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Pädagogische Fallanalyse Eine Einführung in Strukturen, Kontexte und Methoden pädagogischer Fälle. Vorlesung im Wintersemester 2013/20134 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Prof. Dr. Nils Berkemeyer Prof. Dr. Gunter Grasshoff Kontakt: cathrin.burkhardt@uni-jena.de.
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Pädagogische FallanalyseEine Einführung in Strukturen, Kontexte und Methoden pädagogischer Fälle Vorlesung im Wintersemester 2013/20134 an der Friedrich-Schiller-Universität JenaProf. Dr. Nils Berkemeyer Prof. Dr. Gunter GrasshoffKontakt: cathrin.burkhardt@uni-jena.de
11. VorlesungProfessionalisierung und Lehrerbiographien Prof. Dr. Nils BerkemeyerProf. Dr. Gunter GrasshoffKontakt: cathrin.burkhardt@uni-jena.de
Agenda Lehrer_innen als professionelle Akteure Lehrerbiographische Forschung
Professionalisierung Frage: Woher kommt pädagogisches Können? • Vom geborenen Erzieher zum professionellen Selbst • Aus der Praxis! • Aus anderen Lebensorten • Studium und/oder Ausbildung • Aus der eigenen Berufserfahrung • In Zukunft vielleicht auch medial vermittelt: Von Peter Zwegart bis Thomas Sonnenburg
Wissen: Wissenschaftliches Wissen vermitteln • Handeln: Handlungskompetenz, Reflexion, Theorie-Praxis • Normen und Werte: Predigen? • Forschen: Zwischen Theorieentwicklung und Habitusbildung • Theorie-Praxis-Vermittlung
2. Lehrerbiographische Forschung • Thematisierung von Lehrer_innen im Kontext von Forschung • heroische Geschichte von guten Lehrern • Wie wird der Berufsalltag retrospektiv geschildert? , Krisen und deren Überwindung
2. Anfänge von „Forschung“ • Studien von Combe 1983 und Stubenrauch 1984 • Internationale Arbeiten: Lortie (1975), Skepsis gegenüber Lehrerbildung: Nachhaltigkeit vorberuflich schulischer Erfahrungen • „personal practicalknowledge“ (Connelly/Clandinin 1990) die zentrale Bedeutung der Auseinandersetzung mit der (eigenen) Biographie • Psychoanalytische Forschung: Warum Lehrer Lehrer werden
2. Weitere Forschungsarbeiten • Hinweis von Terhart auf das Defizit, „Professionalität ist als berufsbiographisches Entwicklungsproblem zu sehen“ (1995, S. 238) oder der von ihm hervorgehobene Zusammenhang zwischen Lehrerbildung und Berufsbiographie ist weiterhin Forschungsdesiderat
Foki berufsbiographischer Forschung 1. Das gesamte Berufsleben 2. Unterschiedliche Schulformen 3. Geschlechtsspezifische Differenzen 4. Lehrer in Reform- und Alternativschulen
Lebenslauf und Biographie „Lebensgeschichten haben ihre soziale Ordnung und ihren individuellen Verlauf. Unter dem Konzept des Lebenslaufs wird die institutionalisierte, also sozial geregelte Abfolge und Entfaltung von sozialen Zugehörigkeiten, Positionen, Rechten und Pflichten u. a. eines durchschnittlichen Erwachsenenlebens in der modernen Gesellschaft verhandelt - also die ‚soziale Tatsache‘ der Ordnung des Lebens entlang der Achse der Lebenszeit. […] Über das Konzept der Biographie wird das Geschehen entlang der Lebenszeit aus der Binnenperspektive des sich erinnernden, erzählenden oder seine Zukunft entwerfenden Subjekts gesehen. […] Die biographische Ebene betont die Handlungs- und Deutungsabhängigkeit dieses Geschehens, bringt somit in hohem Maße die Offenheit, prinzipielle Unabschließbarkeit des Horizonts sozialer wie individueller Entwicklung zum Ausdruck.“ (aus Schefold, W.: Ansätze zu einer Theorie der Jugendhilfe. In: Diskurs, Heft 2/1993, S. 22.)
