300 likes | 408 Views
Prof. Dr. Reinhard Kreckel Zwischen sozialer Öffnung und neuer Exklusivität Hochschulstrukturen in Deutschland im internationalen Vergleich Universität Halle, 21. 4. 2009. Übersicht 1. Strukturelle Grundtatsachen Beschleunigte Hochschulexpansion Spitze-Breite-Problematik
E N D
Prof. Dr. Reinhard KreckelZwischen sozialer Öffnung und neuer ExklusivitätHochschulstrukturen in Deutschland im internationalen VergleichUniversität Halle, 21. 4. 2009
Übersicht • 1. Strukturelle Grundtatsachen • Beschleunigte Hochschulexpansion • Spitze-Breite-Problematik • Folgen für soziale Ungleichheit • 2. Institutionelle Strategien des Umgangs mit dem Breite-Spitze-Dilemma • Differenzierungen im Wissenschaftssystem • Hierarchisierung von Studienabschlüssen • Differenzierung der Personal- und Karrierestruktur HoF Wittenberg 2009
Globale Hochschulexpansion: Studierende pro 10.000 Einwohner, weltweit, 1900 - 2000 Quelle: Meyer / Schofer 2005: 84 HoF Wittenberg 2009
Globale Hochschulexpansion: Studierende pro 10.000 Einwohner, weltweit, 1900 - 2000 Quelle: Meyer / Schofer 2005: 84 HoF Wittenberg 2009
Studienanfängerquoten 2006 Ausgewählte OECD-Länder (pro Altersjahrgang, in %) • Quelle: OECD 2008, Tab. A2.5 HoF Wittenberg 2009
Studienanfängerquoten 1995* und 2006 Ausgewählte OECD-Länder (pro Altersjahrgang, in %) * Einige Länder: Daten erst ab 1999 Quellen: OECD 2008, Tab. A2.5; OECD 2001, Tab. C3.1 HoF Wittenberg 2009
Phasen der Hochschulexpansionund Genese des Breite-Spitze-Dilemmas(nach Martin Trow, 1974 / 2006) • elite higher education (bis ca. 1960) 0-15% • mass higher education (ca. 1960-1995) 16-50% • universal higher education (ab ca. 1995) >50% • ( allgemeine Hochschulpflicht ab 75% ) HoF Wittenberg 2009
Phasen der Hochschulexpansionund Genese des Breite-Spitze-Dilemmas(nach Martin Trow, 1974 / 2006) • elite higher education (bis ca. 1960) 0-15% • mass higher education (ca. 1960-1995) 16-50% • universal higher education (ab ca. 1995) >50% • allgemeine Hochschulpflicht über 75% (z.B. Schweden, Finnland, Polen, Neuseeland, Australien) HoF Wittenberg 2009
CLASS: Hochschulstudium und Beruf des Vaters, 1985 - 2005 HoF Wittenberg 2009
CLASS: DSW/HIS-Bildungstrichter (Deutschland 2006) HoF Wittenberg 2009
CLASS: Soziale Zusammensetzung der Studierenden (in%), Deutschland 1982-2006 HoF Wittenberg 2009
GENDER: Höchster beruflicher Abschluss der Eltern der Studierenden, Deutschland 2006 (in%) HoF Wittenberg 2009
GENDER: Frauenanteil in Schule und Hochschule, Deutschland 1970 – 2007 (in %) * 1970 u. 1990: Nur BRD Quelle: Statistisches Bundesamt. HoF Wittenberg 2009
GENDER: Frauenanteil im Bildungssystem und im Beschäftigungssystem Hochschule, Deutschland 1970 - 2007 HoF Wittenberg 2009
Teil 2Institutionelle Strategien des Umgangs mit dem Breite-Spitze-Dilemma HoF Wittenberg 2009
a. Strukturelle Differenzierungen im Wissenschaftssystem b. Hierarchische Differenzierung von Studienabschlüssen c. Differenzierung von Status- und Laufbahnstrukturen für das wissenschaftliche Personal • (Einführung privater Formen der Hochschulfinanzierung) • (verstärkte Transnationalisierung tertiärer Bildung) • (De-Standardisierung, Ent-Zertifizierung, Informalisierung, De-Schooling von Qualifikationserwerb, E-Learning etc.) • … HoF Wittenberg 2009
