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- Sozialpsychologie des Diskurses - Paul Watzlawick über gestörte Kommunikation in Systemen, speziell Familien Referentin: Daniela Prousa (SS 2006). Gliederung:. Zu Watzlawicks Person Grundlegendes zu seinem Ansatz und zum Systemtheoretischen Hintergrund
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- Sozialpsychologie des Diskurses - Paul Watzlawick über gestörte Kommunikation in Systemen, speziell Familien Referentin: Daniela Prousa (SS 2006)
Gliederung: • Zu Watzlawicks Person • Grundlegendes zu seinem Ansatz und zum Systemtheoretischen Hintergrund • Axiome und Brechung der Axiome (=Kommunikationsstörungen) mit jeweils einem Bsp. Paradoxe Botschaften (=„Doppelbindungen“) • Familientherapie nach Watzlawich et. al Kritik an dieser Therapie Was heute aus diesem Therapiekonzept geworden ist
Zur Person Dr. phil.Paul Watzlawick : - *1921 in Villach (Kärnten) - Wahlheimat heute : Kalifornien (Mitglied des Mental Research Institute, Palo Alto seit 1960) - Psychologe mit Schwerpunkt Kommunikations- und Sozialpsychologie, analyt. Psychotherapeut - Bestseller-Autor; Publikationen seit 1967 - heute in der Beratung von Unternehmen tätig • Grundlegendes zu seinem Ansatz : • Kommunikationstheoretisch mit Fokus auf Pragmatik • Systemtheoretischer Hintergrund • Konstruktivistisch
Familie als „System“ • System = nach Außen abgrenzbare Einheit verschiedener Elemente (Bsp.: Familie) • Zirkuläre statt lineare Kausalitätsabläufe innerhalb des Systems (Prinzip der Rückkopplung): Das Verhalten (und damit Kommunikation) einer Person im System ist Ursache des Verhaltens aller anderen Systemangehörigen und beeinflusst auch wiederum die Aktionen aller anderen Personen • Verhalten ist daher nur im Kontext des Systems verständlich • Ein System kann sich hinsichtlich der in ihm wirkenden Kräfte im Gleichgewicht (Homöostasis) befinden oder im Ungleichgewicht (Instabilität oder Veränderung des bisherigen Zustandes); es leistet bestmögliche, selbstorganisierte Anpassung an die wirkenden Kräfte, indem es eine Struktur bildet und damit ein stabiles Gleichgewicht anstrebt • Symptome bei einem Familienmitglied oder der Familienstruktur insgesamt sind unerwünschte Formen einer solchen Stabilität
Gestörte Kommunikation als Axiombrechung • 1) Brechung des Axioms „Man kann nicht nicht kommunizieren“ : Axiom besagt: Alles Verhalten, auch Schweigen, hat Mitteilungscharakter und beeinflusst somit andere. Brechung des Axioms: - aus dem Motiv heraus, einer klare Stellungnahme zu entweichen - „Entweichung“ mittels Abweisung des Gesprächspartners Entwertung der Aussagen Symptom als Schutz
Beispiel für „Entwertung“ Auszug aus Karl Valentin : In der Apotheke Apothekerin: „(...) haben Sie kein Rezept ?“ Karl Valentin: „Nein !“ Apothekerin: „Was fehlt Ihnen denn eigentlich ?“ Karl Valentin: „Na, das Rezept fehlt mir !“ Apothekerin: „Nein, ich meine, sind Sie krank ?“ Karl Valentin: „Wie kommen Sie denn auf so eine Idee ? Schau ich krank aus ?“ Apothekerin: „Nein, ich meine, gehört die Medizin für Sie oder für eine andere Person ?“ Karl Valentin: „Nein, für mein Kind.“ Apothekerin: „(...) Was fehlt denn dem Kind ?“ Karl Valentin: „Dem Kind fehlt die Mutter.“
2) Brechung des Axioms „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist“ : Axiom besagt: Der Inhaltsaspekt vermittelt sachliche Daten, der Beziehungsaspekt bestimmt aber, wie diese Daten aufzufassen sind. Kommunikation dient auch dem Erhalt der Beziehung und damit des Selbstbildes und liefert somit auch immer deren Definition. Störungen, die sich aus dem Axiom ergeben können: - Wenn Störung auf einer Ebene zum Konfliktlösungsversuch auf der anderen Ebene führt, entsteht unlösbarer Pseudokonflikt - Verwerfung des Selbstbildes des Gesprächspartners auf der Sachebene oder gar Entwertung dessen auf der Ebene des Seins - „Beziehungsblindheit“ führt zu starken Diskrepanzen von Selbst- und Fremdbild (den anderen nicht „kennen“ und nicht verstehen)
Beispiel für Konfusion von Inhalts- und Beziehungsebene : (aus „Alice im Wunderland“, zit. n. Watzlawick, 1969, S.83) „Ich verstehe nicht, was Sie mit ,Glocke‘ meinen“, sagte Alice. Goggenmoggel lächelte verächtlich: „Wie sollst Du auch, ich muss es dir doch zuerst sagen (...).“ – „Wenn ich ein Wort gebrauche“, sagte Goggenmoggel in recht hochmütigem Ton, „dann heißt es genau, was ich für richtig halte – nicht mehr und nicht weniger.“ „Es fragt sich nur,“ sagte Alice, „ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lasen kann.“ „Es fragt sich nur,“ sagte Goggenmoggel, „wer der stärkere ist, weiter nichts“.
