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Vorlesung am 2.2.09. Bibel und Literatur Zusammenfassung. Gliederung. Arten literarischer Verarbeitung Paraphrase Kritik Aktualisierung Umdeutung Wendung ins Humoristische, Parodie Satirische Deformation Die „Sprache Kanaans“. Johann Peter Hebel 1760-1826. Einige Werktitel:
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Vorlesung am 2.2.09 Bibel und LiteraturZusammenfassung
Gliederung • Arten literarischer Verarbeitung • Paraphrase • Kritik • Aktualisierung • Umdeutung • Wendung ins Humoristische, Parodie • Satirische Deformation • Die „Sprache Kanaans“
Johann Peter Hebel 1760-1826 • Einige Werktitel: • Alemannische Gedichte. Für Freunde ländlicher Natur und Sitten. 1803 • Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. 1811 (Kalendergeschichten, u.a. „Kannitverstan“) • Biblische Geschichten für die Jugend bearbeitet. 1822
Gen 4, 1-16Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit dem HERRN. Und sie fuhr fort und gebar Abel, seinen Bruder. Und Abel ward ein Schäfer; Kain aber ward ein Ackermann. Es begab sich nach etlicher Zeit, daß Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes; und Abel brachte auch von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer; aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Johann Peter Hebel: Adams Söhne. Aus: Biblische Geschichten • Adam und Eva hatten zwei Söhne, Kain und Abel. Kain war ein Ackermann und hatte ein rauhes, unfreundliches Gemüt. Abel hingegen war ein frommer Knabe und ein Hirt. Eines Tages brachten sie dem Herrn ein Opfer. Kain brachte von den Früchten seines Feldes, Abel hingegen von den Erstlingen seiner Herde. Das wäre wohl eine fromme, kindliche Handlung gewesen, daß sie dem lieben Gott wieder etwas von demjenigen geben wollten, was er ihnen geschenkt hatte, gleichwie Kinder, wenn sie ihren Eltern aus Liebe etwas schenken wollen so sie doch alles von den Eltern haben. Aber Kain erkannte, daß Gott an seinem Opfer kein Wohlgefallen hatte, weil er ein unfreundlicher Mensch war. Aber das Opfer des frommen Abels gefiehl Gott wohl.
Da ergrimmte Kain sehr, und seine Gebärde verstellte sich. Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? und warum verstellt sich deine Gebärde? Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so bist du angenehm; bist du aber nicht fromm, so ruht die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie. Da redete Kain mit seinem Bruder Abel. Und es begab sich, da sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde. • Darob ergrimmte Kain und erhob sich wider seinen Bruder auf dem Felde und schlug ihn tot. • Als er aber diese schreckliche Tat vollbracht hatte und weggelaufen war und meinte, niemand werde es erfahren, wie sein Bruder umgekommen sei, sprach der Herr zu ihm: „Wo ist dein Bruder Abel? – Kain wollte mit Gott reden, wie man wohl mit einem Menschen reden kann. „Ich weiß nicht,“ sagte er, „wo mein Bruder Abel ist. Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ – Da sprach zu ihm der Herr: „Was hast du getan? – Das Blut deines Bruder schreit laut zu mir von der Erde.
Und nun verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bauen wirst, soll er dir hinfort sein Vermögen nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden. Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden möge. Siehe, du treibst mich heute aus dem Lande, und ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen und muß unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, daß mich totschlage, wer mich findet. Aber der HERR sprach zu ihm: Nein; sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, daß ihn niemand erschlüge, wer ihn fände. Also ging Kainvon dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseit Eden, gegen Morgen. • Verflucht sollst du sein auf der Erde, die das Blut deines Bruders von deinen Händen empfangen hat. Unstet und flüchtig sollst du sein auf der Erde.“ Da hatte der unglückliche Kain nicht mehr das Herz, vor das Angesicht seiner Eltern zu kommen, sondern er floh mit seinem bösen Gewissen und mit dem Fluch, der seine Tat verfolgte, in eine andere Gegend. – Das war die Freude und der Trost, den die armen Menscheneltern an ihren ersten Kindern erlebten.