Phasen und Stufenmodelle der Berufslaufbahn Fuller and Brown (1975): Idealtypus der Entwicklung als Stufenmodell • Survival Stage • Mastery Stage • Routine Stage
Weitere Arbeiten • Lehrerberuf als Frauenberuf? • Fachbezogene Foki, z.B. Dirks (2000) • Fragerichtung „Wie hat sich im Zuge der wendebedingten Transformationsprozesse das Rollenverständnis ostdeutscher EnglischlehrerInnenverändert“ (ebd., S. 7). • Religionslehrer • WaldorfschullehrerInnen(Kunze 2010)
Professionalisierungspfade ostdeutscher Lehrer - Biographische Verläufe und Professionalisierung im doppelten ModernisierungsprozessFallbeispiel Anna Große (AG)aus: Fabel-Lamla, Melanie (2004): Professionalisierungspfade ostdeutscher Lehrer. Univ, Wiesbaden, Halle (Saale). • Biographische Fallstruktur • Professionalisierung im doppelten Modernisierungsprozess • Professionalisierungspfad
a) Biographische Fallstruktur • kommt als uneheliches Kind im Jahr 1952 zur Welt • wächst mit zwei älteren Halbgeschwistern, der Mutter, der Großmutter und einem Kinder- bzw. Dienstmädchen auf • Familiales Umfeld ist geprägt durch kulturelles Kapital, Pluralität von Milieueinflüssen, Orientierungsmustern und Werten (liberales Bildungsbürgertummilieu, akademischer Habitus, Wertrationalität und kommunistisch-antifaschistische Überzeugungen, praktizierter Katholizismus) • Vater ist trotz Abwesenheit für Identitätsentwicklung von großer Bedeutung (ist überzeugter Kommunist) an die Stelle des realen Vaters tritt die große Idee des Kommunismus
a) Biographische Fallstruktur II • Mutter und Großvater mütterlicherseits sind/waren ebenfalls Lehrer (Beruf hat Familientradition) und vertreten sozialistische Weltanschauung • AG ergreift ebenfalls den Lehrerberuf (ihr Ziel: durch Literatur Orientierung und Lösungsfindung bei existentiellen Fragestellungen) • in ihr Handeln als Lehrerin lässt sie stets ihre sozialistische Weltsicht einfließen und erleidet einen psychischen und körperlichen Zusammenbruch mit der politischen Wende im Jahr 1989
b) Professionalisierung im doppelten Modernisierungsprozess • AG leidet auch noch im Nachwendeprozess an psycho-somatischen Krankheiten, zeigt jedoch ein hohes Maß an Kontinuität hinsichtlich ihres schulischen Engagements und ist bestrebt sich dem neuen Gesellschafts- und Schulsystem anzunähern • Zu dieser Neuorientierung bedient sich AG verschiedener Strategien: • Kontinuitätssicherung durch Selbstbehauptung und Redefinition(AG betrachtet DDR-Sozialismus retrospektiv kritischer und distanzierter, identifiziert sich eher mit der Idee des Sozialismus als mit der DDR, gründet sozialistische Überzeugung an humanistische und religiöse Bestände der Herkunftsfamilie) • trotzige Ablehnung des neuen Gesellschaftssystems (kritisiert soziale Ungerechtigkeit und die Allianz von Politik und Großkapital, insgesamt innere Zerrissenheit hinsichtlich ihrer Positionierung zu den gesellschaftspolitischen Umbrüchen) • Betonung professioneller Autonomie und Reformulierung des Erziehungs- und Bildungsauftrags (will sich an eigenen pädagogischen Grundsätzen orientieren, will sich nicht für neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen verbiegen; um Ambivalenzen aus dem Weg zu gehen, reformuliert sie die Lehrerrolle auf übergeordneter Ebene als universelle Verpflichtung der älteren Generation der Jüngeren Wissen zu vermitteln, Schülerzentrierung)