3) Unberücksichtigung des Axioms „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ : Axiom meint: Jeder Partner sieht im Kommunikationsablauf jeweils eigene Bedeutungen der Elemente und unterschiedliche Kausalzusammenhänge als der andere. Störungen, die sich aus dem Axiom ergeben können: • Vorkommen von Diskrepanzen zwischen den Partnern in der Interpunktion von Ereignisabläufen führen zu gegenseitigem Vorwurf und Missverstehen (Bsp.: Was ist Ursache / Anfang des Konflikts ?) • Denn: best. Interpunktion best. Wahrnehmung der Wirklichkeit (andere Interpunktionen werden nicht erwogen) • Selbsterfüllende Prophezeiung : best. Antizipation best. eigenes Verhalten Reaktion des anderen in antizipierter Weise
Beispiel einer selbsterfüllenden Prophezeiung : Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich. -- Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!" Und tatsächlich, unser Mann hatte Recht: Er bekommt den Hammer nicht !
4) Unberücksichtigung des Axioms „ Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehung unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikation erforderliche logische Syntax“ : • Axiom meint: Zwei Kommunikationsweisen laufen bei sprachlicher Kommunikationgleichzeitig ab: inhaltlich-verbaler (=digitaler) und averbal-beziehungsfokussierter (=analoger) Informationsaustausch. Es ist unmöglich, letzteren zu vermeiden (Mimik, Gestik, Intonation). Störungen, die sich aus diesem Axiom ergeben: • Fehler in der Übersetzung zwischen digitaler und analoger Kommunikation oder Widerspruch beider Ebenen
Beispiel für einen Übersetzungsfehler von analog zu digital: ( Watzlawick, 1969, S.97 : ) „Ein Geschenk z.B. ist eine analoge Mitteilung. Ob der Beschenkte jedoch in diesem Geschenk einen Ausdruck der Zuneigung, eine Bestechung oder eine Wiedergutmachung sieht, hängt von der Auffassung ab, die er von seiner Beziehung zum Geber hat. Schon mancher Gatte fand sich zu seiner Bestürzung einer noch nicht zugegebenen Schuld verdächtigt, wenn er seiner Frau unerwartet einen Blumenstrauß brachte.“
5) Brechung des Axioms„Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht“ : Axiom besagt: Verhaltensnormen im Kommunikationsverlauf können je nah Beziehung / Kontext auf Streben nach Gleichheit und Verminderung von Unterschieden zwischen Partnern abzielen (Symmetrie) oder auf sich gegenseitig ergänzenden Unterschiedlichkeiten basieren (Komplementarität) Potentielle Störungen dieses Axioms: • symmetrische Eskalation bei instabiler symmetrischer Beziehung (Behauptung - Gegenbehauptung, Anweisung – Gegenanweisung) • Starre Komplementarität („sadomasochistische Beziehungsform“: (Frage – Antwort, Behauptung – Zustimmung, Vorwurf – Verteid.)
Beispiel einer starren Komplementarität Auszug aus Loriots „Szenen einer Ehe“, zweiter Akt : „Feierabend“ : Sie: Hermann... Er: Ja... Sie: Was machst du da? Er: Nichts... Sie: Nichts? Wieso nichts? Er: Ich mache nichts... Sie: Gar nichts? Er: Nein... (Pause) Sie: überhaupt nichts? Er: Nein ... ich sitze hier... Sie: Du sitzt da? Er: Ja... Sie: Aber irgendwas machst du doch? Er: Nein... (Pause) Sie: Denkst du irgendwas? Er: Nichts Besonderes... Sie: Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazieren gingest... Er: Nein - nein... Sie: Ich bringe dir deinen Mantel... Er: Nein danke... Sie: Aber es ist zu kalt ohne Mantel... Er: Ich gehe ja nicht spazieren... Sie: Aber eben wolltest du doch noch... Er: Nein, du wolltest, dass ich spazieren gehe...
Sie: Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazieren gehst...Er: Gut...Sie: Ich meine nur , es könnte dir nicht schaden, wenn du mal spazieren gehen würdest...Er: Nein, schaden könnte es nicht...Sie: Also was willst du denn nun?Er: Ich möchte hier sitzen ...Sie: Du kannst einen ja wahnsinnig machen!Er: Ach ...Sie: Erst willst du spazieren gehen... dann wieder nicht... dann soll ich deinen Mantel holen... dann wieder nicht... was denn nun?Er: Ich möchte hier sitzen ... Sie: Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen...Er: Gar nicht plötzlich... ich wollte immer nur hier sitzen... Sie: Sitzen?Er: Ich möchte hier sitzen und mich entspannen...Sie: Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd auf mich einreden...