Johann Gottfried Seume 1763-1810 • Einige Werktitel: • Einige Nachrichten über die Vorfälle in Polen im Jahre 1794. 1796 (Über den polnischen Aufstand gegen die russische Besatzungsmacht) • Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. 1803 (sozialkritische und politische Reisebeschreibung. Abrechnung mit Napoleon, nachdem dieser die demokratischen Ideale verraten hatte) • Mein Sommer 1805. 1806 (kritische Beschreibung einer Reise nach Ost- und Nordeuropa)
Johann Gottfried Seume: Aus: Mein Sommer • Joseph, das schmeichelnde Schoßkind, ist das Muster der Delatoren und Tyrannenhandlanger; ich weiß nicht, ob Narziß und Sejan ihm an Ränken gleichkamen, wenn ich die Wahrheit der Überlieferungen annehme. Die löbliche Geschichte mit der Dame Potiphar ist mancher Deutung fähig. Er ward Minister durch den Zufall oder durch das Talent, das er sich in dem Hause seines Vaters erworben und in der Welt ausgebildet hatte. Er legte in den guten Jahren Magazine an, eine sehr lobenswürdige Vorsorge, die heutzutage leider alle Fürsten und ihre Minister, vielleicht mit besserm Glauben an die Vorsehung, aufgegeben haben. Was tat aber der Minister Joseph mit den Magazinen? Rettete er das Land und ward sein Wohltäter? Mit einem Wort, er brachte es in Sklaverei. Erst zahlte man Geld für Korn, dann brachte man seine bewegliche Habe, dann verkaufte man seine Grundstücke, dann seine Person dem König zur Knechtschaft. Das nenne ich doch einen Fürstendiener, einen Finanzrat, wie er sein muß. Mir ist in den Annalen der Menschheit kaum ein größerer Bube bekannt, und der wird aufgestellt vor andern der Jugend und dem Volke zum Vorbild.
(Moses) Joseph Roth 1894-1939 • Einige Werktitel: • Hiob. Roman eines einfachen Mannes. 1930 • Radetzkymarsch. 1932 • Der Leviathan. 1940 • Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht. 1936 • Die Kapuzinergruft. 1938 • Die Legende von heiligen Trinker. 1939
Mt 25, 14-30 Das Gleichnis von den Talenten = Zentnern = Pfunden • [Das Himmelreich ist] Gleichwie ein Mensch, der über Land zog, rief seine Knechte und tat ihnen seine Güter aus; und einem gab er fünf Zentner, dem andern zwei, dem dritten einen, einem jedem nach seinem Vermögen, und zog bald hinweg. Da ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann andere fünf Zentner. Desgleichen, der zwei Zentner empfangen hatte, gewann auch zwei andere. Der aber einen empfangen hatte, ging hin und machte eine Grube in die Erde und verbarg seines Herrn Geld. Über eine lange Zeit kam der Herr dieser Knechte und hielt Rechenschaft mit ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte andere fünf Zentner dar und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner ausgetan; siehe da, ich habe damit andere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der zwei Zentner erhalten hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner gegeben; siehe da, ich habe mit ihnen zwei andere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, das du ein harter Mann bist: du schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht gestreut hast; und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du Schalk und fauler Knecht! wußtest du, daß ich schneide, da ich nicht gesät habe, und sammle, da ich nicht gestreut habe? So solltest du mein Geld zu den Wechslern getan haben, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Zinsen. Darum nehmt von ihm den Zentner und gebt es dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft hinaus in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappen.
Und sieht man denn nicht stündlichAuf Erden weit und breitDaß Gott dem, der nicht gründlichMitwuchert, nicht verzeiht? Nur, die kein Pfündlein habenWas machen denn dann die?Die lassen sich wohl begrabenUnd es geht ohne sie? Nein, nein, wenn die nicht wärenDann gäb’s ja gar kein PfundDenn ohne ihr’ Schwielen und SchwärenMacht keiner sich gesund. Bertolt Brecht: Ballade vom Pfund. Aus: Kinderlieder. 1934 • Als unser Herr auf Erden In Sprüchen sich ergingDa hieß er uns bewerten Den Wucher nicht gering. • Er riet all den BesuchernDie er bei sich empfingMit ihrem Pfund zu wuchernSo gut es irgend ging. • Und daß er Ihm gefalleStrengt sich ja jeder an!So wucherten denn alleDie’s vordem auch getan.
Wilhelm Müller, gen. Griechenmüller 1794-1827 • Einige Werktitel: • Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. 2 Bde., 1821 u. 1824 (Gedichtsammlung, enthält die von Schubert vertonten Zyklen Die schöne Müllerin und Die Winterreise) • Bibliothek deutscher Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. 10 Bde. 1822ff. (Quellenedition) • Lieder der Griechen. 4 Hefte. 1822-26 (lyrische Beiträge zum griechischen Befreiungskampf) • Rom, Römer und Römerinnen 1820 (italienische Reisebeschreibung mit Betonung des Volkslebens)
3.Er floh mit Weib und Kindern Wohl in sein größtes Faß, Das schwamm hoch auf den Fluthen, Und Keiner wurde naß. So hat der Wein die Frommen Dem Wassertod entnommen. 4.Und als die Fluth zerronnen, Da blieb das runde Haus Auf einem Berge sitzen, Und alle stiegen aus, Begrüßten froh das Leben, Und pflanzten neue Reben. Wilhelm Müller: Die Arche Noäh. Aus: Aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten II. • 1.Das Essen, nicht das Trinken, • Bracht' uns um's Paradies. • Was Adam einst verloren • Durch seinen argen Biß, • Das giebt der Wein uns wieder, • Der Wein und frohe Lieder. • 2.Und als die Welt auf's Neue • In Bauches Lust versank, • Und in der Sünde Fluthen • Die Kreatur ertrank, • Blieb Noah doch am Leben, • Der Pflanzer edler Reben.
