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Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, Pädagogische Hochschule FHNW

Tagung Lesekultur für alle – Schriftlernen zwischen Frühförderung und Nachholbildung Bern, 31. Oktober 2008. Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, Pädagogische Hochschule FHNW Schriftkultur für alle - was ist angesagt?. Lesekultur. Annährung(en) an Begriff und Praxen

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  1. TagungLesekultur für alle – Schriftlernen zwischen Frühförderung und NachholbildungBern, 31. Oktober 2008 Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, Pädagogische Hochschule FHNW Schriftkultur für alle - was ist angesagt? Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  2. Lesekultur. Annährung(en) an Begriff und Praxen • Mit Schrift aufwachsen. Lesesozialisation im Spannungsfeld von informellem und formellem Lernen • 3 Mündliche Kommunikation • 4 Selbstkonzepte, Motivationen und Anschlussfähigkeit • 5 New literacies. Neue Kompetenzen und neue Forschungsdesiderate Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  3. 1 Lesekultur. Annährung(en) an Begriff und Praxen Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  4. Lesekultur: • „Lesen Sie noch oder surfen Sie schon?“ • ‚Lesekultur‘ gestaltet sich heute im Rahmen einer vielfältigen Medienpraxis. Die Teilnehmenden machen von deren Angeboten Gebrauch und gestalten diese mit. • Zur Mitgliedschaft gehört der Zugang zum Lesen und Schreiben, dieser kann über verschiedene Medien gefunden werden: über den Computer, über Zeitschriften, über das Buch.... Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  5. Literalität: • Lesen und Schreiben sind - wie andere Grundkompetenzen - sozial gebunden. • „Funktionaler Alphabet ist eine Person, die sich an all den zielgerichteten Aktivitäten ihrer Gruppe und Gemeinschaft, bei denen Lesen, Schreiben und Rechnen erforderlich sind, und ebenso an der weiteren Nutzung dieser Kulturtechniken für ihre eigene Entwicklung und die ihrer Gemeinschaft beteiligen kann.“ (UNESCO 1962). • Die sozialen Bedingungen des Aufwachsens entscheiden weitgehend über den individuellen Erfolg einer literalen Entwicklung. Schriftdefizite werden von Generation zu Generation weiter gegeben - das aber ist nicht zwingend. Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  6. 2 Mit Schrift aufwachsen. Lesesozialisation im Spannungsfeld von informellem und formellem Lernen • Lesen als kulturelle Aneignung: • „‚Mitgliedschaftsentwürfe’, von der Gesellschaft angeboten, werden von Kindern und Jugendlichen aktiv gewählt, elegiert, modifiziert, das heisst, mitkonstruiert. Lesesozialisationsprozesse laufen deshalb letztlich auf Prozesse der Selbstsozialisation hinaus.“ (Groeben 2004). • „Es wird wohl noch Jahre dauern, bis ich mich zu einer Einheit mit meiner Sprache geformt habe. Unsagbar froh bin ich aber, dass ich die verlorene Liebe zu suche begonnen habe. War es zu Beginn nur Arbeit und Schmerz, so ist es heute Freude und Liebe geworden, die ich mir durch Stolpersteine nicht mehr nehmen lasse.“ (Anonym, Kursteilnehmer Lesen und Schreiben für Erwachsene). Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  7. Das informelle Lernen, das in der Familie und bei der spontanen Nutzung kultureller Angebote stattfindet, ist ganz entscheidend dafür, ob Kinder, Jugendliche und Erwachsene für die Angebote zum formellen, organisierten Lernen (in der Schule, in Kursen) empfänglich sind. • Vielfach wird festgestellt: Wer bereits positive Lernerfahrungen in der Schule oder im Rahmen der Ausbildung gemacht, ist für weitere Lernangebote offen. Personen, denen solche positiven Erfahrungen fehlen, weichen den Bildungsangeboten tendenziell aus. • „Participants in formal educational activities are more likely to be those, with higher educational attainment and those between 18 and 50 years. Non-participants are more likely to be members of racial or ethnic minorities, persons over 50 years, and persons with low literacy skills, low income, and physical, sensory or learning disabilities.“ (MacKeracher et al. 2006). Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  8. 3 Mündliche Kommunikation • Entscheidend für das erfolgreiche Lesen und Schreiben ist insbesondere auch das aktive Kommunikationsverhalten: die Gewohnheit und die Bereitschaft sich mit anderen auszutauschen, mit anderen zu telefonieren und die positive Einstellung gegenüber Gesprächen (Notter 2008). • Kinder, denen von Anfang an vorgelesen und erzählt wird und die das Geschichtenerzählen als behagliche Situation in Erinnerung behalten, haben bessere Voraussetzung für das spätere Lesenlernen und generell für den Aufbau stabiler literaler Kompetenzen (Hurrelmann et al. 1993). Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  9. 4 Selbstkonzepte, Motivationen und Anschlussfähigkeit • Die Motivation und das Selbstkonzept bezüglich Lesen und Schreiben sind ganz entscheidende Faktoren für den Erfolg (Möller/Schiefele 2004; Retelsdorf/Möller 2008). • Unter bestimmten Bedingungen haben auch Kinder und Jugendliche aus sozial unterprivilegierten Familien Erfolg im Lesen und Schreiben. Als wichtige Dimension wurde auch bei ihnen die Motivation ermittelt: Erfolg wider Erwarten stellt sich besonders bei jenen Jugendlichen ein, die für das Lesen und/oder das Schreiben Funktionen im Alltag gefunden haben. Es ist die Erfahrung von Sinn beim Lesen und Schreiben, die eine wichtige Rolle für die erfolgreiche literale Entwicklung spielt (Schneider et al. 2008). Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  10. 5 New Literacies. Neue Kompetenzen und neue Forschungsdesiderate • Lesekompetenz ist durch die neuen medialen Entwicklungen keineswegs überflüssig geworden, im Gegenteil (Bertschi-Kaufmann et al. 2004). • Anders als viele Definitionen von ‚Literacy‘, die sich auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten beziehen, verseht man unter ‚New Literacies‘ Lesen als soziale Praxis. Deshalb interessiert nicht nur, was Heranwachsende und Erwachsene in Kursen lernen, sondern auch, wie sie im Alltag mit Schrift handeln, wie sie zum Beispiel bereits vorhandene Bausteine (die sie im Netz oder im Handy finden) nutzen, um ‚eigene‘ Texte draus zu machen. Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  11. Im Mediengebrauch junger Generationen sind Rezeption, Reproduktion und Produktion stark verwoben: eine 'neue' und von der Schule bzw. von der didaktischen Forschung noch kaum wahrgenommene Praxis. • „In my opinion, the most striking insight to be gained from the research on adolescents' remixing of multimodal content to create new texts is this: Those who create online content recognize that authorship is neither a solitary nor completely original enterprise. Remixing is basic to how young people go about creating ‚new‘ texts.“ (Alvermann 2008, S. 17). Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