a. Strukturelle Differenzierungen im Wissenschaftssystem 1. Kategoriale Segmentierung • Binäre Systeme: Unis und Fachhochschulen (D, NL, S, GB [prä-1992], A, CH) • Komplexe Systeme (F, USA) 2. Institutionelle Externalisierung • Akademische Forschung an außeruniversitären Einrichtungen • (ausgeprägt in Frankreich; weniger ausgeprägt in D, NL, A) • Akad. Forschung primär an Universitäten • (v.a. in angelsächs. Ländern, Schweiz) 3. Interne Funktionsdifferenzierung • Differenzierung zwischen Bereichen/Instituten für Lehre und für Forschung • (Sonderforschungsbereiche, Interdisziplinäre Forschungszentren etc.) • Unterscheidung von Personal für Lehre und Personal für Forschung • Differenzierung zwischen Lehr- und von Forschungsprofessuren • Vermehrung der Positionen für „nichtselbständige“ Lehre • Unterscheidung zwischen (nicht lehrendem) Drittmittelpersonal und haushaltsfinanzierten Hochschullehrer 4. Vertikale Stratifizierung • US-Spitzenbereich (6,4% der Hochschulen „Reserach Universities“) • GB [post-1992] (RAE: 75% der Forschungsmittel für 15% der Universitäten) HoF Wittenberg 2009
b. Hierarchische Differenzierung von Studienabschlüssen 1. Binäre, homogene und komplexe Studienabschlusssysteme (D, A, CH, NL / GB, S, USA / F) 2. Studienabschlüsse an (Forschungs-) Universitäten • Differenzierung von grundständigem Studium u. Promotionsphase: überall implementiert, überall hochselektiv • Grundständiges Studium (Prä-Bologna): • Einstufiges Langzeitstudium [Diplom / M.A. / Staatsexamen o.ä.](D, A, CH, NL, S) • Zweistufiges (und selektives) Bachelor – Master – System (GB, USA) • Mehrstufiges (und selektives) Studiensystem (F) 3.Kurzstudiengänge unterhalb des wiss. Studiums (2-jährig) (USA: Associate Degree, GB: Foundation Degree, F: D.U.T. und B.T.S., D: Berufsakademien?) HoF Wittenberg 2009
Post-Bologna in Deutschland:Zusätzliche Selektionsschwelle beim Master? Einige offene Fragen: • Wird das BA-MA-System flächendeckenddurchgesetzt – auch für Medizin, Jura, Theologie, Lehramtsstudiengänge? • Wird der BA von Studierenden, Arbeitgebern und der Öffentlichkeit als „Regelabschluss“ oder nur als „Zwischenabschluss“ auf dem Weg zum MA akzeptiert? • Werden im BA-MA-System Universitäts- und FH-Abschlüsse formal und faktisch gleichwertig? • Kommt es beim Zugang zum MA zu expliziten Quotenvorgaben, zu „versteckten Quotierungen“ oder zum offenen Übergang? • Übergang vom BA zum MA als zusätzliche Schwelle für soziale, geschlechtsspezifische, ethnische, regionale Auslese? • Wird die Absolventenzahl auf MA-Niveau im Vergleich zu den alten Langzeitstudiengängen sinken, die Gesamtabsolventenzahl (BA + MA) aber steigen? • Liefe das auf Dequalifizierung oder auf Effektivierung hinaus? HoF Wittenberg 2009
c. Differenzierung von akademischen Status- und Laufbahnstrukturen 1. Binäre vs. unitarische Personalstrukturen (D, A, CH, NL, GB [prä-2006] vs. USA, F, S, GB [heute]) 2. Universitäre Karrieren: Nationale Modelle • Tenure-Modell (GB, NL, S) • Tenure-Track-System (USA) • Kombiniertes Habilitations- und Tenure-Modell (F, A [vor 2002]) • Habilitationsmodell (D, CH, A [seit 2002]) HoF Wittenberg 2009
Hauptberufl. Wissensch. Personal an Universitäten in Deutschland, nach Bundesländern (2006) Quelle: BMBF, Grund- und Strukturdaten 2008, Tab. 4.14.3 HoF Wittenberg 2009
Universitäre Karrieren zwischen Breite und Spitze:Suchbewegungen in Deutschland • Anleihe beim Tenure-Track-Modell: Juniorprofessur • Ansätze zur funktionalen Differenzierung: Lehrprofessur • Anleihe beim Tenure-Modell: Stärkung der „Juniorposition“ (Dozent, Lecturer, Maître de Conférences o.ä.) für Lehre und Forschung • Einige „flankierende“ Maßnahmen • Differenzierung zwischen Forschungs- und Lehrpersonal • Erhöhung der Lehrdeputate • Vermehrung des „prekären“ Lehrpersonals • Verbesserung der akademischen Lehre (Lehrpreise, Lehrevaluationen, Fortbildungen etc.) • Einbeziehung der außeruniversitären Einrichtungen in die universitäre Lehre • … HoF Wittenberg 2009