Gestörte Kommunikation : Paradoxien (Bsp. „Doppelbindung“) • Doppelbindung = in einer existentiell bedeutsamen Beziehung (v. a. Familie : Eltern - Kind) wird eine sinnlose Botschaft gegeben, indem sich zwei ihr immanente Aussagen gegenseitig widersprechen Verwirrung, Unmöglichkeit, „folgsam“ zu handeln • (hat potentiell schizophrenogene Wirkung) Bsp.:(Johnson, 1956, S.143) Zorn von Elternteil Wahrnehmung des Zorns durch das Kind Elternteil leugnet Zorn und beharrt darauf, dass auch das Kind ihn verleugnet Dilemma für das Kind : Vertrauen auf seine Wahrnehmung (Behalten eines sicheren Kontaktes zur Wirklichkeit, aber Beziehungskonflikt zum Elternteil) oder Vertrauen ggü. dem Elternteil ( Beibehaltung der Beziehung aber Verzerrung der Wirklichkeit und Zweifel and er eigenen Wahrnehmung)
Familientherapie (als Kurztherapie) (nach Watzlawick, Weakland, Fisch, Bodin, et. al.) • Prämisse : Symptome werden verstanden als Manifestationen einer eingefahrenen Störung im System„Familie“ ( # innerpsychisch !) Sie „ein Spiel ohne Ende“: Beteiligte selbst können von sich aus keine Änderungen mehr vornehmen; Symptom wird als etwas Unbeherrschbares erlebt • Ansatz: Systemerweiterung durch Einbeziehung eines Therapeuten bereits kleine Veränderung an einer Stelle des Systems verändern Gesamtsystem • Prinzip der Therapie: symptomorientiert : Therapeut als Manipulator ( nicht Ursachen- / Konflikt- / Beziehungs- / Einsicht-orientiert )
Die bedeutendste therapeutische Technik: • Paradoxe Interventionen (= „therapeutische Doppelbindungen“) als • Symptomverschreibung : absichtliche Herbeiführung des symptomatischen Verhaltens Erleben von Kontrolle, „Änderung durch Nicht-Änderung“ • Paradoxe Verhaltensaufforderungen allgemeinerer Art : Bsp.: * Reaktion des Therapeuten auf Besserung des Patienten: „Das geht ein bisschen zu schnell“. * Nachteile der Besserung vor Augen führen: „Sie würden gerne in Ihrem Beruf viel erfolgreicher sein. Aber wie würden sie bloß mit dem Neid Ihrer Kollegen fertig werden ?“ * Rückfall verschreiben, um noch mehr Kontrolle über das Symptom zu bekommen
* (Milton Ericksons Vater: ) „Willst Du erst die Hühner füttern oder zuerst die Gänse ?“ (“Illusion der Alternativen“) • * „Anleitung zum Unglücklichsein“ : Pseudo-Ratgeber • Kritik an dieser Therapieform: • v. a. von Seiten der Psychoanalyse : • Symptom würde nur verschoben, wenn ubw. Konflikt unaufgedeckt und damit unausgesprochen bliebe • Therapeut zu aktiv und suggestiv, zu wenig patienten- und beziehungsfokussiert • eigentlich zu stärkende Realitätsprüfung wird hier systematisch untergraben mittels Konfusionstechniken
Dieser Therapieansatz heute: Dunlap (1928) : erstmals Technik der Symptomverschreibung erwähnt ? ? ? Biologie Milton Ericksons G. Bateson „Hypnotherapie“ („double-bind-Forschung“) mittels (1950er) Kybernetik „Zauber der Sprache“ Watzlawick Kommunikationstherapie („therapeut. Doppelbind.“ ausgebaut; 1967) „systemische“ Familientherapie (1960er) NLP Systemische Logotherapie (1980er) Therapie (Frankl) (1970er / 1980er) (ab Ende 1940)
Literatur: Dheil, S. (o. J.): Loriot-Zitat „Szenen einer Ehe - Der Feierabend“. Online-Artikel: http://www.ecoglobe.ch/language/d/feierabe.htm Stahl, T. (o. J.): Das Konzept "Widerstand" in der Psychotherapie Milton Ericksons, in der Kommunikationstherapie und im Neurolinguistischen Programmieren. Online- Artikel: http://www.thiesstahl.de/texte/thies/widerst.htm Watzlawick, P.; Beavin, J. H. & Jackson, D. (1969) : Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. 7., unveränd. Aufl. (1985). Bern, Stuttgart, Wien: Huber. Watzlawick, P. & Weakland, J. H. (Hrsg.) (1980) : Interaktion. Bern, Stuttgart, Wien: Huber. Wunderlich, Dieter (2003). Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein. Online- Kommentar: http://www.dieterwunderlich.de/Watzlawick_unglucklich.htm Systemische Therapie und Beratung. Eine Einführung. Online-Artikel: http://www.psychotherapiepraxis.at/art/systeme/systemischetherapie.phtml : Außerdem: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.w/w222383.htm http://www.rhetorik.ch/Beeinflussen/Watzlawick.html