  12. Literatur • Alvermann, Donna (2007): „Do Adolescents' Online Literacies Have Implications for the Research and Teaching of Literacy?“ - In: Journal of Adolescent & Adult Literacy 52, Heft 1, S. 16-19. • Bertschi-Kaufmann, Andrea; Schneider, Hansjakob (2004): „Neue Medien.“ – In: Bertschi-Kaufmann, Andrea; Kassis, Wassilis; Sieber, Peter (Hrsg.): Mediennutzung und Schriftlernen. Analysen und Ergebnisse zur literalen und medialen Sozialisation (= Lesesozialisation und Medien). Weinheim: Juventa, S. 11–22. • Groeben, Norbert (2004): Einleitung: Funktionen des Lesens - Normen in der Gesellschaft. In: Groeben, Norbert; Hurrelmann, Bettina (Hrsg.): Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Forschungsüberblick. Weinheim und München: Juventa, 11-35. • Hurrelmann, Bettina; Hammer, Michael; Niess, Ferdinand (2003): Leseklima in der Familie. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh: Bertelsmann. • MacKeracher, Dorothy; Suart, Theresa; Potter, Judith (2006): Barriers to Participation in Adult Learning. Fredericton: National Adult Literacy Database. http://www.nald.ca/library/research/sotfr/barriers/barriers.pdf (Stand 27.10.2008). • Möller, Jens; Schiefele, Ulrich (2004): „Motivationale Grundlagen der Lesekompetenz.“– In: Schiefele, Ulrich; Artelt, Cordula; Schneider, Wolfgang; Stanat, Petra (Hrsg.): Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 101–124. • Notter, Philipp (2008): Illettrismus im mittleren Erwachsenenalter. Lesekompetenzen und Umgang mit Medien in Arbeit und Freizeit. Schlussbericht zu Handen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 56 "Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz." Bern: Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. http://www.nfp56.ch/d_projekt.cfm?Projects.Command=details&get=11&kati=2 (Stand 27.10.2008). • Retelsdorf, Jan; Möller, Jens (im Druck). Familiäre Bedingungen und individuelle Prädiktoren der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht. • Schneider, Hansjakob; Bertschi-Kaufmann, Andrea; Häcki-Buhofer, Annelies; Kassis, Wassilis; Kronig, Winfried; Beckert, Christine; Stalder, Ursula; Wiesner, Esther (2008): Literale Resilienz. Schlussbericht zum Forschungsprojekt 2005 - 2008 zu Handen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 56 "Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz." • UNESCO (1962): Statement of the International Committee of Experts on Literacy. Paris: UNESCO. Prof. Dr. Andrea Bertschi-Kaufmann, PH FHNW

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