nicht als Mehrheitsentscheidung, sondern als Bereitschaft zur Konsenssuche und gemeinsamen Entwicklungsgestaltung

  10. aber: Wie kann angesichts berechtigter Partialinteressen der einzelnen Akteure, durchaus unterschiedlicher fachlicher Handlungskonzepte und von wirtschaftlichen Handlungsnotwendigkeiten der einzelnen Leistungs-erbringer ein auf Freiwilligkeit und Offenheit basierendes Konzept überhaupt verläßlich realisiert werden? Ist das Konzept KSHN nur eine idealistische Traumtänzerei, eine Schönwetteridee oder beruht es auf einer konsequenten Nutzung gemeinsamer Interessenlagen?

  11. Konzeptioneller Anspruch des Konzepts Das Konzept kommunaler Suchthilfenetzwerke ist nicht nur ein Konzept zur Verbesserung von betriebswirtschaftlicher Effizienz und Ergebnis-qualitäten! Das Konzept kommunaler Suchthilfenetzwerke ist nicht nur ein Konzept zur Reduzierung von Störungen und Schwachstellen im Zusammen-spiel der bisherigen Leistungserbringer! Das Konzept kommunaler Suchthilfenetzwerke versucht nicht, die beste-henden leistungsrechtlichen Abgrenzungen und Unstimmigkeiten durch neue leistungsrechtliche oder gesetzliche Regelungen aufzuheben! Das Konzept kommunaler Suchthilfenetzwerke ist vielmehr ein Konzept politischer Versorgungsplanung und –steuerung und setzt damit den Handlungsauftrag einer öffentlichen Daseinsvor-sorge auch strukturbezogen um!

  12. 3. Um was geht es beim politischen Konzept der KSHN? • anstatt einer derzeit utopischen umfassenden leistungs-rechtlichen Neuordnung der Suchtkrankenversorgung Wahrnehmung einer politischen Versorgungssteuerung im kommunalen Raum (direkte Verständigung statt dem formalen Verweis auf Leistungsrecht und Gesetz) • Beibehaltung einer dem Grundsatz der öffentlichen Daseins-vorsorge entsprechenden gemeinsamen Verantwortungvon Land und Kommunen: das Land bleibt in einer politischen Steuerungsverantwortung, die Kommunen übernehmen noch stärker eine dezidierte politische Gestaltungsverantwortung • Erhalt einer Trägervielfalt durch politische Konkurrenzmo-deration im Netzwerk auf der Grundlage gemeinsam formu-lierter und politisch verantworteter Versorgungs- und Ent-wicklungsziele.

  13. Um was geht es beim politischen Konzept der KSHN? • Netzwerkarbeit als politisch moderierte Konsensfindung der Akteure und Leistungsverantwortlichen vor Ort: diese politi-sche Moderation impliziert, dass die Förderung gesellschaft-licher Teilhabe dabei vorrangige Orientierung sein sollte. • Orientiert an einer regionalen Gesamtversorgung geht es um die Koordination und auch Neuordnung eines arbeitsteiligen Vorgehens bei Hilfen und Fördermaßnahmen, und zwar unter Berücksichtigung • vorhandener fachlicher Kompetenzen und Leistungszuständigkeiten, • regional vorhandener (oder neuer) personeller / institutioneller Ressourcen, • der Akzeptanz von Hilfen und Maßnahmen durch Klienten • und von fachlichen Qualitätsstandards sowie einer gewünschten Ergebnisqualität anstatt einer bloßen Weiterführung tradierter Arbeitskonzepte und Zuständigkeitsregelungen unter Konkurrenzbedingungen.

  14. Um was geht es beim politischen Konzept der KSHN? • politische Vereinbarung / Regelung einer (leistungsrechtlich nicht normierten) umfassenden Casemanagementverantwortung zur Sicherung effizienter und nachhaltiger Hilfen anstatt des bislang üblichen Starrens auf institutions- oder bereichsbezogene Ergeb-nisqualitäten und Effizienznachweise • Nutzerorientierte Moderation der fachlichen und wirtschaftlichen Einzelinteressen der Leistungserbringer anstatt bisher meist wirtschaftlich dominierter Entwicklungsdynamiken (durch Kon-kurrenzmoderation, eine verbindliche Angebotssteuerung und verläßliche Planungsabsprachen)

  15. Um was geht es beim politischen Konzept der KSHN? • Unabhängig von leistungsrechtlichen Einzelzuständigkeiten geht es um die Übernahme einer politischen Verantwortung für eine bedarfsorientierte und damit politisch zu rechtfertigende Versor-gungsplanung mit gemeinsamen Schwerpunktsetzungen. • Dafür ist eine fundierte regionale Suchtberichterstattung nötig, die Entwicklungsnotwendigkeiten deutlich macht. Die Versorgungs-planung sollte auch regional vorhandene Ressourcen und Synergiepotentiale nutzen anstatt der sonst gewohnten hilfebe-reichsspezifischen Planungen und Entwicklungskriterien.