5.Das Faß blieb auf dem Berge • Zum Angedenken stehn: • Zu Heidelberg am Neckar • Könnt ihr es selber sehn. • Nun wißt ihr, wer die Reben • Am Rhein uns hat gegeben. • 6.Und will noch Einer wagen, • Den heil'gen Wein zu schmähn, • Der soll in Wasserfluthen • Erbärmlich untergehn! • Stoßt an und singt, ihr Brüder: • Der Wein und frohe Lieder!
Strophenform • Das Essen, nicht das Trinken, Bracht' uns um's Paradies. • Was Adam einst verloren Durch seinen argen Biß, • Das giebt der Wein uns wieder, • Der Wein und frohe Lieder.
Günter Grass: Die Blechtrommel, Illustration zu Kapitel „Kein Wunder“
Joh 21, 15-17 Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon Jona, hast du mich lieber, denn mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, HERR, du weißt, daß ich dich liebhabe. Spricht er zu ihm: Weide meine Lämmer! Spricht er wider zum andernmal zu ihm: Simon Jona, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, HERR, du weißt, daß ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Spricht er zum drittenmal zu ihm: Simon Jona, hast du mich lieb? Petrus ward traurig, daß er zum drittenmal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu ihm: HERR, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich liebhabe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! G. Grass: Die Blechtrommel (1959), II. Buch: Die Nachfolge Christi • Schon wollt ich ohne Dank und hastig wie zehn Teufel die Stufen runter und raus aus dem Katholizismus, da berührte eine angenehme, wenn auch befehlerische Stimme meine Schulter: „Liebst du mich, Oskar?“ Ohne mich zu drehen, antwortete ich: „Nicht daß ich wüßte.“ Er darauf mit derselben Stimme, ohne jede Steigerung: „Liebst du mich , Oskar?“ Unwirsch gab ich zurück: „Bedaure, nicht die Spur!“ Da ödete er mich zum drittenmal an: „Oskar, liebst du mich? Jesus bekam mein Gesicht zu sehen: „Ich hasse dich, Bürschchen, dich und deinen ganzen Klimbim!“
Mt 16,18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde • Merkwürdigerweise verhalf ihm mein Anwurf zu stimmlichem Triumph. Den Zeigefinger hob er wie eine Volksschullehrerin und gab mir den Auftrag: „Du bist Oskar, der Fels, und auf diesen Fels will ich meine Kirche bauen. Folge mir nach!“ • Sie können sich meine Empörung vorstellen. Wut gab mir die Haut eines Suppenhuhns. Einen Gipszeh brach ich ihm ab, aber er rührte sich nicht mehr. „Sag das noch einmal“, zischte Oskar, „und ich kratz dir die Farbe ab!“
Geistlich arm sein Nüchtern sein Christus anziehen Die Kinder des Lichtes die Kinder der Welt/ der Finsternis Christus anziehen Wiedergeburt *Der schmale und der breite Pfad *Durchbruch Die Sprache Kanaans • Geistlich fleischlich • Unter dem Gesetz stehen unter dem Evangelium stehen • In der Welt leben • Gesalbte Worte • Zerknirschten Herzens sein • Die Waffen des Geistes/ die Waffen der Gerechtigkeit anlegen
Mt 5, 6 Selig sind die da hungert vnd dürstet nach der Gerechtigkeit Mt 4, 4»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.« Joh 4, 34 Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat Lk 22, 15 Mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen, ehe denn ich leide. Lk 15, 7 Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen. 1Kor 12, 12 Denn gleichwie ein Leib ist, und hat doch viele Glieder, alle Glieder aber des Leibes, wiewohl ihrer viel sind, doch ein Leib sind: also auch Christus. Kol 1, 18 Und er ist das Haupt des Leibes Jeremias Gotthelf: Uli der Pächter. 1849. 21. Kapitel • Es war dies der geistliche Hunger und Durst, welche begehren nach den Worten, welche aus des Herrn Munde gehen, welche kennen die Speise des Erlösers, das Vollbringen von des Vaters Willen. Es war der eigentliche Zug in ihm erwacht, ohne welchen niemand zum Vater kömmt; das wunderbare, unerklärliche Verlangen ward in ihm stark und mächtig, welches Christus mit den Worten ausdrückte: »Mich verlanget, das Passahmahl mit euch zu essen.« Es verlangte ihn nach dem Pfande, daß er einer sei, der wohl in der Irre gewesen, aber wieder gefunden worden und über den nun Freude im Himmel sei, nach dem Bewußtsein, zu denen zu gehören, welche lebendige Glieder sindam Leibe,dessen Haupt Christus ist. […]