Universitäre Karrieren zwischen Breite und Spitze:Annäherung an Großbritannien? • Angleichung der Studienabschlüsse und der Personalstrukturen von Universitäten und FHs? • Differenzierung der staatlichen Hochschulfinanzierung nach „gemessener“ Forschungsleistung (analog RAE)? • Studiengebühren als Anreiz für Universitäten mit Schwerpunkt in der Lehre? • Differenzierung der Personalstrukturen nach stratifikatorischen Gesichtspunkten? • Exzellenz-Einrichtungen: hoher Anteil von Professuren mit reduziertem Lehrdeputat und von befristetem Forschungspersonal, Lehre vor allem im MA- und PhD-Bereich • Universitäten/Fakultäten für „normale“ Forschung und Lehre: Herkömmliche Personalstruktur, mit Schwerpunkt in der BA- und MA-Ausbildung • Universitäten/Hochschulen für Breitenausbildung. Hohe Lehrdeputate für das gesamte wissenschaftliche Personal, kaum Forschung • Generell: Verstärkter Einsatz von nicht-forschendem und / oder prekär beschäftigtem reinem Lehrpersonal, vor allem im BA-Bereich? HoF Wittenberg 2009
Universitäre Karrieren in Deutschland: Elemente für ein Alternativszenario • Ausbau der Stellen für reguläre Hochschullehrer unterhalb der Professur (Dozenten / Lecturers / Juniorprof.) • Tenure-Track-System mit habilitationsähnlicher Tenure-Evaluation nach 4-7 Jahren • Im Gegenzug: • Rückführung der Haushaltsstellen für Doktoranden • Schaffung eines genuinen Doktorandenstatus mit eigener Finanzierung und geringen Lehraufgaben (wie in NL, F, GB, S) • Deutliche Reduzierung der Haushaltsstellen für „unselbständig Lehrende“ (Assistenten, wiss. Mitarb.) und für reines Lehrpersonal • Verbesserung der Möglichkeiten für Drittmittel-Karrieren in Universitäten im Sinne des WissZeitVG • … • … HoF Wittenberg 2009
Dieter Imboden: „Ein Wunsch wäre, dass die Hochschulen in Europa flexibler und weniger hierarchisch werden.An vielen Universitäten gibt es noch immer eine große struk-turelle Lücke zwischen den Doktoranden und der Ebene der Professoren. Die Universitäten sollten die großen Ordinarien abschaffen und mehr professorale Zwischenstufen wie den Tenure Track einbauen, wie es US-amerikanische und britische Universitäten bereits machen.“ Dieter Imboden ist Präsident der Vereinigung der European Heads of Research Councils (Eurohorcs) und des Nationalen Forschungsrats des SNF (Zitat: DUZ-Magazin 4/2009, S. 16) HoF Wittenberg 2009
Zum Nachlesen Kreckel, Reinhard, "Aufhaltsamer Aufstieg. Karriere und Geschlecht in Bildung, Wissenschaft und Gesellschaft“. In: Löw, M. (Hg.), Geschlecht und Macht, Wiesbaden: VS 2008, S. 97-120, Kreckel, Reinhard, "Zwischen universeller Inklusion und neuer Exklusivität. Institutionelle Differenzierungen und Karrieremuster im akademischen Feld: Deutschland im Internationalen Vergleich“. In: Kehm, B.M. (Hg.), Hochschule im Wandel.. Festschrift für Ulrich Teichler, Frankfurt/M.-New York: Campus 2008, S.181-194, sowie: Kreckel, Reinhard (Hg.), Zwischen Promotion und Professur. Das wissenschaftliche Personal in Deutschland im Vergleich mit Frankreich, Großbritannien, USA, Schweden, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, Leipzig: Akademische Verlagsanstalt 2008.