  16. 4. Welche Neuregelungen von Ver-antwortlichkeiten sind mit dem Kon-zept der KSHN verbunden? Land • Vorgabe von landeseinheitlichen Entwicklungszielen für die Arbeit der KSHN (sog. Kriterienkatalog des SM) • Weiterführung der Landesförderung PSB/KL mit dem Ziel eines landeseinheitlichen Grundversorgungsstandards • Förderung / Unterstützung der kommunalen Planungs- und Steuerungsverantwortung durch • Förderung der KSB-Stellen • Weiterführung der Landessuchtstatistik durch die LSS mit der Einführung fachlich sinnvoller Vergleichszahlen zur regionalen Versorgung (Suchtberichterstattung) • Evaluation der Wirksamkeit des Konzepts KSHN

  17. Welche Neuregelungen von Verantwortlichkei-ten sind mit dem Konzept der KSHN verbunden? Kommunen: • Bereitstellung einer Fachkraft für Suchthilfeplanung und Netzwerkarbeit • Aufbau / Weiterführung kommunaler Suchthilfeplanung auf der Grund-lage aktueller Versorgungs- und Forschungsdaten und fachlicher Ver-sorgungskonzepte • Kommunale Suchtberichtserstattung, die auch die Vernetzung mit an-grenzenden gesellschaftlichen Handlungsfeldern abbildet • Politische Regelung eines umfassenden Casemanagements • Sicherung bedarfsorientierter Ressourcen in der Suchtberatung • Vernetzung kommunal mitverantworteter Hilfen (SGBs II / VII, XII, Krankenhäuser, Eingliederungshilfe, Wohnungslosenhilfe etc.) • Einbezug einer Betroffenenperspektive in Planung und Steuerung • Sicherung einer netzwerkbezogenen Qualitätsentwicklung

  18. Welche Neuregelungen von Verantwortlichkei-ten sind mit dem Konzept der KSHN verbunden? Suchtberatung: • Erweiterung einer einrichtungs-/ trägerbezogenen Perspektive auf die Mitwirkung an einer regionalen Versorgungsverantwortung • Neuregelung bestehender Arbeitsteilungen und Aufgabenschwerpunkte (nach Kompetenzen, Zuständigkeiten, Ressourcen, Klientenakzeptanz, Ergebnisqualitäten, Leistungseffizienz) • Entwicklung gemeinsam verantworteter Projekte / Hilfeformen, insbe-sondere auch im Schnittstellenbereich zu anderen psychosozialen oder arbeitsintegrationsfördernden Hilfen

  19. 5. KSHN – ein Entwicklungskonzept mit Erfolgsgarantie? Das Konzept KSHN ist nur dann wirklich zukunftsfähig, • wenn sich möglichst alle Akteure in den regionalen Versorgungsstrukturen damit identifizieren, es im Interesse der abhängigen Mitbürger mit Leben füllen und sich auf eine gemeinsame Versorgungsentwicklung einlassen • sich alle Beteiligten auf eindeutige Regeln einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, eine Transparenz aller Entscheidungsprozesse und auf die Verbindlichkeit von Planungen und Leistungsgestaltungen einlassen • wenn die jeweiligen Leistungsträger und die Finanzierungspartner der Daseinsvor-sorge solche Verständigungen auf regionsspezifische Vernetzungen in ihrer Leistungsverantwortung zulassen und diese aktiv unterstützen • wenn die Kommunen ihre politische Planungs- und Steuerungsverantwortung ernstnehmen und – vom Land unterstützt – auch konsequent umsetzen

  20. Knackpunkte in einer regionalen Kooperation / Vernetzung • Politische Zuweisung des CM für Menschen mit Suchtstörungen an die Sucht-beratung: Suchthilfe hat die „Letztverantwortung“ für die Lebenssituation abhängiger Menschen und braucht dafür während der gesamten Betreuungs-verläufe auch gelebte Kooperationen: CM als verbindliches Beteiligt-sein. • Sicherstellung einer Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit medizinischer und psychosozial/materieller Hilfen / Unterstützung: jede Suchtstörung hat Bedingungsfaktoren und Auswirkungen auch im Lebensalltag und keine Institution kann realistischerweise alle Hilfebedarfe der Klienten allein abdecken. • Gewährleistung einer Berücksichtigung und Einbeziehung des persönlichen und sozialen Umfelds in Beratung, Betreuung und Behandlung: jede Sucht ist auch eine Beziehungsstörung, in der auch Partner, Kinder, Eltern, Freunde, Kollegen, Arbeitgeber eine abgestimmte Hilfe und Unterstützung benötigen können.

  21. Ganzheitliche Hilfeansätze machen aus Betroffenensicht eine räumliche und strukturelle Zusammenführung von Hilfen so lange wünschenswert, wie damit keine „Gleichbehandlung“ als Patient, keine soziale Stigmatisierung und kein Durchlaufautomatismus verbunden ist. Andererseits aber brauchen gerade die zuwendungs- und spendenabhängigen Träger der Suchtberatung auch weiter ihre eigene sichtbare Identität. • Gelingen transparente und überprüfbare Regelungen einer sinnvollen Allokation von Klientengruppen in den einzelnen Hilfesystemen, auch unabhängig von kurzfristigen materiellen Partikularinteressen? Unterstützen solche Allokationen auch die Inanspruchnahme weiterer ebenfalls notwendiger Hilfen oder entste-hen abgeschlossene Subsysteme? Gelingen gemeinsam verantwortete und gestaltete Weiterentwicklungen der regionalen Versorgungsstrukturen? • Gelingen neue Regelungen der Aufgabenteilung trotz auch berechtigter Ängste vor Bedeutungs- oder Machtverlust oder vor der Einschränkung einer gewohn-ten Fachlichkeit?

  22. Fazit: Wer im Interesse abhängigkeitsgefährdeter und abhängiger Menschen eine Weiterentwicklung und Verbesserung der bestehenden Versorgungsstrukturen wünscht, der sollte sich in seinem Stadt- und Landkreis um eine konsequente politische und fachliche Umsetzung des Konzepts kommunaler Suchthilfenetzwerke bemühen. Das Konzept der KSHN löst zwar nicht automatisch alle Probleme, aber es ermöglicht interessierten Akteuren neue und konstruktive Lösungen und Entwicklungen. Die Landesstelle für Suchtfragen wird deshalb die Entwicklung der KSHN weiter nach Kräften unterstützen! Danke für Ihr Interesse!

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