b) Professionalisierung im doppelten Modernisierungsprozess II • Sensibilität für soziale Modernisierungsfolgen und biographische Beratungsangebote als professionelle Anknüpfungspotenziale (Welche Folgen bringt dieser Wandel mit sich?) • Distanzierung von politisierten und traditionellen Erziehungsvorstellungen angesichts modernisierter Schüleridentitäten (AG begrüßt Entideologisierung von Schule und Unterricht, plädiert für schülerorientierten, toleranten Umgang) • Ausgestaltung der Antinomie von Nähe und Distanz unter Bedingungen sozio-struktureller und -kultureller Modernisierungsprozesse (Näheorientierung wird durch den Transformationsprozess verstärkt, allerdings steigt die Schwierigkeit Nähe zu den Schülern aufzubauen, da die Klassengröße steigt und Peer-groups und somit Selbstsozialisation zunehmen) • Partizipationsmöglichkeiten der schulischen Akteure und bildungspolitische Fragen (AG befürwortet Partizipation, steht der Durchführung in der BRD aber kritisch gegenüber) • Fehlertendenzen des Lehrerhandelns aufgrund der trotzig-ablehnenden Haltung gegenüber dem neuen Institutionengefüge (AG kann durch diese Trotzreaktion den Schülern wenig Orientierung und Hilfestellung bei der Integration in die Gesellschaft geben)
c) Professionalisierungspfad • Professionalisierung als Kontinuierung des familienbiographisch vermittelten Auftrages • trotz des gesellschaftlichen Umbruches erweist sich der professionelle Habitus von AG als tragfähig; Grund ist die pädagogische Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation • Systemwechsel macht Nachfolge schwieriger (AG hat es sich selbst ermöglicht durch eine Entpolitisierung der Institution Schule und Reformulierung des Erziehungs- und Bildungsauftrags) • Familienbiographisch vermittelter Auftrag ist im Fall AG tief mit der professionellen Identität verankert
c) Professionalisierungspfad II • Professionalisierungspotenziale und -hemmnisse • Anknüpfungspotenziale für aktuelle Herausforderungen des Lehrerhandelns und pädagogische Professionalität (AG beruft sich auf päd. Autonomie und fachliche Rationalität, Anknüpfungspotenziale für die mit dem soziokulturellen Wandel einhergehenden pädagogischen Herausforderungen; Grundspannung zwischen Einzelfallarbeit und gleichzeitiger Vermittlung gemeinsamer kultureller Inhalte) • Hemmnisse päd. Professionalität und Fehlertendenzen (durch trotzige Ablehnung der westlichen Basisinstitution und Selektion, zu starke Nähe zum Schüler) • Bewährungsdynamik des Professionalisierungsprofils von AG (schülerorientierte Haltung ist wichtiges Potenzial im Modernisierungsprozess, jedoch Probleme durch biographische Verwicklungen, dadurch möglicherweise Verspielung von Potenzial, im Interview zeigen sich jedoch Verarbeitungsprozesse und Ansätze einer Ablösung von den alten Denkmustern)
c) Professionalisierungspfad III • Prozessvariante ‚Einseitige Professionalisierung‘ • unzureichende Bearbeitung der Anforderungen des Institutionentransfers bei gelungener Orientierung an den neuen Problemlagen der Schüler (im Fall AG) • im Umgang mit hoheitsstaatlichen Aufgaben und Bearbeitung des Institutionentransfers zeigen sich Fehlertendenzen des professionellen Handelns • erweist sich jedoch für die Wahrnehmung von sozialen und kulturellen Modernisierungsprozessen sehr sensibel
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