Gal 3, 27 Denn wieviel euer auf Christum getauft sind, die haben Christum angezogen. Gal 4,6 Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater! 2Kor 5, 5 Der uns aber dazu bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat. Röm 8, 9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, Apg 25, 23 Und am andern Tage, da Agrippa und Bernice kamen mit großem Gepränge Lk 16, 8 die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichtes • Grade das gleiche Sehnen und Trachten nach der Gemeinschaft ergreifet die, welche Christus angenommen haben. Es zieht sie zu den Brüdern, sie sehnen sich, das Pfand zu erhalten und das Bewußtsein zu stärken, daß sie aufgenommen seien, Christus angehören und vom Vater zu seinen Kindern gezählt werden. Es strömt eine eigene Wonne durch die Berechtigten, wenn sie weilen dürfen in den heiligen Kreisenund empfangen die heiligen Pfänder[…] Davon hat natürlich keinen Begriff, wer den christlichen Zug nicht in sich trägt, nicht geistigen Hunger und Durst hat, sondern bloß fleischliche Triebe und moderne Richtung nach Kneipen, Kaffeehäusern, Spektakeln von allen Sorten, kurz nach etwas Diesseitigem. Solcher Richtungen und Triebe schämt man sich begreiflich nicht, sondern trägt sie offen zur Schau mit großem Gepränge, rühmt sich ihrer mit mächtigem Behagen, […] [Der Christ aber] wird den Hohn der Kinder der Welt nicht scheuen, der Kinder der Welt, welche in ihrem kurzen Sinne keinen Unterschied zu machen wissen zwischen einer veralteten Mode und der Erlösung durch Christum
Friedrich Nicolai: Sebaldus Nothanker. 1773-76 • Sebaldus starrete den Fremden an, ohne ein Wort zu sagen. Dieser glaubte vielleicht, er verstumme aus Bewunderung oder Entzückung; er fuhr also fort: »Ach, Lieber! Laß dich von der alleinwirkenden Gnade ergreifen! Laß dich von der Kraft des Bundesblutes anfassen. Bete herzlich um die Wiedergeburt. Bete, daß du bald zum Durchbruche kommen mögest. Bete, bete, ich will mit dir beten, lieber Bruder!« • Sebaldus sagte sehr kalt: • »Ich pflege das Vaterunser zu beten; darin steht nichts vom Durchbruche, nichts vom Bundesblute, nichts von der Wiedergeburt oder von der alleinwirkenden Gnade.« • Der Pietist schlug die Hände über sein Haupt zusammen und rief aus: • »Welcher Unglauben! Welche fleischliche Sicherheit! O betrüge dich nicht, Mensch! Die Ewigkeit wird kommen! Qual ohne Ende für den Sünder!« • Sebaldus geriet in Eifer und fing an, die Ewigkeit der Höllenstrafen mit den besten ihm beiwohnenden Gründen zu widerlegen, aber der Pietist, der sich von jeher auf inneres Gefühl, nie aber auf Gründe eingelassen hatte, antwortete nichts, sondern schlug nochmals die Hände zusammen, hob die Augen gen Himmel und fing an, so laut er konnte, nachfolgendes Lied zu singen:
[Das Lied handelt von den Schrecken des Gerichtes. Nicolai betont in der Anm., daß er es nicht etwa „zum Behufe dieses Gesprächs erdichtet“ habe, vielmehr habe er es aus einem geläufigen Gesangbuch genommen.] • Dies Lied sang Sebaldus nicht mit, vielmehr zeigte er unter Absingung desselben sichtbare Kennzeichen der Ungeduld. Nach dessen Endigung geriet er einige Minuten lang in ein tiefes Nachsinnen und fragte endlich seinen Mitwanderer: • »Sind Sie denn also ein Wiedergeborner?« • »Ja«, antwortete er mit sehr sanfter Stimme, »das bin ich durch Gottes Gnade. Vor drei Jahren, den 11. September, nachmittags um 5 Uhr, hatte ich zuerst das selige, innere Gefühl der Gnade, die bei mir zum Durchbruche kam; seitdem habe ich an der Gnade beständig gehangen, bin nie der Gnade satt geworden.«